KG – Az.: 3 Ss 56/21 – Urteil vom 10.12.2021
In der Strafsache wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts aufgrund der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2021 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Amtsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 9. Juli 2021 (im Rechtsfolgenausspruch) mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat am 12. April 2021 gegen die Angeklagte einen Strafbefehl wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort erlassen und zugleich eine Geldstrafe vom 25 Tagessätzen zu je 30 Euro festgesetzt. Ferner hat es ihr die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung von fünf Monaten verhängt. Laut Strafbefehl hat die Angeklagte am 14. September 2020 das Fahrzeug des Zeugen E beim Überholen seitlich gestreift, wodurch ein Fremdschaden von 3.096,34 Euro entstanden ist. Obwohl die Angeklagte den Eintritt des Schadens bemerkt oder zumindest billigend in Kauf genommen hatte und wusste, dass ihr Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben konnte, entfernte sie sich von der Unfallstelle. Dadurch wurde dem Geschädigten die Möglichkeit genommen, Feststellungen über den Unfallhergang zu treffen.
Aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. November 2020 über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist der Führerschein der Angeklagten am 23. Januar 2021 beschlagnahmt worden und befand sich bis zum 14. Juli 2021 im öffentlichen Gewahrsam.
In der auf den rechtzeitig eingelegten Einspruch am 9. Juli 2021 durchgeführten Hauptverhandlung hat die Angeklagte diesen mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtfolgenausspruch beschränkt. Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagte wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt. Zur Bemessung der Tagessatzhöhe bezieht sich das Gericht auf Minijobs, ohne festzustellen, über welches Einkommen die Angeklagte, die mit ihren drei minderjährigen Kindern in einem Haushalt lebt, tatsächlich verfügt. Zugleich hat es der Angeklagten verboten, für die Dauer von zwei Monaten Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen, weil sich das Gericht wegen des Zeitablaufes nicht mehr von der Ungeeignetheit der Angeklagten zum Führen vom Kraftfahrzeugen überzeugen konnte. Eine Anrechnung der Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf das Fahrverbot nach § 51 Abs. 5, Abs. 1 Satz 2 StGB ist ausdrücklich unterblieben, weil „der Führerschein der Angeklagten erst am 23. Januar 2021, mithin rund zwei Monate nach der vorläufigen Entziehung einbehalten werden konnte“.
Gegen das Urteil hat die Amtsanwaltschaft Berlin zunächst Berufung eingelegt, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist jedoch den Übergang zur (Sprung-)Revision erklärt. Die Amtsanwaltschaft erhebt die allgemeine Sachrüge und beanstandet die gemäß § 51 Abs. 5, Abs. 1 Satz 2 StGB unterbliebene Anrechnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf das verhängte Fahrverbot. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin, die die Revision der Amtsanwaltschaft vertritt, rügt ergänzend die nicht tragfähige Begründung für das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB und stützt den Antrag der Amtsanwaltschaft auf Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts vom 9. Juli 2021 auf die regelmäßig nicht auszuschließende Wechselwirkung zwischen der Entziehung der Fahrerlaubnis und der konkret verhängten Geldstrafe.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil das Amtsgericht die Tagessatzhöhe der verhängten Geldstrafe und das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis unzureichend begründet hat. Eine Beschränkung der Sprungrevision der Amtsanwaltschaft liegt nicht vor. Die revisionsrechtliche Überprüfung erfasst das gesamte Urteil, das aufgrund der wirksamen Beschränkung des Einspruches gegen den Strafbefehl lediglich den Rechtsfolgenausspruch zum Gegenstand hat.
1. Die Sprungrevision ist zulässig.
a) Der nach der ursprünglichen fristgemäßen Rechtsmitteleinlegung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) gegenüber dem Amtsgericht Tiergarten erklärte Übergang zur (Sprung-)Revision (§ 335 StPO) ist statthaft (vgl. BGH NJW 1995, 2367; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 335 Rn. 10).
b) Das Verschlechterungsverbot nach §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 StPO ist nicht zu beachten, weil die Amtsanwaltschaft die Revision nicht zugunsten der Angeklagten eingelegt hat.
Zwar könnte die Begründung des Rechtsmittels wegen der versagten Anrechnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 51 Abs. 5, Abs. 1 Satz 2 StGB auf die angeordnete Dauer des Fahrverbotes auf eine zugunsten der Angeklagten eingelegte Revision nach § 296 Abs. 2 StPO hindeuten, aber eine Revision mit dieser Zielrichtung hätte die Staatsanwaltschaft deutlich zum Ausdruck bringen müssen (vgl. Nr. 147 Abs. 3 RiStBV), wobei eine entsprechende Erklärung nicht erforderlich ist (BGHSt 2, 41). Vielmehr ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass sich der Wille der Staatsanwaltschaft, nur zugunsten eines Angeklagten eine Revision einzulegen, eindeutig aus der Rechtsmittelschrift und deren Begründung ergibt. Verbleiben Zweifel, ist das Rechtsmittel (auch) zuungunsten des Angeklagten eingelegt (vgl. Schmitt, a.a.O. § 296 Rn. 14).
So liegt der Fall hier. Die Amtsanwaltschaft hat die allgemeine Sachrüge erhoben und begehrt damit – uneingeschränkt – die Überprüfung der tatrichterlichen Urteilsgründe als eine tragfähige Grundlage für die Prüfung, ob das Tatgericht das Recht auf den festgestellten Sachverhalt zutreffend angewendet hat (Schmitt, a.a.O. § 337 Rn. 21 m.w.N.). Sie hat gerade nicht – so auch die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft – deutlich gemacht, dass die Überprüfung des angegriffenen Urteils nur auf die in ihrer Begründung dargelegten Umstände beschränkt sein soll.
c) Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung von Verfahrenshindernissen – hier insbesondere das der Teilrechtskraft – (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 2010, 655) ergibt, dass die Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam ist. Den Schuldspruch wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort hat der Senat nicht zu überprüfen.
Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist möglich, wenn in dem angefochtenen Urteil die Feststellungen zur Tat so vollständig und umfassend getroffen worden sind, dass der Umfang des gegen den Angeklagten gerichteten Vorwurfs sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht klar umrissen ist und wenn die Feststelllungen eine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruches bieten (OLG Hamm, Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 3 Ss 477/04 -, juris; Schmitt a.a.O., § 318 Rn. 16). Dieser Maßstab gilt auch für den Einspruch gegen einen Strafbefehl (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 113), der nach § 410 Abs. 2 StPO wie ein Rechtsmittel gegen Urteile auf bestimmte Beschwerdepunkte (vgl. § 318 StPO) beschränkt werden kann.
Gemessen an diesem Maßstab genügen die Feststellungen zum Schuldspruch noch diesen Anforderungen. Insbesondere enthält der Strafbefehl Angaben zur subjektiven Tatseite und weist die Reparaturkosten als Nettobetrag aus.
d) Der Senat hat auch die Bemessung der Geldstrafe zu überprüfen. Denn eine wirksame Beschränkung der Sprungrevision liegt weder auf die unterbliebene Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis und auf die (konkludente) Herausnahme des vom Amtsgericht angeordneten Fahrverbotes nach § 44 StGB (dazu s.u. aa)) noch auf den unterbliebenen Maßregelausspruch und die (konkludente) Herausnahme der verhängten Geldstrafe (dazu s.u. bb)) vor.
Die Beschränkung eines Rechtsmittels innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs ist möglich, wenn solche Beschwerdepunkte betroffen sind, die losgelöst vom nicht angegriffenen Teil der Entscheidung einer rechtlich und tatsächlich selbstständigen Beurteilung zugänglich sind, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen (vgl. BGHSt 38, 362; BGH, Urteil vom 8. März 2000 – 3 StR 575/99 -, juris; Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2015 – (3) 161 Ss 195/15 (107/15) -, juris m.w.N. ; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22. Mai 2014 – Ss 28/2014 (18/14) -). Eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage des Maßregelausspruchs nach §§ 69 ff. StGB ist danach dann nicht möglich, wenn im Einzelfall eine untrennbare Wechselwirkung zum Strafausspruch besteht (vgl. BGHSt 38, 362; BGH, Urteil vom 8. März 2000 a.a.O:). Das ist regelmäßig der Fall, wenn es um die Frage der charakterlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geht (Senat, Urteil vom 1. November 2010 – (3) 1 Ss 317/10 (108/10) -, juris; Schmitt a. a. O., § 318 Rn. 28; Fischer, StGB 68. Aufl., § 69 Rn. 56). Anders verhält es sich aber ausnahmsweise dann, wenn sich aus dem tatrichterlichen Urteil ergibt, dass der Strafausspruch nicht von der Entscheidung über die Maßregel beeinflusst ist (die Strafe also nicht wegen der Anordnung der Maßregel niedriger oder wegen ihrer Ablehnung höher angesetzt wurde), und zudem der Rechtsmittelführer auch keine zugleich für das Strafmaß und die Maßregelanordnung bedeutenden Tatsachen angreift, so dass es nur noch um die rechtliche Bewertung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel oder ihre Ablehnung auf dem Boden der getroffenen Feststellungen geht (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2000 a.a.O.; Senat, Beschluss vom 14. Juli 2015 – (3) 121 Ss 96/15 (75/15) -, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 14. September 2020 – Ss 40/20 (40(20) -, juris m.w.N.; OLG Stuttgart NStZ-RR 1997, 178).
aa) Diesem Maßstab folgend ist eine Beschränkung der Revision auf die unterbliebene Anordnung des Maßregelausspruches – der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB – und auf die (konkludente) Herausnahme des vom Amtsgericht angeordneten Fahrverbotes nach § 44 StGB von dem Rechtsmittelangriff – auch wenn die ergänzende Begründung des Rechtsmittels durch die Generalstaatsanwaltschaft dies nahelegt, jedenfalls unwirksam. Das Fahrverbot und die Fahrerlaubnisentziehung schließen sich einander regelmäßig aus (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 2018 – 3 StR 104/18 -, juris m.w.N.; OLG Zweibrücken, Urteil vom 14. Juni 2021 – 1 OLG 2 Ss 1/21 -, juris) und stehen daher in einer untrennbaren Wechselbeziehung. Denn das Fahrverbot nach § 44 StGB setzt in aller Regel und auch hier voraus, dass sich der Täter gerade nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 StGB erwiesen hat.
bb) Zwar könnte nach dem vorgenannten Maßstab eine Beschränkung auf den unterbliebenen Maßregelausspruch und die (konkludente) Herausnahme der verhängten Geldstrafe von dem Rechtsmittelangriff erwogen werden, aber die Rechtsmittelführerin hat gerade durch die allgemein und unbeschränkt erhobene Sachrüge deutlich gemacht, dass sie den Strafausspruch und die ihn tragenden Feststellungen nicht vom Rechtsmittelangriff ausnehmen wollte.
2. Die Revision ist auch begründet. Der Rechtsfolgenausspruch, über den nach dem rechtskräftigen Schuldspruch allein zu entscheiden war, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Da auch die Festsetzung der Geldstrafe der Aufhebung unterliegt, bedarf es keiner Klärung, ob vorliegend – wie die Generalstaatsanwaltschaft meint – eine Wechselwirkung zwischen der Geldstrafe und der unterbliebenen Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis besteht, die zu einer Aufhebung der Geldstrafe führen würde, auch wenn diese nicht zu beanstanden wäre.
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (vgl. BGH StraFo 2017, 242). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ nach § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (vgl. für viele BGHSt 34, 345). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 336 m.w.N.; Senat, Urteil vom 25. Mai 2021 – (3) 121 Ss 53/21 (24/21) -, juris).
a) Nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der vom Amtsgericht festgesetzten Geldstrafe revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen zur Höhe des Tagessatzes von 15 Euro sind lückenhaft, weil das Amtsgericht weder Feststellungen zu den aus den Minijobs gezogenen Einkommen der Angeklagten und zu ggf. ergänzender Sozialhilfe noch solche zu den anzurechnenden Einkünften wie Kindergeld für ihre drei minderjährigen, in ihrem Haushalt lebenden Kinder getroffenen hat.
b) Auch das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB ist durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt.
aa) Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts greift vorliegend die Regelvermutung für die Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB.
Danach liegt ein Regelfall der Fahrerlaubnisentziehung wegen charakterlicher Ungeeignetheit vor, wenn der Täter eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort im Sinne von § 142 StGB weiß oder wissen kann, dass an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist.
Ob ein bedeutender Schaden vorliegt, bemisst sich allein nach wirtschaftlichen Kriterien und beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird (vgl. OLG Hamm NZV 2011, 356 m.w.N.). Entscheidend ist der Geldbetrag, der erforderlich ist, den Geschädigten so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (BGH NStZ 2011, 215). Die Frage, welche Schadenspositionen dabei außer den Reparaturkosten zu berücksichtigen sind, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt, kann aber dahinstehen, da allein die – rechtskräftig festgestellten – Reparaturkosten von 3.096,34 Euro (netto) schon einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB darstellen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 17. Dezember 2019 – 204 StRR 1940/19 -, BeckRS 2019, 38522). Auf weitere vom Tatgericht vermisste „genaue Feststellungen zur Schadenshöhe“, die es wegen des unentschuldigten Ausbleibens eines Zeugen nicht aufklären zu können glaubte, kommt es diesbezüglich nicht an.
bb) Die Annahme einer Ausnahme von diesem Regelprinzip durch das Amtsgericht ist rechtsfehlerhaft; die dazu getroffenen Feststellungen erweisen sich ebenfalls als lückenhaft.
Entgegen der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB kann von der Entziehung der Fahrerlaubnis nur dann abgesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die den seiner allgemeinen Natur nach schweren und gefährlichen Verstoß in einem anderen Licht erscheinen lassen als den Regelfall oder die nach der Tat die Eignung günstig beeinflusst haben (vgl. BT-Drs. IV/651, 17).
Solche Umstände lassen sich den Urteilsausführungen nicht entnehmen. Diese beschränken sich darauf mitzuteilen, dass – selbst wenn entgegen der Einschätzung des Amtsgerichts die Regelvermutung des § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB greifen sollte, „[u]nter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Fahrerlaubnis bereits seit dem 24. November 2020 vorläufig entzogen war, […] eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr angemessen und erforderlich“ (UA S. 2) erscheine. Der bloße Zeitablauf rechtfertigt ein Absehen von der Maßregel indes nicht (vgl. Senat, Urteil vom 1. November 2010 a.a.O.). Da der Eignungsprüfung der Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht vorgegriffen werden soll (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. März 1999 – 1 Ws 191/99 -, juris), bedarf es in aller Regel der Feststellung von zusätzlichen Tatsachen, die über den bloßen Zeitablauf hinaus belegen, dass die Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist (vgl. Senat, Urteil vom 1. November 2010 a.a.O.). Diese zusätzlichen Tatsachen fehlen hier.
Dies gilt gleichermaßen, sollte das Amtsgericht eine Gesamtwürdigung im Rahmen von § 69 Abs. 1 StGB vorgenommen haben wollen.
III.
Auf den dargelegten Fehlern beruht das angefochtene Urteil.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Sofern im Rahmen der durchzuführenden Gesamtwürdigung von einer Ausnahme zum Regelprinzip des § 69 Abs. 2 StGB ausgegangen und ein Fahrverbot nach § 44 StGB angeordnet werden sollte, werden die Ausführungen der Amtsanwaltschaft Berlin zu §§ 51 Abs. 5, Abs. 1 Satz 2 StGB zu berücksichtigen sein. Danach kann eine Anrechnung der Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf das Fahrverbot dann ausnahmsweise unterbleiben, wenn diese Anordnung im Hinblick auf das Verhalten der Verurteilten nach der Tat im Verfahren nicht gerechtfertigt ist (vgl. Fischer, StGB 68. Aufl., § 51 Rn. 11). Der vom Amtsgericht diesbezüglich angeführte Umstand, dass der Führerschein der Angeklagten erst am 23. Januar 2021 beschlagnahmt werden konnte, stellt jedenfalls kein solches Verhalten dar.