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Drohung im Sinne von § 240 StGB zum Zweck der Forderungseintreibung

Wenn Druck zu weit geht: Abgrenzung von zulässiger Forderungsdurchsetzung und Nötigung

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamm befasst sich mit der Frage, wann die Drohung, Kunden und Banken zu informieren, als Nötigung zu werten ist. In der Verhandlung ging es um einen Streit zwischen zwei Parteien, wobei einer der Beklagten eine empfindliche Nachricht an die Klägerin schickte. Trotz einer erfolgreichen Klage im Parallelverfahren stellte das Gericht in diesem Fall fest, dass eine Nötigung vorliegt. Viele Nuancen und Feinheiten spielen eine Rolle bei der Beurteilung des Sachverhalts, der bisweilen als kompliziert empfunden werden kann.

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Grundlagen zur Nötigung und Verwerflichkeit

Das Urteil des OLG Hamm stützt sich auf § 240 Abs. 1, Abs. 2 StGB und § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB. Laut § 240 Abs. 2 StGB ist die Tat rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des empfindlichen Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Die Verwerflichkeit wird anhand der Relation von Mittel und Zweck beurteilt.

Nötigung trotz erfolgreicher Klage

Die Beklagten argumentierten, dass die im Parallelverfahren geltend gemachten Forderungen im Wesentlichen durchgesetzt worden seien. Das Gericht stellte jedoch fest, dass selbst wenn die angeforderten Forderungen bestanden hätten, der Beklagte nicht hätte ankündigen dürfen, Kunden und Hausbank von den derzeitigen Forderungen zu unterrichten und eine Klage anzukündigen.

Verwerflichkeit und Angemessenheit von Mitteln und Zwang

Zwar kann die Verwerflichkeit von Nötigung entfallen, wenn ein berechtigter (einredefreier) und unstreitiger Anspruch vorliegt und beispielsweise eine Strafanzeige in Aussicht gestellt wird, die den betreffenden Sachverhalt zum Gegenstand hat. Doch im vorliegenden Fall wurde die Verwerflichkeit der Drohung bejaht.

Es ist daher entscheidend, Situationen angemessen einzuschätzen und zu verstehen, unter welchen Umständen Drohungen und Druckmittel zur Durchsetzung von Forderungen zulässig sind und unter welchen Umständen sie als rechtswidrige Nötigung gewertet werden können. Auch wenn die Richter im betrachteten Fall eine Nötigung als gegeben ansahen, gibt es Grenzfälle, die geprüft und bewertet werden müssen.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-7 U 8/21 – Beschluss vom 14.12.2021

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten gegen das am 08.01.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Münster nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es ist ferner beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 12.000,00 EUR festzusetzen.

Es besteht für die Beklagten Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Drohung im Sinne von § 240 StGB zum Zweck der Forderungseintreibung
(Symbolfoto: sevalv/123RF.COM)

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung der Beklagten offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere für sie günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, gegen beide Beklagte zu.

1.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2 StGB und §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung vollumfänglich anschließt. Die mit der Berufung hiergegen erhobenen Einwände rechtfertigen eine abändernde Entscheidung nicht.

Sofern die Beklagten vortragen, dass die im Parallelverfahren vor dem Landgericht Münster, Az. 023 O 21/20, geltend gemachten Forderungen im Wesentlichen durchgesetzt worden seien, führt dies zu keiner anderen Beurteilung im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Drohung mit einem empfindlichen Übel. Selbst wenn die mit der E-Mail vom 04.03.2020 angemahnten Forderungen bestanden haben, hätte der Beklagte zu 2) nicht ankündigen dürfen, die Kunden und die Hausbank von den derzeitigen Forderungen zu unterrichten und mitzuteilen, dass eine Klage wegen nicht unerheblicher weiterer Forderungen beim Gericht eingereicht sei, wenn die Klägerin die Forderungen nicht ausgleicht.

a.

Nach § 240 Abs. 2 StGB ist die Tat rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Maßgeblich für die Verwerflichkeitsprüfung ist die Relation von Mittel und Zweck. Es kommt weder darauf an, dass das Mittel für sich gesehen erlaubt, noch der Zweck allein billigenswert ist (vgl. MüKoStGB/Sinn, 4. Aufl. 2021, StGB § 240 Rn. 126). Die Verwerflichkeit einer Nötigung kann entfallen, wenn das abgenötigte Verhalten von der Rechtsordnung erwartet wird oder der Täter hierauf einen Anspruch hat (vgl. BeckOK StGB/Valerius, 51. Ed. 1.11.2021, StGB § 240 Rn. 54). So fehlt es zum Beispiel an der Verwerflichkeit, wenn der Täter zur Durchsetzung seines einredefreien und unstreitigen Anspruchs eine Strafanzeige in Aussicht stellt, die den betreffenden Sachverhalt zum Gegenstand hat (vgl. BeckOK StGB/Valerius, 51. Ed. 1.11.2021, StGB § 240 Rn. 55). Droht der Täter damit, zum Zweck der Durchsetzung einer berechtigten, von der Schuldnerin jedoch nicht umgehend erfüllten Forderung, „den Lebenssachverhalt“ ins Internet zu stellen, ist dies nicht strafbar, wenn es dem Drohenden allein um die Erfüllung dieser Forderung geht (vgl. KG Berlin Beschl. v. 29.2.2012 – (4) 121 Ss 30/12 [unter 2 a]). Weisen die mitgeteilten Tatsachen hingegen keinen Bezug zum angestrebten Zweck auf, fehlt der Zusammenhang zwischen angekündigtem Übel und angestrebtem Zweck; was ein Indiz für die Verwerflichkeit der Mittel-Zweck-Relation ist (vgl. BeckOK StGB/Valerius, 51. Ed. 1.11.2021, StGB § 240 Rn. 58). Rechtfertigungsgründe müssen im Zeitpunkt der Verletzungshandlung, also zur „Zeit der Tat“ im Sinne von § 8 StGB, bereits vorgelegen haben (vgl. MüKoStGB/Ambos, 4. Aufl. 2020, StGB § 8 Rn. 3).

b.

Dies zugrunde gelegt ist das Verhalten des Beklagten zu 2) als verwerflich anzusehen. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Anspruch der Beklagten zu 1) – wie das Verfahren 023 O 21/20 vor dem Landgericht Münster zeigt – zum Zeitpunkt der Drohung nicht unstreitig gewesen ist. Vielmehr hat die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche, insbesondere den Abschluss eines von der Beklagten zu 1) behaupteten Handelsvertretervertrages, in Abrede gestellt und ihrerseits widerklagend Rückzahlungsansprüche geltend gemacht. Zudem bezog sich die Androhung, die Kunden und die Hausbank der Klägerin über etwaige bestehende Forderungen zu informieren, nicht lediglich auf die angemahnten Forderungen, sondern betraf nicht unerheblich weitere Forderungen. Daraus wird deutlich, dass es dem Beklagten zu 2) nicht lediglich darum ging, die Klägerin zur Zahlung der angemahnten Forderungen anzuhalten, sondern er des Weiteren – wie es das Landgericht festgestellt hat – insbesondere darauf abgezielt hat, das Vertrauen der Kunden und der Hausbank in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin zu beeinträchtigen.

c.

Zu keiner anderen Beurteilung führt der Einwand der Beklagten, dass der Beklagte zu 2) irrtümlich davon ausgegangen sein will, auch bereits dann eine Vorpfändung ausbringen zu können, wenn kein gerichtlicher Titel vorliegt. Dieser Rechtsirrtum hat sich auf die Drohung, die Kunden und die Hausbank von den „derzeitigen Forderungen“ zu unterrichten, nicht ausgewirkt. Diese ist vom Beklagten zu 2) im Namen der Beklagten zu 1) vielmehr als weitere Maßnahme für den Fall angekündigt worden, dass bis zum 07.03.2020 kein Geldeingang festzustellen ist.

2.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) folgt jedenfalls aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, 823 Abs. 1 BGB bzw. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. §§ 823 Abs. 2, 240 StGB jeweils i.V.m. § 31 BGB analog. Die Beklagte zu 1) haftet insoweit für das Verhalten ihrer Geschäftsführerin (§ 31 BGB analog), die sich die Äußerungen des Beklagten zu 2) zu Eigen gemacht hat.

a.

Zur Unterlassung verpflichtet ist grundsätzlich der Störer, das heißt, wer, auch ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Von der Norm erfasst wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Dabei genügt als Mitwirkung in diesem Sinne auch die Unterstützung oder die Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH Urt. v. 28.7.2015 – VI ZR 340/14, Rn. 34, beck-online).

b.

Gemessen hieran ist die Beklagten zu 1) als Störerin anzusehen. Ihre Geschäftsführerin hat sich die durch den Beklagten zu 2) verursachte Nötigungslage zunutze gemacht. So hat sie sich gegenüber der Klägerin von dem Inhalt dieser E-Mail nicht distanziert, indem sie insbesondere klargestellt hätte, dass dieses Vorgehen nicht im Sinne der Beklagten zu 1) ist. Da der Beklagte zu 2) bei ihr beschäftigt ist und als Arbeitnehmer ihren Weisungen unterliegt, hätte sie ihm derartige Drohungen untersagen und der Klägerin versichern können, dass ein entsprechendes Vorgehen nicht in ihrem Sinne sei und nicht umgesetzt werde. Die Geschäftsführerin der Beklagten zu 1) hat jedoch zu der E-Mail vom 04.03.2020 geschwiegen und weder im einstweiligen Verfügungsverfahren noch auf das Schreiben vom 29.05.2020 reagiert, mit dem die Klägerin die Erklärung gefordert hat, dass die in dem einstweiligen Verfügungsverfahren getroffene Regelung als rechtsverbindlich anerkannt wird. Schließlich hat sie sich im Hauptsacheverfahren gegenüber dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch sogar noch verteidigt. Hierdurch hat sie die Rechtsgutbeeinträchtigung bei der Klägerin geschehen lassen, die befürchten musste, die Beklagte zu 1) bzw. in ihrem Namen der Beklagte zu 2) würde entsprechend der Drohung die namentlich benannten Kunden sowie ihre Hausbank von ihren Forderungen gegen die Klägerin unterrichten, sofern sie die angemahnten Forderungen der Beklagte zu 1) nicht ausgleicht. Aus dem Verhalten der Geschäftsführerin der Beklagten zu 1) ergab sich, dass sie entsprechendes geschehen lassen würde, um eine Zahlung der angemahnten Forderungen an die Beklagte zu 1) zu erreichen.

II.

Die Rechtssache hat zur einstimmigen Überzeugung des Senats auch keine grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.


Häufig gestellte Fragen

1. Was ist Nötigung im rechtlichen Sinne?

Nötigung ist ein Straftatbestand, der gemäß § 240 StGB strafbar ist. Eine Person begeht eine Nötigung, wenn sie einen anderen rechtswidrig durch Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Hierbei muss die Androhung des empfindlichen Übels zu dem angestrebten Zweck verwerflich sein.

2. Wie ist die Verwerflichkeit bei Nötigung zu beurteilen?

Die Verwerflichkeit wird anhand der Relation von Mittel und Zweck beurteilt. Es geht um die Frage, ob es in Anbetracht des angestrebten Ziels als verwerflich angesehen wird, das verwendete Mittel (Gewalt oder Drohung) einzusetzen. Hinsichtlich einer Drohung mit einer Strafanzeige kann die Verwerflichkeit entfallen, wenn ein berechtigter (einredefreier) und unstreitiger Anspruch vorliegt und die Strafanzeige sachgerecht erscheint.

3. Was ist der Unterschied zwischen zulässiger Forderungsdurchsetzung und Nötigung?

Eine zulässige Forderungsdurchsetzung liegt vor, wenn auf zivil- oder strafrechtlichem Wege ein Anspruch durchgesetzt oder in Aussicht gestellt wird (z. B. eine Mahnung oder die Androhung einer Klage), ohne dass dies verwerflich ist. Eine Nötigung hingegen ist rechtswidrig und strafbar, weil sie Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel als Mittel zur Durchsetzung des Anspruchs verwendet, obwohl dies verwerflich ist.

4. Kann ich einen Kunden oder Dritten drohen, eine Klage einzureichen oder sie über Schulden zu informieren?

Die Androhung einer Klage oder die Information von Dritten über Schulden kann grundsätzlich als zulässiges Mittel zur Durchsetzung eines Anspruchs gelten. Allerdings sollte dies nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen (z. B. wenn der Anspruch unstreitig und einredefrei ist). Sollte die Androhung im Zusammenhang mit der Drohung eines empfindlichen Übels oder sonstiger schädigender Handlungen verwerflich sein, käme eine Nötigung in Betracht.

5. Was kann ich tun, wenn ich mich einer Nötigung ausgesetzt sehe?

Wenn Sie einer Nötigung ausgesetzt sind, sollten Sie sich umgehend an einen Rechtsanwalt wenden, um Ihre rechtlichen Möglichkeiten auszuloten und angemessene Schritte zur Rechtsdurchsetzung einzuleiten. Sie können auch eine Strafanzeige bei der Polizei erstatten, da Nötigung ein strafbarer Tatbestand ist. Eine zivilrechtliche Klage könnte auf Unterlassung, Schadensersatz oder eine ähnliche Rechtsbehelfe abzielen, um die Nötigung zu beenden oder Schäden zu kompensieren.

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