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Beleidigung durch Bezeichnung Neger

Ein Neuanfang: Reduzierte Strafe nach Berufungsverfahren

In einer aufschlussreichen juristischen Auseinandersetzung in Görlitz wurde das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts Görlitz von 2020 in einem Berufungsverfahren aufgehoben und neu bewertet. Der Fall drehte sich um einen Angeklagten, der wegen Beleidigung in mehreren Fällen sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden war. Die ursprüngliche Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 23 € wurde in der Berufung reduziert und der Angeklagte wurde für einige Anklagepunkte freigesprochen.

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Die Wendung in der Berufung

Nach dem Einspruch gegen das erste Urteil kam es zu einer Neuauflage der Verhandlung. Aufgrund der Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wurde das ursprüngliche Urteil aufgehoben. Dies führte zu einem erheblichen Umschwung im Fall des Angeklagten. Obwohl die Staatsanwaltschaft auf einer vollständigen Verurteilung bestand, konnte der Angeklagte in einigen Punkten einen Freispruch erzielen.

Der Fall im Detail

Der Angeklagte war ursprünglich wegen dreifacher Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Bei der Beweisaufnahme während der Berufungsverhandlung ergaben sich jedoch neue Erkenntnisse. Die Situationen, die zu den Beleidigungen führten, wurden noch einmal genauestens unter die Lupe genommen. Dabei handelte es sich um zwei Vorfälle, bei denen der Angeklagte beleidigende Äußerungen gegenüber Polizeibeamten gemacht hatte.

Reduzierte Strafe und Kostenaufteilung

Durch die Neubewertung der Anklagepunkte während des Berufungsverfahrens konnte die ursprünglich verhängte Geldstrafe reduziert werden. Der Angeklagte wurde letztendlich wegen Beleidigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen zu je 13 € verurteilt. Die Kosten der Berufung und die notwendigen Auslagen wurden jeweils zur Hälfte vom Angeklagten und der Staatskasse getragen.

Ein geteiltes Urteil

Das Urteil zeigt die Wichtigkeit von Berufungsverfahren in unserem Rechtssystem auf. Sie bieten die Möglichkeit, Urteile zu überprüfen und neu zu bewerten. Im Fall des Angeklagten führte dies zu einer Reduzierung seiner Strafe und einem teilweisen Freispruch. Dennoch bleibt die ernsthafte Natur der Anklagepunkte bestehen und die getroffene Entscheidung sendet eine klare Botschaft an die Gesellschaft hinsichtlich der Wichtigkeit des Respekts gegenüber Gesetzeshütern.


Das vorliegende Urteil

LG Görlitz – Az.: 5 Ns 150 Js 30310/18 – Urteil vom 01.07.2021

1. Auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird der Angeklagte unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Görlitz vom 27.11.2020 und unter Freispruch im Übrigen wegen Beleidigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen zu je 13,– € verurteilt.

2. Die Kosten der Berufung der Staatsanwaltschaft und die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten gehen zu Lasten der Staatskasse. Soweit der Angeklagte auf seine Berufung hin freigesprochen wurde, trägt die Staatskasse die Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten in beiden Rechtszügen. Im Übrigen tragen die Kosten der Berufung des Angeklagten und seine insoweit notwendigen Auslagen jeweils zur Hälfte er selbst und die Staatskasse. Die Berufungsgebühr wird um die Hälfte ermäßigt.

Angewendete Vorschriften: §§ 185, 53 StGB, §§ 473 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, 467 Abs. 1 StPO

Gründe

(Abgekürzt gem. § 267 Abs 4, Abs 5 StPO)

I.

Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Görlitz vom 27.11.2020 wegen Beleidigung in 3 Fällen, davon in 1 Fall in 2 tateinheitlichen Fällen und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in 2 tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 23,– € verurteilt – §§ 185, 194, 113 Abs. 1, 52, 53 StGB.

Die zulässige Berufung des Angeklagten war zum Teil, die Berufung der Staatsanwaltschaft war ganz überwiegend nicht erfolgreich.

II.

Soweit der Angeklagte verurteilt wurde, wurden in der Beweisaufnahme der Berufungsverhandlung folgende Feststellungen getroffen:

1.

Am 14.10.2018 zwischen 00.10 Uhr und 00.20 Uhr bezeichnete der Angeklagte in seiner damaligen Wohnung … in … die dies wahrnehmende dunkelhäutige Polizeibeamtin … u. a. als,,scheiß Negeralte“ und „Negerschlampe“, um seine Missachtung ihr gegenüber auszudrücken. Ihm war dabei bewusst, dass seine Formulierungen ihrem sozialen Sinn nach als Herabsetzung zu verstehen sind. Die Zeugin … und der weitere Polizeibeamte, der Zeuge …, verließen die Wohnung.

Sowohl die Zeugin … als auch deren Dienstvorgesetzter haben fristgerecht schriftlichen Strafantrag gegen den Angeklagten gestellt.

2.

Am 20.04.2019 gegen 22.15 Uhr beleidigte der Angeklagte im Treppenhaus des Wohnhauses … in … den dies wahrnehmenden Polizeibeamten PK … mit den Worten,,lch kann dir unten einen blasen, aber sonst nichts“, um seine Missachtung ihm gegenüber auszudrücken. Der Zeuge hatte den Angeklagten zuvor gebeten, sich einem Atemalkoholtest durch „Blasen in das Röhrchen“ zu unterziehen. Dem Angeklagten war bei der Äußerung bewusst, dass seine Formulierungen ihrem sozialen Sinn nach als Herabsetzung zu verstehen sind.

Strafantrag wurde durch den Zeugen PK … sowie dessen Dienstvorgesetzten form- und fristgerecht gestellt.

Soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, wurden folgende Feststellungen getroffen:

3.

Nachdem die Polizeibeamten nach der Tat unter 1. die Wohnung des Angeklagten verlassen hatten, hielten sich vor dem Wohnhaus … 2 Gruppen von Polizeibeamten im Abstand von etwa 5 Metern zueinander auf.

Dabei handelte es sich um u.a. die Zeugen … und … von der Landespolizei sowie in der anderen Gruppe um die Zeugen …, … und … von der Bundespolizei.

Der Angeklagte führte nun mit einem Beamten der Bundespolizei aus einem Fenster im zweiten Stock des Hauses einen Wortwechsel, in welchem er die Polizisten davon überzeugen wollte, seinen Weisungen zu folgen, weil deren Dienstbezüge, wie er meinte, aus seinen Steuergeldern finanziert würden.

Im Zuge dieses Gesprächs äußerte der Angeklagte dann die Worte,,Idioten“ und „verpisst euch“, um seine Missachtung den Beamten gegenüber auszudrücken.

Strafantrag haben lediglich die Zeugen … und … sowie deren Dienstvorgesetzten gestellt.

4.

Der Angeklagte widersetzte sich am 21.03.2019 zwischen 00.04 Uhr und 01.00 Uhr im Treppenhaus des Mehrparteienhauses in … der Gewahrsamnahme im Rahmen der Störerbeseitigung durch Wegziehen des rechten Armes aus dem Griff des Polizeibeamten … . Dieser hatte den Angeklagten am Arm angefasst, aber nicht fest zugegriffen. In der Folge griffen die Polizeibeamten … und … den Angeklagten von zwei Seiten an den Armen und schoben und zogen ihn die Treppe des Wohnhauses hinunter, wobei sie ihn auch teils stützen mussten, um zu vermeiden, dass er fiel. Der 55-jährige Angeklagte ist deutlich übergewichtig und leicht gehbehindert.

Im Zuge der Gewahrsamnahme bezeichnete der Angeklagte die Polizeibeamtin … als „Negerin“ und den Beamten … als „Junge“

III.

Der Angeklagte ist danach der Beleidigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen schuldig – §§ 185, 194, 53 StGB (II. 1. und 2.).

Die Bezeichnung allein mit dem Begriff „Neger“ im Fall II. 1. beinhaltet allerdings noch keine Ehrverletzung (dazu unten). In der kumulativen Verwendung mit den weiteren, bereits alleinstehend ehrverletzenden Begriffen „scheiß …Alte“ und „…Schlampe“ liegen dessen ungeachtet aber ehrverletzenden Angriff auf die Zeugin, wie von dem Angeklagten auch bezweckt. Der Ehrangriff war nicht gerechtfertigt.

Die am 20.04.2019 an den Zeugen … anlässlich des von diesem angestrebten Atemalkoholtests gerichtete Aussage, „Ich kann Dir unten einen blasen, aber sonst nichts“ gibt ungerechtfertigt die ehrverletzende Missachtung gegenüber dem Zeugen … kund.

Mit der gewählten Formulierung hat der Angeklagte dem Zeugen … einen sexuellen Kontakt in Gestalt des Oralverkehrs unter Männern angetragen. Zwar enthält das Ansinnen sexuellen Kontakts oder sexuellen Verhaltens allein kein Beleidigungsmoment. Etwas anderes gilt aber, wenn die Äußerung eine über das Unpassende, Anstößige und Abwegige hinaus gehende Missachtung der Person zum Ausdruck bringt. So liegt es hier aber, wie der Angeklagte auch erkannt und gewollt hat. Das Durchführen des Oralverkehrs in Dienst mit fremden, dienstlich in Kontakt geratenen Personen durch einen Polizeibeamten ist nämlich verwerflich und ehrenrührig. Der Angeklagte hat mit seiner Äußerung bewusst und gewollt zum Ausdruck gebracht, daß das sittliche Empfinden, wie auch den sozialen Geltungswert des – von ihm als Polizeibeamten erkannten – Adressaten und sein diesbezüglicher Anerkennungsanspruch auf diesem Niveau lägen.

Hinsichtlich des Tatvorwurfs II. 3. war der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war nicht auszuschließen, dass er seine Äußerungen – allein – an die vor Ort befindliche Gruppe der Beamten der Bundespolizei richten wollte, mit denen er zu dieser Zeit diskutierte, nicht aber an die zusammen in einigem Abstand zu diesen stehenden Landespolizisten. Damit fehlt es hinsichtlich der Strafantragsteller, die die Äußerung allerdings ebenfalls gehört haben, jedenfalls am nachweislichen Vorsatz des Angeklagten. Einer Ahndung der Straftat zum Nachteil der Bundespolzisten steht die fehlende Prozessvoraussetzung des Strafantrages entgegen.

Hinsichtlich des Tatvorwurfs des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (II. 3.) – § 113 Abs 1 StGB – war der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen frei zu sprechen.

Zwar war die Diensthandlung in Gestalt der Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Gewahrsamnahme in formeller Hinsicht rechtmäßig.

Jedoch fehlt es hinsichtlich des sich Befreiens des Angeklagten aus dem nach den Feststellungen der Beweisaufnahme nicht sehr festen Griff des Polizeibeamten … an der Anwendung von Gewalt im Sinne der Vorschrift (vgl. OLG Dresden, Beschluss v. 21.07.14 – 2 OLG 21 Ss 319/14 -, juris).

Ebensowenig konnte bewiesen werden, dass sich der Angeklagte mit Gewalt und beabsichtigt dagegen zur Wehr gesetzt hat, von den Beamten die Treppe des Wohnhauses herunter geführt zu werden. Das Ergebnis der Beweisaufnahme hat vielmehr die Möglichkeit offen gelassen, dass er sich nicht gegen die Polizeibeamten wehren wollte, sondern aufgrund seiner Körperfülle und der eingeschränkten Beweglichkeit im engen Treppenhaus von den ihn festhaltenden Polizeibeamten gestützt und gehalten werden musste, um nicht unbeabsichtigt zu stürzen.

Hinsichtlich der Ansprache der Polizeibeamten als „Negerin“ und „Junge“ stehen einer Verurteilung des Angeklagten Rechtsgründe entgegen.

Die Anrede eines anderen erwachsenen Menschen als „Junge“ kann zwar durchaus als persönlichkeitsverletzend aufgefasst werden. Jedoch beschränkt sich insoweit der Missgriff auf eine zwar unhöfliche und distanzlose Formulierung, der aber noch kein abwertender Charakter beigemessen werden kann, wie es der Beleidigungstatbestand erfordern würde.

Auch die Verwendung des Begriffs „Negerin“ gegenüber einer Person dunkler Hautfarbe beinhaltet noch keine Kundgabe der Missachtung. Zwar mag darin ein Abweichen von den derzeitig vielfach proklamierten informellen Sprachregelungen sogenannter Political Correctness liegen, also dem Bemühen, die öffentliche Kommunikation im Rahmen von Begriffen und Floskeln zu halten, die möglichst wenigen Personen und gesellschaftlichen Gruppen Anlass zum Protest geben.

Die Verwendung des Begriffs „Neger“ wird von den Befürwortern dieser Sprachregelungen heute wohl mehrheitlich als herabwürdigend und deshalb politisch unkorrekt verstanden, ohne dass dies aber nachweislich einem inzwischen gefestigte allgemeinen Sprachverständnis entspräche (vgl. Koschinka, Der Neger in der Rechtsprechung – Anmerkung zum Beschluss des LG Karlsruhe vom 20.07.2016, Az.: 4 Qs 25/16 – https://www.academia.edu/35922693/Der_Neger_im_Recht, m.w.N.).

Anlass, von der Verwendung des Begriffs „Neger“ – und zwar ohne erkennbar abwertende Tendenz – in Urteilen und Beschlüssen Abstand zu nehmen, hat die Rechtsprechung dementsprechend bis vor einigen Jahren (vgl. z.B. BayObLG München, Beschluss vom 22.03.1990, RReg 5 St 136/89 – juris) ganz überwiegend nicht gesehen. Auch in der Literatur wurde der Begriff völlig unbefangen und nicht abwertend verwendet, namentlich auch von solchen Autoren, die des Rassismus völlig unverdächtig sind (wie z.B. Michael Ende, Astrid Lindgren, Jean Genet, Mark Twain, Joseph Conrad, … die Liste ließe sich ohne absehbares Ende fortsetzen).

Ein Verstoß gegen informelle Sprachregeln der Political Correctness mögen zwar im Einzelfall unhöflich oder grob sein, weshalb jüngere gerichtliche Entscheidungen den Begriff meiden. Ein solcher Verstoß ist aber noch nicht ohne Weiteres eine Beleidigung. Dies gilt konkret auch für die Verwendung des Begriffs „Neger“, selbst wenn er mit rassistischer Konnotation verwendet würde (so zutreffend Fischer, StGB, § 185, Rn. 12a, 12b; vgl. Koschinka, a.a.O.; anders LG Karlsruhe, Beschluss vom 20. Juli 2016 – 4 Qs 25/16 –, juris)).

IV.

§ 185 1. Alt. StGB sieht als Strafmaß Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe von 5 – 360 Tagessätzen vor.

Zugunsten des Angeklagten war jeweils zu berücksichtigen, dass er unbescholten ist und die Taten schon geraume Zeit zurückliegen.

Das Strafmaß konnte deshalb, auch unter Berücksichtigung des Grades der jeweiligen Ehrverletzung, für beide Taten noch dem unteren Bereich des Strafrahmens entnommen werden, so daß jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen tat- und schuldangemessen war.

Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände war aus den Einzelstrafen eine Gesamtgeldstrafe von 45 Tagessätzen zu bilden – § 53 StGB.

Der Bemessung der Tagessatzhöhe war zugrunde zu legen, dass der verheiratete Angeklagte seinen Lebensunterhalt teils aus Sozialhilfeleistungen bestreitet, die seinen Grundbedarf in Höhe von 401,– € monatlich absichern. Dieser Betrag war der Berechnung des einzelnen Tagessatzes auf 13,– € zugrunde zu legen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs 1, Abs 2, Abs 4, 467 Abs 1 StPO.

 

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