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Bezeichnung von polizeilichen Maßnahmen als rassistisch – Strafbarkeit

Freispruch im Fall von „Racial Profiling“-Vorwurf: Meinungsfreiheit gegen Polizeiehre

In einem bemerkenswerten Fall hat das Landgericht Mannheim die Berufung einer Angeklagten stattgegeben und sie vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Ursprünglich war die Angeklagte vom Amtsgericht Mannheim zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie Polizeibeamte während einer Kontrolle als rassistisch bezeichnet hatte. Das Hauptproblem in diesem Fall lag in der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Polizeibeamten und dem Grundrecht der Angeklagten auf freie Meinungsäußerung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 15 NBs 404 Js 33134/21  >>>

Der Kontext der Äußerungen

Bezeichnung von polizeilichen Maßnahmen als rassistisch - Strafbarkeit
Freispruch im ‚Racial Profiling‘-Fall: Meinungsfreiheit triumphiert über Polizeiehre in komplexer Diskriminierungsdebatte. (Symbolfoto: geogif /Shutterstock.com)

Die Angeklagte hatte beobachtet, wie Polizeibeamte vorwiegend dunkelhäutige Personen kontrollierten. Sie sprach die Beamten darauf an und bezeichnete ihr Vorgehen als „racial profiling“. Die Polizeibeamten fühlten sich durch diese Äußerung in ihrer Ehre verletzt. Die Angeklagte machte jedoch von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch, um eine polizeiliche Praxis zu kritisieren, die sie als diskriminierend empfand.

Tatsache oder Werturteil?

Ein zentraler Punkt des Urteils war die Frage, ob die Äußerung der Angeklagten als Tatsache oder als Werturteil einzustufen ist. Das Gericht stellte fest, dass der Begriff „Rassist“ sowohl eine Tatsache als auch ein Werturteil sein kann, abhängig vom Kontext. In diesem Fall konnte die Äußerung als tatsachenhaltiges Werturteil gesehen werden, da die Angeklagte trotz Erklärung der Polizeibeamten an ihrer Darstellung festhielt.

Die Rolle der Meinungsfreiheit

Das Gericht betonte die Bedeutung der Meinungsfreiheit, insbesondere wenn es um die Kritik an Maßnahmen der öffentlichen Gewalt geht. Die Angeklagte hatte das Recht, ihre Meinung frei zu äußern und die polizeilichen Maßnahmen zu kritisieren, ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen haben zu müssen.

Abwägung der Interessen

Bei der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Polizeibeamten und dem Grundrecht der Angeklagten auf freie Meinungsäußerung entschied das Gericht zugunsten der Angeklagten. Die Polizeibeamten müssen aufgrund ihrer Position als Amtsträger eine höhere Kritikfähigkeit aufweisen. Die Äußerungen der Angeklagten waren daher nach § 193 StGB straffrei, und sie wurde aus rechtlichen Gründen freigesprochen.

Das Urteil wirft ein Schlaglicht auf die komplexen Spannungen zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten, insbesondere in einer Zeit, in der Fragen der Diskriminierung und des Rassismus immer mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken.

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Das vorliegende Urteil

LG Mannheim – Az.: 15 NBs 404 Js 33134/21 – Urteil vom 27.06.2023

Auf die Berufung der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 21.3.2023 aufgehoben und die Angeklagte freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 und 5 StPO)

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 21.3.2023 wurde die Angeklagte wegen Beleidigung zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen in Höhe von jeweils 50,- EUR verurteilt. Auf die Berufung der Angeklagten wurde das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Angeklagte aus Rechtsgründen freigesprochen.

II.

….

III.

Die Angeklagte befand sich am 29.7.2021 zusammen mit Freunden … in Höhe des M.platzes, als ihr Polizeibeamte auffielen, die im Bereich des dortigen Treppenabgangs Polizeikontrollen durchführten und insbesondere eine Person festnehmen wollten, die dann flüchtig ging. Die Angeklagte bemerkte, dass die Polizeibeamten vor allem dunkelhäutige Personen kontrollierten. Ohne den Grund dafür – nämlich einen Konzepteinsatz gegen Drogenhändler aus einer bestimmten Gruppierung – zu kennen und vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen auf Grund ihrer ebenfalls dunklen Hautfarbe empfand sie dies als ein einseitig und damit ungerechtfertigt gegen dunkelhäutige Personen gerichtetes polizeiliches Vorgehen. Sie sprach die beiden Polizeibeamten POMin H. und POM B. darauf an, warum sie nicht auch „Lisa“ und „Peter“ (als Synonym für hellhäutige Deutsche) kontrollierten, sondern nur „Schwarze“. Obwohl die beiden Beamten versuchten, ihr die Maßnahmen zu erklären, gab sich die Angeklagte mit den Erklärungen nicht zufrieden und bezeichnete das Vorgehen der Beamten wiederholt und mit zunehmender Lautstärke als rassistisch und als „racial profiling“. Nicht festzustellen war, ob die Angeklagte die Polizeibeamten auch als Rassisten bezeichnete. Die Polizeibeamten, insbesondere der hinzugekommene Einsatzleiter PK M., empfanden die Äußerung als ungerechtfertigte, von vielen umstehenden Personen wahrzunehmende Unterstellung, sie seien in der Durchführung ihrer Arbeit an einer Geringschätzung einer bestimmten Ethnie orientiert, und fühlten sich hierdurch in ihrer Ehre verletzt.

IV.

Bei der Subsumtion einer Äußerung unter den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB ist zunächst zu klären, ob es sich bei dem verwendeten Begriff um eine Tatsache oder ein Werturteil handelt.

Der Begriff „Rassist“ bezeichnet eine Person, die eine andere Person aufgrund ihrer Herkunft oder Ethnie geringschätzt und sich ihr gegenüber aus diesem Grund anders verhält als gegenüber anderen Personen. Grundsätzlich kann es sich hierbei um eine Tatsache handeln, je nach Zusammenhang kann in dem – insbesondere unberechtigten – Vorwurf, aus rassistischen Gründen zu handeln, jedoch auch ein Werturteil liegen. Bei der Auslegung und Einordnung dieses Begriffes ist der sprachliche Kontext und die Begleitumstände der Äußerung zu beachten, so dass je nachdem gerade auch bei polizeilichen Maßnahmen der Begriff unterschiedlich zu werten sein kann. Der Umstand, dass die Polizeibeamten vor allem dunkelhäutige Personen kontrollierten, wie die Angeklagte zu Recht wahrnahm, könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, dass eine mögliche Deutung der Äußerung auch eine straflose Tatsache sein könnte, eine Auslegungsvariante, die zu ihren Gunsten zugrunde zu legen wäre. Die Polizeibeamten hatten der Angeklagten jedoch die Maßnahmen erklärt, und sie beharrte gleichwohl auf ihrer Darstellung, so dass in ihrer Äußerung ein tatsachenhaltiges Werturteil gesehen werden kann. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Schwerpunkt der Äußerung in der Kundgabe einer ehrverletzenden Meinung liege, bleibt die Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB straflos.

Die Angeklagte machte von ihrem verfassungsmäßig garantierten Recht aus Art. 5 GG auf freie Meinungsäußerung Gebrauch. Sie tätigte ihre Äußerung im Zusammenhang mit den polizeilichen Maßnahmen, die vor allem dunkelhäutige Menschen betrafen, und wollte diese ersichtlich kritisieren. Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht besonders hoch zu veranschlagen ist. Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, den Betroffenen auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vergleiche etwa BVerfG, B. v. 6.6.2017, 1 BvR 180/17; BVerfG B. v. 14.6.2019, 1 BvR 2433/17, beides bei juris).

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit findet seine Grenzen in den allgemeinen Gesetzen, insbesondere in den Grundrechten der von der Äußerung Betroffenen. Bei der Abwägung der Meinungsfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Polizeibeamten aus Art. 2 GG war Ersteres höher zu gewichten, trotz der Äußerung im öffentlichen Raum. Die Angeklagte hat über die Behauptung rassistischen Vorgehens hinaus keine ehrverletzenden Äußerungen getätigt, sondern nur dieses postuliert. Auch wenn sich die Polizeibeamten hierdurch in ihrer Ehre verletzt fühlten, ist ihnen aufgrund der faktisch mächtigen Position der Amtsträger zuzumuten zu erkennen, dass sich in einer solchen – wenn auch im Einzelfall unberechtigten und emotional geäußerten – Kritik weniger eine Ehrverletzung ihrer Person als vielmehr eine gewisse Hilflosigkeit und Betroffenheit äußert, die durch die schwierigen Umstände von Migranten entsteht, die sich mit Amtsträgern oft nicht adäquat auseinandersetzen können, und von dunkelhäutigen Personen, die sich in ihrem Alltag häufig mit Diskriminierung konfrontiert sehen.

Daher sind die Äußerungen der Angeklagten nach § 193 StGB straffrei, weshalb sie aus rechtlichen Gründen – unter Aufhebung der erstinstanzlichen Verurteilung – freizusprechen war.

IV.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.

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