Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Alkohol-Vortest: Entscheidendes Indiz für Schuldfähigkeit bei Verkehrsunfall?
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was ist ein polizeilicher Alkohol-Vortest und wie wird er durchgeführt?
- Welche Bedeutung hat das Ergebnis eines Alkohol-Vortests im Strafverfahren?
- Kann ein hoher Alkoholwert im Vortest automatisch zur Annahme von Schuldunfähigkeit führen?
- Welche Rolle spielt die Beweiswürdigung bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit?
- Wie kann sich eine hohe Alkoholisierung auf die Schuldfähigkeit auswirken?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten wurde aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Abteilung zurückverwiesen.
- Der Angeklagte war wegen mehrerer Diebstähle verurteilt worden, das Urteil wies jedoch Rechtsfehler auf.
- Die Beweiswürdigung war widersprüchlich und unklar, es fehlten detaillierte Feststellungen zu den einzelnen Taten.
- Die Tatzeit, der Warenwert und der Aufbewahrungsort des Diebesguts waren nicht ausreichend überprüft und dokumentiert.
- Das Gericht berücksichtigte irrtümlich Atemalkoholkonzentrationswerte als Promillewerte, was zu einer falschen Beurteilung der Alkoholisierung führte.
- Eine Atemalkoholmessung kann keine genaue Blutalkoholkonzentration darstellen und hat nur Indizwirkung.
- Die Schuldunfähigkeit des Angeklagten aufgrund hoher Alkoholisierung wurde nicht ausreichend geprüft.
- Ein Ausschluss der Schuldfähigkeit wurde unzureichend mit der Alkoholgewöhnung und der Erinnerung des Angeklagten begründet.
- Das Urteil enthielt keine sachverständige Unterstützung zur Beurteilung der Schuldfähigkeit trotz erheblicher Alkoholmengen.
- Das Gericht muss sicherstellen, dass keine irrtümlich unzutreffenden Messergebnisse in die Beurteilung der Schuldfähigkeit einfließen.
Alkohol-Vortest: Entscheidendes Indiz für Schuldfähigkeit bei Verkehrsunfall?
Die Frage der Schuldfähigkeit spielt im Strafrecht eine zentrale Rolle. Sie entscheidet darüber, ob ein Tatverdächtiger für seine Tat verantwortlich gemacht werden kann und gegebenenfalls mit einer Strafe belegt wird. Besondere Bedeutung erlangt diese Frage im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol. Denn Alkoholgenuss kann die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und die Fähigkeit, sich selbst und die Folgen des eigenen Handelns zu kontrollieren, erheblich reduzieren.
Genau an dieser Schnittstelle von Alkohol und Schuldfähigkeit kommt der polizeiliche Alkohol-Vortest ins Spiel. Der Vortest dient in erster Linie dazu, einen Verdacht auf Alkoholisierung zu erhärten und einen weiteren Nachweis durch eine Blutentnahme zu begründen. Doch welche Bedeutung hat der Vortest im Strafprozess? Kann ein positiver Vortest bereits zu einer Einschränkung der Schuldfähigkeit führen? Diese Fragen beschäftigen Gerichte und Juristen immer wieder. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen die Beweislage, insbesondere der Wert des Vortests, im Mittelpunkt der juristischen Auseinandersetzung steht.
Ein aktuelles Urteil eines deutschen Gerichts befasst sich mit genau diesem Thema. In diesem Fall stand die Frage im Mittelpunkt, ob ein positiver Alkohol-Vortest im Zusammenhang mit einer Verkehrsunfallflucht als Grundlage für eine Einschränkung der Schuldfähigkeit dienen kann.
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Der Fall vor Gericht
Alkoholisierter Dieb vor Gericht: Urteil wegen Beweiswürdigungsmängeln aufgehoben
Der Fall eines mehrfachen Diebstahls, bei dem der Angeklagte unter erheblichem Alkoholeinfluss gehandelt haben soll, wurde vom Kammergericht Berlin zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. September 2023 wurde aufgrund von Mängeln in der Beweiswürdigung aufgehoben. Der Angeklagte war zunächst wegen drei Fällen des Diebstahls und einem Fall des Diebstahls mit Waffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden.
Lückenhafte Feststellungen und fehlerhafte Beweiswürdigung
Das Kammergericht Berlin stellte fest, dass die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügten. Die Beweiswürdigung wurde als lückenhaft bewertet und trug den erfolgten Schuldspruch nicht. Insbesondere bemängelte das Gericht, dass keine detaillierten Angaben des Angeklagten zum Tathergang mitgeteilt oder Beweiserhebungen zu den einzelnen Tatumständen vorgenommen wurden.
Ein besonders kritischer Punkt war die fehlende Überprüfung des Geständnisses auf seine Richtigkeit. Das Kammergericht betonte, dass eine Beschränkung der Beweiswürdigung auf den alleinigen Hinweis, ein Angeklagter sei geständig gewesen, nicht ausreiche. Dies gelte insbesondere, da das jeweilige Tatgeschehen im Zustand erheblicher Alkoholisierung stattgefunden haben soll. Das Gericht forderte konkrete Ausführungen in den Urteilsgründen, anhand derer nachvollzogen werden kann, dass sich der Angeklagte trotz seiner Alkoholisierung an Einzelheiten, wie den genauen Warenwert, erinnern konnte.
Fragwürdige Feststellung der Alkoholisierung und deren rechtliche Bewertung
Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt des Kammergerichts betraf die Feststellung der Alkoholisierung des Angeklagten. Das Amtsgericht hatte bei den Taten 2, 3 und 4 eine mit Promille-Werten bestimmte Atemalkoholkonzentration festgestellt. Das Kammergericht wies darauf hin, dass dies rechtlich problematisch sei, da das Ergebnis einer Atemalkoholmessung nur eine in Gramm oder Milligramm bestimmte Äthylalkoholmenge in einem bestimmten Atemvolumen darstelle, nicht aber den Wert in Promille Ethanol im Vollblut.
Das Kammergericht betonte, dass eine Blutalkoholkonzentration aufgrund von Atemalkoholtestgeräten nicht sicher festgestellt werden könne und solche Messungen nur Indizwirkung entfalten. Es kritisierte, dass das Amtsgericht möglicherweise ein unzutreffendes Messergebnis mitgeteilt und bei seiner Beurteilung der Schuldfähigkeit einen unzutreffenden Grad der Alkoholisierung zugrunde gelegt habe.
Unzureichende Prüfung der Schuldfähigkeit
Das Kammergericht bemängelte zudem die unzureichende Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Angesichts der im Urteil festgestellten Werte von 2,8 bis zu 3,77 Promille und der Angaben des Angeklagten, er habe damit begonnen, erhebliche Mengen Alkohol zu trinken, hätte sich eine vertiefte Klärung der Frage der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB aufgedrängt.
Das Amtsgericht hatte den Ausschluss der Aufhebung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten allein auf seine Alkoholgewöhnung, seine „recht gute Erinnerung an die einzelnen Taten“ und deren „recht kontrollierte“ Begehung gestützt. Das Kammergericht kritisierte, dass diese Bewertung ohne sachverständige Unterstützung und ohne Hinweise auf eine eigene ausreichende Sachkunde des Gerichts erfolgt sei. Es wies darauf hin, dass planmäßiges, zielstrebiges oder folgerichtiges Verhalten einer Schuldunfähigkeit nicht entgegenstehe, da sich gerade trinkgewohnte Personen im Rausch noch motorisch kontrolliert und geordnet verhalten könnten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Beweiswürdigung, insbesondere bei alkoholbedingten Straftaten. Sie verdeutlicht, dass Atemalkoholtests allein nicht ausreichen, um die Schuldfähigkeit zu beurteilen. Bei hohen Alkoholwerten ist eine vertiefte Prüfung der Schuldfähigkeit unter Einbeziehung sachverständiger Expertise erforderlich, selbst wenn der Angeklagte geständig ist und sich kontrolliert verhalten hat. Die Entscheidung mahnt zu besonderer Sorgfalt bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit alkoholisierter Täter.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil ist für Sie von Bedeutung, wenn Sie in eine Situation geraten, in der Ihre Schuldfähigkeit aufgrund von Alkoholkonsum in Frage steht. Ein positiver Alkohol-Vortest allein reicht nicht aus, um Ihre Schuldfähigkeit einzuschränken oder aufzuheben. Die Gerichte müssen eine gründliche Prüfung vornehmen, die über das bloße Testergebnis hinausgeht. Selbst wenn Sie sich an Details erinnern können oder kontrolliert gewirkt haben, bedeutet das nicht automatisch, dass Sie voll schuldfähig waren. Bei hohen Alkoholwerten ist eine umfassende Beurteilung Ihrer Schuldfähigkeit erforderlich, möglicherweise unter Einbeziehung von Sachverständigen. Dies kann in Ihrem Fall zu einer milderen rechtlichen Bewertung führen.
FAQ – Häufige Fragen
Alkohol und Schuldfähigkeit – ein Thema, das viele Fragen aufwirft. Ob im Straßenverkehr, bei Kontroversen am Arbeitsplatz oder im privaten Kontext, die Frage nach der Schuldfrage unter Alkoholeinfluss beschäftigt uns. Alkohol und Schuldfähigkeit sind komplexe Themen, die im Detail betrachtet werden müssen. Mit unseren häufigen Fragen und Antworten möchten wir Ihnen ein besseres Verständnis für die rechtlichen und gesellschaftlichen Aspekte dieses Themas verschaffen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was ist ein polizeilicher Alkohol-Vortest und wie wird er durchgeführt?
- Welche Bedeutung hat das Ergebnis eines Alkohol-Vortests im Strafverfahren?
- Kann ein hoher Alkoholwert im Vortest automatisch zur Annahme von Schuldunfähigkeit führen?
- Welche Rolle spielt die Beweiswürdigung bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit?
- Wie kann sich eine hohe Alkoholisierung auf die Schuldfähigkeit auswirken?
Was ist ein polizeilicher Alkohol-Vortest und wie wird er durchgeführt?
Welche Bedeutung hat das Ergebnis eines Alkohol-Vortests im Strafverfahren?
Kann ein hoher Alkoholwert im Vortest automatisch zur Annahme von Schuldunfähigkeit führen?
Welche Rolle spielt die Beweiswürdigung bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit?
Wie kann sich eine hohe Alkoholisierung auf die Schuldfähigkeit auswirken?
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Beweiswürdigung: Die Beweiswürdigung ist die Beurteilung und Bewertung der Beweise durch das Gericht. Sie muss logisch und nachvollziehbar sein und auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen. Im Fall des alkoholisierten Diebes wurde die Beweiswürdigung als lückenhaft kritisiert, da wichtige Details zu den Taten und der Alkoholisierung nicht ausreichend geklärt wurden.
- Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB): Schuldunfähigkeit liegt vor, wenn jemand aufgrund einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer anderen schweren seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Der hohe Alkoholkonsum des Angeklagten war ein zentraler Punkt in der Beurteilung seiner Schuldfähigkeit.
- Atemalkoholmessung: Ein Verfahren zur Bestimmung des Alkoholgehalts in der Atemluft. Diese Messung gibt den Alkoholgehalt in Milligramm pro Liter Atemluft an, nicht in Promille. Die Ergebnisse können nur als Indiz für die Blutalkoholkonzentration dienen und sind nicht hundertprozentig genau, was im vorliegenden Fall zu rechtlichen Problemen führte.
- Geständnis: Ein Geständnis ist die freiwillige und bewusste Erklärung eines Angeklagten, eine Tat begangen zu haben. Im vorliegenden Fall wurde das Geständnis des Angeklagten als nicht ausreichend geprüft angesehen, insbesondere im Hinblick auf die Richtigkeit unter erheblichem Alkoholeinfluss.
- Promille: Promille bezeichnet den Alkoholgehalt im Blut und gibt an, wie viele tausendstel Anteile Alkohol pro Liter Blut vorhanden sind. Ein hoher Promillewert kann die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen. Im Fall wurde die Promilleangabe durch Atemalkoholtests als problematisch erachtet, da diese keine exakten Blutalkoholwerte liefern.
- Sprungrevision (§ 335 StPO): Die Sprungrevision ermöglicht es einem Angeklagten, direkt das Revisionsgericht anzurufen, ohne zuvor in Berufung gegangen zu sein. Dies ist in besonderen Fällen erlaubt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Im vorliegenden Fall hatte die Sprungrevision Erfolg, da erhebliche Rechtsfehler in der Beweiswürdigung festgestellt wurden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO (Strafprozessordnung): Dieser Paragraph regelt die Anforderungen an die Urteilsgründe im Strafverfahren. Die Beweiswürdigung muss lückenlos sein und den Schuldspruch tragen. Im vorliegenden Fall bemängelte das Kammergericht, dass die Beweiswürdigung lückenhaft war und die Feststellungen nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügten.
- § 20 StGB (Strafgesetzbuch): Dieser Paragraph befasst sich mit der Schuldunfähigkeit. Eine Person ist schuldunfähig, wenn sie bei Begehung der Tat aufgrund einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Im vorliegenden Fall kritisierte das Kammergericht, dass die Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten unzureichend war, insbesondere angesichts des hohen Alkoholgrads.
- § 335 StPO (Strafprozessordnung): Dieser Paragraph regelt die Sprungrevision im Strafverfahren. Die Sprungrevision ermöglicht es dem Angeklagten, direkt das Revisionsgericht anzurufen, ohne zuvor das Rechtsmittel der Berufung eingelegt zu haben. Im vorliegenden Fall hatte die Sprungrevision des Angeklagten Erfolg, da das Kammergericht Rechtsfehler in der Beweiswürdigung feststellte.
- Alkoholgewöhnung: Unter Alkoholgewöhnung versteht man die Anpassung des Körpers an regelmäßigen Alkoholkonsum. Bei Personen mit Alkoholgewöhnung kann die Alkoholtoleranz erhöht sein, was bedeutet, dass sie größere Mengen Alkohol vertragen, bevor sich die Auswirkungen bemerkbar machen. Im vorliegenden Fall wurde die Alkoholgewöhnung des Angeklagten bei der Beurteilung seiner Schuldfähigkeit berücksichtigt, jedoch vom Kammergericht als unzureichend kritisiert.
- Atemalkoholmessung: Die Atemalkoholmessung ist ein Verfahren zur Bestimmung des Alkoholgehalts in der Atemluft. Das Ergebnis wird in der Regel in Promille oder Milligramm pro Liter angegeben. Im vorliegenden Fall wurde die rechtliche Bewertung der Atemalkoholmessung diskutiert, da das Amtsgericht fälschlicherweise Promillewerte angegeben hatte, obwohl Atemalkoholmessgeräte nur eine in Gramm oder Milligramm bestimmte Äthylalkoholmenge in einem bestimmten Atemvolumen darstellen.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 ORs 41/24 – 161 SRs 47/24 – Beschluss vom 27.05.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
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Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. September 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen drei Fällen des Diebstahls und wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, nach § 335 StPO statthafte und auch im Weiteren zulässige Sprungrevision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift Stellung genommen. Sie hat u.a. ausgeführt:
„Die Prüfung des Urteils auf die allein erhobene allgemeine Sachrüge deckt den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler in der Beweiswürdigung auf.
Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Dabei müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse nicht bloße Vermutungen sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13. April 2023 – 4 StR 413/22 –, Rn. 7, juris).
Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils genügen den sich aus § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Anforderungen nicht, sie sind mit Blick auf die obergerichtliche Rechtsprechung lückenhaft und tragen den erfolgten Schuldspruch nicht.
Das angegriffene Urteil stellt bei der Darlegung des Beweisergebnisses, unter Bezugnahme auf die zuvor mitgeteilten festgestellten Sachverhalte, lediglich fest, dass der Angeklagte diese eingeräumt und ergänzend erklärt hat, er habe die Taten aus wirtschaftlicher Not begangen und deshalb auch begonnen, erhebliche Mengen an Alkohol zu trinken. Das Amtsgericht stellte ferner fest, dass es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass sich der Angeklagte zu Unrecht selbst belastet hätte. Es sind keine weiteren Angaben des Angeklagten zum Tathergang mitgeteilt oder Beweiserhebungen zu den einzelnen Tatumständen vorgenommen worden. Das Urteil enthält bereits keine Ausführungen zu der Frage, wie die Tatzeit (die im Fall 1 nicht einmal genannt wird), der konkrete Warenwert und der Aufbewahrungsort des in einem Fall mitgeführten Cuttermessers durch Rückfragen auf Stimmigkeit überprüft und durch Vorhalte abgeglichen wurden. Bezüglich der Tat zu 1 entspricht das Urteil bereits aufgrund der fehlenden Angaben zum Tag der Tatbegehung nicht den Anforderungen des § 267 Abs.1 S.1 StPO, denn auch den Urteilsgründen im Übrigen lässt sich nicht entnehmen, dass die Tat nicht etwa bereits zu rechtsverjährter Zeit begangen wurde (vgl. KG, Beschluss vom 2. Juli 2004 – (3) 1 Ss 142/04 (51/04).
Dies macht vorliegend eine Überprüfung des Geständnisses auf seine Richtigkeit nicht möglich und stellt sich, auch vor dem Hintergrund der Verpflichtung der Strafgerichte, von Amts wegen den wahren Sachverhalt zu erforschen, als unzureichend dar (vgl. KG, Beschluss vom 05. Mai 2023 – 3 ORs 12/23 – 161 Ss 6/23 – juris, m. w. N.). Eine Beschränkung der Beweiswürdigung auf den alleinigen Hinweis, ein Angeklagter sei geständig gewesen, kann hier nicht genügen, weil das jeweilige Tatgeschehen im Zustand erheblicher Alkoholisierung stattgefunden haben soll. Hier wären konkrete Ausführungen in den Urteilsgründen erforderlich gewesen, anhand derer nachvollzogen werden kann, dass sich der Angeklagte trotz seiner Alkoholisierung an eben jene Einzelheiten, bei den Waren sogar an die Nachkommastelle des Wertes, im Einzelnen erinnern konnte.
Das Amtsgericht hat dabei zudem rechtsfehlerhaft festgestellt, der Angeklagte habe eine mit Promille-Werten bestimmte Atemalkoholkonzentration bei den Taten 2), 3) und 4) aufgewiesen. Dies ist nicht nachvollziehbar, weil das Ergebnis einer Atemalkoholmessung nur eine in Gramm oder Milligramm bestimmte Äthylalkoholmenge in einem bestimmten Atemvolumen darstellt (vgl. KG, Beschluss vom 06. September 2023 – 2 ORs 29/23 – 121 Ss 126/23, juris m. w. N.), nicht aber den Wert in Promille Ethanol im Vollblut.
Das Gericht hat also entweder nicht das konkrete oder irrtümlich ein unzutreffendes Messergebnis mitgeteilt und bei seiner Beurteilung der Schuldfähigkeit nicht ausschließbar einen unzutreffenden (zu geringen) Grad der Alkoholisierung zugrunde gelegt.
Es tritt hinzu, dass eine Blutalkoholkonzentration aufgrund von Messungen mithilfe von Atemalkoholtestgeräten nicht sicher festgestellt werden kann. Vielmehr entfalten sie nur Indizwirkung (KG, a.a.O. – wie vor) und es hätte zur Bestimmung des Alkoholisierungsgrades und dessen Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit zur Tatzeit weiterer Feststellungen bedurft, um auszuschließen, dass das Gericht nicht zum Nachteil des Angeklagten nur von einer verminderten Schuldfähigkeit anstelle einer tatsächlich gegebenen Schuldunfähigkeit ausgegangen ist.
Angesichts der im Urteil festgestellten Werte von 2,8 bis zu 3,77 Promille und in Anbetracht der Angaben des Angeklagten, er habe damit begonnen, erhebliche Mengen an Alkohol zu trinken, drängte sich die Klärung der Frage der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) auf.
Stattdessen hat das Gericht – ohne sachverständige Unterstützung und Hinweise auf eine eigene ausreichende Sachkunde den Ausschluss der Aufhebung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit (§ 20 StGB) des Angeklagten allein auf seine Alkoholgewöhnung, seine – nicht näher ausgeführte – „recht gute Erinnerung an die einzelnen Taten“ und deren „recht kontrollierte“ Begehung gestützt. Zwar kann das „Leistungsverhalten“ eines Angeklagten grundsätzlich zur Beurteilung der Schuldfähigkeit durch den Tatrichter herangezogen werden. Wenn es sich – wie vorliegend – auf die Beschreibung des Tatgeschehens beschränkt, erlaubt es jedoch für sich keinen Rückschluss auf das Ausmaß der Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten. Andernfalls geriete die Beweiswürdigung in die Gefahr des Zirkelschlusses, dass der zur Tat fähige Täter automatisch auch schuldfähig gewesen ist (vgl. KG wie vor). Zwar führt ein Alkoholgehalt von 3‰ und mehr nicht zwangsläufig zur Schuldunfähigkeit, doch wird auch ein trinkgewohnter Täter bei diesem Alkoholisierungsgrad oft schuldunfähig sein. Planmäßiges, zielstrebiges oder folgerichtiges Verhalten stehen dem nicht entgegen, weil sich gerade trinkgewohnte Personen im Rausch noch motorisch kontrolliert und geordnet verhalten können (vgl. KG, Beschluss vom 10. Januar 2011 – (3) 1 Ss 491/10 (182/10) -). (…)
Dem folgt der Senat.
2. Für den neuen Rechtsgang wird, geringfügig relativierend, angemerkt:
a) In Bezug auf die Glaubhaftigkeit der Geständnisse wird es keiner ausufernden Beweisaufnahme bedürfen. Erweisen sie sich, was naheliegt, als im Grundsatz plausibel, wird es nur noch eines summarischen Abgleichs mit objektiven Umständen bedürfen. Über die Höhe der eingetretenen Schäden wird, gegebenenfalls durch Verlesung von Urkunden, Beweis zu erheben sein.
b) Im Grundsatz zutreffend hat die Generalstaatsanwaltschaft die Urteilsfeststellungen insoweit beanstandet, als der Angeklagte „eine mit Promille-Werten bestimmte Atemalkoholkonzentration bei den Taten 2), 3) und 4) aufgewiesen“ habe. Dies sei zum einen deshalb fehlerhaft, weil das Ergebnis einer Atemalkoholmessung nur eine in Gramm oder Milligramm bestimmte Äthylalkoholmenge in einem bestimmten Atemvolumen darstelle. Zum anderen sei es deshalb nicht zutreffend, weil eine „Blutalkoholkonzentration aufgrund von Messungen mithilfe von Atemalkoholtestgeräten nicht sicher festgestellt werden“ und daher nur Indizwirkung entfalten könne.
All dies ist richtig. Allerdings ist auch bekannt, dass die Berliner Polizei Atemalkoholmessgeräte verwendet, die das Messergebnis in Promille ausweisen. Diese so genannten Vortestgeräte transferieren den als Milligramm pro Liter Blut gemessenen Atemalkohol in einen als Promille ausgewiesenen Blutalkoholwert. Dabei wird die „Umrechnungsformel“ verwendet die – ausschließlich normativ – § 24a StVG zugrunde liegt (Atemalkoholgehalt in Milligramm/Liter x 2 = Blutalkoholgehalt in Promille) (vgl. Senat Blutalkohol 53, 321 [2016]). Eine solche „Umrechnung“ kann in der Wirklichkeit nur eine statistische Näherung darstellen, sie liefert kein wissenschaftlich valides Ergebnis. Aus diesem Grund sind die nicht gemessenen, sondern errechneten „Blutalkoholwerte“ auch nur bedingt forensisch verwertbar.
Unter welchen Voraussetzungen und in welcher Tiefe solche im „Vortest“ erzeugten Näherungswerte zur Grundlage einer Befassung mit dem Vorliegen von Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB zu machen sind, ist, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung nicht vertieft erörtert worden. Zwar wird in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft bei, wie hier, signifikant hohen Werten eine Befassung mit § 20 StGB zu erwarten sein. Da für ihre ungefähre Richtigkeit aber nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit streitet, können sie durch andere Beweisanzeichen und Umstände, etwa ein kontrolliertes Leistungsverhalten, leichter „entkräftet“ werden als dies bei prozessual validen Blutalkoholwerten der Fall ist. Jedenfalls aber muss das Revisionsgericht ausschließen können, dass der Tatrichter irrtümlich ein unzutreffendes Messergebnis (Promille statt mg/l oder Blutalkohol statt Atemalkohol) mitgeteilt und seiner Beurteilung der Schuldfähigkeit damit einen unzutreffenden Grad der Alkoholisierung zugrunde gelegt hat (vgl. BGH StV 2023, 516; KG, Beschluss vom 6. September 2023 – 2 ORs 29/23 – [juris]).
3. Das Urteil beruht im Fall 1 auf der Lückenhaftigkeit der Feststellungen und im Übrigen auf der beanstandeten Beweiswürdigung. Es war daher auf die Sachrüge aufzuheben. Die Strafsache war zugleich an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.