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Anordnung Hausdurchsuchung bei Anfangsverdachts aufgrund von BtM-Zusendungen

Durchsuchung wegen Verdachts auf Drogenhandel

Das Amtsgericht Mannheim hat einen Durchsuchungsbeschluss erlassen, ohne die Beschuldigte vorher anzuhören. Die Durchsuchung umfasste die Person, die Wohnung mit Nebenräumen, die Geschäftsräume mit Nebenräumen und die Fahrzeuge der Beschuldigten. Es wurde nach Betäubungsmitteln, Betäubungsmittelutensilien, Mobiltelefonen, Speichermedien und Computern sowie näher bezeichneten Bestellunterlagen gesucht. Das Gericht begründete den Verdacht damit, dass die Beschuldigte im Jahr 2022 den Entschluss gefasst habe, von ihrer Wohnanschrift aus Marihuana an eine Vielzahl von Abnehmern zu verkaufen und sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. In Ausführung dieses Tatplans habe die Beschuldigte im Oktober 2022 zwei Bestellungen von jeweils ca. 1.100 g Marihuana getätigt.

Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss

Die Beschuldigte legte über ihren Verteidiger Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein. Sie argumentierte, dass der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig sei, da kein Anfangsverdacht bestehe. Der Beschluss beruhe allein auf zwei Paketsendungen, die fünf Monate zurückgelegen haben. Es sei nicht auszuschließen, dass eine andere Person die Bestellungen unter Verwendung der Personalien der Beschuldigten aufgegeben habe. Sonstige Tatsachen zur Begründung eines Anfangsverdachts lägen nicht vor. Die Polizei habe zwar erkannt, dass die Beschuldigte im Jahr 2021 Marihuana bezogen habe, jedoch könne dies nicht zu einem Anfangsverdacht für eine qualitativ völlig andere Tat der internationalen illegalen Einfuhr führen.

Annahme des Anfangsverdachts

Das Gericht wies die Beschwerde der Beschuldigten zurück und stellte fest, dass ein qualifizierter Anfangsverdacht gegenüber der Beschuldigten bestehe. Die zwei Paketsendungen mit jeweils ca. 1 kg Marihuana stammten nach bisherigen Erkenntnissen von dem gleichen Absender in Spanien und waren an die Beschuldigte adressiert. Zudem hatte die Polizei Erkenntnisse darüber, dass die Beschuldigte im Jahr 2021 Bezug zu Betäubungsmitteln hatte und dass ihre Tochter wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz polizeilich in Erscheinung getreten war. Diese Erkenntnisse seien zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer angenommen werden könne, dass die Beschuldigte als Täterin oder Teilnehmerin einer Straftat in Betracht kommt.

Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung

Das Gericht betonte, dass die Durchsuchung verhältnismäßig sei, da nur durch diese geklärt werden könne, ob die Beschuldigte als Täterin oder Teilnehmerin einer Straftat in Betracht kommt und ob weitere Ermittlungen gegen sie eingeleitet werden müssen. Die Durchsuchung sei auch unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung gerechtfertigt, da der Verdacht auf Drogenhandel ein schwerwiegendes Delikt darstelle und die Beschuldigte in der Vergangenheit bereits wegen Betäubungsmitteldelikten aufgefallen sei. Auch die Durchsuchung der Geschäftsräume und Fahrzeuge sei erforderlich, um mögliche Beweismittel sicherzustellen.

Rechtliche Folgen für die Beschuldigte

Wenn bei der Durchsuchung Beweismittel gefunden werden, die den Verdacht gegen die Beschuldigte erhärten, kann gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet werden. Im Falle einer Verurteilung wegen Drogenhandels droht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Zudem kann die Beschuldigte mit dem Verlust ihrer Fahrerlaubnis und der Beschlagnahme ihres Vermögens rechnen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Beschuldigte das Recht hat, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen und dass sie als unschuldig gilt, solange ihre Schuld nicht im Rahmen eines Strafverfahrens nachgewiesen wurde.


Das vorliegende Urteil

LG Mannheim – Az.: 17 Qs 11/23 – Beschluss vom 29.03.2023

1. Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 27. Januar 2023 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Beschuldigte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Mit Beschluss vom 27.01.20?3 hat das Amtsgericht Mannheim ohne vorherige Anhörung die Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen, der Geschäftsräume mit Nebenräumen sowie der Fahrzeuge der Beschuldigten u.a.m nach Betäubungsmitteln, Betäubungsmittelutensilien, Mobiltelefonen, Speichermedien und Computern sowie näher bezeichneten Bestellunterlagen angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, aufgrund der bisherigen polizeilichen Ermittlungen bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2022, spätestens jedoch im Oktober 2022, den Entschluss gefasst habe, von ihrer Wohnanschrift in der pp. Marihuana gewinnbringend an eine Vielzahl von Abnehmern zu verkaufen und zu übergeben, um sich hierdurch eine nicht unerhebliche fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Zu diesem Zweck habe sie beabsichtigt, im Internet Marihuana bei einer unbekannten Person in Spanien zu bestellen und sich dieses an Ihre Wohnanschrift liefern zu lassen.

In Ausführung dieses Tatplans habe die Beschuldigte zu zwei nicht näher bekannten Zeitpunkten im Oktober 2022 zwei Bestellungen von jeweils ca. 1.100 g Marihuana, welche von einem unbekannten Absender in Barcelona versandt worden seien, getätigt. Die Sendungen seien im Briefzentrum Trier am 20.10.2022 und am 25.10.2022 angehalten worden.

Der DurchsuchungsbeschIuss vom 27:012023 wurde am 09.03.2023 vollzogen.

Anordnung Hausdurchsuchung bei Anfangsverdachts aufgrund von BtM-Zusendungen
(Symbolfoto: gaikova/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 14.03.2023 hat die Beschuldigte über ihren Verteidiger Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Zur Begründüng wird im Wesentlichen ausgeführt, der DurchsuchungsbeschIuss sei rechtswidrig, da kein Anfangsverdacht bezüglich einer vorgelegen habe. Er würde sich allein auf zwei Paketsendungen beziehen, die fünf Monate zurückgelegen haben; dies begründe keinen hinreichenden Tatverdacht, da nicht auszuschließen sei, dass eine andere Person unter Verwendung der Personalien der Beschuldigten die Bestellungen aufgeben habe, um die Sendungen in Empfang zu nehmen. Sonstigen Tatsachen zur Begründung eines Anfangsverdachts lägen nicht vor. Die polizeilichen Erkenntnisse, wonach die Beschuldigte im Jahr 2021 von ihrer Tochter Marihuana .in unbekannter Menge bezogen habe, was wiederum nicht zu einem Eintrag im Bundeszentralregister geführt habe, sei nicht geeignet, im Zusammenspiel mit den Postsendungen einen Anfangsverdacht bezüglich einer qualitativ völlig anderen Tat der internationalen illegalen Einfuhr zu begründen. Erschwerend trete hinzu, dass der Durchsuchungsbeschluss vom 27.012023 erstem 09.03.2023 vollzogen worden sei, ohne dass es zwischenzeitlich etwa zu weiteren Zusendungen an die Beschuldigte gekommen wäre.

Dass bei der Durchsuchung dann Betäubungsmittel gefunden worden seien, führe nicht rückwirkend zur Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses.

Das Amtsgericht Mannheim half der Beschwerde nicht. ab. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Beschwerde als unbegründet zu Verwerfen. Der Verteidiget nahm mit Schriftsatz vom 24.04.2023 ergänzend Stellung.

Gemäß § 102 StPO ist eine Durchsuchung bei einer Person zulässig, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte oder kriminalistischer Erfahrungen angenommen werden kann; dass diese als Tätet oder Teilnehmer einer verfolgbaren Straftat in Betracht. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, denn die Maßnahme setze bereits einen Verdacht voraus. Erforderlich ist somit der personenbezogene, qualifizierte Anfangsverdacht einer Straftat, also zureichende tatsächliche Gründe, dass der oder die Verdächtige eine Straftat begangen hat. Dabei ist bereits die begründete Aussicht, relevante Beweismittel zu finden, ausreichend, nicht jedoch vage Anhaltspunkte.

Aufgrund der Ermittlungen der Polizei hat das AG – Ermittlungsrichter Mannheim zu Recht einen solchen qualifizierten Anfangsverdacht gegenüber der Beschuldigten angenommen.

Die zwei innerhalb von 5 Tagen angehaltenen Paketsendungen, die jeweils ca. 1 kg Marihuana enthielten, stammten nach bisherigen Erkenntnissen von dem gleichen Absender in Spanien und waren an die Beschuldigte adressiert. Als Adresse diente eine Postfiliale in der Nähe der Wohnadresse der Beschuldigten. Zudem gab es polizeiliche Erkenntnisse, auch wenn der Bundeszentralregisterauszug der Beschuldigten ohne Eintrag war – dass diese im Jahr 2021 Bezug zu Betäubungsmitteln habe und auch ihre Tochter, von der sie damals Betäubungsmittel bezogen haben soll, ist mehrfach polizeilich wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Erscheinung getreten.

Bei diesen Erkenntnissen handelt es sich um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer nach kriminalistischer Erfahrung angenommen werden kann, dass die Beschuldigte als Täterin oder Teilnehmerin einer verfolgbaren Straftat in Betracht kommt.

Weiterer Feststellungen bedurfte es vorliegend für die Annahme des erforderlichen Anfangsverdachts nicht, da die Durchsuchung gerade dem Auffinden von Beweismitteln dienen soll, um die Ermittlungsbehörden in die Lage zu versetzen, einen Anfangsverdacht zu erhärten oder ggfs. auch zu entkräften. Die insoweit vom Verteidiger zitierte Rechtsprechung zu Paketsendungen mit Betäubungsmittel bezieht sich ausschließlich auf einen hinreichenden Tatverdacht; der für die Eröffnung eines Hauptverfahrens erforderlich ist. Neben dem unterschiedlichen Verdachtsgrad lagen hier neben den Paketsendungen zudem Erkenntnisse vor, dass die Beschuldigte bereits in der Vergangenheit Betäubungsmittel erworben hatte, wodurch nach kriminalistischer Erfahrung auch der erforderliche Anfangsverdacht für die dem Durchsuchungsbeschluss zu Grunde liegenden Tatvorwürfe – auch wenn diese qualitativ erheblicher sind – angenommen werden konnte. Aufgrund der innerhalb eines kurzen Zeitraums versendeten großen Mengen an Betäubungsmitteln, konnte das Amtsgericht zum Zeitpunkt .der Entscheidung drei Monate nach den vorgeworfenen Taten auch davon ausgehen, dass bei der Beschuldigten nicht nur (auch elektronisch gespeicherte) Aufzeichnungen zu den vorgeworfenen Taten, sondern auch noch Betäubungsmittel gefunden werden konnten.

Die Durchsuchung war. auch verhältnismäßig. Nur durch die Durchsuchung bei der Beschuldigten konnte geklärt werden, ob diese als Täterin oder Teilnehmerin einer Straftat in Betracht kommt und ob gegen sie weitere Ermittlungen angestellt werden müssen. insofern werden ihre Grundrechte aufgrund des staatlichen Strafverfolgungsanspruches für die zur Durchsuchung erforderliche Dauer in angemessener Weise eingeschränkt.

Die StPO sieht darüber hinaus weder eine Vollstreckungsfrist noch einen Zeitpunkt vor; an dem ein nicht ausgeführter Durchsuchungsbeschluss unwirksam wird. Der Vollzug des Beschlusses sechs Wochen nach dessen Erlass, gibt im Hinblick auf die hierzu ergangene. Rechtsprechung, von einer Gültigkeitsdauer von maximal .sechs Monaten auszugehen ist (BVerfG Beschluss vom 27.05.1997 2 BvR 1992/92, NJW 1997, 2165), gerade auch im Hinblick darauf, dass es keine Erkenntnisse gibt, dass sich die. Entscheidungsgrundlagen zwischenzeitlich erheblich geändert haben, ebenfalls keinen Grund zur Beanstandung.

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