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Betrunken E-Scooter gefahren – vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

LG Stuttgart – Az.: 18 Qs 15/21 – Beschluss vom 12.03.2021

1. Die Beschwerde des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, am 1. November 2020 um 00:30 Uhr mit einem E-Scooter der Marke E. ohne Versicherungskennzeichen aus Richtung S.-straße kommend den R.-S.-Platz in […] Herrenberg befahren zu haben, an dem die Polizei eine Kontrollstelle errichtet hatte. Der Angeklagte soll dann von der N. Straße in die A.-straße abgebogen sein, wo er von Polizeibeamten gestoppt wurde. Bei der Fahrt soll der Angeklagte infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sein, was bei kritischer Selbstprüfung für ihn auch erkennbar gewesen sein soll. Der von dem Angeklagten genutzte E-Scooter soll gemäß Herstellerangaben einen 350 W-Elektroantrieb haben und Höchstgeschwindigkeiten von bis 30 km/h erreichen. Eine Betriebserlaubnis für den öffentlichen Straßenverkehr soll nicht bestehen, weshalb auch der Abschluss einer Haftpflichtversicherung nicht möglich sein soll.

Ein freiwillig angebotener Atemalkoholvortest bei dem Angeklagten ergab um 00:30 Uhr einen Wert von 0,62 mg/l. Eine am 1. November 2020 um 00:48 Uhr entnommen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,2 Promille.

Gegen den Angeklagten wurde am 14. Dezember 2020 ein Strafbefehl erlassen und eine Geldstrafe in Höhe von 25 Tagessätzen zu je 70 Euro verhängt. Zugleich wurde festgestellt, dass sich der Angeklagte durch die Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen und auch ein Fahrverbot für nicht fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge verwirkt habe. Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins sowie eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von 6 Monaten wurden angeordnet. Zudem wurde dem Angeklagten für die Dauer von 3 Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen. Der Angeklagte hat gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt.

Mit Beschluss vom 1. Februar 2021 ordnete das Amtsgericht Böblingen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Angeklagten an und stellte fest, dass diese zugleich als Anordnung der Beschlagnahme des Führerscheins wirke. Zur Begründung verwies das Amtsgericht Böblingen auf das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen und die Feststellungen in dem Strafbefehl vom 14. Dezember 2020. Es seien dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass dem Angeklagten die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Ungeeignetheit demnächst entzogen würde. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erscheine erforderlich, um die Allgemeinheit vor weiterer Gefährdung zu schützen. Der Beschluss wurde dem Angeklagten am 19. Februar 2021 zugestellt. Mit Einschreiben vom 23. Februar 2021 übersandte der Angeklagte seinen Führerschein dem Amtsgericht Böblingen.

Mit Fax vom 26. Februar 2021 legte der Verteidiger des Angeklagten Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Böblingen vom 1. Februar 2021 ein und beantragte, den Führerschein wieder an den Angeklagten auszuhändigen. Zur Begründung machte er geltend, die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB sei widerlegt. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob bei Fahrten mit E-Scootern der für die absolute Fahruntüchtigkeit bei Führern von Kraftfahrzeugen geltende Grenzwert der Blutalkoholkonzentration anzusetzen sei oder ob der Grenzwert für Fahrradfahrer gelte. Jedenfalls lägen besondere Umstände vor, die den Verstoß des Angeklagten günstiger erscheinen ließen als den Regelfall, weil sich das abstrakte Gefährdungspotential von E-Scootern erkennbar von dem „klassischer“ Kraftfahrzeuge unterscheide. Das Gefährdungspotential und die Leistungsanforderungen beim Führen eines E-Scooters seien eher mit einem Fahrrad oder einem Pedelec vergleichbar. Der Verteidiger verwies auf eine Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 7. Februar 2020 (Az.: 31 Qs 1/20). Eine Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad ziehe aber gerade nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis nach sich, weshalb Wertungswidersprüche entstehen könnten. Auch sei zu prüfen, ob aus der Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter auf eine Verantwortungslosigkeit des Angeklagten geschlossen werden könne, die mit einer Trunkenheitsfahrt mit „klassischen“ Kraftfahrzeugen vergleichbar sei. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte durch die ihm zur Last gelegte Trunkenheitsfahrt eine gegenüber dem abstrakten Gefährdungspotential erhöhte Gefährdungslage geschaffen habe. Insbesondere sei der Akte nicht zu entnehmen, dass es beispielsweise zu alkoholbedingtem Fahren von Schlangenlinien gekommen sei. Auch sei die konkrete Gefährlichkeit schon aufgrund der Tatzeit deutlich herabgesetzt gewesen. Schließlich begegne die Entziehung der Fahrerlaubnis auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit Bedenken. Die Verhängung eines Fahrverbots nach § 44 StGB erscheine naheliegender und selbst im Fall einer Verurteilung ausreichend.

Das Amtsgericht Böblingen half der Beschwerde im Wesentlichen unter Verweis darauf nicht ab, es handele sich bei dem E-Scooter um ein Kraftfahrzeug, für das dieselben Alkoholgrenzwerte wie bei Pkw-Führern gelten und das sich aufgrund der Motorisierung bezüglich des Gefahrenpotentials von einem Fahrrad unterscheide. Das Schaffen einer erhöhten Gefährdungslage sei für den Tatbestand des § 316 StGB nicht erforderlich, der wiederum einen Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB darstelle. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart legte der Kammer die Beschwerde zur Entscheidung vor und beantragte, diese zu verwerfen.

II.

Betrunken E-Scooter gefahren - vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis
(Symbolfoto: Von OPOLJA/Shutterstock.com)

Die gemäß § 304 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Angeklagten ist unbegründet. Das Amtsgericht Böblingen hat dem Angeklagten zurecht die Fahrerlaubnis nach § 111a Abs. 1 S. 1 StPO vorläufig entzogen und festgestellt, dass dies zugleich als Anordnung der Beschlagnahme des Führerscheins wirkt (§ 111a Abs. 3 S. 1 StPO).

Es sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 316 StGB entzogen werden wird. Sowohl der dringende Tatverdacht im Sinne des § 69 Abs. 1 S. 1 StGB als auch der erforderliche hohe Grad von Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht den Angeklagten für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen wird, liegen vor.

1.

Aufgrund des Ergebnisses der polizeilichen Ermittlungen besteht der dringende Verdacht, dass sich der Angeklagte nach § 316 StGB strafbar gemacht hat. Der Angeklagte ist dringend verdächtig, am 1. November 2020 um 00:30 Uhr über die S.-straße den R.-S.-Platz in […] Herrenberg sowie anschließend die N. Straße und die A.-straße befahren zu haben und damit im Verkehr einen E-Scooter der Marke E. ohne Versicherungskennzeichen mit einem 350 W-Elektroantrieb und einer möglichen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h geführt zu haben. Zwar hat der Angeklagte selbst keine Angaben zur Sache gemacht. Der dringende Tatverdacht ergibt sich jedoch aus der Aussage der Zeugen PM S. und PK W., die den Angeklagten während der Fahrt beobachteten.

Bei dem E-Scooter handelt es sich um ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG. Kraftfahrzeuge sind danach alle durch Maschinenkraft bewegten und nicht an Gleise gebundenen Landfahrzeuge. Dabei sei darauf hingewiesen, dass selbst E-Scooter, die unter die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) fallen, weil sie eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h erreichen, gemäß § 1 Abs. 1 eKFV als Kraftfahrzeuge einzustufen sind (hierzu ausführlich LG München I, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 1 J Qs 24/19 jug, BeckRS 2019, 38560; s. auch LG Münster, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – 3 Qs-62 Js 7713/19-61/19, BeckRS 2019, 35480; LG Dresden, Beschluss vom 27. März 2020 – 16 Qs 14/20, BeckRS 2020, 7598; LG München I, Beschluss vom 29. November 2019 – 26 Qs 51/19, BeckRS 2020, 3467). Vor diesem Hintergrund ist der vom Angeklagten gefahrene E-Scooter, der eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h erreicht, zweifellos ebenso als Kraftfahrzeug einstufen.

Es liegt weiterhin der dringende Verdacht vor, dass der Angeklagte aufgrund seiner Alkoholisierung zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet war. Die um 00:48 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,2 Promille, also mehr als den Mindestwert für die unwiderlegliche Annahme der Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille bei Führern von Kraftfahrzeugen (s. bspw. BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 – 4 StR 297/90, NJW 1990, 2393) und damit absolute Fahruntüchtigkeit. Vorliegend ist nicht der höher liegende Grenzwert für Fahrradfahrer anzusetzen, da es sich bei einem E-Scooter eben gerade um ein Kraftfahrzeug handelt (s. auch LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 31 Qs 1/20, juris Rn. 8; LG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 9 Qs 35/20, juris Rn. 14; LG München I, Beschluss vom 29. November 2019 – 26 Qs 51/19, aaO). Insoweit kann ergänzend auf die Rechtsprechung zu „Segways“ verwiesen werden, auf deren Führer ebenfalls der Beweisgrenzwert von 1,1 Promille anzuwenden ist (s. OLG Hamburg, Beschluss vom 19. Dezember 2016 – 1 Rev 76/16, NJOZ 2018, 249). Seine absolute Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei kritischer Selbstprüfung auch erkennen können.

2.

Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist der Angeklagte bei einer Tat nach § 316 StGB in der Regel als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet anzusehen, sodass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht erfolgen wird. Nur wenn im Einzelfall besonders günstige – außergewöhnliche – Umstände in der Person des Täters oder in den Tatumständen vorliegen, die positiv festgestellt werden können und die Indizwirkung der Tat widerlegen und sie vom Durchschnittsfall deutlich abheben lassen, ist ein Ausnahmefall anzunehmen und von der Regelvermutung abzuweichen (Fischer, StGB, 68. Auflage (2021), § 69, Rn. 22 und 26).

Ein derartiger Ausnahmefall wird bei Verwirklichung des § 316 StGB mittels eines E-Scooters in der Rechtsprechung teils, bisher wohl vornehmlich im Landgerichtsbezirk Dortmund, aber auch dort nicht einheitlich, angenommen. Gegen die Indizwirkung, die der Verwirklichung des § 316 StGB nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB zukommt, wird von der 31. Strafkammer des Landgerichts Dortmund in der auch vom Angeklagten in Bezug genommenen Entscheidung die von dieser angenommene verringerte abstrakte Gefährlichkeit eines E-Scooters gegenüber einspurigen Kraftfahrzeugen angeführt. Ein E-Scooter sei angesichts seines Gewichts und der erreichbaren Geschwindigkeit vielmehr mit der Gefährlichkeit eines Pedelecs oder eines konventionellen Fahrrads zu vergleichen (LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 31 Qs 1/20, juris Rn. 12, 13 und 16). Weiterhin wird angeführt, die Einordnung der für E-Scooter geltenden „Promillegrenze“ sei für den Bürger jedenfalls schwerer als im Fall von Pkws oder Motorrädern (LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 31 Qs 1/20, juris Rn. 15). Zudem sah das Landgericht Dortmund die konkrete Gefährlichkeit der Benutzung eines E-Scooters in fahruntüchtigem Zustand bei den zwei Beschwerdesachen zugrundeliegenden Sachverhalten als deutlich herabgesetzt an (LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 31 Qs 1/20, juris Rn. 17: Tatzeit gegen 01:10 Uhr an einem Werktag; LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 35 Qs 3/20, BeckRS 2020, 3435: kurze Fahrtstrecke von 2,5 Metern). Schließlich bestehe eine niedrigere Hemmschwelle für das Führen eines E-Scooters in fahruntüchtigem Zustand, als dies bei einem Pkw der Fall sei (LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 35 Qs 3/20, aaO).

In der vorliegenden Konstellation konnte die Kammer günstige Umstände, mit denen sich die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB widerlegen ließe, jedenfalls nicht positiv feststellen. Das Vorbringen des Angeklagten und seines Verteidigers vermag die Indizwirkung nicht zu widerlegen und hebt sie vom Durchschnittsfall jedenfalls nicht so deutlich ab, dass ein Ausnahmefall anzunehmen und von der Regelvermutung abzuweichen wäre.

Insbesondere liegen Besonderheiten, die ein Abweichen von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen würden, nicht schon darin, dass der Straftatbestand des § 316 StGB „nur“ mit einem E-Scooter verwirklicht worden sein soll (s. auch LG Dresden, Beschluss vom 27. März 2020 – 16 Qs 14/20, juris Rn. 7). Aus Sicht der Kammer ist die abstrakte Gefährlichkeit eines E-Scooters als Kraftfahrzeug nicht mit der von konventionellen Fahrrädern oder Pedelecs, sondern eher mit der eines Motorrollers oder Mofas vergleichbar (so auch LG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 43 Qs 5/20, BeckRS 2020, 3434; LG München I, Beschluss vom 29. November 2019, 26 Qs 51/19, aaO; LG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 9 Qs 35/20, juris Rn. 22). E-Scooter sind motorisiert und weisen durch ihre erheblich schnellere Fortbewegungsmöglichkeit und Beschleunigungskapazität eine höhere Leistungsanforderung an den Fahrer auf als dies bei einem Fahrrad der Fall ist. Der vom Angeklagten gefahrene E-Scooter kann offenbar eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h erreichen und hat damit ein erhebliches Gefährdungs- und Verletzungspotential für Dritte. Dieses wird dadurch verstärkt, dass der E-Scooter eine ohne große eigene Anstrengung und ohne erhebliche Koordinationsbemühungen abrufbare Kraft des Elektromotors freisetzt und insbesondere eine Geschwindigkeitsbeschleunigung erheblich leichter fällt als mit einem Fahrrad oder Pedelec, das durch eigene Anstrengung und Koordination bewegt werden muss (LG München I, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 1 J Qs 24/19 jug, aaO). Diese Kraft muss von dem Führer eines E-Scooters auch beherrscht werden können (so auch LG München I, Beschluss vom 29. November 2019, 26 Qs 51/19, aaO; LG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 9 Qs 35/20, juris Rn. 21). Überdies weisen E-Scooter ein gesteigertes Gefahrenpotential auf, da sie wegen der kleinen Räder viel empfindlicher auf Unebenheiten und wetterbedingte Einwirkungen der Fahrbahn reagieren und dem Fahrer insoweit eine höhere Aufmerksamkeit abverlangen (s. auch LG Köln, Beschluss vom 9. Oktober 2020 – 117 Qs 105/20, juris Rn. 5). Im alkoholisierten Zustand kommt noch hinzu, dass durch Gleichgewichtsbeeinträchtigungen und dadurch veranlasste plötzliche, unkontrollierte Lenkbewegungen auch andere, erheblich schneller fahrende Verkehrsteilnehmer zu Ausweichmanövern veranlasst werden können, die nicht nur für den ausweichenden, sondern auch vor allem für entgegenkommende Verkehrsteilnehmer in hohem Maße gefährlich sind (s. auch LG Dortmund, Beschluss vom 8. November 2019 – 32 Qs 130/19, 32 Qs 267 Js 1748/19 – 130/19, juris Rn. 11).

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass auch bei der Benutzung von Pedelecs mit Hilfe eines Elektroantriebs schnell Geschwindigkeiten erreicht werden können, die jedenfalls nicht erheblich unter der Höchstgeschwindigkeit des E-Scooters des Angeklagten liegen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Pedelecs, die nach § 1 Abs. 3 StVG gerade nicht als Kraftfahrzeuge einzustufen sind, lediglich einen elektrischen Hilfsantrieb haben, dessen Unterstützung unterbrochen wird, wenn der Fahrer nicht mehr tritt. Schon aufgrund dieses Umstands und der für die Benutzung eines Pedelecs erforderlichen Koordination dürfte ein fahruntüchtiger Fahrer größere Schwierigkeiten haben, mit einem Pedelec ähnliche Geschwindigkeiten zu erreichen wie mit einem E-Scooter. Im Fall eines alkoholisierten Fahrradfahrens steht daher nicht wie bei einem Kraftfahrzeug die Fremd-, sondern die Eigengefährdung im Vordergrund (so auch LG München I, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 1 J Qs 24/19 jug, aaO). Aufgrund des unterschiedlichen Gefährdungspotentials vermag die Kammer den vom Angeklagten angeführten Wertungswiderspruch zu einer Verwirklichung des § 316 StGB mit dem Fahrrad, bei dem § 69 StGB eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht vorsieht, nicht zu erkennen.

Auch ist letztlich die Wertung des Gesetzgebers zu sehen, wonach § 69 StGB grundsätzlich für alle Kraftfahrzeuge gilt. Eine Beschränkung auf einzelne Fahrzeugarten wie etwa bei § 69a Abs. 2 StGB sieht § 69 StGB gerade nicht vor. Dementsprechend ist es auch nicht erforderlich, dass der Angeklagte eine Verantwortungslosigkeit an den Tag legt, die mit einer Trunkenheitsfahrt mit – wie auch immer definierten – „klassischen“ Kraftfahrzeugen vergleichbar ist. Eine Unterscheidung zwischen „klassischen“ und anderen Kraftfahrzeugen sieht das Gesetz nicht vor und es existieren an diesem Punkt keine Sonderregelungen für E-Scooter. Auch wenn die Einordnung von E-Scootern als Kraftfahrzeuge und die daraus resultierende „Promillegrenze“ derzeit gegebenenfalls noch nicht allgemein bekannt sein sollte, so gehört es doch zur Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges, dass sich der Kraftfahrzeugführer über die für E-Scooter geltenden Regelungen informiert, bevor er einen solchen verwendet (s. auch LG Dresden, Beschluss vom 27. März 2020 – 16 Qs 14/20, juris Rn. 7).

Anders als vom Angeklagten dargestellt, ist vorliegend auch die konkrete Gefährlichkeit der Benutzung des E-Scooters zum Zeitpunkt und Ort der zur Last gelegten Tat am 1. November 2020 gegen 00:30 Uhr im Bereich des R.-S.-Platzes gegeben. Zu der gegebenen Uhrzeit und an der betroffenen Örtlichkeit war durchaus mit Personen- und vor allem auch Kfz-Verkehr zu rechnen, da der Angeklagte zwar nachts, aber noch nicht in den ganz frühen Morgenstunden unterwegs war. Zudem handelte es sich um die Nacht zu einem Sonntag (und Feiertag), so dass mit gegenüber einem Werktag erhöhtem Verkehrsaufkommen gerechnet werden musste. Dies zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass die Polizei an dieser Stelle sogar eine Kontrollstelle eingerichtet hatte. Für andere Personen und Kraftfahrzeuge bestand daher ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential, zumal der Angeklagte mit 1,2 Promille erheblich alkoholisiert und im Bereich einer mehrspurigen Bundesstraße unterwegs war.

Auch in der Person des Angeklagten liegende günstige Umstände, durch die die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB widerlegt wäre, konnte die Kammer nicht positiv feststellen. Der Angeklagte soll seine Fahrt nicht aus eigenem Antrieb abgebrochen haben, sondern von der Polizei gestoppt worden sein, nachdem er bereits die Kreuzung mehrerer mehrspuriger Straßen überquert hatte. Ein freiwilliger oder einsichtsgesteuerter Abbruch der Fahrt, der positive Rückschlüsse auf die charakterliche Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen zulassen könnte, scheint damit ausgeschlossen.

Abschließend ist zu bemerken, dass allein eine möglicherweise niedrigere Hemmschwelle für die Nutzung eines E-Scooters in alkoholisiertem Zustand gegenüber der Nutzung eines anderen Kraftfahrzeugs nicht als Umstand für die Widerlegung der Regelvermutung ausreichend ist (s. auch LG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 43 Qs 5/20, juris Rn. 9).

Einer weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung bedarf es gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 StGB nicht. Insbesondere bleiben persönliche, berufliche oder wirtschaftliche Auswirkungen außer Betracht (Fischer, StGB, aaO, § 69, Rn. 49 m.w.N.). Ob ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB naheliegender und bei Verurteilung als Nebenstrafe ausreichend ist, wird das Tatgericht zu entscheiden haben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

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