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Ersatzfreiheitsstrafe im deutschen Strafrecht

Eine Geldstrafe nicht zahlen zu können, bedeutet in Deutschland nicht, straffrei davonzukommen. Stattdessen droht die Ersatzfreiheitsstrafe, ein kaum bekannter, aber harter Eingriff in die persönliche Freiheit. Besonders Menschen ohne finanzielle Mittel trifft diese Regelung oft mit voller Wucht. Doch es gibt Wege, diese Strafe zu vermeiden oder zu mildern, und das aktuelle Reformvorhaben könnte Betroffenen bald zugutekommen.

Übersicht

Ersatzfreiheitsstrafe: Vor den Türen der Haftanstalt
Symbolbild: KI generiertes Bild

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Definition: Ersatzfreiheitsstrafe ist eine Haftstrafe, die vollzogen wird, wenn verhängte Geldstrafen nicht bezahlt werden können oder nicht bezahlt werden
  • Gesetzliche Grundlage: § 43 StGB
  • Neuer Umrechnungsmaßstab: Seit 1. Februar 2024 entsprechen zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe (vorher 1:1-Verhältnis)
  • Berechnung: Die Dauer richtet sich nach der Anzahl der Tagessätze, nicht nach der Gesamtsumme der Geldstrafe
  • Betroffene: Etwa 56.000 Menschen jährlich in Deutschland, meist Personen in prekären Lebenssituationen
  • Prozentsatz in Haftanstalten: 7-12% aller Inhaftierten verbüßen Ersatzfreiheitsstrafen
  • Hauptalternativen:
    • Ratenzahlung
    • Gemeinnützige Arbeit („Schwitzen statt Sitzen“)
    • Stundung der Geldstrafe
  • Vorgehen bei drohender Ersatzfreiheitsstrafe: Sofortige Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft zur Klärung von Zahlungserleichterungen
  • Besonderheit: Zahlung der Geldstrafe ist jederzeit möglich, auch nach Haftantritt, und führt zur sofortigen Entlassung
  • Kosten für den Staat: Etwa 200 Millionen Euro jährlich (ca. 157 Euro pro Hafttag)

Wenn Geldstrafen zu Haft führen: Eine wenig bekannte Sanktion

Die Ersatzfreiheitsstrafe stellt im deutschen Strafrechtssystem eine besondere Form der Sanktion dar, die zum Einsatz kommt, wenn verhängte Geldstrafen nicht bezahlt werden können oder wenn der Verurteilte nicht willens ist, diese zu begleichen.

Gemäß § 43 StGB tritt an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe. Seit dem 1. Februar 2024 entsprechen zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Jährlich sind etwa 56.000 Menschen von dieser Maßnahme betroffen, die ursprünglich nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Dieser Ratgeber informiert Sie umfassend über Rechte, Risiken und vor allem Alternativen zur Inhaftierung.

Droht Haft wegen unbezahlter Geldstrafe? Ihre Rechte!

Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe folgt einem klar definierten rechtlichen Ablauf mit mehreren Schritten. Es ist wichtig, diesen Prozess zu verstehen, um rechtzeitig reagieren zu können.

Der Weg in die Ersatzfreiheitsstrafe

  1. Nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe wird diese fällig, und es ergeht eine Zahlungsaufforderung mit einer gesetzlichen Schonfrist von zwei Wochen gemäß § 459c StPO.
  2. Bei Nichtzahlung wird der Verurteilte gemahnt und gegebenenfalls letztmalig zur Zahlung aufgefordert.
  3. Bleibt auch dies erfolglos, prüft der Rechtspfleger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie Pfändungen des Arbeitseinkommens oder Kontos.
  4. Wenn alle Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und die Geldstrafe weiterhin nicht beglichen wird, kann nach § 459e Abs. 2 StPO eine Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet werden.
  5. Der Verurteilte erhält dann eine Ladung zum Strafantritt in einer Justizvollzugsanstalt.
  6. Erscheint er nicht freiwillig, wird ein Haftbefehl erlassen und die Polizei mit der Festnahme beauftragt.

Die Ersatzfreiheitsstrafe wird nur als letzter Ausweg angewendet, wenn der Verurteilte trotz Zahlungsfähigkeit die Geldstrafe absichtlich nicht begleicht oder wenn alle anderen Vollstreckungsmaßnahmen gescheitert sind. Vor der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe muss der Verurteilte gemäß § 459e Abs. 2 StPO darauf hingewiesen werden, dass ihm Zahlungserleichterungen bewilligt werden können und ihm gestattet werden kann, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden.

Rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten

Betroffene haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten, um gegen eine drohende Ersatzfreiheitsstrafe vorzugehen:

  1. Einspruch gegen den Strafbefehl: Innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung kann gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt werden, um die Höhe der Geldstrafe oder die Verurteilung an sich anzufechten.
  2. Beantragung von Zahlungserleichterungen: Bei der Staatsanwaltschaft können Ratenzahlung oder Stundung beantragt werden, wenn die sofortige Zahlung aufgrund persönlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse nicht zumutbar ist.
  3. Aussetzung bei unbilliger Härte: In besonderen Fällen kann die Vollstreckung wegen unbilliger Härte ausgesetzt werden (§ 459f StPO), was der Rechtspfleger beim Gericht anregen kann.
  4. Wiederaufnahme des Verfahrens: Bei versäumter Einspruchsfrist kann unter bestimmten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 44 StPO oder bei neuen Tatsachen oder Beweismitteln (§ 359 StPO) kann unter Umständen das Verfahren wiederaufgenommen werden.

Es ist zu beachten, dass unverschuldete Vermögenslosigkeit allein nicht als unbillige Härte anerkannt wird, die ein Unterbleiben der Vollstreckung rechtfertigen würde. Es müssen besondere Umstände hinzukommen, auf Grund deren mit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe eine außerhalb des Strafzwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre.

Seit dem 1. Februar 2024 gilt zudem ein neuer Umrechnungsmaßstab, wonach zwei Tagessätze einer Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen (§ 43b StGB).

Der juristische Charakter der Ersatzfreiheitsstrafe

Die Ersatzfreiheitsstrafe muss grundsätzlich von der regulären Haftstrafe unterschieden werden. Der Straftäter wurde nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, sondern eigentlich „nur“ zu einer Geldstrafe. Das Gericht hat ursprünglich von einer Haftstrafe abgesehen und ein milderes Urteil anberaumt. Es handelt sich um einen rechtsstaatlichen Mechanismus, der sicherstellen soll, dass Geldstrafen ernst genommen werden. Die Ersatzfreiheitsstrafe (EFS) sichert die Wirksamkeit der Geldstrafe ab, auf der das heutige Strafsystem wesentlich beruht, und wurde vom Strafrechtler Herbert Tröndle als das „Rückgrat der Geldstrafe“ bezeichnet. Gleichzeitig ist sie umstritten, da gemäß dem Schuldgrundsatz die Strafe das Maß der Schuld nicht überschreiten darf. Die Freiheitsstrafe ist aber gegenüber der Geldstrafe das schwerere Übel.

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich betont: „Wer eine Geldstrafe nicht zahlt, dem droht in Deutschland eine Ersatzfreiheitsstrafe. Wir wollen Ersatzfreiheitsstrafen möglichst vermeiden. Denn der oder die Betroffene wurde wegen der Tat zu einer Geldstrafe und gerade nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.“

Ersatzfreiheitsstrafe einfach erklärt: Was Sie wirklich wissen müssen

Berechnung der Dauer

Die Dauer einer Ersatzfreiheitsstrafe wird anhand der Anzahl der verhängten Tagessätze berechnet, nicht anhand der Gesamtsumme der Geldstrafe. Die Geldstrafe setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

  • Anzahl der Tagessätze: Richtet sich nach der Schwere des Vergehens und bewegt sich gemäß § 40 Absatz 1 StGB in einem Rahmen von mindestens 5 bis maximal 360 Tagessätzen.
  • Höhe des einzelnen Tagessatzes: Wird individuell basierend auf dem Nettoeinkommen des Verurteilten festgelegt.

Wichtige Gesetzesänderung

: Bei Eintritt der Rechtskraft ab dem 1. Februar 2024 tritt grundsätzlich ein Tag Haft an die Stelle von zwei Tagessätzen der Geldstrafe. Diese Änderung halbiert effektiv die zu verbüßende Haftzeit für neu verhängte Ersatzfreiheitsstrafen.

Ein Beispiel verdeutlicht diesen Mechanismus: Wurde ein Täter zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt, so müsste er nach alter Rechtslage 90 Tage in Haft verbüßen, wenn die Geldstrafe nicht bezahlt wird. Nach neuer Rechtslage (ab 1. Februar 2024) wären es nur noch 45 Tage.

Wichtig zu verstehen ist, dass die Gesamthöhe der Geldstrafe keinen Einfluss auf die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe hat. So kann es vorkommen, dass ein wirtschaftlich besser gestellter Täter eine höhere Geldstrafe (z.B. 30.000 Euro) zahlen muss als ein wirtschaftlich schlechter gestellter (z.B. 900 Euro), obwohl beiden die gleiche Anzahl von Tagessätzen (z.B. 90) auferlegt wurde. Im Fall einer Ersatzfreiheitsstrafe müssten beide die gleiche Zeit verbüßen.

Hinweis zur Übergangsregelung: Es ist zu beachten, dass die neue Berechnungsmethode nur für Geldstrafen gilt, die nach dem 1. Februar 2024 rechtskräftig werden. Für Geldstrafen, die vor diesem Datum rechtskräftig wurden, gilt weiterhin die alte Regelung, bei der ein Tagessatz einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht (Art. 316o Abs. 2 EGStGB).

Statistische Daten und gesellschaftliche Relevanz

An den jeweiligen Stichtagen machen Personen mit Ersatzfreiheitsstrafen zwischen 7% und 12% aller Inhaftierten in deutschen Gefängnissen aus. In Sachsen-Anhalt beispielsweise saßen zum Stichtag 1. August 2023 171 Insassen eine Ersatzfreiheitsstrafe ab, was etwa 11% aller Inhaftierten entspricht.

Besorgniserregend ist die Tatsache, dass die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist. Zwischen 2020 und 2023 gab es einen signifikanten Anstieg, wobei der Anteil von Insassen mit Ersatzfreiheitsstrafen von etwa 3% auf über 12% stieg. Dies deutet darauf hin, dass immer mehr Menschen ihre Geldstrafen nicht bezahlen können – möglicherweise aufgrund einer Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse.

Die Kosten für den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen belaufen sich deutschlandweit auf rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Ein Tag in einer Haftanstalt kostete 2020 im Bundesdurchschnitt etwa 157 Euro, was die erheblichen finanziellen Auswirkungen auf das Justizsystem verdeutlicht.

Die Entwurfsbegründung einer Gesetzesreform führt aus, dass die Ersatzfreiheitsstrafe primär solche Personen trifft, die aufgrund multipler Problemlagen eine prekäre Lebenssituation aufweisen. Die prekäre soziale und wirtschaftliche Lage der Betroffenen führt dazu, dass sie die Geldstrafe, die meist aufgrund eines sog. Bagatelldelikts vom Gericht als angemessen erachtet wurde, unverschuldet nicht begleichen können.

Keine Panik: Alternativen zur Ersatzfreiheitsstrafe

Glücklicherweise gibt es mehrere Möglichkeiten, eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden, selbst wenn die finanzielle Situation die sofortige Bezahlung der Geldstrafe nicht zulässt.

1. Ratenzahlung beantragen

Gemäß § 42 StGB kann eine Ratenzahlung bewilligt werden, wenn die sofortige Zahlung aufgrund persönlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse nicht zumutbar ist. Der Antrag muss schriftlich bei der Staatsanwaltschaft gestellt werden und sollte eine sachliche Erklärung sowie Nachweise (z.B. Gehaltsnachweis) über die finanzielle Situation enthalten.

So gehen Sie vor:

  • Stellen Sie einen formellen Antrag bei der zuständigen Staatsanwaltschaft
  • Begründen Sie sachlich, warum Sie die Geldstrafe nicht auf einmal bezahlen können
  • Fügen Sie Nachweise über Ihre finanzielle Situation bei (Gehaltsabrechnungen, Sozialleistungsbescheinigungen)
  • Schlagen Sie selbst eine realistische monatliche Rate vor

Über die Höhe der Raten und die Fälligkeitstermine entscheidet die Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft) . Eine Ratenzahlung ist zu gewähren, wenn dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu bezahlen.

2. Gemeinnützige Arbeit („Schwitzen statt Sitzen“)

Nach der Tilgungsverordnung kann die Staatsanwaltschaft unter bestimmten Voraussetzungen gestatten, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. Dabei entsprechen in der Regel sechs Stunden gemeinnütziger Arbeit einem Tag der Ersatzfreiheitsstrafe. In Berlin und Baden-Württemberg wurden die Tilgungsverordnungen geändert, sodass dort ebenfalls sechs Stunden einem Tag entsprechen.

In begründeten Fällen kann die Arbeitsleistung auf bis zu drei Stunden je Tagessatz ermäßigt werden. Die je Tagessatz festgesetzten Arbeitsstunden können nach Bestimmung der Vollstreckungsbehörde auch an mehreren Tagen geleistet werden.

Arten der gemeinnützigen Arbeit: Gemeinnützige Arbeit kann bei verschiedenen Einrichtungen geleistet werden:

  • Kommunale, staatliche oder kirchliche Einrichtungen
  • Freie Wohlfahrtsverbände
  • Krankenhäuser und Altenheime
  • Naturschutzorganisationen
  • Sportvereine
  • Tierheime
  • Schwimmbäder

Typische Tätigkeiten umfassen die Anlage, Pflege und Reparatur von Grünanlagen, Kinderspielplätzen oder Friedhöfen, Reinigungs- und Hilfsarbeiten in einer Sozialstation oder einem Krankenhaus, Hilfsarbeiten bei einem Heimat- oder Sportverein.

Antragstellung: Um die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit abzuwenden, muss ein Antrag bei der für die Vollstreckung der Geldstrafe zuständigen Staatsanwaltschaft gestellt werden. Der Bundestag hat beschlossen, dass die Vollstreckungsbehörden verpflichtet sind, die zu einer Geldstrafe verurteilten Personen auf mögliche Zahlungserleichterungen sowie die Möglichkeit, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freiwillige Arbeitsstunden abzuwenden, ausdrücklich hinzuweisen.

3. Stundung beantragen

In Ausnahmefällen kann die Zahlung der rechtskräftig verhängten Geldstrafe auch gestundet werden, wenn beispielsweise in Kürze ein größerer Geldbetrag zu erwarten ist oder eine Arbeitsaufnahme bevorsteht. Auch hierfür ist ein schriftlicher Antrag bei der Staatsanwaltschaft erforderlich, der wirtschaftliche Gründe enthalten muss, die belegen, warum die sofortige Zahlung nicht zumutbar ist.

Die Stundung ist besonders dann sinnvoll, wenn absehbar ist, dass sich die finanzielle Situation kurzfristig verbessern wird, etwa durch:

  • Einen bevorstehenden neuen Arbeitsvertrag
  • Eine zu erwartende größere Zahlung
  • Den Verkauf von Vermögensgegenständen
  • Eine bevorstehende Steuerrückerstattung

Zu beachten ist, dass die Zahlungserleichterungen nicht so weit gehen dürfen, dass die Geldstrafe nicht mehr als Sanktion spürbar ist.

4. Geldverwaltung durch Beratungsstellen

In einigen Bundesländern gibt es spezielle Programme zur Geldverwaltung, bei denen Betroffene ihre Einkünfte (meist Sozialleistungen) an eine Beratungsstelle abtreten, die dann die Ratenzahlung übernimmt und sicherstellt.

Diese Programme richten sich insbesondere an Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Finanzen selbstständig zu verwalten. Die Beratungsstelle ermittelt gemeinsam mit dem Verurteilten eine tragfähige Ratenhöhe und schlägt diese der Staatsanwaltschaft zur Zahlung der Geldstrafe vor.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Beantragung von Zahlungserleichterungen die Vollstreckung nicht hemmt. Erst wenn Ratenzahlungen oder ein Zahlungsaufschub (Stundung) bewilligt wurden, entfällt die Pflicht, die Geldstrafe innerhalb der ursprünglichen Frist vollständig zu bezahlen.

Unterstützungsangebote und Beratungsstellen

In Deutschland existieren zahlreiche Unterstützungsangebote und Beratungsstellen, die Menschen bei drohenden Ersatzfreiheitsstrafen helfen können. Diese umfassen unter anderem Programme zur Geldverwaltung, Beratung zu Ratenzahlungsmöglichkeiten sowie Angebote zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit („Schwitzen statt Sitzen“), wodurch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe vermieden werden kann.

Spezielle Programme in den Bundesländern

  1. „Geldverwaltung statt Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe“ in Niedersachsen: Dieses Programm wird von Anlaufstellen für Straffällige durchgeführt, die eine betreuende Geldverwaltung anbieten. Sie ermitteln mit dem Verurteilten eine tragbare Ratenhöhe und schlagen diese der Staatsanwaltschaft vor. Der Verurteilte tritt zur Gewährleistung einer erfolgreichen Ratenzahlung seine Einkünfte, in der Regel die Ansprüche auf Sozialleistungen, ab. Die Zahlung der Raten erfolgt dann über die Anlaufstellen.
  2. „Auftrag ohne Antrag“ in Hessen: Bei diesem Projekt werden Sozialarbeiter aktiv, bevor es zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe kommt. Sie suchen den Kontakt zu den Betroffenen und unterstützen sie bei der Klärung ihrer Gesamtsituation, bei der Beantragung von Ratenzahlungen und bei der Vermittlung gemeinnütziger Arbeit.
  3. „Aufsuchende Sozialarbeit“ in Bayern: Nach Beauftragung durch die Staatsanwaltschaft nimmt die Gerichtshilfe bei drohender Ersatzfreiheitsstrafe persönlichen Kontakt mit dem Verurteilten auf, berät zu Tilgungsmöglichkeiten und stellt bei fehlender Zahlungsfähigkeit den Kontakt zu Vermittlungsstellen der Haftvermeidungsprogramme her. Dieses Projekt wurde als Pilotprojekt bei der Staatsanwaltschaft München I eingeführt.

In Niedersachsen wird beispielsweise ein bunter, auffälliger Flyer mit der Ladung zum Haftantritt von der jeweiligen Staatsanwaltschaft verschickt, der auf diese letzte Chance hinweist. Nach Erhalt der Ladung sollten Betroffene schnellstmöglich Kontakt zur regional zuständigen Anlaufstelle aufnehmen.

Kostengünstige Rechtsberatung und Anwaltshilfe

Die Beratungshilfe ist ein wichtiges Instrument für Menschen mit geringem Einkommen, die rechtliche Unterstützung benötigen. Sie ermöglicht eine kostengünstige Rechtsberatung, wobei lediglich eine Eigenleistung von 15 Euro zu zahlen ist, wobei einige Kanzleien auch diese Gebühr erlassen können. Die anfallenden außergerichtlichen Kosten für die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt werden vom Staat übernommen.

Die Beratungshilfe kann beim zuständigen Amtsgericht mündlich oder schriftlich beantragt werden, alternativ auch über die Anwaltskanzlei oder über den Onlinedienst „Mein Justizpostfach“ und empfiehlt sich immer dann, wenn ein Verfahren ansteht. Beratungshilfe wird nur für außergerichtliche Verfahren gewährt.

Sollte es zu einem Rechtsstreit vor Gericht kommen, müssen diese Gerichtskosten über die Prozesskostenhilfe beglichen werden. Im Zusammenhang mit Ersatzfreiheitsstrafen kann ein Anwalt über die Beratungshilfe beispielsweise dabei unterstützen:

  • Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft zu führen
  • Ratenzahlungen zu arrangieren
  • Die Möglichkeit gemeinnütziger Arbeit zu beantragen
  • Einen Gnadenantrag zu stellen

Bei einfachen rechtlichen Fragen kann auch das Gericht selbst eine kostenlose Auskunft erteilen. Dennoch ist die Hinzuziehung eines erfahrenen Strafverteidigers häufig der Schlüssel, um eine Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden oder zumindest die Haftzeit zu reduzieren.

Schuldnerberatung einschalten

Die Schuldnerberatung kann eine wichtige Anlaufstelle für Menschen sein, die aufgrund finanzieller Probleme ihre Geldstrafen nicht bezahlen können. Schuldnerberatungsstellen verhandeln mit Gläubigern, um außergerichtliche Einigungen zu erzielen. Ihr oberstes Ziel ist es, die Schuldenhöhe zu senken und einen festen Zahlungsplan mit tragbaren monatlichen Raten zu vereinbaren.

Die Beratung ist in der Regel kostenlos für bestimmte Personengruppen wie Empfänger von SGB II oder SGB XII Leistungen und kann helfen:

  • Die finanzielle Gesamtsituation zu analysieren
  • Prioritäten bei der Schuldentilgung zu setzen
  • Mit der Staatsanwaltschaft zu verhandeln
  • Anträge auf Ratenzahlung zu stellen
  • Einen realistischen Tilgungsplan zu erstellen

Praktische Handlungsoptionen bei drohender Ersatzfreiheitsstrafe

Wenn Sie mit einer Geldstrafe konfrontiert sind und Schwierigkeiten haben, diese zu bezahlen, sollten Sie folgende konkrete Schritte in Betracht ziehen:

Sofortmaßnahmen

  1. Fristen beachten: Reagieren Sie umgehend auf Zahlungsaufforderungen und Mahnungen. Die Ignoranz von Fristen führt unweigerlich zur Eskalation des Verfahrens.
  2. Antrag auf Ratenzahlung stellen: Formulieren Sie einen schriftlichen Antrag an die zuständige Staatsanwaltschaft, in dem Sie Ihre finanzielle Situation darlegen und um Ratenzahlung bitten. Beispiel: „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit beantrage ich formlos die Gewährung einer Ratenzahlung für die offene Geldstrafe, die ich aufgrund eines Vergehens gemäß § […] erhalten habe. Aufgrund meiner aktuellen finanziellen Situation ist es mir nicht möglich, den Gesamtbetrag auf einmal zu bezahlen.“
  3. Nachweise beifügen: Fügen Sie Ihrem Antrag Nachweise über Ihre Einkommenssituation bei, wie Gehaltsabrechnungen, Bescheide über Sozialleistungen oder andere relevante Dokumente. Ohne Nachweise kann keine Zahlungserleichterung bewilligt werden.
  4. Alternativ gemeinnützige Arbeit beantragen: Wenn auch Ratenzahlungen nicht möglich sind, stellen Sie einen Antrag auf Ableistung gemeinnütziger Arbeit. Dies ist gemäß § 43 StGB eine Möglichkeit, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden. Formulare hierfür sind bei der Staatsanwaltschaft oder auf deren Website erhältlich.
  5. Beratungsstellen aufsuchen: Kontaktieren Sie lokale Beratungsstellen wie die Gerichtshilfe, Straffälligenhilfe oder Schuldnerberatung, die Ihnen bei der Antragstellung und weiteren Schritten helfen können. Diese Beratungen sind in der Regel kostenlos und vertraulich.

Wichtige Unterlagen und Nachweise

Halten Sie folgende Dokumente bereit:

  1. Persönliche Identifikationsdokumente:
    • Personalausweis oder Reisepass
    • Meldebescheinigung
    • Aktuelle Kontaktdaten
  2. Finanzielle Nachweise:
    • Kontoauszüge der letzten 3 Monate
    • Letzter Einkommensnachweis (Lohnzettel, ALG II-Bescheid)
    • Nachweis über Schulden
    • Unterhaltsnachweis, falls zutreffend
  3. Behördliche Dokumente:
    • Urteil oder Strafbefehl
    • Ladung zum Strafantritt
    • Aktenzeichen
    • Vorherige Korrespondenz mit Behörden
  4. Nachweise für besondere Umstände:
    • Ärztliche Atteste
    • Arbeitsverträge oder Ausbildungsnachweise
    • Familiäre Nachweise (Geburtsurkunden von Kindern, Nachweise über Pflegebedürftigkeit von Angehörigen)

Im Notfall: Zahlung auch nach Haftantritt möglich

Selbst wenn Sie bereits eine Ersatzfreiheitsstrafe angetreten haben, können Sie oder Angehörige jederzeit die ausstehende Geldstrafe bezahlen, was zur sofortigen Entlassung führt. Wie in der Kurzinformation zur Vollstreckung von Geldstrafen festgehalten ist: „Wenn die (restliche) Geldstrafe bezahlt wird, sind Sie wieder frei.“

Mit jedem abgeleisteten Tag der Ersatzfreiheitsstrafe verringert sich die zu zahlende Geldstrafe um einen Tagessatz (bei Verurteilungen vor dem 1. Februar 2024) bzw. um zwei Tagessätze (bei Verurteilungen ab dem 1. Februar 2024).

Strafbefehl im Briefkasten: Handlungsoptionen zur Vermeidung einer Ersatzfreiheitsstrafe

Ein Strafbefehl im Briefkasten ist für viele eine beunruhigende Erfahrung. Als schriftliche Verurteilung ohne vorherige Hauptverhandlung stellt er eine erhebliche Vereinfachung des Strafverfahrens dar, birgt aber auch Risiken für die Betroffenen.

Definition und Anwendungsbereich des Strafbefehls

Ein Strafbefehl ist eine schriftliche Verurteilung, die vom Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen wird. Dieses vereinfachte Verfahren kommt vor allem bei leichteren Delikten und insbesondere bei Verkehrsstraftaten zum Einsatz, um die Justiz zu entlasten.

Strafbefehle kommen häufig in weißen Briefumschlägen und werden dem Betroffenen förmlich zugestellt. Diese Zustellungsform ist wichtig für den Beginn der Einspruchsfrist und sollte daher besonders beachtet werden.

Durch einen Strafbefehl können verschiedene Strafen verhängt werden:

  • Geldstrafen bis zu 360 Tagessätzen
  • Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden müssen, wenn der Angeschuldigte einen Verteidiger hat
  • Entzug der Fahrerlaubnis
  • Fahrverbot

Die entscheidende Zwei-Wochen-Frist

Die wichtigste Frist im Zusammenhang mit einem Strafbefehl ist die Einspruchsfrist von zwei Wochen. Diese beginnt mit der Zustellung des Strafbefehls. Das Datum der Zustellung wird vom Zusteller auf dem gelben Umschlag vermerkt – daher sollte dieser unbedingt aufgehoben werden.

Angenommen, der Strafbefehl wird an einem Mittwoch zugestellt, dann endet die Frist zwei Wochen später ebenfalls am Mittwoch um 24 Uhr. Wenn das Fristende auf einen Feiertag, Sonntag oder Samstag fällt, verlängert sich die Frist bis zum nächsten Werktag.

Es ist entscheidend zu verstehen, dass der Einspruch spätestens am letzten Tag der Frist beim zuständigen Gericht eingegangen sein muss – es zählt nicht der Poststempel.

Formelle Anforderungen an den Einspruch

Der Einspruch kann auf verschiedene Weise eingelegt werden:

  • Schriftlich per Brief an das Gericht, das den Strafbefehl erlassen hat
  • Per Fax an das zuständige Gericht
  • Persönlich zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts

Unzureichend sind hingegen:

  • E-Mails
  • Telefonische Einsprüche
  • Elektronische oder gescannte Unterschriften

Inhaltlich muss der Einspruch nicht begründet werden – die einfache Formulierung „Gegen den Strafbefehl lege ich Einspruch ein“ ist formal ausreichend. Dennoch kann eine Begründung in vielen Fällen strategisch sinnvoll sein, um bereits früh die eigene Position darzulegen.

Versäumte Frist – Optionen zur Wiedereinsetzung

Wurde die Einspruchsfrist versäumt, wird der Strafbefehl grundsätzlich rechtskräftig. Allerdings gibt es unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 44 ff. StPO zu beantragen. Dies ist möglich, wenn die Frist ohne Verschulden versäumt wurde.

Als ohne Verschulden versäumte Gründe können in Betracht kommen:

  • Krankenhausaufenthalt während der Zustellung
  • Längerer Urlaub während der Zustellung
  • Zustellungsfehler, z.B. Zustellung an eine veraltete Meldeadresse

Der Antrag auf Wiedereinsetzung unterliegt selbst einer strengen Frist: Er muss innerhalb einer Woche nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Innerhalb dieser Frist muss auch die versäumte Handlung nachgeholt werden (§ 45 Abs. 2 StPO). Die Hürden für eine erfolgreiche Wiedereinsetzung sind in der Praxis recht hoch, weshalb in diesen Fällen dringend anwaltliche Hilfe empfohlen wird.

Wann lohnt sich ein Einspruch gegen den Strafbefehl?

Ein Einspruch gegen einen Strafbefehl kann aus verschiedenen inhaltlichen Gründen sinnvoll sein:

  1. Bei Unschuld: Wenn der Angeklagte glaubt, unschuldig zu sein oder Beweise falsch bewertet wurden.
  2. Bei unverhältnismäßiger Strafe: Wenn die Strafe als zu hoch empfunden wird oder nicht im Verhältnis zur Tat steht.
  3. Bei Fehlern im Strafbefehl: Bei formellen oder inhaltlichen Fehlern im Dokument, die zu einer ungerechtfertigten Verurteilung führen könnten.
  4. Zur Vermeidung eines Eintrags im Bundeszentralregister: In vielen Fällen kann durch einen Einspruch statt eines Strafbefehls eine Einstellung des Verfahrens oder eine geringere Strafe erreicht werden, wodurch unter Umständen ein Eintrag im Bundeszentralregister vermieden wird.

Allerdings ist auch zu beachten, dass im Strafbefehlsverfahren kein Verschlechterungsverbot gilt. Das bedeutet, dass das Gericht in der nachfolgenden Hauptverhandlung auch zu einer höheren Strafe verurteilen kann als im ursprünglichen Strafbefehl vorgesehen.

Es besteht also das Risiko einer Strafverschärfung. Es empfiehlt sich daher, vor Einlegung eines Einspruchs eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Vollstreckung der Geldstrafe: Was passiert bei Nichtzahlung?

Nach Rechtskraft eines Urteils oder Strafbefehls ist die Geldstrafe vollstreckbar (§ 449 StPO). Der Rechtspfleger der Vollstreckungsbehörde fordert den geschuldeten Geldbetrag ein und sendet eine formale Zahlungsaufforderung an den Verurteilten. Erfolgt keine Zahlung, wird in der Regel eine zusätzliche Mahnung verschickt.

Der Weg zur Ersatzfreiheitsstrafe

Bleibt die Geldstrafe unbezahlt, kann die Staatsanwaltschaft Zwangsmaßnahmen veranlassen, beispielsweise durch Einsatz eines Gerichtsvollziehers. Diese Maßnahmen können jedoch ausbleiben, wenn absehbar ist, dass sie „in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg“ führen werden (§ 459c Abs. 2 StPO).

Stellt die Staatsanwaltschaft fest, dass die Geldstrafe uneinbringlich ist – sei es, weil der Verurteilte nicht über ausreichende Mittel verfügt oder diese bewusst verbirgt – kann sie die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe anordnen (§ 459e Abs. 1 u. 2 StPO).

Wenn die Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wird, erhält der Betroffene eine schriftliche Ladung zum Haftantritt, mit einer Frist, die in der Regel nicht angegeben wird. Reagiert der Verurteilte nicht auf die Ladung, kann die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl erlassen, woraufhin die Person durch die Polizei festgenommen und in eine Justizvollzugsanstalt gebracht wird.

Die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe richtet sich nach der Anzahl der verhängten Tagessätze, nicht nach dem Gesamtbetrag der Geldstrafe. Seit dem 01.02.2024 entsprechen zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Ein wichtiger Aspekt: Auch nach Haftantritt besteht die Möglichkeit, die Haftstrafe durch nachträgliche Zahlung zu verkürzen oder zu beenden.

Härtefallantrag als letzte Chance

Wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind, bleibt als letzte Möglichkeit zur Vermeidung der Haft der Härtefallantrag nach § 459f StPO.

Der Härtefallantrag basiert auf § 459f StPO und ermöglicht es dem Gericht, anzuordnen, dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt, wenn diese eine „unbillige Härte“ für den Verurteilten darstellen würde. Allerdings sind für einen erfolgreichen Antrag „außergewöhnliche Umstände erforderlich“ außergewöhnliche, schwerwiegende, atypische und möglichst nicht selbstverschuldete Umstände erforderlich .

Wichtig zu wissen: Eine bloße Vermögenslosigkeit, selbst wenn sie unverschuldet ist, wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht als unbillige Härte angesehen. Vielmehr müssen besondere persönliche Umstände vorliegen, die die Vollstreckung als unverhältnismäßig erscheinen lassen.

Das Verfahren bei einem Härtefallantrag gestaltet sich wie folgt:

  1. Der Rechtspfleger der Vollstreckungsbehörde prüft im Rahmen der Vollstreckung, ob Zahlungserleichterungen gewährt werden können und ob eine unbillige Härte vorliegen könnte.
  2. Könnte die Vollstreckung eine unbillige Härte darstellen, prüft die Vollstreckungsbehörde, ob beim Gericht eine entsprechende Anordnung anzuregen ist, gegebenenfalls nach Einschaltung der Gerichtshilfe.
  3. Das Gericht entscheidet dann über den Antrag. Ist eine solche Anordnung ergangen und scheint die Fortsetzung der Vollstreckung der Geldstrafe möglich, kann dies bis zum Ablauf der Verjährungsfrist erneut versucht werden.

In der Praxis sind die Anforderungen an einen erfolgreichen Härtefallantrag hoch, und die Erfolgsaussichten eher gering. Dennoch gibt es einige Strategien, die die Chancen verbessern können:

  1. Sofortiges Handeln: Bei Erhalt einer Ladung zum Haftantritt sollten Sie umgehend handeln, beispielsweise durch Vereinbarung einer Ratenzahlung oder Prüfung der Möglichkeit, die Strafe abzuarbeiten.
  2. Kontaktaufnahme mit der Behörde: Nehmen Sie unbedingt sofort Kontakt mit der Staatsanwaltschaft auf und reagieren Sie auf Zahlungsaufforderungen sowie mögliche Aufforderungen zum Strafantritt.
  3. Vollständige Dokumentation: Sammeln Sie alle relevanten Nachweise, die Ihre besondere Situation belegen, wie medizinische Atteste, Arbeitgeberbescheinigungen oder familiäre Verpflichtungen.
  4. Rechtlichen Beistand hinzuziehen: Ein erfahrener Rechtsanwalt kann die Erfolgsaussichten erheblich verbessern, indem er die rechtlichen Argumente präzise formuliert und die Verhandlungen mit den Behörden führt.
  5. Alternative Optionen parallel verfolgen: Auch wenn Sie einen Härtefallantrag stellen, sollten Sie gleichzeitig andere Lösungswege wie Ratenzahlung oder gemeinnützige Arbeit in Betracht ziehen.

Strafaufschub oder -ausstand beantragen

In besonderen Situationen können Sie einen Aufschub der Strafe erwirken:

  • Vorübergehender Strafaufschub (§ 456 StPO): Ein Aufschub von bis zu 4 Monaten ist möglich, wenn Sie oder Ihre Familie durch die sofortige Haft erhebliche Nachteile erleiden würden, die über normale Belastungen hinausgehen. Diese Nachteile müssen außerhalb des Strafzwecks liegen und innerhalb der 4-Monatsfrist behebbar sein.
  • Strafausstand bei Vollzugsuntauglichkeit (§ 455 StPO): Falls Sie gesundheitlich nicht haftfähig sind, kann die Freiheitsstrafe aufgeschoben werden. In bestimmten Fällen, wie bei Geisteskrankheit oder naher Lebensgefahr durch Krankheit, muss die Vollstreckung aufgeschoben werden. In anderen Fällen liegt ein Aufschub im Ermessen der Vollstreckungsbehörde.
  • Antrag auf gerichtliche Entscheidung: Bei Ablehnung des Aufschubs können Sie einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Dieser Antrag nach § 458 Abs. 2 StPO hemmt jedoch nicht automatisch die Vollstreckung. Das Gericht kann aber nach § 458 Abs. 3 StPO einen vorläufigen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen.

Der Text zum Gnadengesuch im Kontext der Ersatzfreiheitsstrafe enthält überwiegend korrekte Informationen, jedoch sind einige Präzisierungen notwendig, um die juristische Genauigkeit zu gewährleisten.

Gnadengesuch als allerletzte Möglichkeit

In besonderen Härtefällen können Sie ein Gnadengesuch an die zuständigen Gnadenbehörden richten. Das Gnadenrecht ist ein letztes Mittel, um in außergewöhnlichen Fällen eine Korrektur der Rechtsfolgen zu erreichen, wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist und das formale Rechtssystem keine adäquate Lösung bietet.

Ein Gnadengesuch kommt insbesondere in Betracht:

  • Bei schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen, die die Vollstreckung der Strafe unzumutbar machen
  • Bei besonderen familiären Umständen (z.B. wenn der Verurteilte schwer erkrankte Familienangehörige hat, die nicht durch andere Personen gepflegt werden können)
  • Bei drohenden existenziellen Nachteilen (z.B. wenn durch den Strafvollzug der Arbeitsplatz und damit die Lebensgrundlage der Familie gefährdet wäre)

Die Anforderungen sind sehr hoch, und ein Gnadengesuch sollte wirklich nur als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden, wenn alle rechtlichen Möglichkeiten (Rechtsmittel) ausgeschöpft sind. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Gnade, die Entscheidung liegt im Ermessen des Gnadenträgers.

Rechtliche Konsequenzen und langfristige Auswirkungen

Eine Ersatzfreiheitsstrafe hat neben dem unmittelbaren Freiheitsentzug auch langfristige Auswirkungen. Nach ihrer Verbüßung gilt jedoch die ursprüngliche Geldstrafe als vollständig getilgt – der Betroffene muss also keine zusätzlichen Zahlungen mehr leisten.

Im Gegensatz zur ursprünglichen Verurteilung wird die Ersatzfreiheitsstrafe selbst nicht im Führungszeugnis vermerkt, da sie lediglich ein Vollstreckungsverfahren und kein neues Strafverfahren darstellt. Allerdings bleibt die zugrundeliegende Verurteilung im Führungszeugnis vermerkt, sofern die allgemeinen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Dabei ist zu beachten, dass Geldstrafen unter 90 Tagessätzen grundsätzlich nicht ins Führungszeugnis aufgenommen werden, es sei denn, es sind bereits weitere Strafen im Bundeszentralregister eingetragen.

Die konsequente Umsetzung der rechtlichen Schritte und das rechtzeitige Ergreifen aller verfügbaren Optionen sind entscheidend, um die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden oder zumindest abzumildern. Seit der Reform des Sanktionenrechts entspricht ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tagessätzen der Geldstrafe, was die Haftdauer im Vergleich zur früheren 1:1-Regelung halbiert. Besonders wichtig ist es, Fristen einzuhalten und proaktiv mit den zuständigen Behörden zu kommunizieren. Zur Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafe bestehen verschiedene Möglichkeiten wie Ratenzahlung, Stundung oder die Ableistung gemeinnütziger Arbeit („Schwitzen statt Sitzen“).

Fazit und praktische Handlungsempfehlungen

Die Ersatzfreiheitsstrafe ist ein komplexes rechtliches Instrument, das erhebliche Auswirkungen auf das Leben des Betroffenen haben kann. Um die Inhaftierung zu vermeiden, sollten Sie:

  1. Frühzeitig handeln: Reagieren Sie sofort auf Strafbefehle, Zahlungsaufforderungen und Mahnungen. Die wichtigste Frist ist die 2-Wochen-Einspruchsfrist bei Strafbefehlen.
  2. Alternativen nutzen: Beantragen Sie frühzeitig Ratenzahlung, Stundung oder die Möglichkeit zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit.
  3. Hilfe suchen: Wenden Sie sich an Beratungsstellen, Schuldnerberatung oder nutzen Sie die Möglichkeit der kostenlosen Rechtsberatung durch die Beratungshilfe.
  4. Nachweise sammeln: Bereiten Sie alle notwendigen Unterlagen vor, die Ihre finanzielle Situation belegen.
  5. Kommunikation aufrechterhalten: Brechen Sie nie den Kontakt zu den Behörden ab und ignorieren Sie keine Schreiben – das verschlimmert die Situation nur.

Mit der aktuellen Gesetzesänderung vom 1. Februar 2024, durch die nun zwei Tagessätze einem Tag Freiheitsstrafe entsprechen, hat der Gesetzgeber bereits einen Schritt zur Humanisierung des Ersatzfreiheitsstrafen-Systems unternommen. Dies reduziert die zu verbüßende Haftzeit erheblich, beseitigt aber nicht die grundsätzliche Problematik.

Wie die damalige Niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz erklärte: „Verurteilte, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können, gehören nicht ins Gefängnis. In der kurzen Zeit ihres Aufenthalts kann der Grundgedanke der Resozialisierung nicht verwirklicht werden. In solchen Fällen schadet die Haft.“ (Pressemitteilung des Niedersächsischen Justizministeriums vom 5. September 2017).

Dennoch bleibt die beste Strategie, eine Ersatzfreiheitsstrafe durch rechtzeitige und proaktive Maßnahmen vollständig zu vermeiden. Nutzen Sie die in diesem Ratgeber vorgestellten Möglichkeiten, um Ihre Situation zu verbessern und eine drohende Inhaftierung abzuwenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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