BayObLG: Unzureichende Entschuldigung für Nichterscheinen im Betrugsfall
Das Bayerische Oberlandesgericht hat die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten verworfen, da das Nichterscheinen des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht ausreichend durch einen positiven SARS-CoV-2 Antigentest entschuldigt war. Der Angeklagte, der wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt wurde, konnte keine weiteren Informationen vorlegen, die sein Fernbleiben rechtfertigen würden. Daher gilt das Urteil des Landgerichts als begründet und die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Angeklagten zu.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Verwerfung der Revision: Das Bayerische Oberlandesgericht hat die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten verworfen.
- Unzureichende Entschuldigung für Ausbleiben: Der Angeklagte erschien nicht zur Hauptverhandlung und reichte lediglich einen positiven Antigentest ein, was als unzureichende Entschuldigung angesehen wurde.
- Kein ärztliches Attest vorgelegt: Es fehlten zusätzliche Informationen oder ein ärztliches Attest, die das Nichterscheinen des Angeklagten hätten entschuldigen können.
- Betrugsfall: Der Angeklagte wurde ursprünglich wegen Beihilfe zum Betrug in einem besonders schweren Fall verurteilt.
- Folgen des unentschuldigten Fernbleibens: Dem Angeklagten waren die Konsequenzen eines unentschuldigten Fernbleibens bekannt.
- Keine Quarantänepflicht zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung: Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bestand keine Quarantänepflicht für positiv auf SARS-CoV-2 getestete Personen.
- Pflicht zur weiteren Sachaufklärung: Das Gericht sah keine Notwendigkeit für weitere Ermittlungen bezüglich der Krankheitssymptome des Angeklagten.
- Kostenentscheidung: Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Übersicht
Berufungsverwerfung bei unzureichender Entschuldigung für Ausbleiben im Gerichtsverfahren
Ein positiver Coronatest allein reicht nicht aus, um das Ausbleiben eines Angeklagten im Gerichtsverfahren zu entschuldigen. Dies hat das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) in mehreren Entscheidungen klargestellt. So wurde in einem Fall die Berufung eines Angeklagten verworfen, der lediglich einen positiven Coronatest vorgelegt hatte, ohne weitere Umstände darzulegen, die sein Fernbleiben hätten entschuldigen können.
Die Richter betonen, dass der Begriff der „genügenden Entschuldigung“ nicht eng ausgelegt werden darf. Allerdings muss der Angeklagte im Falle einer Corona-Infektion einen schlüssigen Sachverhalt vortragen, der geeignet ist, sein Ausbleiben zu entschuldigen. Andernfalls kann es zu einer Berufungsverwerfung kommen. Insbesondere in Fällen von Corona-Infektionen ist es wichtig, dass der Angeklagte nicht nur einen positiven Test vorlegt, sondern auch die Umstände darlegt, die sein Ausbleiben genügend entschuldigen.
Die Entscheidungen des BayObLG zeigen, dass die Gerichte bei der Beurteilung der Entschuldigung eines Angeklagten für sein Ausbleiben im Gerichtsverfahren eine genaue Prüfung vornehmen. Es ist daher ratsam, dass sich Angeklagte im Falle einer Corona-Infektion rechtzeitig und umfassend über die Voraussetzungen für eine genügende Entschuldigung informieren, um unliebsame Überraschungen im Gerichtsverfahren zu vermeiden.
Der Weg zum Urteil des Bayerischen Oberlandesgerichts
Der Fall beginnt mit einer Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Lindau (Bodensee) am 12. Oktober 2022 wegen Beihilfe zum Betrug in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Dieses Urteil führte zu einer Berufung des Angeklagten, die er am 13. Oktober 2022 einlegte. Das Landgericht Kempten (Allgäu) verwarf diese Berufung jedoch mit seinem Urteil vom 14. Februar 2023. Der zentrale Punkt dabei war das Nichterscheinen des Angeklagten zum festgesetzten Verhandlungstermin. Der Angeklagte wurde ordnungsgemäß geladen und ihm wurden die Folgen eines unentschuldigten Fernbleibens mitgeteilt. Als einzige Entschuldigung legte er eine Bescheinigung über das Vorliegen eines positiven SARS-CoV-2 Antigentests vor, ohne jedoch weitere Informationen zu liefern, die sein Nichterscheinen am Hauptverhandlungstermin hätten rechtfertigen können.
Die Revision des Angeklagten und ihre Zurückweisung
In einer darauf folgenden Entwicklung legte der Angeklagte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Kempten ein, welche am 21. Februar 2022 eingelegt und am 15. März 2023 begründet wurde. In der Revision machte der Angeklagte geltend, dass das Landgericht den Begriff der ausreichenden Entschuldigung verkannt habe. Die Generalstaatsanwaltschaft nahm am 30. Mai 2023 Stellung und beantragte, die Revision kostenpflichtig zu verwerfen. Das Bayerische Oberlandesgericht folgte dieser Auffassung und verwies auf die unzureichende Entschuldigung für das Fernbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung. Es betonte, dass die kommentarlose Vorlage des positiven Antigentests keine ausreichende Entschuldigung darstelle.
Rechtliche Hintergründe und Prüfung durch das Gericht
Interessant ist hierbei der rechtliche Kontext, insbesondere hinsichtlich der Quarantänepflicht und der Notwendigkeit eines ärztlichen Attests. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung, am 14. Februar 2023, galt keine Quarantänepflicht für positiv auf SARS-CoV-2 getestete Personen. Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zu einem früheren Fall dar, in dem die Quarantänepflicht noch bestand. Das Gericht prüfte, ob das Berufungsgericht verpflichtet gewesen wäre, weitere Nachforschungen anzustellen. Es kam jedoch zu dem Schluss, dass keine weiteren Anhaltspunkte für ein Defizit an Sachaufklärung vorlagen. Das bloße Mitteilen des positiven Testergebnisses, ohne ärztliches Attest oder sonstige Erläuterungen, reichte nicht aus, um das Nichterscheinen zu entschuldigen.
Die Kostenentscheidung und ihre Bedeutung
Schließlich beruht die Kostenentscheidung auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dies bedeutet, dass der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen hat. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer angemessenen und begründeten Entschuldigung für das Nichterscheinen vor Gericht. Das Urteil stellt klar, dass die bloße Vorlage eines positiven Testergebnisses ohne weiterführende Informationen nicht ausreicht, um eine ausreichende Entschuldigung im Sinne des Gesetzes zu begründen.
Fazit: Das Bayerische Oberlandesgericht hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass für eine wirksame Entschuldigung für das Nichterscheinen vor Gericht konkrete und umfassende Informationen erforderlich sind. Ein einfacher positiver Test, ohne zusätzliche Begründung oder medizinische Bestätigung, genügt nicht den rechtlichen Anforderungen.
✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
Wie wird im deutschen Strafprozessrecht eine genügende Entschuldigung für das Ausbleiben in der Hauptverhandlung definiert?
Im deutschen Strafprozessrecht wird eine genügende Entschuldigung für das Ausbleiben in der Hauptverhandlung nicht explizit definiert. Es liegt im Ermessen des Gerichts, ob die Gründe für das Ausbleiben als ausreichend angesehen werden oder nicht.
Gemäß § 230 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) findet gegen einen ausgebliebenen Angeklagten keine Hauptverhandlung statt. Wenn das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist, kann das Gericht gemäß § 230 Abs. 2 StPO die Vorführung anordnen oder einen Haftbefehl erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.
Es ist wichtig, dass der Angeklagte dem Gericht konkrete Gründe mitteilt, warum er nicht zur Hauptverhandlung erscheinen kann. Wenn es sich um Gründe handelt, die den Angeklagten ausreichend entschuldigen und erkennbar wird, dass er erscheinen wollte, aber schuldlos nicht erscheinen konnte, darf die Hauptverhandlung nicht stattfinden.
Es ist daher ratsam, einen Rechtsanwalt zu konsultieren und zu beauftragen, diese Gründe dem Gericht mitzuteilen. Es ist auch zu beachten, dass das Gericht die Pflicht hat, die vorgebrachten Entschuldigungsgründe des Angeklagten zu prüfen.
Welche Rolle spielt ein Coronatest im Kontext einer gerichtlichen Verhandlung und seiner Bewertung als Entschuldigungsgrund?
Ein Coronatest kann in einer gerichtlichen Verhandlung eine wichtige Rolle spielen, insbesondere wenn es um die Bewertung eines Entschuldigungsgrundes für das Fernbleiben von der Verhandlung geht.
Eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 kann als Entschuldigungsgrund für das Fernbleiben von einer Gerichtsverhandlung angesehen werden. Es liegt jedoch im Ermessen des Gerichts, ob eine solche Entschuldigung als ausreichend angesehen wird.
In einigen Fällen wurde festgestellt, dass ein positiver Corona-Selbsttest als Entschuldigung ausreicht, um einer Hauptverhandlung bei Gericht als Angeklagter fernzubleiben. Konkrete Symptome müssen dafür nicht angegeben werden, und ein offizielles Testergebnis ist ebenfalls nicht erforderlich.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen Gerichte entschieden haben, dass ein positiver Coronatest ohne weitere Darlegung der Verhandlungsunfähigkeit nicht als genügende Entschuldigung angesehen wird.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass das Gericht eine gewisse Wartepflicht hat, wenn der Angeklagte angekündigt hat, dass er sich verspäten wird, beispielsweise um einen Coronatest durchzuführen.
Insgesamt hängt die Rolle eines Coronatests im Kontext einer gerichtlichen Verhandlung und seiner Bewertung als Entschuldigungsgrund von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der spezifischen Umstände des Falles und der Entscheidung des Gerichts.
Das vorliegende Urteil
BayObLG – Az.: 206 StRR 174/23 – Beschluss vom 28.06.2023
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 14. Februar 2023 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde durch das Amtsgericht Lindau (Bodensee) am 12. Oktober 2022 wegen Beihilfe zum Betrug „in einem besonders schweren Fall“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die am 13. Oktober 2022 eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Kempten (Allgäu) mit Urteil vom 14. Februar 2023 verworfen, weil der ordnungsgemäß geladene Angeklagte im Verhandlungstermin am 14. Februar 2023 nicht erschienen sei, obwohl ihm die Folgen eines unentschuldigten Fernbleibens mit der Ladung mitgeteilt worden seien. Allein die Übersendung einer Bescheinigung über das Vorliegen eines positiven SARS-CoV-2 Antigentests genüge ohne weitere Informationen darüber, warum der Angeklagte am Erscheinen im Hauptverhandlungstermin gehindert sei, denen das Gericht nachgehen könne, nicht.
Dagegen richtet sich die am 21. Februar 2022 eingelegte und am 15. März 2023 begründete Revision des Angeklagten, mit der er geltend macht, dass Landgericht habe den Begriff der ausreichenden Entschuldigung verkannt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 30. Mai 2023, die Revision des Angeklagten kostenpflichtig zu verwerfen.
II.
Das Rechtsmittel ist unbegründet, weil das Fernbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 14. Februar 2023 allein durch die kommentarlose Vorlage der Bescheinigung über einen positiven Antigentest auf das Vorliegen einer SARS-CoV-2 Infektion nicht genügend entschuldigt war.
Insoweit kann auf die erschöpfenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 30. Mai 2023 Bezug genommen werden. Ergänzend bemerkt der Senat auch im Hinblick auf seinen Beschluss vom 25. Oktober 2022, 206 StRR 286/22, BeckRS 2022, 30918, dass zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung, die hier am 14. Februar 2023 stattfand, im Gegensatz zu dem mit Beschluss vom 25. Oktober 2022 entschiedenen Fall, in dem am 28. Juni 2022 die Hauptverhandlung im Berufungsverfahren stattgefunden hatte, die Quarantänepflicht nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 12. April 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 225 vom 12. April 2022) nicht mehr galt. Am 14. Februar 2022 galt die Allgemeinverfügung zu Schutzmaßnahmen bei positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getesteten Personen (AV Corona-Schutzmaßnahmen) gemäß Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 15. November 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 631 vom 15. November 2022), deren Gültigkeit durch Allgemeinverfügung vom 20. Januar 2023 bis zum 28. Februar 2023 verlängert worden ist (BayMBl. 2023 Nr. 46 vom 25. Januar 2023). In der Bekanntmachung vom 15. November 2022 war in Nr. 2.1 für positiv getestete Personen unverzüglich nach Kenntniserlangung vom positiven Testergebnis Maskenpflicht nach Nr. 3 außerhalb der eigenen Wohnung für mindestens fünf Tage nach dem Erstnachweis des Erregers angeordnet, aber keine Quarantänepflicht.
Die Feststellungen des Landgerichts belegen schlüssig, dass das Nichterscheinen des Angeklagten zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwerfungsurteils nicht ausreichend entschuldigt war. Die Gründe lassen erkennen, dass der Angeklagte lediglich die Bescheinigung über einen positiven Antigentest übersandt hatte, ohne hierzu weitere Informationen zu erteilen (UA Seite 2). Die Gründe teilen zwar weder mit, wer das Testergebnis übersandt hat, noch wann dies geschehen war. Dies wirkt sich im Ergebnis jedoch nicht aus, denn aus der bloßen Mitteilung des positiven Testergebnisses ergibt sich – wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt – noch keine genügende Entschuldigung des Nichterscheinens im Sinne des § 329 Abs. 1 StPO. Es ist nicht erkennbar, dass nach Art und konkreten Auswirkungen der Erkrankung eine Beteiligung des Angeklagten an der Hauptverhandlung unzumutbar gewesen sei.
Die rechtliche Prüfung des Revisionsgerichts erstreckt sich auch darauf, ob das Berufungsgericht auf der Grundlage der festgestellten Umstände die Pflicht zu weiterer Sachaufklärung im Wege des Freibeweises gehabt hätte (BGH Beschluss vom 11. April 1979, 2 StR 306/78, NJW 1979, 2319, 2320; vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 12. September 2000, 5 StRR 259/00, juris Rn. 9). Besondere, schon aus den Feststellungen selbst ersichtliche Anhaltspunkte für ein solches Defizit liegen nicht vor. Es ist in den Urteilsgründen ausdrücklich festgestellt, dass nur das Testergebnis mitgeteilt worden war, also weder ein ärztliches Attest vorlag noch sonst ein Arzt mitgeteilt war. Ein Rechtsfehler, der darin liegen könnte, dass eine Nachfrage des Vorsitzenden bei dem betreffenden Arzt unterblieben ist, um von diesem eine Erläuterung der Krankheitssymptome zu erhalten, lässt sich aus den Urteilsgründen nicht ersehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.