Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Gemischter Drogenbesitz: Gerichtsurteil klärt Rechtslage
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was bedeutet ein „BtM-Mischfall“ und wie beeinflusst er die Strafe?
- Welche Auswirkungen hat die Cannabis-Legalisierung auf bestehende Strafen für Mischfälle?
- Warum bleibt der Besitz von Amphetamin trotz der Cannabis-Reform strafbar?
- Wie entscheidet das Gericht über die Anwendung neuer Gesetze auf alte Fälle?
- Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus dem Besitz mehrerer Betäubungsmittel?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Fall betrifft den Besitz von Haschisch, Marihuana und Amphetamin durch den Verurteilten.
- Eine Gesamtgeldstrafe wurde bereits im Urteil vom 05.08.2022 verhängt.
- Die Reform des Betäubungsmittelgesetzes hat keine Auswirkungen auf die Einzelstrafe für den Besitz von Cannabis.
- Das Gericht entschied, dass eine Neufestsetzung der Gesamtstrafe nicht erforderlich ist.
- Der Besitz von Amphetamin bleibt weiterhin strafbar nach § 29 BtMG.
- Ein BtM-Mischfall liegt vor, weshalb keine Amnestie gemäß Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB gewährt wird.
- Das Gericht sieht keinen Bedarf für eine extensive Auslegung des Art. 313 EGStGB.
- Die Reformgesetzgebung beabsichtigt keine pauschale Amnestie für Mischfälle.
- Ein anderer Betäubungsmittelbesitz beeinflusst die strafrechtliche Beurteilung und verhindert den Straferlass.
- Die Zuständigkeit für die Entscheidung liegt beim Gericht des ersten Rechtszuges, da der Verurteilte nicht in Strafhaft ist.
Gemischter Drogenbesitz: Gerichtsurteil klärt Rechtslage
Der Besitz von Betäubungsmitteln ist in Deutschland strengstens verboten. Wer gegen dieses Verbot verstößt, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Doch die Rechtslage ist komplex und nicht immer leicht zu durchschauen. So greift zum Beispiel Art. 313 Abs. 3 EGStGB bei sogenannten „BtM-Mischfällen“ – wenn jemand gleichzeitig mehrere Arten von Betäubungsmitteln besitzt. Diese Regelung ist relevant, wenn etwa Cannabis und eine andere, härtere Droge im Besitz einer Person gefunden werden. Die rechtliche Beurteilung solcher Fälle erfordert eine sorgfältige Abwägung aller Umstände.
Hierbei spielt die Frage nach der konkreten Menge und Art der gefundenen Betäubungsmittel eine entscheidende Rolle. Auch der Lebenswandel und die Vorgeschichte des Beschuldigten sind von Bedeutung. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit zahlreiche Urteile zu BtM-Mischfällen gefällt. Diese Urteile sind hilfreich, um die rechtlichen Zusammenhänge besser zu verstehen. Im Folgenden soll ein konkretes Gerichtsurteil zu diesem Thema beleuchtet und seine Bedeutung für die Rechtspraxis näher beleuchtet werden.
BtM-Mischfall und drohende Strafe? Wir helfen Ihnen weiter!
Sind Sie wegen des Besitzes von Cannabis und anderen Betäubungsmitteln angeklagt oder bereits verurteilt? Die Rechtslage ist komplex, insbesondere nach der Cannabis-Reform. Wir kennen die aktuellen Urteile und bieten Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung Ihrer individuellen Situation. Kontaktieren Sie uns jetzt für ein unverbindliches Gespräch und erfahren Sie, wie wir Sie unterstützen können.
Der Fall vor Gericht
Besitz mehrerer Betäubungsmittel: Gericht bestätigt Gesamtgeldstrafe trotz Cannabis-Reform
In einem aktuellen Fall hat das Amtsgericht Köln eine wichtige Entscheidung zu den Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung auf bereits verhängte Strafen getroffen. Ein Verurteilter, der wegen des Besitzes verschiedener Betäubungsmittel zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt worden war, hoffte auf eine Neubeurteilung seines Falles. Das Gericht entschied jedoch, dass die ursprüngliche Strafe Bestand hat.
Der Fall dreht sich um einen Mann, der am 5. August 2022 zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde. Er hatte 8,04 Gramm Haschisch, 8,69 Gramm Marihuana und 1,83 Gramm Amphetamin in seinem Besitz. Für diese Tat wurde eine Einzelstrafe von 50 Tagessätzen verhängt. In die Gesamtstrafe wurde auch eine frühere Verurteilung vom 7. Juni 2022 einbezogen, bei der zweimal 40 Tagessätze als Einzelstrafen festgesetzt worden waren.
Komplexe rechtliche Situation bei Mischfällen von Cannabis und anderen Drogen
Die Herausforderung in diesem Fall liegt in der Beurteilung sogenannter „BtM-Mischfälle“ nach der neuen Gesetzeslage zur Cannabis-Legalisierung. Das Gericht musste entscheiden, ob die Neuregelung Auswirkungen auf die bereits verhängte Strafe hat. Der Fall ist besonders komplex, da neben Cannabis auch Amphetamin im Spiel war, dessen Besitz weiterhin strafbar bleibt.
Das Amtsgericht Köln kam zu dem Schluss, dass die ursprüngliche Gesamtgeldstrafe nicht neu festgesetzt werden muss. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Besitz von Amphetamin nach wie vor gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG strafbar ist. Sie argumentierten, dass in einem solchen Mischfall keine „andere“ Strafvorschrift im Sinne der neuen Regelungen vorliege, sondern der Verurteilte eine einzige Strafvorschrift durch den Besitz verschiedener Betäubungsmittel verletzt habe.
Auslegung der neuen Gesetzeslage bei Altfällen
Das Gericht setzte sich intensiv mit der Frage auseinander, wie die neuen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere Artikel 313 EGStGB, auszulegen sind. Die Richter vertraten die Auffassung, dass eine extensive Auslegung dieser Vorschrift nicht angezeigt sei. Sie betonten, dass Zurückhaltung geboten sei, da es um ein rechtskräftiges Urteil gehe.
Ein zentraler Punkt in der Argumentation des Gerichts war, dass der Gesetzgeber keine pauschale „Amnestieregelung“ geschaffen habe. Vielmehr gehe es nur um Fälle, in denen eine Tat nach neuem Recht nicht mehr strafbar und auch nicht mit einer Geldbuße bedroht ist. Im vorliegenden Fall sei dies aufgrund des Amphetamin-Besitzes nicht gegeben.
Konsequenzen für ähnliche Fälle und zukünftige Rechtsprechung
Die Entscheidung des Amtsgerichts Köln könnte weitreichende Folgen für ähnliche Fälle haben. Sie zeigt, dass die neuen Regelungen zur Cannabis-Legalisierung nicht automatisch zu einer Neubeurteilung aller früheren Verurteilungen führen. Insbesondere in Fällen, in denen neben Cannabis auch andere Betäubungsmittel im Spiel waren, bleiben die ursprünglichen Strafen oft bestehen.
Das Gericht räumte ein, dass diese Auslegung zu gewissen Unschärfen im Einzelfall führen könne, insbesondere wenn neben einer nun straflosen Cannabismenge auch ein weiterhin strafbares Betäubungsmittel besessen wurde. Die Richter argumentierten jedoch, dass es einen entscheidenden Unterschied mache, ob ein Täter nur Cannabis besaß oder daneben auch andere Drogen.
Diese Entscheidung wurde bereits in einem ähnlichen Fall durch das Landgericht Köln bestätigt. Sie dürfte daher richtungsweisend für die zukünftige Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen sein. Betroffene, die in der Vergangenheit wegen des Besitzes verschiedener Betäubungsmittel verurteilt wurden, müssen damit rechnen, dass ihre Strafen trotz der Cannabis-Legalisierung Bestand haben könnten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung des Amtsgerichts Köln verdeutlicht, dass bei BtM-Mischfällen, in denen neben Cannabis auch weiterhin illegale Betäubungsmittel besessen wurden, die ursprünglichen Strafen trotz der Cannabis-Legalisierung Bestand haben. Das Gericht legt Art. 313 EGStGB restriktiv aus und betont, dass keine pauschale Amnestieregelung geschaffen wurde. Diese Auslegung führt dazu, dass in Mischfällen die Strafbarkeit des Besitzes anderer Betäubungsmittel die gesamte Handlung „infiziert“ und somit eine Neubewertung der Strafe verhindert.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie neben Cannabis auch andere illegale Drogen besitzen, müssen Sie trotz der Cannabis-Legalisierung mit einer Bestrafung rechnen. Das Gericht hat entschieden, dass in solchen „Mischfällen“ die ursprüngliche Strafe bestehen bleibt, selbst wenn der Cannabis-Besitz allein nicht mehr strafbar wäre. Der Besitz anderer illegaler Drogen „infiziert“ sozusagen die gesamte Handlung und verhindert eine Strafminderung. Das bedeutet für Sie: Auch kleine Mengen harter Drogen neben Cannabis können dazu führen, dass Sie die volle Strafe erhalten. Es ist daher ratsam, den Besitz jeglicher illegaler Substanzen zu vermeiden, um rechtliche Konsequenzen zu umgehen.
FAQ – Häufige Fragen
Sie suchen fundierte Informationen rund um das Thema Besitz mehrerer Betäubungsmittel? Unser FAQ-Bereich bietet Ihnen umfassende, verständliche Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Betäubungsmittelrecht und den damit verbundenen Konsequenzen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was bedeutet ein „BtM-Mischfall“ und wie beeinflusst er die Strafe?
- Welche Auswirkungen hat die Cannabis-Legalisierung auf bestehende Strafen für Mischfälle?
- Warum bleibt der Besitz von Amphetamin trotz der Cannabis-Reform strafbar?
- Wie entscheidet das Gericht über die Anwendung neuer Gesetze auf alte Fälle?
- Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus dem Besitz mehrerer Betäubungsmittel?
Was bedeutet ein „BtM-Mischfall“ und wie beeinflusst er die Strafe?
Ein „BtM-Mischfall“ bezeichnet in der Rechtspraxis eine Situation, bei der eine Person gleichzeitig im Besitz verschiedener Arten von Betäubungsmitteln ist. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die strafrechtliche Bewertung und das Strafmaß haben.
Bei der rechtlichen Beurteilung solcher Fälle spielt Art. 313 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) eine zentrale Rolle. Diese Vorschrift regelt, wie mit Verurteilungen umzugehen ist, die sowohl eine nach neuem Recht nicht mehr anwendbare Strafvorschrift als auch eine weiterhin gültige Strafnorm betreffen.
Die Strafzumessung bei BtM-Mischfällen gestaltet sich oft komplex. Das Gericht muss die unterschiedlichen Gefährlichkeitsgrade der beteiligten Substanzen berücksichtigen. Dabei wird zwischen „weichen“ Drogen wie Cannabis, „mittelgefährlichen“ Substanzen wie Amphetaminen und „harten“ Drogen wie Heroin oder Kokain unterschieden. Der gleichzeitige Besitz mehrerer Betäubungsmittel kann zu einer deutlichen Strafverschärfung führen.
Ein wichtiger Aspekt ist die Menge der gefundenen Substanzen. Bei geringen Mengen zum Eigenkonsum kann unter Umständen von einer Strafverfolgung abgesehen werden. Bei größeren Mengen oder dem Verdacht auf Handel wird die Strafe in der Regel härter ausfallen. Die Kombination verschiedener Betäubungsmittel erschwert oft die Anwendung von Regelungen zur Strafmilderung bei geringen Mengen.
Die persönlichen Umstände des Täters spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Faktoren wie Vorstrafen, eine mögliche Abhängigkeit oder die Bereitschaft zur Therapie können die Strafzumessung beeinflussen. Bei Ersttätern ohne Vorstrafen besteht unter Umständen die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung gegen Auflagen.
Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung werden die Einzelstrafen für die verschiedenen Betäubungsmittel zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst. Dabei kann es zu einer Erhöhung der schwersten Einzelstrafe kommen. Die Bildung der Gesamtstrafe liegt im Ermessen des Gerichts und soll die Schwere der Gesamttat angemessen widerspiegeln.
Es ist wichtig zu beachten, dass die rechtliche Bewertung von BtM-Mischfällen stark vom Einzelfall abhängt. Die Gerichte haben einen erheblichen Ermessensspielraum bei der Strafzumessung. Eine fundierte Verteidigung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt kann in solchen Fällen von großer Bedeutung sein, um die individuellen Umstände bestmöglich darzulegen und auf eine milde Strafe hinzuwirken.
Die Strafverfolgung bei BtM-Mischfällen zielt nicht nur auf Bestrafung ab, sondern soll auch präventiv wirken und Betroffene zur Therapie motivieren. In geeigneten Fällen kann das Gericht die Strafe zur Bewährung aussetzen und Auflagen wie eine Suchttherapie erteilen. Dies soll der Resozialisierung dienen und künftige Straftaten verhindern.
Für Betroffene ist es ratsam, sich frühzeitig juristischen Beistand zu suchen. Ein erfahrener Strafverteidiger kann die Erfolgsaussichten verschiedener Verteidigungsstrategien einschätzen und gegebenenfalls auf eine Einstellung des Verfahrens oder eine milde Strafe hinwirken. In jedem Fall sollten sich Beschuldigte ihrer Rechte bewusst sein und von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, bis sie anwaltlich beraten wurden.
Welche Auswirkungen hat die Cannabis-Legalisierung auf bestehende Strafen für Mischfälle?
Die Cannabis-Legalisierung hat erhebliche Auswirkungen auf bestehende Strafen für Mischfälle, bei denen neben Cannabis auch andere Betäubungsmittel eine Rolle spielen. Das neue Cannabisgesetz sieht vor, dass bereits verhängte, aber noch nicht vollständig vollstreckte Strafen für Taten im Zusammenhang mit Cannabis, die nach der neuen Rechtslage nicht mehr strafbar sind, erlassen werden müssen. Dies gilt auch für sogenannte deliktische Mischfälle.
Bei Mischfällen, in denen eine Person wegen des Besitzes von Cannabis und anderen Betäubungsmitteln verurteilt wurde, muss die Gesamtstrafe nun gerichtlich neu festgesetzt werden. Die Gerichte müssen dabei den Teil der Strafe, der sich auf den nun legalisierten Cannabis-Besitz bezieht, herausrechnen und die verbleibende Strafe für die anderen Betäubungsmittel neu bemessen. Dies stellt die Justiz vor erhebliche Herausforderungen, da eine Vielzahl von Verfahren überprüft und neu bewertet werden muss.
Die Neubewertung betrifft nicht nur Haftstrafen, sondern auch Geldstrafen und andere gerichtliche Anordnungen. In der Praxis bedeutet dies, dass Personen, die sich wegen Mischdelikten in Haft befinden, möglicherweise vorzeitig entlassen werden müssen, wenn der Cannabis-bezogene Teil ihrer Strafe wegfällt. Bei Geldstrafen kann es zu einer Reduzierung des zu zahlenden Betrags kommen.
Für die Justiz ergibt sich daraus ein erheblicher Arbeitsaufwand. Jeder einzelne Fall muss individuell geprüft werden, um festzustellen, welcher Teil der Strafe sich auf Cannabis bezieht und welcher auf andere, weiterhin illegale Substanzen. Dies gestaltet sich besonders schwierig, da in vielen Fällen die genauen Mengen und Arten der Betäubungsmittel in den Urteilen nicht detailliert aufgeschlüsselt sind.
Die rückwirkende Anwendung des neuen Gesetzes auf Mischfälle wirft auch komplexe rechtliche Fragen auf. Es muss geklärt werden, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen die Cannabis-Menge knapp über der nun legalisierten Grenze lag oder in denen neben dem Besitz auch der Handel eine Rolle spielte. Hier sind die Gerichte gefordert, einheitliche Kriterien für die Neubewertung zu entwickeln.
Für Betroffene bedeutet die neue Rechtslage, dass sie einen Antrag auf Überprüfung ihrer Strafe stellen können. Es ist ratsam, sich dabei von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen, da die rechtliche Situation komplex ist und jeder Fall individuell betrachtet werden muss.
Die Justizministerien der Länder haben bereits begonnen, Richtlinien für den Umgang mit diesen Fällen zu erarbeiten. Ziel ist es, eine möglichst einheitliche Handhabung in allen Bundesländern zu gewährleisten. Dennoch ist zu erwarten, dass es zu regionalen Unterschieden in der Umsetzung kommen wird.
Die Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung auf Mischfälle verdeutlichen die weitreichenden Folgen der Gesetzesänderung für das Strafrechtssystem. Sie erfordern nicht nur eine umfangreiche Überprüfung bestehender Urteile, sondern auch eine Neuausrichtung der Strafverfolgung in Bezug auf Betäubungsmitteldelikte. Dies stellt sowohl für die Justiz als auch für die Strafverfolgungsbehörden eine große Herausforderung dar.
Für die Zukunft bedeutet dies, dass bei der Verfolgung von Betäubungsmitteldelikten noch genauer zwischen Cannabis und anderen Substanzen unterschieden werden muss. Die Ermittlungsbehörden müssen ihre Vorgehensweisen anpassen und bei Durchsuchungen und Beschlagnahmungen präziser dokumentieren, um eine spätere rechtliche Bewertung zu erleichtern.
Die Neubewertung von Mischfällen wird voraussichtlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Betroffene und ihre Angehörigen sollten sich daher in Geduld üben, gleichzeitig aber aktiv ihre Rechte wahrnehmen und gegebenenfalls rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen, um von den Änderungen profitieren zu können.
Warum bleibt der Besitz von Amphetamin trotz der Cannabis-Reform strafbar?
Der Besitz von Amphetamin bleibt trotz der Cannabis-Reform strafbar, weil die Teillegalisierung von Cannabis eine Ausnahme im deutschen Betäubungsmittelrecht darstellt. Das am 1. April 2024 in Kraft getretene Cannabisgesetz (CanG) hat lediglich den Umgang mit Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen legalisiert, während alle anderen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gelisteten Substanzen weiterhin verboten sind.
Amphetamin gehört zu den sogenannten „harten Drogen“ und unterliegt nach wie vor den strengen Regelungen des BtMG. Der Gesetzgeber stuft Amphetamin aufgrund seines hohen Suchtpotenzials und der gesundheitlichen Risiken als besonders gefährlich ein. Die Herstellung, der Besitz und der Handel mit Amphetamin bleiben daher strafbar.
Die unterschiedliche Behandlung von Cannabis und Amphetamin basiert auf verschiedenen Faktoren:
Die Cannabis-Legalisierung zielt darauf ab, den Schwarzmarkt einzudämmen und den Jugendschutz zu verbessern. Bei Amphetamin sieht der Gesetzgeber diese Möglichkeit nicht. Die Risiken und Nebenwirkungen von Amphetamin werden als gravierender eingeschätzt als die von Cannabis.
Für den Besitz von Amphetamin gelten weiterhin die Strafvorschriften des § 29 BtMG. Schon der Besitz geringer Mengen ist grundsätzlich strafbar und kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden. Bei einer „nicht geringen Menge“ droht gemäß § 29a BtMG sogar eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr.
Die Grenze zur „nicht geringen Menge“ liegt bei Amphetamin laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei 10 Gramm Amphetamin-Base. Ab dieser Menge wird eine erhöhte Gefährlichkeit für die Volksgesundheit angenommen.
Im Gegensatz dazu gelten für Cannabis nun deutlich liberalere Regelungen:
Erwachsene dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit besitzen. Zuhause sind sogar bis zu 50 Gramm erlaubt. Auch der Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum ist legal. Diese Mengen übersteigen die Grenze zur „nicht geringen Menge“ bei Cannabis (7,5 Gramm THC) deutlich.
Die unterschiedliche Behandlung zeigt sich auch bei den Strafrahmen. Während der unerlaubte Besitz von Amphetamin in nicht geringer Menge mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, sieht das CanG für vergleichbare Verstöße beim Umgang mit Cannabis nur eine Höchststrafe von drei Jahren vor.
Die Beibehaltung der Strafbarkeit von Amphetamin hat auch praktische Auswirkungen:
Polizei und Staatsanwaltschaft müssen weiterhin gegen den Besitz und Handel mit Amphetamin vorgehen. Eine Einstellung des Verfahrens wegen geringer Menge, wie sie bei Cannabis möglich ist, kommt bei Amphetamin nur in Ausnahmefällen in Betracht.
Konsumenten von Amphetamin können sich nicht auf die neuen Regelungen zum Eigenanbau oder Erwerb über Cannabis-Clubs berufen. Sie müssen weiterhin mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.
Die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Cannabis und Amphetamin verdeutlicht den differenzierten Ansatz des Gesetzgebers im Umgang mit verschiedenen Betäubungsmitteln. Während bei Cannabis ein kontrollierter legaler Zugang ermöglicht wird, bleibt die Prohibition bei Amphetamin und anderen „harten Drogen“ bestehen.
Wie entscheidet das Gericht über die Anwendung neuer Gesetze auf alte Fälle?
Bei der Anwendung neuer Gesetze auf alte Fälle müssen Gerichte sorgfältig abwägen zwischen dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem Bedürfnis nach Anpassung an veränderte Rechtslagen. Grundsätzlich gilt das Rückwirkungsverbot, wonach neue Gesetze nicht auf abgeschlossene Sachverhalte in der Vergangenheit angewendet werden dürfen. Dies soll das Vertrauen der Bürger in die Beständigkeit der Rechtsordnung schützen.
Allerdings unterscheidet die Rechtsprechung zwischen echter und unechter Rückwirkung. Bei der echten Rückwirkung greift ein neues Gesetz in bereits abgeschlossene Sachverhalte ein. Dies ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig, etwa wenn das bisherige Recht unklar und verworren war oder zwingende Gründe des Gemeinwohls es erfordern. Die unechte Rückwirkung betrifft dagegen noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Dauerrechtsverhältnisse. Sie ist grundsätzlich zulässig, sofern keine überwiegenden schutzwürdigen Vertrauensinteressen entgegenstehen.
Gerichte prüfen im Einzelfall, ob eine Rückwirkung vorliegt und ob sie ausnahmsweise zulässig ist. Dabei berücksichtigen sie Faktoren wie die Vorhersehbarkeit der Rechtsänderung, die Schwere des Eingriffs und das Gewicht der Gemeinwohlinteressen. Besonders im Strafrecht gilt ein striktes Rückwirkungsverbot zu Lasten des Täters. Mildere Strafgesetze können jedoch rückwirkend angewendet werden.
Bei Gesetzesänderungen im Betäubungsmittelrecht, wie der teilweisen Legalisierung von Cannabis, müssen Gerichte differenziert vorgehen. Für reine Cannabisdelikte können sie eine rückwirkende Anwendung des milderen Rechts prüfen. Bei Mischfällen mit anderen Betäubungsmitteln ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Die Gerichte müssen abwägen, inwieweit die Teillegalisierung von Cannabis die Gesamtbewertung des Falles beeinflusst.
Übergangsvorschriften in neuen Gesetzen geben den Gerichten oft konkrete Vorgaben für den Umgang mit Altfällen. Sie können beispielsweise bestimmen, dass laufende Verfahren nach altem Recht zu Ende geführt werden oder dass rechtskräftige Urteile unter bestimmten Voraussetzungen anzupassen sind. Solche Regelungen dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.
In komplexen Fällen, insbesondere bei grundlegenden Rechtsänderungen, können Gerichte auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht in Erwägung ziehen. Dieses entscheidet dann verbindlich über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer rückwirkenden Anwendung.
Die Entscheidung über die Anwendung neuer Gesetze auf alte Fälle erfordert stets eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall. Gerichte müssen dabei die Prinzipien der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Einzelfallgerechtigkeit in Einklang bringen. Dies kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nach Art des Rechtsgebiets und den Umständen des konkreten Falls.
Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus dem Besitz mehrerer Betäubungsmittel?
Der Besitz mehrerer Betäubungsmittel wird nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) grundsätzlich strenger geahndet als der Besitz einer einzelnen Substanz. Gemäß § 29 BtMG droht für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Bei mehreren Substanzen prüfen die Gerichte, ob die Grenzwerte zur nicht geringen Menge in der Summe überschritten werden.
Die Rechtsprechung hat für verschiedene Betäubungsmittel spezifische Grenzwerte entwickelt. Werden diese überschritten, liegt in der Regel ein Verbrechen nach § 29a BtMG vor, das mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bedroht ist. Bei Mischfällen mit unterschiedlichen Drogen addieren die Gerichte die Mengen nicht einfach, sondern nehmen eine differenzierte Betrachtung vor.
Besonders relevant ist die Unterscheidung zwischen Cannabis und anderen Betäubungsmitteln. Durch die jüngsten Gesetzesänderungen wird der Besitz von Cannabis in geringen Mengen zum Eigenkonsum anders bewertet als zuvor. Bei Mischfällen mit Cannabis und weiteren Betäubungsmitteln prüfen die Gerichte nun, welcher Anteil auf Cannabis und welcher auf die anderen Substanzen entfällt.
Die Strafzumessung orientiert sich am Gefährdungspotenzial der jeweiligen Substanzen. Harte Drogen wie Heroin oder Kokain werden dabei deutlich strenger beurteilt als Cannabis. Auch die Gesamtmenge und ein möglicher Handelsverdacht fließen in die Bewertung ein. Selbst wenn die Einzelmengen für sich genommen gering sind, kann der Besitz mehrerer Substanzen auf eine gesteigerte kriminelle Energie hindeuten und strafschärfend wirken.
Bei der rechtlichen Beurteilung spielt auch eine Rolle, ob ein gemeinschaftlicher Besitz vorliegt. Werden Betäubungsmittel von mehreren Personen gemeinsam besessen, kann jeder Beteiligte für die Gesamtmenge strafrechtlich belangt werden. Die bloße Anwesenheit oder Kenntnis von Drogen in Gemeinschaftsräumen begründet allerdings noch keinen Mitbesitz im strafrechtlichen Sinne.
Für die Strafbarkeit ist entscheidend, dass der Täter die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel hat und einen entsprechenden Besitzwillen aufweist. Dies setzt voraus, dass er nach Belieben auf die Drogen zugreifen und darüber verfügen kann. Auch mittelbarer Besitz ist strafbar, etwa wenn jemand Betäubungsmittel durch einen anderen aufbewahren lässt.
Bei geringen Mengen zum Eigenverbrauch kann das Gericht gemäß § 29 Abs. 5 BtMG von einer Bestrafung absehen. Diese Möglichkeit besteht auch bei mehreren Substanzen, wird aber restriktiver gehandhabt. Entscheidend sind hier die Gesamtumstände des Einzelfalls.
Neben strafrechtlichen Konsequenzen drohen beim Besitz mehrerer Betäubungsmittel auch verwaltungsrechtliche Folgen wie der Entzug der Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnisbehörden gehen bei polytoxikomanem Konsum regelmäßig von einer fehlenden Fahreignung aus.
Für eine adäquate rechtliche Verteidigung ist es ratsam, frühzeitig einen spezialisierten Strafverteidiger hinzuzuziehen. Dieser kann die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigen und gegebenenfalls auf eine Verfahrenseinstellung oder Strafmilderung hinwirken.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Gesamtgeldstrafe: Eine Geldstrafe, die aus mehreren Einzelstrafen zusammengesetzt ist. Wenn jemand wegen mehrerer Taten verurteilt wird, kann das Gericht eine Gesamtstrafe festlegen, die alle Einzelstrafen berücksichtigt. Im vorliegenden Fall wurden frühere Strafen und neue Vergehen zu einer Gesamtgeldstrafe zusammengefasst.
- BtM-Mischfall: Ein Fall, bei dem eine Person verschiedene Arten von Betäubungsmitteln besitzt. Diese Mischfälle sind juristisch besonders komplex, da unterschiedliche Betäubungsmittel verschiedenen rechtlichen Bewertungen unterliegen. Im konkreten Fall geht es um den Besitz von Cannabis und Amphetamin.
- Straflosigkeit: Der Zustand, in dem eine Handlung nach neuem Recht nicht mehr strafbar ist. Bei der Cannabis-Legalisierung könnte der Besitz kleiner Mengen Cannabis straflos werden. Im Fall von Mischfällen mit anderen Drogen, wie Amphetamin, bleibt die Handlung jedoch strafbar.
- Art. 313 EGStGB: Eine gesetzliche Regelung, die beschreibt, unter welchen Umständen alte Strafen nach einer Gesetzesänderung überprüft und eventuell neu festgesetzt werden müssen. Sie wird angewendet, um zu beurteilen, ob die Cannabis-Legalisierung eine Reduzierung bestehender Strafen erfordert.
- § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG: Eine Vorschrift des Betäubungsmittelgesetzes, die den Besitz bestimmter Drogen wie Amphetamin unter Strafe stellt. Auch nach der Legalisierung von Cannabis bleibt der Besitz von Amphetamin strafbar, was im vorliegenden Fall zur Beibehaltung der Strafe führte.
- Rechtskräftiges Urteil: Ein Urteil, das nicht mehr angefochten werden kann und somit endgültig ist. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein rechtskräftiges Urteil, das trotz der Cannabis-Legalisierung bestehen bleibt, da es um den Besitz mehrerer Betäubungsmittel geht.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG (Besitz von Betäubungsmitteln): Dieses Gesetz verbietet den Besitz von Betäubungsmitteln, zu denen auch Amphetamin gehört. Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte wegen des Besitzes von Amphetamin verurteilt, was auch nach der Cannabis-Legalisierung weiterhin strafbar ist und somit die ursprüngliche Strafe aufrechterhält.
- Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB (Strafbarkeit nach neuem Recht): Dieser Artikel regelt die Überprüfung von Strafen nach einer Gesetzesänderung. Im konkreten Fall wurde geprüft, ob die Cannabis-Legalisierung Auswirkungen auf die Strafe hat. Da aber neben Cannabis auch Amphetamin gefunden wurde, bleibt die Tat strafbar.
- Art. 313 Abs. 3 EGStGB (Mischfälle): Dieser Artikel befasst sich mit Fällen, in denen eine Tat nach neuem Recht nicht mehr strafbar ist, aber eine andere Straftat weiterhin besteht (Mischfall). Im vorliegenden Fall wurde argumentiert, dass dies nicht zutrifft, da der Besitz von Amphetamin weiterhin strafbar ist und somit kein echter Mischfall vorliegt.
- Art. 313 Abs. 4 EGStGB (Gesamtstrafe): Dieser Artikel regelt die Neufestsetzung von Gesamtstrafen nach einer Gesetzesänderung. Im konkreten Fall wurde entschieden, dass die Gesamtstrafe nicht neu festgesetzt werden muss, da die Tat auch nach neuem Recht nicht straflos ist.
- Art. 316p EGStGB (Änderung des BtMG): Dieser Artikel verweist auf Art. 313 EGStGB, um die Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung auf bestehende Strafen zu regeln. Im vorliegenden Fall wurde dieser Artikel herangezogen, um zu prüfen, ob die Strafe aufgrund der Legalisierung von Cannabis angepasst werden muss.
Das vorliegende Urteil
Amtsgericht Köln – Az.: 583 Ds 135/22 – Beschluss vom 16.05.2024
Lesen Sie hier das Urteil…
In der Strafsache wird festgestellt, dass es bei der Gesamtgeldstrafe aus dem Urteil vom 05.08.2022 sein Bewenden hat.
Gründe
Vorliegend steht folgendes in Rede: Gegen den Verurteilten wurde mit Urteil vom 05.08.2022 eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verhängt, weil er 8,04 g/n Haschisch, 8,69 g/n Marihuana und 1,83 g/n Amphetamin besaß (Einzelstrafe: 50 Tagessätze). Einbezogen wurde eine Vorverurteilung vom 07.06.2022 (528 Cs 328/22, Einzelstrafen dort 2x 40 Tagessätze).
Nach neuem Recht stellt sich die Frage möglicher Auswirkungen nur hinsichtlich der hiesigen Einzelstrafe bezüglich des mitbesessenen Cannabis, Art. 316p, 313 EGStGB. Die weiteren Einzelstrafen sind von der Reform nicht betroffen.
Es steht eine Gesamtstrafe in Rede, also ist Art. 313 Abs. 4 EGStGB Ausgangspunkt der Prüfung. Die festgesetzte Gesamtstrafe wäre also neu festzusetzen, wenn „Einzelstrafen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 und andere Einzelstrafen“ in Rede stehen.
Das ist hier nicht der Fall: Hiesige Tat – Besitz von Amphetamin und Cannabis – wäre nach neuem Recht weiterhin nicht gänzlich straflos im Sinne von Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB, da ein BtM-Mischfall in Rede steht. Die Tat wäre jedenfalls hinsichtlich des Amphetaminbesitzes weiterhin gem. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG zu bestrafen.
Fraglich könnte sein, ob mittelbar Handlungsbedarf besteht, weil neben dem Amphetamin Cannabis besessen wurde. Die Staatsanwaltschaft erwägt dies offensichtlich und will insoweit Art. 313 Abs. 3 EGStGB (mittelbar) anwenden.
Dies zu Unrecht: In einem BtM-Mischfall wie hier steht keine „andere“ Strafvorschrift im Sinne der Norm in Rede, sondern der Verurteilte hat eine Strafvorschrift, § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG aF, durch den Besitz verschiedener Betäubungsmittel „einmal“ verletzt. Ohnehin verweist Art. 313 Abs. 4 EGStGB, der als entscheidende Norm für die hier in Rede stehende Gesamtstrafe Ausgangspunkt der Prüfung ist (s. o.), selbst überhaupt nicht auf Art. 313 Abs. 3 EGStGB.
Nun mag man meinen, dass die Regelung des Art. 313 Abs. 3 EGStGB in die des Abs. 4 gleichsam hineingelesen werden müsste – was das Gesetz bei klarem Wortlaut aber so gerade nicht regelt. Oder man meint, dass der Gesetzgeber diesen Fall schlicht nicht geregelt hat. Die anzutreffende Auffassung, dem Gesetzgeber sei es pauschal um eine „rückwirkende Amnestie“ gegangen, wird hier jedenfalls nicht geteilt: Ausgangspunkt der „Amnestie“ ist die völlige Straf- bzw. Bußgeldlosigkeit der Tat nach neuem Recht, Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB. Das ist in einem BtM-Mischfall aber gerade nicht der Fall. Art. 313 Abs. 3 EGStGB knüpft an diese Prämisse der nach neuem Recht straflosen Handlung mittelbar an und regelt seinem Wortlaut nach (nur) den „echten“ Mischfall, d. h. das Zusammentreffen von wegfallender Strafbarkeit und einer anderen verletzten Strafnorm. Nur dann stehen – wie Abs. 3 voraussetzt – überhaupt zwei Strafnormen, eine wegfallende und eine andere tateinheitlich verletzte Norm, überhaupt in Rede.
Es ist nicht angezeigt, Art. 313 EGStGB extensiv auszulegen. Vielmehr ist Zurückhaltung geboten, steht immerhin ein rechtskräftiges Erkenntnis in Rede. Der Reformgesetzgeber hat sich mit Art. 316p EGStGB für einen pauschalen Verweis auf Art. 313 EGStGB entschieden, der einen – letztlich hinzunehmenden – differenzierte Regelungsmechanismus enthält. Eine pauschale „Amnestieregelung“ hat der Reformgesetzgeber jedenfalls nicht geschaffen. Es geht – nur – um die Frage, ob eine Tat in Rede steht, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar und sogar auch nicht mit Geldbuße bedroht ist, Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB bzw. darum, ob der Täter wegen einer Handlung verurteilt würde, die eine nach neuem Recht nicht mehr anwendbare Strafvorschrift und zugleich eine andere Strafvorschrift verletzte, Art. 313 Abs. 3 S. 1 EGStGB. Entscheidend ist also die – völlige – Straflosigkeit, nicht eine ggf. nach neuem Recht zu verhängende niedrigere Strafe oder sogar bloße Geldbuße. Träfe die Gegenansicht zu, müsste auch in sämtlichen Fällen betreffend Taten mit neuerdings abgesenktem Strafrahmen eine Neufestsetzung der ehedem verhängten Strafen erfolgen. Das verlangt Art. 313 EGStGB ohne Zweifel nicht und wird so auch nicht vertreten; es gibt einen klaren Unterschied zwischen der Regelung des Art. 313 EGStGB und der des § 2 Abs. 3 StGB.
Das alles mag zu gewissen Unschärfen im Einzelfall für vom neuen Recht profitierende und nicht profitierende Fälle führen, namentlich etwa dann, wenn neben einer neuerdings straflosen Cannabismenge auch ein anderes, weiterhin strafbares, Betäubungsmittel besessen wurde. Richtigerweise „infiziert“ das weitere Betäubungsmittel die konkrete Handlung und verhindert damit den Straferlass. Das ist aber nichts, was von hieraus zu beheben ist, auch nicht in – was hier schon nicht vorliegt – etwaigen „krassen Missverhältnissen“. Denn letztlich macht es, woran das Gesetz anknüpft, eben einen Unterschied, ob ein Täter „nur“ Cannabis besaß oder daneben eben auch ein anderes Betäubungsmittel. Für diese engere Auslegung spricht auch die Rechtsprechung des BGH und des OLG Köln zu § 5 Straffreiheitsgesetz 1970, auf den Art. 313 Abs. 3 EGStGB u. a. letztlich zurückgeht (vgl. BT-Drucks. 7/550 S. 464; VI/1552, S. 38 und BT-Drucks. VI/486; BGH, Beschluss vom 18.11.1971 – 1 StR 302/71 und OLG Köln, Urteil vom 24.11.1970 – Ss 198/70).
Hiesige Auffassung ist in der Sache 582 Ds 95/22 durch das LG Köln (323 Qs 45/24) bestätigt worden; der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, davon abzugehen.
Für das Verfahren bestimmt Art. 313 Abs. 5 EGStGB, dass die §§ 458, 462 StPO sinngemäß gelten. Die gerichtliche Zuständigkeit in Fällen der §§ 458, 462 StPO bestimmt sich nach § 462a StPO (s. Nestler, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2019, § 458 Rn. 1; ausf. Appl, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 9. Auflage 2023, § 458 Rn. 2). Zuständig ist – der Verurteilte ist nicht in Strafhaft – daher das Gericht des ersten Rechtszuges.
Der Verurteilte konnte, da unbekannten Aufenthaltes, nicht gem. Art. 313 Abs. 5 EGStGB, §§ 458, 462 StPO angehört werden. Aus dem gleichen Grunde kann eine Zustellung des hiesigen Beschlusses an ihn nicht erfolgen, weshalb die öffentliche Zustellung desselben angeordnet