OLG Karlsruhe – Az.: 2 Ws 272/22 – Beschluss vom 26.10.2022
1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 29.8.2022 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 300 € festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller, Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt X begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner – gemeinsam mit weiteren Gefangenen – erfolgten Absonderung im Zeitraum zwischen dem 4.2.2022 und dem 10.2.2022. Anlass dafür war ein von der Justizvollzugsanstalt Y., aus der der Antragsteller am 27.1.2022 überstellt worden war, mitgeteilter Zusammenhang des Antragstellers mit einem unklaren Corona-Infektionsgeschehen in der Justizvollzugsanstalt Y.. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.8.2022, dem Antragsteller zugestellt am 14.9.2022, wies das Landgericht Freiburg den Antrag des Antragstellers zurück. Hiergegen richtet sich die am 21.9.2022 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Y. eingelegte Rechtsbeschwerde des Antragstellers, die am 23.9.2022 beim Landgericht Freiburg einging und mit der die materielle Rechtswidrigkeit der beanstandeten Maßnahme geltend gemacht wird.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
a) Die innerhalb der Monatsfrist des § 118 Abs. 1 StVollzG eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde genügt auch den übrigen sich aus § 118 StVollzG ergebenden formellen Anforderungen.
b) Sie erfüllt auch die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung des § 116 Abs. 1 StVollzG, weil es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Denn die mit der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Absonderung eines Strafgefangenen im baden-württembergischen Strafvollzug zur Verhinderung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus zulässig ist, ist – soweit ersichtlich – noch nicht obergerichtlich entschieden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet.
a) Letztlich dahingestellt bleiben kann, ob eine zur Verhinderung der Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit erfolgte Absonderung – wie das Landgericht angenommen hat – auf die Generalklausel in § 3 Abs. 2 JVollzGB III BW oder – wozu der Senat neigt – auf § 67 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 JVollzGB III BW gestützt werden kann, da nach beiden Vorschriften Voraussetzung der Absonderung ist, dass eine schwerwiegende bzw. erhebliche Störung der Anstaltsordnung nicht anders abgewehrt werden kann. Bei der Beurteilung, ob eine entsprechende Gefahrensituation besteht, steht der Vollzugsanstalt ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum, bei der Entscheidung über die Anordnung der Absonderung ein ebenfalls nur beschränkt gerichtlich überprüfbares Ermessen zu (vgl. zur inhaltlich übereinstimmenden Vorgängervorschrift zu § 67 JVollzGB III BW: Arloth/Krä, StVollzG, § 88 StVollzG Rn. 1 m.w.N.).
b) Die im landgerichtlichen Beschluss vorgenommene Bewertung, dass die auf dieser Grundlage vorgenommene Absonderung des Antragstellers rechtmäßig war, weist keine Rechtsfehler auf.
aa) Das Landgericht durfte seiner Bewertung zugrunde legen, dass der Antragsteller im Zusammenhang mit einem Infektionsgeschehen in der Justizvollzugsanstalt Y. stand. Soweit der Antragsteller zur Begründung der Rechtsbeschwerde ausgeführt hat, dass er in der Justizvollzugsanstalt Y. in einem anderen Gebäude als dem, in dem sich der Krankheitsausbruch zugetragen hat, untergebracht gewesen sei und er auch sonst keinen Kontakt zu Mitgefangenen aus dem anderen Gebäude gehabt habe, ist entsprechender Vortrag im Verfahren vor dem Landgericht nur im Ansatz erfolgt. Zwar findet auch im Antragsschreiben vom 7.2.2022 die Trennung zwischen zwei Gebäuden in der Justizvollzugsanstalt Y. bei der Schilderung des Zeitablaufs Erwähnung. Im Folgenden konzentriert sich der Vortrag aber ganz auf den zeitlichen Abstand zwischen der Verlegung des Antragstellers und der Anordnung der Absonderung, deren Geeignetheit er wegen dieses zeitlichen Abstandes bestritt. Auch in der Erwiderung vom 27.3.2022 auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 8.3.2022, in der sich diese auf die Mitteilung der Justizvollzugsanstalt Y. zur Corona-Verdachtslage berufen hatte, trat der Antragsteller diesbezüglich der Darstellung der Antragsgegnerin nicht entgegen, sondern vertiefte vielmehr allein seinen Vortrag, dass wegen des zeitlichen Ablaufs und seiner Symptomfreiheit eine Absonderung nicht mehr geboten gewesen sei. Bei dieser Sachlage durfte das Landgericht davon ausgehen, dass der unwidersprochen gebliebene Vortrag der Antragsgegnerin zutraf, wonach der Antragsteller im Zusammenhang mit einem Ausbruch von SARS-CoV-2 in der Justizvollzugsanstalt Y. stand.
bb) Die sich daraus ergebende Möglichkeit einer Infektion des Antragstellers mit dem Corona-Virus begründete – wie das Landgericht zurecht angenommen hat – im Hinblick auf die hohe Infektiösität des Virus die Gefahr einer schwer wiegenden Störung der Anstaltsordnung.
Diese Gefahr bestand auch noch im Zeitraum zwischen der Anordnung der Absonderung am 4.2.2022 und ihrer Beendigung am 10.2.2022. Auf der Grundlage der Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts, insbesondere des Epidemiologischen Steckbriefs zu SARS-CoV-2 und COVID-19 (Stand: Ende November 2021) und SARS-CoV-2: Virologische Basisdaten sowie Virusvarianten (Stand 15.7.2022), ist davon auszugehen, dass die durchschnittliche Inkubationszeit (also der Zeitraum zwischen Ansteckung und Ausbruch der Erkrankung) zwar zwischen fünf und sechs Tagen beträgt, in Einzelfällen aber bis zu 14 Tagen erreichen kann. Die Infektiösität, die auch bei symptomfreien Personen und bei Geimpften – wenn auch wahrscheinlich in geringerem Umfang besteht – ist dabei um den Ausbruch der Erkrankung herum besonders hoch, ist aber auch bis zu elf Tage nach Krankheitsausbruch gegeben. Nach alledem bestand die Gefahr einer Weiterübertragung durch den Antragsteller als potenziellem Virusträger während der gesamten Dauer der Absonderung.
cc) Die schnelle Isolierung von (hier: möglichen) Virusträgern bzw. die Quarantäne von Kontaktpersonen wurde und wird vom Robert-Koch-Institut als die zur Ausbreitung der Erkrankung wirksame Maßnahme empfohlen. Danach erweist sich die Absonderung von potenziell infizierten Gefangenen und ihrer engen Kontaktpersonen als zur Verhinderung eines danach nurmehr schwer kontrollierbaren Krankheitsgeschehens als unerlässlich zur Abwehr einer aus einem Ausbruch der Krankheit resultierenden schwer wiegenden Gefahr für die Anstaltsordnung.
Dem kann entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht entgegen gehalten werden, dass die Möglichkeit der Weiterübertragung schon vor der Anordnung der Absonderung bestand. Denn jedenfalls war die Absonderung geeignet und erforderlich, die fortbestehende Gefahr der Weiterübertragung für die Zukunft zu verhindern.
dd) Im Hinblick auf die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts war die Absonderung der möglicherweise infizierten Personen bis zur Klärung durch Tests die allein in Betracht kommende Maßnahme, die deshalb keiner weiteren Begründung mehr bedurfte.
ee) Indem den abgesonderten Personen eigene Möglichkeiten zu Hofgang und Freizeit angeboten wurden, hat sich die dem Antragsteller auferlegte Beschränkung schließlich auch auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG, die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 65 GKG.