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Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO entfaltet keine Sperrwirkung  für Ermittlungsverfahren

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 12 Qs 4/21 – Beschluss vom 05.03.2021

I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 25. Januar 2021 gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 25. August 2020 (57 Gs 7276/20), berichtigt durch Beschluss vom 21. Januar 2021 (57 Gs 571/21), wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer ebenso wie seine ihm entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 25. August 2020 (57 Gs 7276/20) ordnete das Amtsgericht Nürnberg die Durchsuchung des Wohnanwesens des Beschwerdeführers an. Die Durchsuchung sollte dem Auffinden elektronischer Speichermedien dienen. Mit weiterem Beschluss vom 21. Januar 2021 (57 Gs 571/21) berichtigte das Amtsgericht Nürnberg seinen ersten Beschluss wegen der dort fehlerhaft angegebenen Postleitzahl des Durchsuchungsobjekts. Der (berichtigte) Beschluss wurde am 22. Januar 2021 durch die Kriminalpolizei vollzogen. Dabei kam es zur Sicherstellung zahlreicher Speichermedien.

Dem Durchsuchungsbeschluss lag der Verdacht zugrunde, der Beschwerdeführer habe am 6. August 2019 eine Straftat nach § 201 Abs. 1 Nr. 1, § 205 Abs. 1 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) begangen, indem er das zwischen ihm und zwei Polizeibeamten – PHK G. und PHM’in B. – anlässlich einer Verkehrskontrolle geführte Gespräch heimlich mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet habe, obwohl er gewusst habe, dass er dazu nicht berechtigt sei.

II.

Gegen die Durchsuchung und die Beschlagnahme legte der Beschwerdeführer mit Fax vom 25. Januar 2021 beim Amtsgericht Nürnberg „Beschwerde und Überprüfung für das Landgericht auf Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses“ ein und begründete dies im Einzelnen.

Die Beschwerde enthielt weiterhin Ausführungen des Beschwerdeführers zur Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung (ihm sei eine Zimmertür gegen den Kopf geschlagen worden, man habe ihn in Unterhosen bekleidet in der Kälte stehen lassen usf.). Zudem wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Sicherstellung der bei ihm aufgefundenen Gegenstände und verlangte deren Rückgabe.

Am 26. Januar 2021 hat der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Nürnberg der Beschwerde – soweit sie gegen den Durchsuchungsbeschluss gerichtet hat – nicht abgeholfen und die Vorlage der Akte beim Beschwerdegericht angeordnet.

III.

Die zulässig erhobene Beschwerde ist unbegründet.

1. Gegenstand der vorliegenden Beschwerdeentscheidung ist allein die Frage nach der Rechtmäßigkeit der durchgeführten Durchsuchung (§ 102, § 105 Abs. 1 StPO) in dem Sinne, ob diese zulässigerweise angeordnet werden durfte und zulässigerweise erfolgt ist.

Soweit sich der Beschwerdeführer auch gegen die Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung wendet, hat die Staatsanwaltschaft insoweit einen eigenen Vorgang angelegt, der gesondert einer Beschwerdeentscheidung zugeführt wird. Ebenso ist die von der Staatsanwaltschaft am 28. Januar 2021 beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Nürnberg beantragte förmliche Beschlagnahme der sichergestellten Gegenstände, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 25. Februar 2021 angeordnet hat, nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Gegenstand eines solchen Verfahrens könnte allein der letztgenannte Beschluss sein; dagegen kann sich die Beschwerde vom 25. Januar 2021 also von vornherein nicht wenden.

2. Die Beschwerde ist zulässig.

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 25. Januar 2021 ist als Beschwerde (§ 304 StPO) auszulegen. Der Beschwerdeführer wendet sich vorliegend auch gegen den Durchsuchungsbeschluss selbst und beantragt insoweit ausdrücklich die Überprüfung von dessen Rechtmäßigkeit.

Das Rechtsschutzbedürfnis und die Beschwer des Beschwerdeführers sind ohne Weiteres gegeben. Die ihn belastende Durchsuchung ist nämlich noch nicht abgeschlossen.

a) Die bei der Durchsuchung vorgefundenen und mitgenommenen Unterlagen wurden gemäß einer Verfügung der zuständigen Staatsanwältin vom 28. Januar 2021 dem zuständigen Kommissariat der Kriminalpolizei zur unverzüglichen Auswertung überlassen. Dies sei, so der begleitende staatsanwaltliche Vermerk, durch den Durchsuchungsbeschluss gedeckt. Letzteres trifft im technischen Sinne zwar nicht zu, weil die Durchsicht der sichergestellten Medien durch die Polizei erst aufgrund einer gesonderten Anordnung der Staatsanwaltschaft stattfinden darf (§ 110 Abs. 1 Alt. 2 StPO), wenn nicht der Durchsuchungsbetroffene mit der Sichtung einverstanden ist, woran es hier aber fehlt. Allerdings liegt mit der – dahin auszulegenden – Verfügung vom 28. Januar 2021 eine solche Anordnung vor.

b) Eine Durchsuchungsmaßnahme gilt solange als nicht abgeschlossen, solange die Durchsicht der dabei mitgenommenen Unterlagen nach § 110 StPO andauert (BGH, Beschluss vom 3. September 1997 – StB 12/97, juris; BVerfG, Beschluss vom 20. September 2018 – 2 BvR 708/18, juris Rn. 23). Das ist nach Aktenlage noch der Fall, weil die Kriminalpolizei die Inhalte der Speichermedien immer noch sichtet.

3. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil die Durchsuchung von Rechts wegen erfolgen durfte.

a) Der Durchsuchungsbeschluss ist rechtmäßig ergangen.

aa) Notwendige Voraussetzung jeder Durchsuchung ist ein Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO wegen einer bestimmten Straftat. Dieser liegt vor, wenn auf der Grundlage konkreter Tatsachen nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat begangen worden ist (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 152 Rn. 4 m.w.N.). Einen solchen konkreten Anfangsverdacht hat der Beschwerdeführer hier selbst geschaffen, indem er in der Sitzung des Amtsgerichts Nürnberg am Morgen des 21. Februar 2020 in der Sache 52 OWi 703 Js … geäußert hat, er habe sein Handy in die Buchse gesteckt und das Ende des Gesprächs (mit den beiden Polizisten) aufgezeichnet.

Darin lag eine Selbstbezichtigung des Beschwerdeführers, eine Straftat nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen, zumindest aber versucht zu haben. Nach der genannten Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt. Nichtöffentlich gesprochen ist ein Wort dann, wenn es nicht an die Allgemeinheit gerichtet ist oder nicht über einen durch persönliche oder sachliche Beziehungen abgegrenzten Personenkreis hinaus verbreitet werden soll (Fischer, StGB, 68. Aufl., § 201 Rn. 3). Die Nichtöffentlichkeit ist bei der hier durch die Verkehrskontrolle situativ, räumlich und persönlich geschaffenen Eingrenzung gegeben.

bb) An der vorstehenden Beurteilung, dass ein Anfangsverdacht vorliegt, ändert sich nichts dadurch, dass die Staatsanwaltschaft zunächst mit Verfügung vom 6. Mai 2020 das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat. Eine Einstellung nach dieser Vorschrift entfaltet keine Sperrwirkung, die einer erneuten Befassung der Staatsanwaltschaft mit dem zugrunde liegenden Sachverhalt entgegenstünde. Das Ermittlungsverfahren kann vielmehr jederzeit wieder aufgenommen werden, wenn Anlass dazu besteht. Aufseiten des Beschuldigten besteht insoweit kein Vertrauensschutz auf den Bestand der ursprünglichen Einstellungsverfügung (BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 StR 524/10, juris Rn. 10). Die Kammer merkt an, dass aus der Akte, soweit sie im Rahmen der Beschwerde vorgelegt wurde, nicht nachvollziehbar ist, aufgrund welcher Umstände oder Erwägungen sich die Staatsanwaltschaft dazu entschlossen hat, von ihrer ursprünglichen Einschätzung, die der Verfahrenseinstellung zugrunde gelegen hatte, abzurücken und das Verfahren wieder aufzugreifen. Daraus folgt indessen kein durchgreifendes Argument gegen die Rechtmäßigkeit der erneuten Befassung mit dem Fall, denn es ist umgekehrt auch nicht ersichtlich, dass das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sachfremd motiviert gewesen wäre.

cc) Der Annahme eines Anfangsverdachts steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer behauptet, die inkriminierte Tonaufnahme versehentlich – strafrechtlich gesprochen: fahrlässig und damit im konkreten Fall nicht strafbar – gemacht zu haben. Die Ermittlungsbehörden sind nicht gehalten, der eigenen Einschätzung eines Beschuldigten zum subjektiven Tatbestand einer Straftat uneingeschränkt zu folgen, sondern haben eigenständig zu bewerten, ob die feststellbaren Umstände in ihrer Zusammenschau den Rückschluss auf einen Vorsatz zulassen. Nachdem der Beschwerdeführer bei seiner Aussage vor dem Amtsgericht Nürnberg, die dort protokolliert worden ist, nichts in die Richtung äußerte, die Aufnahme sei nur versehentlich erfolgt, und nachdem versehentliche Tonaufnahmen mit einem Mobiltelefon nach aller Erfahrung seltener vorkommen als bewusst vorgenommene, liegt es nahe, im Vortrag des Beschwerdeführers eine bloße sog. Schutzbehauptung zu sehen. Eine solche stellt den Anfangsverdacht nicht infrage.

Ebenso wenig muss die Staatsanwaltschaft der Behauptung eines Beschuldigten glauben, er habe die gesuchte Sache nicht (mehr).

dd) Die übrigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, insbesondere die Verhältnismäßigkeit des angegriffenen Beschlusses, liegen vor. Das Auffinden des Tonträgers ist für den Tatnachweis geeignet und erforderlich und die Durchsuchung war, auch in Anbetracht des hohen Stellenwerts der Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung (Art. 13 GG), noch angemessen. Ohne den Tonträger selbst lässt sich nicht belegen, ob die Aufnahme des Gesprächs – verstanden als Tätigkeit des Aufnehmens, die der Beschwerdeführer selbst zugegeben hat – zu einem Erfolg geführt hat. Aufnehmen im Sinne der Strafvorschrift ist das Festhalten des gesprochenen Wortes auf einem Tonträger in der Weise, dass es wieder hörbar gemacht werden kann. Gelingt es nicht, das Wort auf dem Tonträger zu fixieren, liegt nur Versuch (§ 201 Abs. 4 StPO) vor (Schünemann in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 201 Rn. 13). Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist weiter zu sehen, dass die vorgeworfene Straftat nicht lediglich geringfügig ist (zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 28. September 2008 – 2 BvR 1800/07, juris Rn. 20) und dass es letztlich der Beschwerdeführer war, der durch seine eigene Aussage im Ordnungswidrigkeitsverfahren vor dem Amtsgericht Nürnberg das hiesige Ermittlungsverfahren – ohne Not – provoziert hat.

b) Die Durchsuchung ist auch rechtzeitig vollzogen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts tritt – außer er wird vorher richterlich bestätigt – ein erlassener Durchsuchungsbeschluss außer Kraft, wenn er nicht spätestens ein halbes Jahr nach Erlass vollzogen wird (BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2002 – 2 BvR 380/01, juris Rn. 13; Beschluss vom 27. Mai 1997 – 2 BvR 1992/92, juris Rn. 29 f.). Hier kann dahinstehen, ob – wozu die Kammer freilich nicht neigt – der zeitliche Abstand zwischen dem Erlass des ersten Beschlusses und der Durchsuchung, fast fünf Monate, zur Unwirksamkeit dieses Beschlusses geführt haben kann. Denn jedenfalls ist der erste Beschluss des Ermittlungsrichters durch dessen berichtigenden Beschluss vom 21. Januar 2021 unmittelbar vor dem Vollzug der Durchsuchungsmaßnahme konkludent bestätigt worden. Auch wenn sich der zweite Beschluss allein auf die Berichtigung der Postleitzahl des Durchsuchungsobjekts bezogen hat, so hat der Ermittlungsrichter damit schlüssig miterklärt, dass er an seinem ursprünglichen Durchsuchungsbeschluss festhält und ihn damit bestätigt. Damit ist der Zeitablauf zwischen dem Erlass des ursprünglichen Durchsuchungsbeschlusses und dessen Vollzug vorliegend unerheblich.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 464 Abs. 2, § 473 Abs. 1 StPO.

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