AG Bautzen, Az.: 41 Ds 600 Js 8781/14, Beschluss vom 18.11.2014
Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen d. Angeschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
1.) Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist aus tatsächlichen Gründen in Ermangelung eines hinreichenden Tatverdachts abzulehnen.
Dem Angeschuldigten liegt zur Last, im Besitz kinderpornographischer Schriften gewesen zu sein, als bei ihm in der Wohnung L.-H.-Straße in B. am 07.05.2014 durchsucht wurde. Das ist strafbar als Besitz kinderpornographischer Schriften §184b IV StGB.
Nach vorläufiger Bewertung des Gerichts stellen sich die Abbildungen, die entblößte Genitalien darstellen als kinderpornographisch und insoweit auch strafbar dar. Die bei der Durchsuchung aufgefundenen Dokumente sind auch ausreichend zumindest einen hinreichenden Tatverdacht zu belegen.
2.) Indes sind die bei dem Beschuldigten aufgefundenen ausgedruckten oder elektronisch vorrätig gehaltenen Bilder als Beweismittel gegen ihn nicht verwertbar. Die Verteidigung widerspricht ausdrücklich der Verwertung.
Die zugrundeliegende Durchsuchungsanordnung des AG Bautzen vom 17.04.2014 ist in einem Maße rechtswidrig ergangen, dass sie wenn nicht als willkürlich ( d.h. als unsachlich, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernt erwägend und unter keinem Gesichtspunkt mehr zu vertreten), so doch als schwerwiegend fehlerhaft ergangen zu bewerten ist. Dabei ist sich das Gericht bewusst, dass es für die Anordnung der Durchsuchung weniger als einen Anfangsverdacht braucht, nämlich lediglich, aber noch immerhin, zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen müssen. Vage Anhaltspunkte und sich hierauf ergebende Vermutungen reichen nicht aus (vgl. Lutz Meyer-Goßner StPO Rn 2 zu §102 StPO). Insbesondere darf die Durchsuchung nicht der Ausforschung dienen, um daraufhin einen Tatverdacht begründen zu können.
Der Inhalt des anonymen Anrufs, welcher die spätere Durchsuchung auslöste, ist nicht im Einzelnen gesichert worden. Bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses war demzufolge aus der Akte nur bekannt, dass ein anonymer Anrufer angab, dass der polizeibekannt einschlägig vorbestrafte Angeschuldigte „kinderpornographische Aufzeichnungen auf seinem Laptop besitzt.“ Diese anonyme Mitteilung enthält indes keine Tatsachen. Sie ist nur eine Bewertung. Ob diese Bewertung richtig vorgenommen wurde, lässt sich nicht überprüfen. Weder gibt der Hinweisgeber prüffähige Tatsachen preis noch ermöglicht er seine Nachbefragung. Eine eigenständige Prüfung des Gerichts, ob die Voraussetzungen für eine Durchsuchungsanordnung vorliegen, ist so nicht möglich. Es kann und darf sich nicht darauf verweisen lassen, die Bewertung Dritter, erst recht nicht eines Unbekannten zu übernehmen und seiner in Grundrechte eingreifenden Anordnung zugrundezulegen. Was das Gericht nicht prüfen kann, kann es auch nicht zur Grundlage einer Anordnung machen. Andernfalls würde der Richtervorbehalt unterlaufen und eine Überprüfung exekutiven Handelns fände, entgegen dem gesetzgeberischen Willen und verfassungsmäßigen Erfordernissen, nicht mehr statt. Hierbei hatte der Ermittlungsrichter vorliegend nämlich auch zu erwägen, dass dem vorbestraften und in der Nachbarschaft möglicherweise nicht gerne gesehenen Angeschuldigten möglicherweise auch die Polizei einfach mal ins Haus geschickt werden sollte, um ihm Unannehmlichkeiten zu bereiten. Jedenfalls bleibt das Motiv des anonymen Anrufers unklar. Dass tatsächlich kinderpornographisches Material bei ihm gefunden wurde, ersetzt das Erfordernis einer verdachtbegründende Tatsachengrundlage ex ante nicht. Oder anders: Der Erfolg einer Maßnahme heilt die Rechtswidrigkeit ihrer Anordnung nicht. Die Durchsuchungsanordnung stellt sich, ohne prüffähige Tatsachengrundlage vorgenommen, als zumindest schwerwiegend fehlerhaft und damit rechtswidrig dar. Die anschließende Durchsuchung verletzt das Grundecht des Angeschuldigten auf Unverletzlichkeit seiner Wohnung in einem schwerwiegenden, nicht mehr hinzunehmenden Maß (Art 13 Grundgesetz).
Die bei der Durchsuchung gewonnenen Beweise sind abweichend von der Regel nicht verwertbar. In Abwägung mit der Bedeutung der durch die Durchsuchung aufgedeckten Straftat und der Berechtigung ihrer Anordnung im Ergebnis bei Kenntnis der zutage gebrachten Beweise zu der Schwere der Rechtsverletzung hat das Interesse an der funktionsfähigen Rechtspflege im vorliegenden Fall den Nachrang. Andernfalls liefe der Grundrechtsschutz leer und es bedürfte nur noch eines Hinweises nah am Nichts um Grundrechte des Beschuldigten außer Kraft zu setzen.
Andere verwertbare Beweismittel stehen nicht zur Verfügung. Und allein einschlägige Vorstrafen des Angeschuldigten begründen keine Durchsuchung.
Letztlich kann das Gericht auch der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung nichts Gegenteiliges entnehmen. Ausführungen zu einem tatsachenbegründeten Tatverdacht sind in ihr nicht abgebildet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 467 I StPO.