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„Body-Cam“ Aufnahme Polizeibeamter – nichtöffentlich i.S.d. § 201 StGB?

Wenn die Polizei filmt – Grenzen der Vertraulichkeit bei Body-Cam-Aufnahmen

Äußerungen eines Polizeibeamten während einer Personenkontrolle, aufgezeichnet durch die Body-Cam des Beamten für Beweissicherungszwecke, gelten als „nichtöffentlich“ im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB; der Angeklagte, der die Polizeikontrolle mit seinem Handy filmte, wurde der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 KLs 3350 Js 16251/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Äußerungen eines Polizeibeamten bei einer Verkehrskontrolle, aufgezeichnet durch seine Body-Cam, sind als „nichtöffentlich“ gemäß § 201 Abs. 1 StGB anzusehen.
  • Der Angeklagte wurde wegen unbefugter Aufnahme dieser Äußerungen mit seinem Handy zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt.
  • Die Rechtsordnung schützt die Unbefangenheit menschlicher Kommunikation und das Recht des Einzelnen, über die Aufnahme und Verwendung seiner gesprochenen Worte zu bestimmen.
  • Der Angeklagte handelte wissentlich rechtswidrig, indem er die polizeiliche Anordnung, das Filmen zu unterlassen, ignorierte.
  • Auch wenn der Polizeibeamte durch das Einschalten der Body-Cam wusste, dass seine Worte aufgezeichnet wurden, verlor er nicht den Schutz des § 201 StGB.
  • Das Gericht berücksichtigte bei der Strafzumessung den bisherigen straffreien Lebensweg des Angeklagten sowie seine subjektive Empfindung, durch das Polizeilicht geblendet worden zu sein.
  • Zu Lasten des Angeklagten wirkte sich sein provokantes und respektloses Verhalten gegenüber den Polizeibeamten aus.
  • Der Angeklagte muss die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen tragen.

Vertraulichkeit menschlicher Kommunikation

Persönliche Gespräche sind in der Regel geschützt vor unbefugter Aufzeichnung und Verbreitung. Das Strafrecht soll die Unbefangenheit der Kommunikation bewahren und die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes sicherstellen. Wann jedoch ist die Grenze zur öffentlichen Äußerung überschritten? Insbesondere im Kontext polizeilicher Einsätze ergeben sich hierzu komplexe Rechtsfragen.

Bei einer Verkehrskontrolle oder sonstiger polizeilicher Überwachung stellt sich die Frage, ob die Äußerungen der Beamten als nichtöffentlich einzustufen sind. Die Verwendung von Bodycams durch die Polizei wirft zusätzliche rechtliche Zweifel auf. Eine detaillierte Betrachtung ist erforderlich, um die Vertraulichkeitssphäre und die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden angemessen abzuwägen.

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➜ Der Fall im Detail


Der rechtliche Rahmen von „Body-Cam“-Aufnahmen durch die Polizei

In einem bemerkenswerten Fall hat das Landgericht Hanau entschieden, dass Äußerungen eines Polizeibeamten während einer Personenkontrolle, die zum Zwecke der Beweissicherung mit einer „Body-Cam“ aufgezeichnet wurden, als „nichtöffentlich“ im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB gelten.

Body Cam Polizei
Bodycam & Persönlichkeitsrecht: Wann sind Aufnahmen durch Polizei & Bürger legal? (Symbolfoto: Lutsenko_Oleksandr /Shutterstock.com)

Der Vorfall ereignete sich in der Nacht zum 06.09.2022, als die Polizei einen PKW wegen Hupens für eine allgemeine Verkehrskontrolle anhielt. Der Beifahrer, ein 32-jähriger Mann, leuchtete mit der Taschenlampe seines Handys einem Polizeibeamten ins Gesicht und begann, die Kontrolle mit seinem Smartphone zu filmen, nachdem der Beamte die Aufzeichnung mit seiner Body-Cam gestartet hatte.

Kern der rechtlichen Auseinandersetzung

Der Angeklagte wurde beschuldigt, durch das Filmen der Kontrolle die Vertraulichkeit des Wortes verletzt zu haben, da er die mündlichen Äußerungen eines Polizeibeamten unbefugt auf einen Tonträger aufgenommen hatte. Dies stellt nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB eine strafbare Handlung dar. Der Fall wirft bedeutende Fragen bezüglich der Grenzen der Öffentlichkeit, des Schutzes persönlicher Kommunikation und der Rechtmäßigkeit von Aufzeichnungen durch die Polizei sowie Bürger auf.

Das Urteil des Landgerichts Hanau

Das Landgericht Hanau verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100 Euro. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Aufzeichnung der Polizeibeamten mittels Body-Cam ausschließlich eng umgrenzten gesetzlichen Zwecken dient und daher als „nichtöffentlich“ einzustufen sei. Die Aufzeichnung durch den Angeklagten hingegen verletzte die Vertraulichkeit des Wortes, da sie ohne Einwilligung erfolgte und somit das Persönlichkeitsrecht des Beamten tangierte.

Rechtliche Erwägungen und Abwägungen

Die Gerichtsentscheidung betont die spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die das Recht auf eine Vertrauenssphäre des Menschen schützt. Jeder hat das Recht zu entscheiden, wer seine Worte aufnehmen darf und wie diese Aufnahmen verwendet werden dürfen. Die Entscheidung verdeutlicht, dass der Schutz der Vertraulichkeit des Wortes nicht dadurch aufgehoben wird, dass die aufgezeichneten Äußerungen von einem Polizeibeamten stammen oder dass eine Aufzeichnung zu Beweissicherungszwecken erfolgt.

Konsequenzen der gerichtlichen Entscheidung

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung des Schutzes der persönlichen Kommunikation und setzt klare Grenzen für die Aufnahme und Verwendung von aufgezeichneten Gesprächen. Es zeigt auf, dass der Einsatz von Body-Cams durch die Polizei rechtlichen Vorgaben unterliegt und dass gleichzeitig das Recht der Bürger auf Aufnahme in der Öffentlichkeit seine Grenzen findet, wenn dadurch die Vertraulichkeit des Wortes verletzt wird. Die Entscheidung des LG Hanau dient als Orientierungshilfe für die Praxis der Polizeiarbeit und den Umgang mit modernen Aufzeichnungstechnologien.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Bedeutung hat der § 201 StGB im Zusammenhang mit Body-Cam-Aufnahmen durch Polizeibeamte?

Der § 201 StGB, der die „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ unter Strafe stellt, spielt eine wesentliche Rolle bei der rechtlichen Bewertung von Body-Cam-Aufnahmen durch Polizeibeamte. Dieser Paragraph schützt das nichtöffentlich gesprochene Wort vor unbefugter Aufnahme und Weitergabe. Die Kernfrage ist, ob und inwieweit die durch Polizeibeamte mit Body-Cams aufgezeichneten Gespräche als „nichtöffentlich“ im Sinne des § 201 StGB gelten und welche Konsequenzen sich daraus für die Rechtmäßigkeit solcher Aufnahmen ergeben.

Rechtliche Einordnung von Body-Cam-Aufnahmen

Die Rechtsprechung hat sich in der Vergangenheit mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Aufzeichnung von Polizeieinsätzen durch Body-Cams eine Verletzung des § 201 StGB darstellt. Ein zentraler Aspekt ist dabei, ob die aufgezeichneten Gespräche als „nichtöffentlich“ anzusehen sind. Das Landgericht Hanau hat in einem Urteil festgestellt, dass die Aktivierung einer Body-Cam durch einen Polizeibeamten die Nichtöffentlichkeit einer Gesprächssituation aufhebt. Die Richter argumentierten, dass die Polizeibeamten bei einer Kontrolle nicht mehr unbefangen sprechen, wenn eine Body-Cam eingeschaltet ist. Die Gesprächssituation sei dann durch das Bemühen um eine präzise, auf den rechtlichen Rahmen abgestimmte Kommunikation gekennzeichnet. Daher nehme eine solche Situation nicht mehr am Schutz des § 201 StGB teil.

Unterscheidung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Gesprächen

Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Gesprächen ist entscheidend für die Anwendung des § 201 StGB. Ein Gespräch gilt als nichtöffentlich, wenn es nicht für einen unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen verbundenen Personenkreis bestimmt ist. Die Rechtsprechung hat jedoch klargestellt, dass die Aufzeichnung von Polizeieinsätzen in der Öffentlichkeit nicht unter den Schutz des § 201 StGB fällt, da die Polizeibeamten in Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeit handeln und somit eine Kontrolle staatlicher Handlungen durch die Öffentlichkeit ein hohes Gut in einer Demokratie darstellt.

Rechtliche Konsequenzen für Polizeibeamte und Bürger

Für Polizeibeamte bedeutet dies, dass sie bei der Verwendung von Body-Cams keine Verletzung des § 201 StGB zu befürchten haben, solange sie in Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeit handeln und die Aufnahmen nicht in einer Weise verwenden, die den Schutzzweck des Paragraphen untergraben würde. Für Bürger wiederum bedeutet es, dass sie Polizeieinsätze filmen dürfen, insbesondere wenn die Polizei selbst Body-Cams einsetzt und somit die Nichtöffentlichkeit der Situation aufhebt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass § 201 StGB im Kontext von Body-Cam-Aufnahmen durch Polizeibeamte eine wichtige Rolle spielt, indem er die Grenzen der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes definiert. Die Rechtsprechung hat jedoch anerkannt, dass die Verwendung von Body-Cams durch Polizeibeamte in der Regel nicht unter diesen Schutz fällt, da die Aufnahmen in einem öffentlichen oder faktisch öffentlichen Kontext erfolgen, in dem die Beamten eine hoheitliche Funktion ausüben.

Wie unterscheiden sich öffentliche von nichtöffentlichen Äußerungen im rechtlichen Sinne?

Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Äußerungen im rechtlichen Sinne ist von zentraler Bedeutung, um die Rechtmäßigkeit von Aufnahmen und die Anwendbarkeit bestimmter Rechtsnormen zu beurteilen. Diese Unterscheidung hängt eng mit dem Schutz der Privatsphäre, dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Zugang zu Informationen zusammen. Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte dieser Unterscheidung beleuchtet.

Öffentliche Äußerungen

Öffentliche Äußerungen sind solche, die in einem Kontext gemacht werden, der grundsätzlich für jedermann zugänglich ist oder der eine breite Öffentlichkeit adressiert. Dies kann beispielsweise in öffentlichen Versammlungen, über Medienveröffentlichungen oder im Internet der Fall sein. Die Zugänglichkeit für eine unbestimmte Zahl von Personen ist ein entscheidendes Kriterium. Öffentliche Äußerungen unterliegen in der Regel einem geringeren Schutz der Privatsphäre, da die Personen, die diese Äußerungen tätigen, davon ausgehen müssen, dass ihre Worte von einem breiten Publikum wahrgenommen werden können. Gleichzeitig genießen öffentliche Äußerungen einen hohen Schutz durch die Meinungsfreiheit, solange sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen.

Nichtöffentliche Äußerungen

Nichtöffentliche Äußerungen hingegen sind solche, die in einem privaten oder beschränkt zugänglichen Rahmen gemacht werden, beispielsweise in persönlichen Gesprächen, geschlossenen Versammlungen oder vertraulichen Sitzungen. Diese Äußerungen sind nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich, der durch persönliche Beziehungen, Mitgliedschaften oder spezifische Einladungen definiert sein kann. Nichtöffentliche Äußerungen genießen einen höheren Schutz der Privatsphäre, da die beteiligten Personen erwarten können, dass ihre Worte nicht ohne weiteres einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden. Die unbefugte Aufnahme oder Weitergabe nichtöffentlicher Äußerungen kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, beispielsweise unter dem Aspekt der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 StGB in Deutschland.

Rechtliche Implikationen

Die rechtlichen Implikationen der Unterscheidung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Äußerungen manifestieren sich in verschiedenen Bereichen. So sind beispielsweise die Anforderungen an den Datenschutz und die Einhaltung der Persönlichkeitsrechte in Bezug auf nichtöffentliche Äußerungen strenger. Ebenso kann die Zulässigkeit von Aufnahmen oder Überwachungsmaßnahmen davon abhängen, ob eine Äußerung in einem öffentlichen oder nichtöffentlichen Kontext erfolgt.

In der Praxis ist die Abgrenzung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Äußerungen nicht immer eindeutig und kann von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängen. Gerichtsentscheidungen und rechtliche Bewertungen nehmen daher oft eine detaillierte Prüfung der jeweiligen Situation vor, um zu bestimmen, ob eine Äußerung als öffentlich oder nichtöffentlich einzustufen ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Unterscheidung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Äußerungen im rechtlichen Sinne wesentlich ist, um die Anwendbarkeit von Datenschutzbestimmungen, die Rechte auf freie Meinungsäußerung und den Schutz der Privatsphäre zu beurteilen.

Was sind die rechtlichen Konsequenzen für unerlaubte Aufnahmen nach § 201 StGB?

Der § 201 des Strafgesetzbuches (StGB) in Deutschland behandelt die „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ und setzt rechtliche Grenzen für die Aufnahme und Weitergabe von nichtöffentlichen Gesprächen. Die Vorschrift zielt darauf ab, das Recht auf Privatsphäre und den Schutz des nichtöffentlich gesprochenen Wortes zu gewährleisten. Im Kontext der Nutzung von Smartphones bei Polizeikontrollen oder anderen Situationen, in denen Personen unbefugt nichtöffentliche Gespräche aufzeichnen, sieht der § 201 StGB spezifische rechtliche Konsequenzen vor.

Rechtliche Konsequenzen nach § 201 StGB

  • Strafbarkeit der unbefugten Aufnahme: Das unbefugte Aufnehmen nichtöffentlicher Gespräche mit einem Aufnahmegerät stellt nach § 201 Abs. 1 StGB eine Straftat dar. Dies umfasst sowohl die akustische als auch die audiovisuelle Aufnahme von Gesprächen, an denen der Aufnehmende nicht beteiligt ist oder für die er keine Einwilligung der beteiligten Personen eingeholt hat.
  • Strafbarkeit der Gebrauchmachung und Verbreitung: Nicht nur die Aufnahme, sondern auch das Gebrauchmachen von oder das Zugänglichmachen der unbefugt aufgenommenen Gespräche an Dritte ist nach § 201 Abs. 2 StGB strafbar. Dies beinhaltet beispielsweise das Veröffentlichen der Aufnahmen im Internet oder das Weiterleiten an andere Personen.
  • Strafmaß: Die Straftaten nach § 201 StGB können mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafen geahndet werden. Das genaue Strafmaß hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, einschließlich der Schwere des Eingriffs in die Privatsphäre und der Art und Weise der Verbreitung der Aufnahmen.
  • Ausnahmen und Einwilligung: Es gibt bestimmte Ausnahmen, unter denen die Aufnahme oder Verbreitung von Gesprächen nicht strafbar ist. Eine wesentliche Ausnahme ist die Einwilligung der beteiligten Personen. Wenn alle Teilnehmer eines Gesprächs ihre Zustimmung zur Aufnahme gegeben haben, liegt keine Straftat nach § 201 StGB vor.

Anwendung im Kontext von Polizeikontrollen

Im Kontext von Polizeikontrollen und der Nutzung von Smartphones zur Aufnahme solcher Interaktionen ist die rechtliche Lage komplex. Während die Aufnahme von Polizeieinsätzen in der Öffentlichkeit unter bestimmten Umständen als zulässig angesehen werden kann, insbesondere wenn sie der Dokumentation von möglichen Rechtsverstößen dient, bleibt die unbefugte Aufnahme nichtöffentlicher Gespräche zwischen Polizeibeamten und Bürgern ohne deren Einwilligung nach § 201 StGB strafbar. Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Situationen ist hierbei entscheidend.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der § 201 StGB klare rechtliche Grenzen für die Aufnahme und Verbreitung von nichtöffentlichen Gesprächen setzt und bei Verstößen erhebliche Strafen vorsieht. Personen, die beabsichtigen, Polizeikontrollen oder andere Situationen aufzuzeichnen, sollten sich der rechtlichen Rahmenbedingungen und möglicher Konsequenzen bewusst sein.

Wie verhält es sich mit der Aufzeichnung von Polizeieinsätzen durch Bürger?

Die rechtlichen Bedingungen und Grenzen für die Aufzeichnung von Polizeieinsätzen durch Bürger in Deutschland sind ein komplexes Thema, das verschiedene rechtliche Aspekte berührt, darunter das Recht am eigenen Bild, Datenschutzgesetze und spezifische strafrechtliche Vorschriften wie § 201 StGB. Die Rechtslage ist nicht immer eindeutig und hängt von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Dennoch lassen sich aus den vorhandenen Quellen einige grundlegende Prinzipien ableiten.

Grundsätzliche Zulässigkeit

Grundsätzlich ist das Filmen von Polizeieinsätzen im öffentlichen Raum durch Bürger nicht per se verboten. Dies ergibt sich aus dem Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz und Kontrolle polizeilicher Maßnahmen. Die Dokumentation von Polizeieinsätzen kann zur Wahrung der Bürgerrechte und zur Aufklärung über mögliche Fehlverhalten von Polizeibeamten beitragen.

Einschränkungen und Bedingungen

Allerdings gibt es Einschränkungen und Bedingungen, die beachtet werden müssen:

  • Nichtöffentlich gesprochenes Wort: Die Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes ohne Einwilligung der betroffenen Personen kann eine Verletzung des § 201 StGB darstellen. Dies betrifft insbesondere Tonaufnahmen von Gesprächen. Die Rechtsprechung hat jedoch in einigen Fällen entschieden, dass Polizeieinsätze im öffentlichen Raum in der Regel nicht unter den Schutz des nichtöffentlich gesprochenen Wortes fallen, da sie in einer „faktischen Öffentlichkeit“ stattfinden.
  • Recht am eigenen Bild: Die Veröffentlichung von Aufnahmen, auf denen Personen erkennbar sind, kann das Recht am eigenen Bild nach dem Kunsturhebergesetz (KUG) verletzen. Es gibt jedoch Ausnahmen, wenn die Aufnahmen zeitgeschichtliche Ereignisse dokumentieren oder im öffentlichen Interesse liegen.
  • Eingriffe in polizeiliche Maßnahmen: Das Filmen darf nicht in einer Weise erfolgen, die polizeiliche Maßnahmen behindert oder stört. In solchen Fällen können rechtliche Konsequenzen drohen.

Gerichtliche Entscheidungen

Gerichtliche Entscheidungen haben in einigen Fällen die Rechte von Bürgern zur Dokumentation von Polizeieinsätzen gestärkt. So hat beispielsweise das Landgericht Osnabrück entschieden, dass die Aufnahme eines Polizeieinsatzes im öffentlichen Raum zulässig war und die Polizei das Handy des Filmenden nicht hätte beschlagnahmen dürfen. Diese Entscheidungen betonen die Bedeutung der Transparenz und der Möglichkeit zur Dokumentation von staatlichem Handeln als Kontrollmechanismus in einer demokratischen Gesellschaft.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Aufzeichnung von Polizeieinsätzen durch Bürger unter bestimmten Bedingungen zulässig ist, insbesondere wenn sie im öffentlichen Raum stattfinden und nicht in die Privatsphäre der beteiligten Personen eingreifen oder polizeiliche Maßnahmen behindern. Die rechtlichen Grenzen sind jedoch komplex und können je nach Einzelfall variieren. Bürger, die Polizeieinsätze dokumentieren möchten, sollten sich der rechtlichen Rahmenbedingungen bewusst sein und insbesondere darauf achten, dass ihre Aufnahmen nicht die Durchführung polizeilicher Maßnahmen stören.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Regelt die Strafbarkeit der unbefugten Aufnahme nichtöffentlicher Äußerungen auf einen Tonträger. Im Kontext der Body-Cam-Aufnahmen durch Polizeibeamte ist dieser Paragraph zentral, da er die Grenzen der Legalität solcher Aufzeichnungen definiert und schützt die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes.
  • Allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG: Dient dem Schutz der individuellen Persönlichkeitsentfaltung und Privatsphäre. Im Zusammenhang mit dem Urteil zeigt es die rechtliche Basis, auf der die Nichtöffentlichkeit von Äußerungen und der Schutz vor unbefugten Aufnahmen fußen.
  • § 267 Abs. 4 StPO (Strafprozessordnung): Erlaubt eine abgekürzte Darstellung der Urteilsgründe. Dieser Paragraph ist relevant für das Verständnis, wie und warum Gerichtsurteile in ihrer schriftlichen Form präsentiert werden, insbesondere in Bezug auf die Begründung von Entscheidungen.
  • §§ 32, 34 StGB (Notwehr und rechtfertigender Notstand): Werden herangezogen, um zu prüfen, ob eine Handlung gerechtfertigt sein könnte. Im Kontext des Falles sind diese Paragraphen wichtig, um zu verstehen, unter welchen Umständen die Aufnahme von Äußerungen möglicherweise rechtlich zulässig wäre.
  • § 465 Abs. 1 StPO: Regelt die Kostenentscheidung bei einer Verurteilung. Dieser Paragraph erklärt, warum der Angeklagte im Falle einer Verurteilung die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, was für das Verständnis der finanziellen Konsequenzen eines Rechtsstreits essentiell ist.
  • Rechtsprinzip der Unbefangenheit der Kommunikation: Zwar kein direkter Gesetzestext, aber ein fundamentales Prinzip, das durch § 201 StGB geschützt wird. Es erklärt, warum die Aufzeichnung von Äußerungen ohne Einwilligung kritisch betrachtet wird und unterstreicht die Bedeutung des Schutzes privater Kommunikation im rechtlichen Kontext.


Das vorliegende Urteil

LG Hanau – Az.: 5 KLs 3350 Js 16251/22 – Urteil vom 13.09.2023

Leitsatz

Äußerungen eines Polizeibeamten bei einer Personenkontrolle können auch dann als „nichtöffentlich“ i.S.d. § 201 Abs. 1 StGB einzustufen sein, wenn die kontrollierenden Polizeibeamten die Aussagen selbst zum Zwecke der Beweissicherung mit einer „Body-Cam“ aufzeichnen

Der Angeklagte ist der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes schuldig.

Er wird deshalb zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100,00 EUR verurteilt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

Angewendete Vorschriften: § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Gründe

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)

I.

Der heute 32 Jahre alte Angeklagte wurde am 18.02.1991 in (…) geboren. Er wuchs mit seinem Bruder in geordneten familiären Verhältnissen in (…) bei seiner Mutter und seinem Stiefvater auf. Der Angeklagte hat türkische Wurzeln, sein leiblicher Vater ist ihm nicht persönlich bekannt. Der Angeklagte absolvierte die mittlere Reife und durchlief anschließend eine Ausbildung als Chemikant. Während dieser Ausbildung absolvierte er das Fachabitur. Nach Abschluss des Fachabiturs entschied er sich dazu, einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und war zunächst zwei bis drei Jahre mit einer Marketingagentur tätig.

Im Jahr 2017 gründete er die (A)GmbH, die bis zum Eintreten von Corona-Schutzmaßnahmen expandierte. Nach infolge der Corona-Schutzmaßnahmen eingetretener Rückschläge verfolgt er nunmehr das Ziel, eine Firmengruppe in der Parkraumüberwachung zu gründen. Hierzu gründete er mit dem Zeugen (…) eine weitere Firma, die (B) GmbH, die auch in der Verkehrsraumüberwachung ihren Tätigkeitsschwerpunkt hat. Außerdem gründete er zwei weitere Firmen, die zu dieser Firmengruppe gehören und ebenfalls in der Parkraumüberwachung tätig sind. Damit sollen die einzelnen Sparten der Parkraumüberwachung abgedeckt werden.

Bei der (A) GmbH übt der Angeklagte eine Tätigkeit auf Minijob-Basis aus, für die er monatlich 510 € erhält. Des Weiteren ist er bei der Firma (B) GmbH angestellt, wofür er ein monatliches Nettoentgelt von 2.200,00 € erhält. Zudem nahm er zuletzt im Jahr 2019/2020 eine einmalige Gewinnausschüttung über 350.000,00 € vor.

Der Angeklagte ist verlobt und hat eine Tochter, die am 20.06.2022 geboren ist. Seine Verlobte ist als Krankenpflegerin tätig. Der Angeklagte ist Eigentümer einer Eigentumswohnung in (…) sowie hälftiger Miteigentümer einer Wohnung in (…). Weiterhin hat er ein Grundstück in (…) gekauft, das derzeit mit einem sanierungsbedürftigen Haus bebaut ist. Zur Finanzierung dieser Immobilien hat er zum einen die Gewinnausschüttung verwendet, zum anderen verschiedene Kredite bei seinen Firmen (A) GmbH und (B) GmbH aufgenommen, die monatlich getilgt werden.

Der Angeklagte ist bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

II.

Nach der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer folgender Sachverhalt fest:

Am 06.09.2022 befuhren die Zeugen POK (…) und PK (…) als Streifenwagenteam gegen 00:40 Uhr in (…) den (…) in Richtung (…), als ihnen ein PKW mit dem amtlichen Kennzeichen (…) entgegenkam. Der PKW mit dem amtlichen Kennzeichen (…) war neben dessen Fahrer, dem Zeugen (…), mit zwei weiteren Personen, dem Zeugen (…) und dem Angeklagten, besetzt. Der Angeklagte saß auf dem Beifahrersitz und der Zeuge (…) dahinter.

Die Polizeibeamten vernahmen ein Hupen und entschlossen sich daher zu einer allgemeinen Verkehrskontrolle.

Auf die durch entsprechendes Lichtsignal des Streifenwagens erfolgte Aufforderung hielt der Zeuge (…) das Fahrzeug auf Höhe der (…) in Fahrtrichtung (…) am Straßenrand an. Die Zeugen POK (…) und PK (…) hielten mit ihrem Streifenwagen dahinter an.

Der Zeuge PK (…) begab sich sodann als kontrollierender Beamter auf die Fahrerseite, um die allgemeine Verkehrskontrolle durchzuführen. Der POK (…) begab sich als sichernder Beamter auf die Fahrerseite. Während PK (…) die allgemeine Verkehrskontrolle mit dem Fahrer durchführte, indem er sich den Führerschein und die Fahrzeugpapiere zeigen ließ, leuchtete POK (…) mit seiner dienstlichen Taschenlampe zum Zwecke der Eigensicherung beider Beamten in das dunkle Fahrzeuginnere hinein. Die Innenraumbeleuchtung des Fahrzeugs war ausgeschaltet.

Der Angeklagte protestierte gegen das Leuchten mit der Taschenlampe, weil er sich hierdurch gestört und geblendet fühlte. Dem Vorschlag des POK (…), die Innenraumbeleuchtung einzuschalten, sodass er selbst seine Taschenlampe ausschalten könne, leistete der Angeklagte aber keine Folge, vielmehr nahm er nun selbst sein Iphone in die Hand und leuchtete mit der Taschenlampe des Handys dem POK (…) direkt ins Gesicht. Damit wollte der Angeklagte zeigen, dass er sich von der Personenkontrolle und dem Handeln des POK (…) gestört fühlte. POK (…) erkannte, dass die Situation hierdurch konfrontativ wurde und aktivierte nach entsprechender mündlicher Ankündigung die Aufzeichnungsfunktion seiner dienstlich mitgeführten Bodycam. Die Bodycam ist mit einer sog. „Pre-Recording“-Funktion ausgestattet. Die Bodycam filmt dauerhaft mit, der Film wird jedoch jeweils nach 30 Sekunden überschrieben, es sei denn, der Aufnahmeknopf wird betätigt. Wird der Aufnahmeknopf betätigt, erfolgt die Speicherung des Videos bereits 30 Sekunden zuvor und bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Aufnahmeknopf erneut betätigt wird.

Darauf entgegnete der Angeklagte: „Ich filme Sie jetzt auch, ja“ und öffnete die Kamera-App seines mitgeführten Iphones. Auf die Entgegnung des POK (…), dass er nicht filmen dürfe, entgegnete der Angeklagte: „Doch, ich darf“ und „Öffentlicher Raum, ich darf filmen“. Er betätigte daraufhin den Aufnahmeknopf auf seinem Iphone und nahm in Bild und Ton den weiteren Vorgang der Kontrolle, dabei jedenfalls die nachfolgend festgestellten Anordnungen des POK (…), auf, was der Angeklagte auch wollte. Auch nach dem Hinweis des POK (…), dass sich der Angeklagte dadurch strafbar mache, entgegnete der Angeklagte lediglich „OK, aber Sie dürfen filmen oder was?“. Der POK (…) forderte den Angeklagten wiederholt auf, das Filmen mit seinem Mobiltelefon zu unterlassen, weil es sich um eine Straftat handele. Dieser Aufforderung kam der Angeklagte nicht nach, sondern hielt das Handy weiter mit der Kamera in Richtung des POK (…) gerichtet in der linken Hand über seinem linken Oberschenkel. POK (…) forderte den Zeugen (…) daraufhin auf, den Motor des PKW abzuschalten, und er rief über sein Funkgerät Verstärkung. Auch hierbei hielt der Angeklagte weiterhin sein Handy mit der Kamera auf POK (…) gerichtet in der linken Hand und zeichnete weiterhin, wie er wusste und auch wollte, Bild und Ton auf, darunter auch die vorstehenden Anordnungen und Äußerungen des POK (…).

POK (…) forderte sodann wiederholt den Angeklagten zur Herausgabe seines Mobiltelefons auf, was der Angeklagte verweigerte und erklärte: „Also das Video ist eh in der iCloud, ich wollte es nur mal so erwähnen“.

Der Angeklagte hatte vor der Tat nicht mehr genau feststellbare Mengen Alkohol getrunken, denn er hatte vor Fahrtbeginn mit den weiteren genannten Fahrzeuginsassen die Geburt seiner Tochter gefeiert. Dies führte bei ihm zwar zu einer gewissen Kritikminderung und Enthemmung; die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen, war dadurch zum Tatzeitpunkt aber nicht beeinträchtigt und seine Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, auch nicht erheblich vermindert. Auch war sich der Angeklagte während des gesamten Geschehens darüber im Klaren, die Gespräche nicht aufnehmen zu dürfen.

III.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen unter I. stehen zur Überzeugung der Kammer fest auf Grund der glaubhaften Einlassung des Angeklagten und der Verlesung des mit dem Angeklagten erörterten Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 07.09.2023.

Die Kammer hat die unter Ziffer II. dargestellten Feststellungen aufgrund der Aussagen der Zeugen (…)und (…), soweit ihnen gefolgt werden konnte, der glaubhaften Aussagen der Zeugen POK (…) und PK (…) sowie der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen und des Google-Maps-Satellitenbildes der Örtlichkeit der Verkehrskontrolle sowie der verlesenen Urkunden, darunter der im Ermittlungsverfahren zur Akte gereichten schriftlichen Erklärungen des Angeklagten vom 21.09.2022 und vom 29.09.2022, getroffen.

IV.

Auf der Grundlage des unter II. festgestellten Sachverhalts hat sich der Angeklagte durch sein Verhalten der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht.

Gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird bestraft, wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt. So verhält es sich hier: Der Angeklagte hat mit seinem Handy während der Verkehrskontrolle unbefugt nichtöffentlich gesprochenes Wort eines anderen, nämlich jedenfalls die mündlichen Äußerungen des Zeugen POK (…), aufgenommen.

Die festgestellten Äußerungen des Polizeibeamten, des Zeugen POK (…), unterfallen dem Schutzbereich des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Nach ganz herrschender Meinung schützt § 201 StGB eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, und zwar in Form des Rechts auf eine Vertrauenssphäre des Menschen, in der die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation gesichert werden soll (Ullenboom, Das Filmen von Polizeieinsätzen als Verletzung der Vertraulichkeit des Worts, NJW 2019, 3108, 3109; Fischer, StGB, 68. Auflage, § 201 Rn. 4; MüKo/Graf, StGB, 4. Auflage, § 201 Rn. 14 f.; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30.06.2022 – 1 OLG 2 Ss 62/21). Jedermann darf grundsätzlich selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf. Menschliche Kommunikation soll durch das Grundrecht dagegen geschützt sein, dass die Worte bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang hervorgeholt werden, um durch Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen den Sprechenden zu zeugen. Das Grundgesetz schützt deshalb davor, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden. Dass die Rechtsordnung diesem Aspekt des Schutzes hohe Bedeutung beimisst, zeigt sich auch in § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB und daran, dass nach dieser Vorschrift bereits die unbefugte Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen auf einen Tonträger mit Strafe bedroht ist (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2002 – 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98, BeckRS 2002, 30287140). Dass es sich bei POK (…) um einen Polizeibeamten handelt, ändert an der rechtlichen Einordnung nichts: Auch, wenn sich ein Amtsträger ohnehin an Recht und Gesetz zu halten hat, kann die Vertraulichkeit der Kommunikation dadurch verletzt werden, dass das gesprochene Wort eines Amtsträgers in dieser Eigenschaft unbefugt mitgeschnitten wird (BVerfG, Beschluss vom 10.12.2010 – 1 BvR 1739/04).

Durch das Tragen und Einschalten einer Bodycam verlor der Zeuge POK (…) nicht den Schutz des § 201 StGB. Auch unter der Annahme, nach dem Einschalten der Bodycam liege nicht mehr unbefangenes Reden auf der Hand, sondern in dem Wissen um spätere prozessuale Verwertbarkeit der Aufzeichnung vielmehr das Bemühen um höchst konzentrierte, präzise auf die Ausfüllung des rechtlichen Rahmens abgestimmte Kommunikation (LG Hanau, Beschluss vom 20.04.2023, 1 Qs 23/22), liegen die Dinge nach Auffassung der Kammer nicht anders. Denn die von § 201 StGB geschützte Unbefangenheit der Kommunikation entscheidet sich nicht nur an der Überlegung, ob der Sprechende, in der vorliegenden Konstellation also der Polizeibeamte, sich in der Wahl seiner Worte „frei“ wähnt oder deshalb nicht, weil er um die selbst initiierte vollständige Reproduzierbarkeit seiner Worte weiß. Die von § 201 StGB geschützte Unbefangenheit der Kommunikation impliziert hiervon unabhängig wie bereits ausgeführt auch, dass der Sprechende selbst bestimmen können soll, wer ihn aufnimmt und ob und vor wem seine vom Gegenüber auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt wird. Schließlich soll der Sprechende auch gerade davor geschützt werden, dass die Worte vom Gegenüber hervorgeholt werden, um bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang durch Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen den Sprechenden zu zeugen.

Während aber die dem Polizeibeamten erlaubte, auf normativer Grundlage erzeugte Bodycam-Aufzeichnung ausschließlich gesetzlich eng umgrenzten Zwecken dient, was dem zudem zuvor auf den Start der Bodycam-Aufzeichnung hingewiesenen Gesprächspartner gesetzlichen Schutz bietet, hat es umgekehrt der Polizeibeamte bei der durch seinen Gesprächspartner vorgenommenen Aufzeichnung keineswegs in der Hand, ob, weshalb, bei welcher Gelegenheit und in welchem Zusammenhang dessen Aufzeichnung von diesem hervorgeholt und verwendet wird.

Unabhängig davon, ob ein Polizeibeamter sich bei Verwendung der Bodycam der Möglichkeit etwaiger prozessualer Verwertung seiner eigenen Aufzeichnung bewusst ist, erzeugt eine solche Gesprächssituation im Übrigen stets weitere später verwertbare Beweismittel – nämlich jedenfalls Zeugen. Die vom Träger einer Bodycam erzeugte Aufzeichnung produziert daher lediglich ein zusätzliches Beweismittel. Durch das Wissen um das Erzeugen eines zusätzlichen Beweismittels, das neben ohnehin gleichzeitig entstandene – und in gleicher Weise gerichtsverwertbare – Beweismittel tritt, verliert der Polizeibeamte aber nicht den Schutz des § 201 StGB. Ob mit Bodycam ausgestattet oder nicht, muss dem Polizeibeamten nämlich ohnehin bewusst sein, dass unabhängig von technischer Aufzeichnung schon die durch das von ihm geführte Gespräch selbst zwangsläufig entstandenen Beweismittel in einem späteren Prozess verwertet werden können, seien es – wie hier – er selbst, der eigene Kollege und die Mitfahrer als Zeugen oder auch eine Einlassung seines unmittelbaren Gesprächspartners, des Angeklagten.

Es handelte sich auch um nichtöffentlich gesprochenes Wort, denn es war nicht an die Allgemeinheit gerichtet und nicht über einen durch persönliche oder sachliche Beziehungen abgegrenzten Personenkreis hinaus wahrnehmbar. Vertraulichkeit ist nicht vorausgesetzt. Es ist daher nicht die Zahl der Mithörenden entscheidend, sondern die Abgeschlossenheit des Zuhörerkreises und die Kontrollmöglichkeit über die Reichweite der Äußerung. Auch dienstliche Äußerungen, die – wie hier – an einen abgeschlossenen Personenkreis gerichtet sind, sind daher grundsätzlich nichtöffentlich (Fischer, StGB, 68. Auflage, § 201 Rn. 3 f.). Eine Einschränkung hiervon wird für die Fälle der faktischen Öffentlichkeit angenommen. Eine solche faktische Öffentlichkeit liegt dann vor, wenn die Äußerung unter Umständen erfolgt, nach denen mit der Kenntnisnahme Dritter gerechnet werden muss (Fischer, a.a.O.; LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 – 2 Qs 111/19; LG Aachen, Beschluss vom 19.08.2020 – 60 Qs 34/20). Eine solche faktische Öffentlichkeit lag hier nicht vor, da die gesprochenen Worte des Polizeibeamten lediglich an die Insassen des PKW gerichtet waren und für ihn weder erkennbar sein musste noch tatsächlich erkennbar war, dass sie möglichweise auch andere Personen hören konnten. Es handelte sich um eine Verkehrskontrolle, die nach Mitternacht in einer zu dieser Zeit unbelebten Wohngegend stattfand, zumal die Verkehrskontrolle auf der dem Fluss Kinzig zugewandten Straßenseite stattfand und eine Wohnbebauung nur auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorlag. Es waren auch sonst keine Menschen in unmittelbarer Umgebung zugegen, von denen eine Wahrnehmbarkeit der gesprochenen Worte zu erwarten war. Eine faktische Öffentlichkeit entsteht auch weder dadurch, dass der Bürger sie erst durch die Aufzeichnung herstellt, z.B. durch zeitgleiches Streaming (Rennicke, Polizeiliches Einschreiten gegen Filmaufnahmen unter Berücksichtigung der DS-GVO, NJW 2022, 8), noch dadurch, dass der Polizeibeamte die Worte mit der dienstlich mitgeführten Bodycam aufnimmt. Insbesondere die Möglichkeit einer späteren Reproduktion in einer öffentlichen Hauptverhandlung kann dem nichtöffentlich gesprochenen Wort nicht das Merkmal der Nichtöffentlichkeit nehmen; diese bloße Fernwirkung bleibt außer Betracht (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.03.1977 – 2 Ss 2/77). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung bleibt vielmehr der Charakter des Gesprächs zum Tatzeitpunkt. Ebenso wie das zum Tatzeitpunkt nichtöffentlich gesprochene Wort seinen nichtöffentlichen Charakter trotz der Möglichkeit einer auf das gesprochene Wort bezogenen Zeugenaussagein einer – späteren – öffentlichen Hauptverhandlung behält, gilt dies hiernach auch für das zum Tatzeitpunkt nichtöffentlich gesprochene Wort und die Möglichkeit seiner Reproduktion in einer – späteren – öffentlichen Hauptverhandlung mittels Bodycam-Aufzeichnung.

Das Verhalten des Angeklagten war rechtswidrig und schuldhaft. Rechtfertigungsgründe nach §§ 32, 34 StGB sind nicht ersichtlich.

Dem Angeklagten war das Unrecht seines Handelns auch bewusst. Sein beharrliches Weigern, sich an die Anweisung des POK (…) zu halten, das Aufzeichnen einzustellen, in Verbindung mit der vom Angeklagten im Ermittlungsverfahren selbst mitgeteilten Motivation, nämlich nicht zur „Beweissicherung“ zu filmen, sondern ganz bewusst nur deshalb, um dem Polizisten „seine Art und Weise aufzuzeigen“ und ihn zu blenden – also ihn zu reglementieren und zu behindern – veranschaulichen, dass der Angeklagte sehr wohl darum wusste, dass das, was er tat, verboten war. Seine als Schutzbehauptung zu qualifizierende Äußerung, er dürfe filmen, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn selbst wenn der Angeklagte sich anfangs noch über das Erlaubtsein seines Handelns geirrt haben sollte, wäre dieser Irrtum für ihn vermeidbar gewesen, weil POK (…) ihn mehrfach und mit Nachdruck darauf hinwies, dass sein Standpunkt falsch und dass sein Verhalten verboten war. Ein Täter muss sich bemühen, Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Handelns zu klären; er darf nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und die Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten verschließen. Genau dies tat der Angeklagte hier aber – anfänglichen Irrtum unterstellt –, nachdem POK (…) ihn mehrfach und mit Nachdruck darauf hingewiesen hatte, dass sein Standpunkt falsch und dass sein Verhalten verboten war. Denn er setzte seine Aufzeichnung gänzlich unbeeindruckt fort, und zwar um dem Polizisten „seine Art und Weise aufzuzeigen“und ihn zu blenden – also ihn zu reglementieren und zu behindern. Selbst wenn man einen Verbotsirrtum unterstellen wollte, bestünde vor diesem Hintergrund kein Anlass, von der Möglichkeit einer Milderung (§§ 17 S. 2, 49 StGB) Gebrauch zu machen.

V.

Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Das Gesetz sieht für die Tat gemäß § 201 Abs. 1 StGB einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor.

Eine Strafrahmenverschiebung nach § 21 StGB schied aus, da die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, nicht aufgrund des Alkoholkonsums eingeschränkt war. Der Angeklagte konnte entsprechend der mündlichen Ankündigungen sein Handy noch koordiniert und zielgerichtet bedienen, zumal er sich auch im Anschluss im Rahmen seiner Beschwerdeschreiben noch gut an die Tatnacht erinnern konnte.

Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er bislang nicht vorbestraft ist und sich subjektiv vom Licht geblendet und hierdurch – wenn auch objektiv unberechtigt – provoziert fühlte. Zu seinen Gunsten ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass es sich um ein niedrigschwelliges Delikt handelt, das der Angeklagte im Zustand einer alkoholbedingten Enthemmung beging.

Zu Lasten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte gegenüber dem Polizeibeamten provokant und respektlos aufgetreten ist und mit seinem Handeln das Behindern der Polizeiarbeit bezweckte.

Nach Abwägung aller Für und Wider den Angeklagten sprechenden Umständen erachtet die Kammer eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100 € für tat- und schuldangemessen.

VI.

Da der Angeklagte zur Strafe verurteilt wurde, hat er insoweit gemäß § 465 Abs. 1 StPO die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

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