OLG München – Az.: 1 U 3824/11 – Beschluss vom 06.03.2012
I. Die Berufung des Klägers zu 1) gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.07.2011, Az. 15 O 2758/11, wird gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.
II. Die Berufungen der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 3) gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.07.2011, Az. 15 O 2758/11, werden durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1) 14 %, die Klägerin zu 2) 43 % und der Kläger zu 3) 43 %.
IV. Der Streitwert für das Verfahren 1. und 2. Instanz wird auf 1.750 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Berufung des Klägers zu 1) ist als unzulässig zu verwerfen, da der Beschwerdewert von 600 € nicht erreicht ist und das Landgericht die Berufung nicht zugelassen hat, § 511 Abs. 2 ZPO. Abzustellen ist auf die Beschwer des Berufungsführers durch die erstinstanzliche Entscheidung. Weder kommt es auf den Gesamtstreitwert des Verfahrens an, noch auf das Interesse des Gegners, noch auf die Streitwertfestsetzung der ersten Instanz, die das Berufungsgericht nicht bindet. Vorliegend hat der Kläger zu 1) ausweislich des Protokolls vom 20.07.2011 und des Urteils vom 20.07.2011 einen Antrag auf Zahlung von 250 € gestellt. Dieser Antrag wurde abgewiesen und bestimmt damit die Beschwer des Klägers zu 1). Schmerzensgeld wurde nur für die Kläger zu 2) und 3) verlangt. Damit bleibt der Beschwerdewert unter der Grenze des § 511 Abs. 2 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO sind gegeben.
II.
Die Berufungen der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 3) werden gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen, da deren Berufungen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht aus anderen Gründen geboten ist, § 522 Abs. 2 ZPO.
1. Die Berufungen der Klägerin zu 2) und des Kläger zu 3) sind fristgerecht eingelegt und zulässig. Die bei Gericht per Fax und im Original eingegangene Berufungseinlegung vom 19.09.2011 enthält unter dem Namen des Klägers zu 1) den handschriftlichen Zusatz „u.a.“. Dies weist auf eine Einlegung für alle erstinstanzlich unterlegenen Kläger hin, auch wenn der Name der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 3) nicht ausdrücklich genannt wurden. Die Berufungsbegründung umfasst die Ansprüche aller Kläger, wie sich aus dem Kopf (B. ua.), den Berufungsanträgen und der inhaltlichen Begründung ergibt. Die Berufungsbegründung nebst den Berufungsanträgen ging innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ein. Hinsichtlich der Beschwer der beiden Kläger ist vom Protokoll des Landgerichts vom 20.07.2011 auszugehen. Demnach verlangen die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) die Zahlung eines Schmerzensgeldes, dessen Höhe mindestens je 750 € betragen soll (und nicht je 1.500 €, wie vom Landgericht angenommen). Der Beschwerdewert des § 511 Abs. 2 ZPO ist damit überschritten. Der Zahlungsantrag in Höhe von 250 € (materieller Schaden) wurde dagegen nur vom Kläger zu 1) gestellt.
2. Die Berufungen sind unbegründet, da die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Schmerzensgeld gemäß. § 839 BGB i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB nicht vorliegen.
Auf den Senatsbeschluss vom 01.02.2012 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Der Schriftsatz der Kläger vom 21.02.2012 gibt keine Veranlassung, die Rechtslage anders zu beurteilen. Der Senat teilt aus den dargelegten Gründen im Ergebnis den Standpunkt des Landgerichts, wonach das Vorgehen der Polizei zwar objektiv rechtswidrig war, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles die Beamten vor Ort jedoch zu dem noch vertretbaren Schluss kommen konnten, zu der Durchsuchung der Wohnung der Kläger befugt zu sein. Dies gilt auch für die Fortsetzung der Durchsuchung nach der Wohnungsöffnung. Mangels Verschuldens der handelnden Amtsträger scheidet damit ein Amtshaftungs- bzw. Schmerzensgeldanspruch der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 3) jedenfalls aus.
Soweit die Kläger in Schriftsatz vom 21.02.2012 einwenden, sie hätten die Durchsuchung nicht verschuldet und auch nicht veranlasst, kommt es hierauf für § 839 BGB nicht an. Entscheidend ist, inwieweit der Polizei ein Schuldvorwurf gemacht werden kann. Auch die verfassungsmäßige Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung, auf die die Kläger im Schriftsatz vom 21.02.2012 hinweisen, ändert rechtlich nichts daran, dass ein objektiver Eingriff in dieses Rechtsgut noch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld zu begründen vermag. Ebenso wenig geht es um die Frage der Verwertung von Beweismitteln, die im Zuge einer nicht gerechtfertigten Durchsuchung gewonnen wurden oder um einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der behördlichen Maßnahme entsprechend § 98 Abs. 2 StPO (vgl. hierzu Lutz Meyer-Goßner, 52. Aufl. Rn. 16 f zu § 106 StPO m.w.N.), die den Klägern offen gestanden hätte. Betroffenen einer Durchsuchung stehen, wie dies verfassungsrechtlich auch geboten ist, sehr wohl Rechtsmittel zur Verfügung, um die gerügte Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Polizei im Zuge der Durchsuchung richterlich überprüfen und feststellen zu lassen. Die deutlich hierüber hinausgehenden Voraussetzungen für die Zuerkennung von Schmerzensgeld (§ 839 Abs. 2 i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB) liegen dagegen – wie dargelegt – nicht vor.
Ausdrücklich offen lässt der Senat weiterhin, ob bei einer vorwerfbar amtspflichtwidrigen Durchsuchung wegen somatischer Beschwerden, wie die Kläger zu 2) und 3) sie geltend machen, die Zuerkennung von Schmerzensgeld in Betracht käme.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 100 Abs. 1, 97 ZPO. Die durch die unzutreffende Berechnung des Streitwertes durch das Landgericht bedingte fehlerhafte Kostenquote zwischen den Streitgenossen wurde von Amts wegen korrigiert (vgl. zur Zulässigkeit der Abänderung der Kostenentscheidung im Rahmen einer Berufungszurückweisung nach § 522 ZPO Senatsbeschluss vom 09.08.2011, Az. 1 U 1571/11). Eine Vollstreckbarerklärung der Entscheidung war entbehrlich, da der Senatsbeschluss kraft Gesetzes vollstreckbar ist.
Ausgehend von den Anträgen der Klagepartei (Zahlung von 250 € an den Kläger zu 1) und von je 750 € Schmerzensgeld an die Klägerin zu 2) und den Kläger zu 3) errechnet sich für die 1. und 2. Instanz ein Streitwert von 1.750 € (vgl. auch Schriftsatz der Kläger vom 22.12.2010, S. 6 oben).