OLG Stuttgart – Az.: 2 Ws 295/12 – Beschluss vom 03.12.2012
Die Beschwerde des Verteidigers gegen die Verfügung des Vorsitzenden der 18. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart vom 27. November 2012 wird als unzulässig v e r w o r f e n.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Dem Angeklagten werden ein Verbrechen des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und ein Verbrechen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in sieben tateinheitlichen Fällen vorgeworfen. Gegen ihn und drei andere findet deshalb gegenwärtig vor dem Landgericht Stuttgart – 18. Große Strafkammer – die Hauptverhandlung statt.
Mit Schreiben an die Staatsanwaltschaft vom 21. November 2012 beantragte der Verteidiger die Anfertigung und Überlassung von Kopien der Originaltonbandaufzeichnungen aller TÜ-Maßnahmen dieses Verfahrens. Der Vorsitzende der Strafkammer verfügte darauf am 27. November 2012, dem Verteidiger ein Besichtigungsrecht hinsichtlich sämtlicher beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg in diesem Verfahren angefallener Originaltonbandaufzeichnungen aller TKÜ-Maßnahmen mit der Maßgabe zu gewähren, dass die hierzu gespeicherten Originaltonbandaufzeichnungen vom Verteidiger des Angeklagten – grundsätzlich auch in dessen Beisein – in den Diensträumen des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg an noch zu bestimmenden bzw. zu vereinbarenden Terminen zu besichtigen bzw. anzuhören sind. Im Übrigen wurde der Antrag zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde vom 28. November 2012 wendet sich der Verteidiger gegen den ablehnenden Teil der Entscheidung. Diese Beschwerde hat der Vorsitzende ohne Abhilfe vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Entscheidung des Vorsitzenden ist gemäß § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht anfechtbar.
Der Verteidiger ist gemäß § 147 Abs. 1 Alt. 2 StPO befugt, Beweisstücke zu besichtigen. Aufzeichnungen abgehörter Telefongespräche sind solche Beweisstücke. Der Verteidiger hat das Recht, diese Aufzeichnungen abzuhören. Dem hat der Vorsitzende der Strafkammer mit seiner Verfügung vom 27. November 2012 entsprochen. Deshalb kann dahinstehen, ob die Beschwerde gegen die Versagung der Besichtigung nach § 305 Satz 1 StPO – insbesondere während laufender Hauptverhandlung – ausgeschlossen wäre (zum Streitstand Meyer-Goßner, StPO 55. Auflage, § 147 Rdn. 41).
Der Verteidiger erstrebt mit seiner Beschwerde nicht nur die „Besichtigung“ der Beweisstücke, die genehmigt ist, sondern eine andere Art der Besichtigung. Gegenstand des Verfahrens ist nur noch die Ausgestaltung des Besichtigungsrechts. Diese ist nach § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO der Anfechtung entzogen.
Nach § 147 Absatz 4 Satz 1 StPO sollen Akten dem Verteidiger auf Antrag mitgegeben werden. Ausgenommen davon sind die Beweisstücke, die einem Mitgabeverbot unterliegen. Diese Bestimmung behandelt schon sprachlich die Beweisstücke als Teil der Akten, der aber von der Regelung ausgenommenen wird. Auch sachlich regelt die StPO das Akteneinsichtsrecht und das Besichtigungsrecht einheitlich, der einzige Unterschied liegt in dem Mitgabeverbot für Beweisstücke (dazu eingehend Peter Rieß, Amtlich verwahrte Beweisstücke, in: Wahrheit und Gerechtigkeit im Strafverfahren, Festgabe für Karl Peters, 1984). Auf diese Regelung bezieht sich der Anfechtungsausschluss des § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO. Dieser ist deshalb dahin zu verstehen, dass alle Entscheidungen nach § 147 Abs. 4 Satz 1 StPO über die Art und Weise der Akteneinsicht unanfechtbar sind (Wessing in Graf, StPO, 2. Auflage, § 147 Rn. 29). Unanfechtbar sind deshalb auch Entscheidungen über die Art und Weise, in der das Besichtigungsrecht gewährt wird.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Besichtigungsrecht in bestimmten Konstellationen den Anspruch auf die Überlassung von Kopien umfassen kann. Dieser Anspruch kann als modifiziertes Recht auf Überlassung der Akten in die Geschäftsräume des Verteidigers verstanden werden, der auch der selben Beschränkung durch einen etwa entgegenstehenden wichtigen Grund unterliegt (so Rieß a.a.O. S. 127). Gerade darin zeigt sich, dass die Entscheidung über die Art und Weise der Besichtigung letztlich dieselbe Rechtsgrundlage hat wie die über die Art und Weise der Akteneinsicht. Beide sind durch § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO der Anfechtung entzogen. Die Ausgestaltung soll dem verantwortlichen Staatsanwalt oder Richter überlassen bleiben. Dass diese Regelung gerade dann auch zweckmäßig ist, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Entscheidung in laufender Hauptverhandlung angefochten werden soll, bedarf keiner weiteren Begründung.