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Beleidigung eines Polizeibeamten als „Opfer“ – Strafbarkeit

KG – Az.: (3) 121 Ss 170/21 (62/21) – Beschluss vom 11.02.2022

In der Strafsache wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a. hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts am 11. Februar 2022 beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. November 2021 wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

G r ü n d e :

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 26. April 2021 wegen Beleidigung in drei Fällen sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, und eine zwölfmonatige Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Zu den vorgeworfenen Taten hat das Amtsgericht festgestellt: „Dem Angeklagten war […] zuletzt noch vorgeworfen worden, am 24.09., 25.09., 02.11. und 11.11.2020 drei Vergehen der Beleidigung sowie eines des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis begangen zu haben.“ Als Einzelstrafen hat das Amtsgericht wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 24. September 2020 eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, wegen der Beleidigung vom 25. September 2020 eine Freiheitsstrafe von drei Monaten und wegen der Beleidigungen vom 2. bzw. 11. November 2020 eine Freiheitsstrafe von vier bzw. fünf Monaten verhängt.

Die gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten gerichtete Berufung hat die Staatsanwaltschaft Berlin vor der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Diese Beschränkung hat das Landgericht wegen unzureichender Feststellungen zum Schuldspruch jedoch als unwirksam angesehen. Die Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich der drei Fälle der Beleidigung jeweils eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 70,00 Euro und eine Verurteilung zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe erstrebt.

Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 11. November 2021 auf die Berufung der Staatsanwaltschaft – nachdem es Feststellungen zum Schuldspruch in eigener Verantwortung neu getroffen hat – das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass für die drei Fälle der Beleidigung jeweils eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 70,00 Euro festgesetzt worden und die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung entfallen ist.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er zuletzt ausschließlich die Verletzung materiellen Rechts rügt. Der Angeklagte macht geltend, dass die Bezeichnung als „Opfer“ nicht den Tatbestand der Beleidigung erfülle, dass im Rahmen der Strafzumessung die Darstellung der Vorstrafen nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge und der drohende Bewährungswiderruf in anderer Sache rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt worden sei und dass die Festsetzung der Geldstrafen und die Verurteilung zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe gegen das Übermaßverbot verstoßen würden.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 29. Dezember 2021 beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision ist nach Maßgabe von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

Die auf die – zuletzt ausschließlich erhobene – Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch, insbesondere auch die Feststellungen zu der Tat vom 25. September 2020 im Hinblick auf den Schuldspruch der Beleidigung gemäß § 185 StGB.

Die Beleidigung setzt einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung voraus (BGHSt 1, 288).

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte am 25. September 2020 den Kontaktbereichsbeamten PK A im Rahmen der Ahndung einer Verkehrsordnungswidrigkeit als „Opfer“, „Schwanzlutscher“ und „Hurensohn“ beschimpft habe (UA S. 4).

Soweit der Revisionsführer beanstandet, die von ihm getätigte Bezeichnung des Polizeibeamten als „Opfer“ sei nicht als Beleidigung, sondern als bloße Meinungsäußerung zu werten, kann er damit nicht durchdringen.

Selbst wenn der Begriff „Opfer“ in der juristischen Fachsprache eine neutrale und in der Jugendsprache eine scherzhafte Bedeutung hat bzw. haben kann (vgl. Pohlreich, JA 2020, 744), so ist der Äußerungsinhalt unter Berücksichtigung der Begleitumstände (vgl. Fischer, StGB 69. Aufl., § 185 Rn. 8) – hier die Äußerung eines Bürgers gegenüber einem Polizeibeamten im Rahmen der Ahndung einer Verkehrsordnungswidrigkeit – als tatbestandsrelevante Kundgabe der Miss- und Nichtachtung zu interpretieren. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte neben der Bezeichnung „Opfer“ zugleich die Beschimpfungen „Schwanzlutscher“ und „Hurensohn“ geäußert hat.

2. Die Strafzumessung ist keinen Bedenken ausgesetzt.

Beleidigung eines Polizeibeamten als „Opfer“ - Strafbarkeit
(Symbolfoto: Nehris/Shutterstock.com)

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16 -; Senat, Urteil vom 25. Mai 2021 – (3) 121 Ss 53/21 (24/21) -, beide juris). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ nach § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (vgl. für viele BGHSt 34, 345). Dabei ist das Tatgericht lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 336 m.w.N.; Senat, Urteil vom 25. Mai 2021 a.a.O.).

a) Entgegen dem Revisionsvorbringen genügt die Darstellung der zulasten des Angeklagten bei der Festsetzung der Einzelstrafen für die drei Fälle der Beleidigung berücksichtigten Vorstrafen den Mindestanforderungen, die an die entsprechenden Feststellungen zu stellen sind.

Soweit Vorstrafen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden sollen, müssen sie in dem Umfang und in denjenigen Einzelheiten mitgeteilt werden, in denen sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind (vgl. KG, Beschluss vom 8. März 2013 – (4) 161 Ss 21/13 (28/13) -, juris; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 2. September 2008 – 2 Ss 150/08 -, juris m.w.N.). Demgemäß hat das Tatgericht, das – wie vorliegend – aus Vorstrafen des Angeklagten Schlüsse zu dessen Nachteil ziehen will, so umfassende Angaben zu den Vorverurteilungen zu machen, dass das Revisionsgericht eine rechtliche Überprüfung der Zumessungserwägungen vornehmen kann. Das erfordert in der Regel Darlegungen über den Zeitpunkt der Verurteilungen, die Art und Höhe der erkannten Rechtsfolgen, darüber hinaus grundsätzlich aber auch – in kurzer, präziser Zusammenfassung – über die zugrundeliegenden Straftaten (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 266; KG, Beschluss vom 8. März 2013 a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 267 Rn. 18 m.w.N.). Von einer genauen Darlegung der den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte soll jedoch dann abgesehen werden können, wenn in Fällen geringerer Bedeutung der Sachverhalt schon aus der Angabe der angewendeten Vorschriften hinreichend erkennbar wird oder wenn etwa die Auflistung der Vorstrafen nur allgemein der Darlegung anderer Fälle der Missachtung strafrechtlicher Normen durch den Angeklagten dient, also ersichtlich in keiner Weise auf Art und Schwere früher begangener Straftaten abgestellt worden ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 2. September 2008 a.a.O.).

Soweit die Revisionsbegründung die Darlegungen im Urteil und insbesondere die vom Landgericht angeführte Vorstrafe aus dem Jahr 2015 bemängelt („2015 wurde wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 5 Fällen und tatmehrheitlich Beleidigung in 2 Fällen eine Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 20,- Euro ausgesprochen“, UA S. 3), genügt diese Darstellung noch den obigen Anforderungen.

Zum einen ist gerade bei der dargestellten Beleidigung schon aus der Angabe des Deliktes der zugrundeliegende Sachverhalt hinreichend erkennbar (vgl. auch OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 2. September 2008 a.a.O.). Zum anderen lastet das Landgericht dem Angeklagten die Einschlägigkeit der Vorbelastung und im Übrigen deren Zahl und Frequenz an („Gegen den Angeklagten waren seine vielen und teils auch einschlägigen Vorbelastungen zu werten“, UA S. 5). Auf Art und Schwere früher begangener Straftaten hat das Landgericht gerade nicht abgestellt.

b) Ferner ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung den infolge der erneuten Verurteilung drohenden Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht erörtert hat.

Ob der drohende Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ein bestimmender Strafzumessungsgrund und daher zu erörtern ist, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 3. August 2021 – 2 StR 129/20 -, juris).

Ein (möglicher) Bewährungswiderruf als Folge eines bewussten Bewährungsbruchs durch den Täter ist regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2021 – 2 StR 294/20 -; OLG Hamm, Beschluss vom 3. Januar 2013 – III-1 RVs 90/12 -, beide juris). Auf der Hand liegt ein bewusster Bewährungsbruch etwa bei einem unter Bewährung stehenden Täter, der die Ausführung der neuen Tat bereits länger geplant hatte; von bewusster Inkaufnahme solcher Nachteile ist regelmäßig auch bei Intensiv- und Serientätern auszugehen. Einem bewussten Bewährungsbruch könnte entgegenstehen, wenn sich der unter Bewährung stehende Täter alkoholbedingt oder aufgrund unmittelbar vorangegangener Provokation spontan zur Tat entschlossen hatte und somit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sich der über die Bestrafung hinausgehenden weiteren Nachteile zum Tatzeitpunkt nicht bewusst gewesen ist.

Für die Frage, ob der drohende Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ein bestimmender Strafzumessungsgrund und daher zu erörtern ist, ist zudem zu berücksichtigen, dass der Widerruf gemäß § 56f Abs. 2 StGB keine zwingende gesetzliche Folge darstellt. Die abschließende Entscheidung darüber ist dem Tatgericht entzogen (§ 462a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 453 Abs. 1 Satz 1 StPO). Schon deswegen ist es nicht verpflichtet, die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Widerrufs im Rahmen der Strafzumessung näher zu prognostizieren. Daraus folgt, dass der Umstand eines bloß möglichen Bewährungswiderrufs – anders als zwingend an eine strafgerichtliche Verurteilung knüpfende Folgen – von vornherein eine Nebenfolge der strafrechtlichen Verurteilung mit nur geringerem Gewicht ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2021 a.a.O.).

Im Hinblick auf § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB und den Strafzweck der Resozialisierung wird indes der Umstand drohenden Bewährungswiderrufs regelmäßig dann an Gewicht gewinnen und zu erörtern sein, wenn auf Grund eines möglichen Widerrufs die gesamte Länge der zu verbüßenden Haft diejenige der neu verhängten Strafe beträchtlich übersteigt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2009 – 5 StR 243/09 – und vom 13. September 2001 – 4 StR 322/01, beide juris; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 105); die Dauer der zu erwartenden Gesamtvollstreckung wäre dann im Rahmen der Strafzumessung in den Blick zu nehmen. Eine Erörterung oder gar strafmildernde Bewertung eines möglicherweise drohenden Bewährungswiderrufs im Einzelfall kann dann unterbleiben, wenn ein übermäßiges Gesamtvollstreckungsübel namentlich aus spezialpräventiven Gründen nicht naheliegt (vgl. auch OLG Hamburg, NStZ-RR 2017, 72), etwa bei Intensiv- oder Serientätern, bei hoher Rückfallgeschwindigkeit oder bei einer Tat kurz nach der Haftentlassung, nachdem die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 03. August 2021 a.a.O.).

Den vorstehenden Anforderungen wird die Strafzumessungsentscheidung des angefochtenen Urteils gerecht.

Das Landgericht geht erkennbar von einem bewussten Bewährungsbruch aus; besondere Voraussetzungen, weshalb dieser vorliegend strafmildernd zu berücksichtigen war, liegen nicht vor.

In Bezug auf das Fahren ohne Fahrerlaubnis hebt das Landgericht in den Urteilsgründen, die eine Einheit bilden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2020 – KRB 99/19 – und vom 14. April 2010 – 1 StR 131/10 -, beide juris; Senat, Beschluss vom 27. September 2021 – 3 Ws (B) 229/21 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 267 Rn. 3), hervor, dass der Angeklagte bei der Tat vom 24. September 2020 (vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis) wusste, dass er bei der Tat unter Bewährung stand, er aber angesichts der von ihm als milde empfundenen Sanktionierung keinen Anlass gesehen hatte, die Fahrt zu unterlassen (UA S. 4). Der Angeklagte habe sehr anschaulich seine diesbezügliche Motivationslage geschildert (UA S. 5). Außerdem bezieht sich das Landgericht auf die vielen, auch einschlägigen Vorbelastungen und den insoweit einschlägigen Bewährungsbruch (UA S. 5).

Hinsichtlich der drei Taten der Beleidigung bezieht sich das Landgericht zwar auf den dem Angeklagten anzumerkenden Ärger und seine Erregung gegenüber dem Polizeibeamten (UA S. 5), was auf eine emotionale Spontanreaktion des Angeklagten hindeuten könnte. Die wiederholten Beleidigungen im situativen Zusammenhang und jeweils zum Nachteil desselben Opfers (UA S. 6) sprechen auch hier jedoch für einen bewussten Bewährungsbruch.

Der mögliche Bewährungswiderruf war auch nicht deshalb zu erörtern, weil infolge des möglichen Widerrufs die gesamte Länge der zu verbüßenden Haft diejenige der neu verhängten Strafe beträchtlich übersteigt.

Ausweislich der Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte die Taten (Tatzeitpunkt 24. September bis 11. November 2020) während des Laufs von Bewährungsfristen begangen: Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte am 11. November 2015, rechtskräftig seit dem 27. November 2015, wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, wobei die Bewährungszeit zuletzt bis zum 26. November 2020 dauerte.

Am 7. März 2019, rechtskräftig seit dem 25. Juli 2019, wurde der Angeklagte wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung bis zum 1. August 2022 zur Bewährung ausgesetzt wurde, und zusätzlich hat das Gericht eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von 20 Monaten angeordnet. Diese Strafe ist später in die Verurteilung vom 15. Juli 2020, rechtskräftig seit dem 25. November 2020, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr einbezogen worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gemäß § 56f Abs. 1 Satz 2 Var. 2 StGB kann auch diesbezüglich der Widerrufsgrund des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB greifen.

Abgesehen davon, dass es sich hinsichtlich der – länger zurückliegenden – Verurteilung vom 11. November 2015 nicht um einen einschlägigen Bewährungsbruch handelt, was gegen einen Widerruf sprechen kann, geht offensichtlich auch der Revisionsführer nicht von einem diesbezüglichen Widerruf aus, wenn er sich nur auf die Bewährung aus dem Urteil vom 7. März 2019 bezieht und „im ungünstigsten Fall“ mit einer Vollstreckung von zwei Mal zwölf Monaten rechnet (Schriftsatz vom 14. Dezember 2021, S. 4). Auch wenn hierin ein erhebliches Gesamtvollstreckungsübel gesehen werden kann, so ist angesichts des serienmäßigen Vorgehens im Hinblick auf fünf Vorstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ein solches Gesamtvollstreckungsübel aus spezialpräventiven Gründen naheliegend.

c) Das Landgericht hat demnach die wesentlichen Strafzumessungsgesichtspunkte erkannt und erörtert.

Nach dem dargestellten Prüfungsmaßstab (siehe oben unter 2.) hält die konkrete Bemessung der vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung ebenso stand wie die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe. Die von der Revision beanstandete Festsetzung der Einzelgeldstrafen für die drei Taten der Beleidigung ist auch nicht fehlerhaft und löst sich insbesondere angesichts der Vordelinquenz (siehe auch oben a)) nicht nach oben so weit von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt.

§ 185 StGB sieht einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor.

Dass das Landgericht die Tat vom 25. September 2020, für die das Amtsgericht eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monat verhängt hatte, einen Einzelgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 70,00 Euro festgesetzt hat, begegnet keinen Bedenken.

Die Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der ersten Instanz (hier: drei Monate Freiheitsstrafe) sind kein Maßstab für die Strafzumessung im Berufungsverfahren (vgl. KG, Beschluss vom 14. Juli 2020 – (4) 161 Ss 33/20 (43/20) -, juris). Zudem hat das Landgericht die Abweichung nachvollziehbar begründet (UA S. 6).

3. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung begründet hat, sind frei von Rechtsfehlern.

Die Frage, ob zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB), hat das Tatgericht unter Berücksichtigung aller dafür bedeutsamen Umstände im Sinne einer Gesamtwürdigung zu entscheiden. Bei dieser Prognose steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. Senat, Urteil vom 21. August 2019 – (3) 161 Ss 106/19 (61/19) -). Die Prognoseentscheidung des Tatgerichts ist vom Revisionsgericht grundsätzlich bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen und allein daraufhin zu prüfen, ob das Tatgericht Rechtsbegriffe verkannt oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, also unzutreffende Maßstäbe angewandt, nahe liegende – für die zukünftige Lebensgestaltung des Angeklagten maßgebliche – Umstände übersehen oder festgestellte Umstände falsch gewichtet hat (vgl. Senat, Urteil vom 15. August 2018 – (3) 121 Ss 123/18 (18/18) -, juris m.w.N.).

Das Tatgericht hat jedoch nach § 267 Abs. 3 Satz 4 1. Alt. StPO seine Erwägungen im Urteil in einem die Nachprüfung ermöglichenden Umfang darzulegen (vgl. BGHSt 34, 345; Senat, Urteil vom 21. August 2019 a.a.O.)

Bei einem schon mehrfach und dabei – wie vorliegend – auch wiederholt wegen eines einschlägigen Delikts vorbestraften Täter, der neue Taten während laufender Bewährungsfristen begangen hat, sind erhöhte Anforderungen an die Begründung einer dennoch bewilligten erneuten Strafaussetzung zur Bewährung zu stellen. Es sind die (besonderen) Umstände darzulegen, aus denen das Gericht trotz der mit dem Täter bisher gemachten schlechten Erfahrungen die positive Erwartung herleitet (vgl. Senat, Urteil vom 21. August 2019 – (3) 161 Ss 106/19 (61/19) -;KG, Urteil vom 22.Juli 2016 – (5) 161 Ss 52/16 (7/16) –, juris).

Die angefochtene Entscheidung wird den dargelegten Anforderungen gerecht. Das Landgericht hat sorgfältig begründet und nachvollziehbar dargelegt, dass eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens, die größer ist als diejenige erneuter Straffälligkeit, nicht gegeben ist. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung ist vom Landgericht rechtsfehlerfrei auf das Vorleben des Angeklagten und darauf gestützt worden, dass der Angeklagte sich durch die einschlägigen Vorstrafen nicht hat beeindrucken lassen, sondern vielmehr die hiesigen Taten während des Laufs zweier Bewährungsfristen begangen hat. Das Landgericht hat zutreffend keine besonderen Umstände für eine positive Erwartung darin gesehen und in die Prognoseentscheidung einbezogen, dass es keine diesbezüglich relevanten Änderungen in den Lebensverhältnissen des Angeklagten gegeben hat: Seine andauernde berufliche und familiäre Situation mit drei Kindern im Alter zwischen neun und elf Jahren, die eigentlich als stabilisierender Faktor angesehen werden kann, hat den Angeklagten auch in der Vergangenheit nicht von der Begehung von Straftaten abgehalten.

d) Schließlich hat das Landgericht auch ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen für die Anordnung einer isolierten Sperre nach §§ 69, 69a StGB angenommen.

Bei Straftaten, die nicht im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthalten sind, bedarf es zur Prüfung, ob der Täter ungeeignet im Sinne von § 69 Abs. 1 StGB ist, einer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit, soweit sie in der Tat zum Ausdruck gekommen ist (vgl. BGH DAR 2000, 532; Senat, Urteil vom 26. März 2018 – (3) 161 Ss 32/18 (1/18) -, juris). Dabei ist anerkannt, dass derjenige, der bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges ein „typisches Verkehrsdelikt“ bzw. eine „verkehrsspezifische Anlasstat“ begeht, dadurch regelmäßig im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB gegen die Pflichten eines Kraftfahrers verstößt; eine Tat in diesem Sinne ist auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis (vgl. BGH NZV 2007, 212; Senat, Urteil vom 26. März 2018 a.a.O.; Fischer, StGB 69. Aufl., § 69 Rn. 38). Denn Fahren ohne Fahrerlaubnis, zumal wenn es wie hier wiederholt, während des Laufs einer Sperrfrist (vgl. Verurteilung vom 7. März 2019, UA S. 4) und einer Bewährungsfrist (vgl. oben unter 2. b)) begangen wird, deutet auf fehlende charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hin (vgl. BGH NZV 2007, 212; Senat, Urteil vom 26. März 2018 a.a.O).

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 13. Januar 2022 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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