AG Neumünster, Az.: 27 Ls 567 Js 30265/14 (98/14), Beschluss vom 17.11.2014
In der Strafsache wegen Diebstahls im besonders schweren Fall …wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Kiel vom 05.07.2014 (Az: 303 Gs 326/14) aufgehoben.
Gründe
Der Angeschuldigte wurde am 05.07.2014 vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Kiel vom gleichen Tag seitdem in Untersuchungshaft. Er wird im Haftbefehl beschuldigt, in der Zeit vom 14.05. bis zum 05.07.2014 in Kiel in 6 Fällen Einbruchsdiebstähle begangen zu haben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Haftbefehl Bezug genommen. Im Haftprüfungstermin vom 10.09.2014 ist der Haftbefehl aus den fortbestehenden Gründen seines Erlasses aufrechterhalten worden. In der Übersendungsverfügung (Band I Bl. 124 d. A.) hat der Haftrichter der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass er davon ausgehe, dass in Anbetracht der zwischenzeitlich vorliegenden Gutachtenergebnisse in den nächsten Wochen über die Anklageerhebung entschieden werden könne. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft Kiel unter dem 05.10.2014 (Band I Bl. 135 ff. d. A.) dann auch Anklage gegen den Angeschuldigten erhoben, diese jedoch an das Amtsgericht Kiel gerichtet. Von dort ist die Anklage mit Verfügung vom 14.10.2014 (Band I Bl. 143 d. A.) unter Hinweis auf ein fehlendes und ein unzutreffendes Datum betreffend einzelner Taten und im Hinblick auf eine inhaltliche Ungenauigkeit an die Staatsanwaltschaft zur Überprüfung zurückgesandt worden. Dort ist am 20.10.2014 die Anklage vom 05.10.2014 zurückgenommen worden und unter dem 20.10.2014 eine inhaltlich korrigierte Anklage – allerdings wieder vor dem unzuständigen Gericht in Kiel – erhoben worden. Durch E-Mail vom 29.10.2014 (im Haftheft) hat der Haftrichter die zuständige Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass für die Verhandlung der Sache das Amtsgericht Neumünster nach § 2 Abs. 1 Ziffer 2 der Landesverordnung über die Zuständigkeit in Haftsachen ausschließlich zuständig sein dürfte. Ebenso hat der Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 30.10.2014 (Band I Bl. 156 d. A.) nach Zustellung der Anklageschrift die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gerügt mit der Folge, dass die Staatsanwaltschaft Kiel unter dem 10.11.2014 die Anklage vom 20.10.2014 dann wiederum zurückgenommen hat. Durch Anklageschrift vom selben Tag ist dann vor dem Amtsgericht Neumünster die Anklage erhoben worden.
Mit Schriftsatz vom 20.10.2014 hat der Verteidiger des Angeschuldigten beantragt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise diesen außer Vollzug zu setzen. Zur Begründung hat der Verteidiger auf einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot verwiesen. Die Ermittlungen in dieser Sache seien bereits seit längerer Zeit abgeschlossen, ohne dass die Sache an sich weiter gefördert worden wäre.
Die Staatsanwaltschaft hat einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Abrede gestellt und beantragt, den Haftbefehl weder aufzuheben noch außer Vollzug zu setzen. Zur Begründung hat die Staatsanwaltschaft darauf verwiesen, dass am 05.10.2014 Anklage erhoben worden und die Sache keinesfalls ohne Förderung seit längerem abgeschlossen sei. Der Angeschuldigte befände sich seit dem 05.07.2014 in Haft. Erforderliche Gutachten, die Aufschluss über die Betäubungsmittelabhängigkeit geben, hätten erst mit zeitlicher Verzögerung erstellt werden können, da erneute Probenentnahmen aufgrund der Unverwertbarkeit der im Vorführtermin entnommenen Proben unumgänglich waren. Nach Rückkehr der Akten sei dann zeitnah über die Anklageerhebung entschieden worden.
Der Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls ist zulässig und begründet.
Es liegen zwar die allgemeinen Voraussetzungen der Untersuchungshaft vor. Der Angeschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Taten dringend verdächtig. Gegen ihn besteht weiter der Haftgrund der Wiederholungsgefahr. Es fehlen jedoch die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen, die eine Fortdauer der Untersuchungshaft zuließen. Unverhältnismäßig ist die Untersuchungshaft, wenn deren Vollzug zur Bedeutung der Sache und den zu erwartenden Rechtsfolgen außer Verhältnis stehen würde; dies gilt auch unabhängig von § 121 StPO bei Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes. Nach Ansicht des Gerichts liegt hier eine solche Verletzung vor. Untersuchungshaftverfahren sind von Beginn an mit der größtmöglichen Beschleunigung zu betreiben. Der Staatsanwaltschaft ist zunächst dahin beizupflichten, dass die verzögerte Erstellung des in Auftrag gegebenen Gutachtens betreffend den Betäubungsmittelkonsum des Angeschuldigten ihr nicht anzulasten ist. Zum Zeitpunkt der Haftprüfung am 10.09.2014 lag das fragliche Gutachten jedoch bereits vor. An der Sachlage, die zum Erlass des Haftbefehls geführt hatte, hat sich bis zur Anklageerhebung auch nichts Wesentliches geändert; dementsprechend lauten die jeweiligen Ausführungen im Antrag auf Erlass des Haftbefehls und der Anklageschrift im Wesentlichen gleich. Die Anklageerhebung vom 05.10.2014 erfüllt danach zur Überzeugung des Gerichts noch die Voraussetzungen des Beschleunigungsgebotes, sie war jedoch an das örtlich unzuständige Gericht gerichtet. Des Weiteren waren hier hinsichtlich der einzelnen, dem Angeschuldigten vorgeworfenen Taten ein falsches und ein fehlendes Tatdatum in der Anklage enthalten, während diese im Haftbefehl noch korrekt angegeben waren. Unter Hinweis auf diese inhaltlichen Fehler durch das örtlich unzuständige Amtsgericht Kiel hat die Staatsanwaltschaft diese Anklage dann zurückgenommen und erneut in korrigierter Fassung, aber wiederum vor dem falschen Gericht, erhoben. Erst auf Hinweis der Verteidigung und dem nahezu zeitlich parallel erfolgten Hinweis des Haftrichters am Amtsgericht Neumünster hat dann die Staatsanwaltschaft diese zweite Anklage wiederum zurückgenommen und durch eine nunmehr dritte ersetzt, die unter dem 10.11.2014 erhoben wurde.
Mag der Zeitablauf von viereinhalb Wochen zwischen dem Haftprüfungstermin vom 10.09. und der Verfassung der erstmaligen Anklage vom 05.10.2014 trotz des Fehlens weiterer inhaltlicher Tätigkeiten bei der Aktenbearbeitung noch als akzeptabel angesehen werden, so kann der weitere Zeitablauf von fünf Wochen bis zur Anklageerhebung beim zuständigen Gericht und Akteneingang dort nicht mehr als vom Beschleunigungsgebot gedeckt angesehen werden.
Bei der in diesem Rahmen vorzunehmenden Gesamtabwägung erscheint die lange Zeitspanne zwischen dem Eingang des Gutachtens des UKSH vom 27.08.2014 als letzter Ermittlungshandlung und dem Eingang der Anklage beim Gericht am 10.11.2014 sachlich nicht als gerechtfertigt angesichts der dem Angeschuldigten vorgeworfenen Taten (6 Fälle des Einbruchsdiebstahls, davon 5 als Versuch), die dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind. Die Fortdauer der Untersuchungshaft angesichts der Verfahrensverzögerung ist folglich nicht gerechtfertigt.
Der Haftbefehl war aufzuheben.