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Entschädigung nach dem StrEG – Verschweigen entlastender Umstände

OLG Köln – Az.: 3 Ws 317/21 – Beschluss vom 20.07.2021

In der Strafsache hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten vom 29.04.2021 gegen die im Urteil der 13. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 23.04.2021 (113 KLs 5/21) getroffene Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs auf Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen am 20. Juli 2021 beschlossen:

Die im Urteil des Landgerichts Köln vom 23.04.2021 (113 KLs 5/21) getroffene

Nebenentscheidung wie aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Der Angeklagte ist für die vorläufige Festnahme am 15.11.2020, den anschließenden Vollzug der Untersuchungshaft bis zum 13.04.2021, die Durchsuchung seiner Wohnung und seiner Person am 15.11.2020 sowie die Sicherstellung von Kleidungsstücken (ein Paar Socken, Unterwäsche, eine Hose, ein Gürtel, ein Pullover) und eines Mobiltelefons Samsung S 10 seit dem 15.11.2020 zu entschädigen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Vorlageverfügung vom 24.06.2021 beantragt, auf die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten vom 29.04.2021 gegen die im Urteil der 13. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 23.04.2021 (113 KLs 5/21) ausgesprochene Versagung einer Entschädigung für die in dieser Sache erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen die angefochtene Nebenentscheidung aufzuheben und wie aus dem Tenor ersichtlich neu zu fassen:

Sie hat zum Verfahrensablauf und zur rechtlichen Begründung das Folgende ausgeführt:

Durch Urteil des Landgerichts Köln vom 23.04.2021 (113 KLs – 250 Js 452/20 5/21), rechtskräftig seit dem 01.05.2021, würde der frühere Angeklagte vom Vorwurf einer am 15.11.2020 zum Nachteil der Nebenklägerin begangenen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung freigesprochen (BI. 456 ff. d. A.). Zugleich versagte ihm das Landgericht eine Entschädigung für die in dieser Sache erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen, nämlich die vorläufige Festnahme am 15.11.2020 (BI. 6 f. d. A.), den anschließenden Vollzug der Untersuchungshaft bis zum 13.04.2021 (BI. 12 ff., 186 ff., 403, 411 d. A.), die Durchsuchung seiner Wohnung und seiner Person am 15.11.2020 sowie die Sicherstellung von Kleidungsstücken (ein Paar Socken, Unterwäsche, eine Hose, ein Gürtel, ein Pullover) und eines Mobiltelefons Samsung S 10 seit dem 15.11.2020 (BI. 21 ff., 82 f. d. A.). Die Kammer stützte die Versagung auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG und führte zur Begründung aus, der frühere Angeklagte habe die Strafverfolgungsmaßnahmen dadurch veranlasst, dass er wesentliche entlastende Umstände verschwiegen habe, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert habe. Er habe unmittelbar bei Eintreffen von Polizeibeamten an seiner Wohnanschrift am 15.11.2020 – noch vor der Durchführung von Strafverfolgungsmaßnahmen – Angaben zur Sache gemacht und dabei nicht berichtet, dass er seit längerer Zeit regelmäßig Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin habe und insbesondere am Tattag einvernehmlicher Geschlechtsverkehr stattgefunden habe. Gerade letzteres sei – als Erklärung für aufgefundene DNA-Spuren – indes ein wesentlicher entlastender Umstand gewesen (BI. 469 d. A.).

Gegen die in der Hauptverhandlung am 23.04.2021 mündlich verkündete Nebenentscheidung hat der frühere Angeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.04.2021, eingegangen beim Landgericht am 30.04.2021, sofortige Beschwerde eingelegt (BI. 422 ff. d. A.).

Die gemäß § 8 Abs. 3 StrEG statthafte und gemäß §§ 311 Abs. 2, 306 Abs. 1 StPO form- sowie fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Beschwerdeführer steht gegen die Staatskasse ein Anspruch auf Entschädigung für die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 StrEG zu.

Die Entschädigung war nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StrEG (ganz oder teilweise) zu versagen, da nicht festgestellt werden kann, dass der frühere Angeklagte die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen, insbesondere den Erlass und Vollzug des Untersuchungshaftbefehls, dadurch veranlasst hat, dass er – trotz Äußerung zu der Beschuldigung – wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat.

Das Verteidigungsverhalten, das zur Versagung der Entschädigung führt, muss dem Beschuldigten zuzurechnen sein. Diese Zurechnung ist aber nicht nur eine objektive, sondern eine verschuldete. Das ist der Fall, wenn der Beschuldigte erkannt hat, dass der verschwiegene Umstand ihn entlasten kann. Hat der Beschuldigte das nicht erkannt oder nicht erkennen können, so kommt es darauf an, ob er den Irrtum vermeiden konnte. Der hier anzulegende Verschuldensmaßstab ist die leichte Fahrlässigkeit im zivilrechtlichen Sinn (MüKo-StPO/Kunz, StrEG § 6 Rn. 16). Im vorliegenden Fall musste sich dem Beschuldigten bei seiner frühen Äußerung zur Beschuldigung, die unmittelbar nach der Eröffnung des Tatvorwurfs und kurz vor seiner vorläufigen Festnahme erfolgte, nicht aufdrängen, dass ihn das Einräumen eines (einvernehmlichen) Geschlechtsverkehrs mit der Nebenklägerin entlasten würde, zumal ihm die Möglichkeit der späteren Auffindung von DNA-Spuren, die sich durch einen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr erklären ließe, nicht bewusst gewesen sein muss. Vielmehr mag es aus Sicht des Beschuldigten nahegelegen haben, dass er sich durch das Einräumen des Geschlechtsverkehrs eher selbst belasten als entlasten würde. Das Verteidigungsverhalten ist dem Beschuldigten daher im Rahmen der Grundentscheidung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen jedenfalls nicht schuldhaft zuzurechnen.“

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Zwar hat der frühere Angeklagte die einvernehmlichen sexuellen Kontakte mit der Nebenklägerin im Rahmen seiner Angaben am 15.11.2020 nicht erwähnt, obwohl sich diese letztlich als entlastend erwiesen haben, da sie die gesicherten DNA-Spuren aus Sicht der Kammer zu erklären vermochten. Das entsprechende Gutachten des LKA NRW datiert allerdings erst auf den 03.02.2021. Zum Zeitpunkt seiner Angaben war die Analyse der gesicherten Spurenträger folglich noch nicht durchgeführt, weshalb der frühere Angeklagte auch aus Sicht des Senats nicht von einer entlastenden Wirkung einer entsprechenden Einlassung ausgehen musste. Insofern lag für ihn die Auffindung entsprechender DNA-Spuren auch nicht auf der Hand, zumal wenn – was die Gutachtenergebnisse nahelegen – der Geschlechtsverkehr am Tattag nicht bis zum Samenerguss ausgeübt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.

 

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