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Erschleichen von Beförderungsleistungen – Tatnachweis bei Ersttäter

LG Dresden – Az.: 3 Qs 40/11 – Beschluss vom 12.05.2011

1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dresden gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dippoldiswalde vom 10.02.2011 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Die Staatasanwaltschaft Dresden hat am 30.08.2010 Anklage zum Amtsgericht Dippoldiswalde wegen Leistungserschleichung in zwei Fällen erhoben. Mit Beschluss vom 10.02.2011 hat das Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Gegen diesen am 25.02.2011 zugestellten Beschluss hat die Staatsanwaltschaft noch am selben Tag sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Amtsgericht hat in diesem Fall im Ergebnis zu Recht die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 204 StPO abgelehnt.

Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ist der Angeschuldigten am 31.03.2010 und 27.05.2010 bei der Benutzung der Straßenbahn in Dresden von der Zeugin … angetroffen worden, ohne jeweils im Besitz eines gültigen Fahrscheins zu sein. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts reicht es nach der gefestigten Rechtsprechung für die Erfüllung des äußeren Tatbestands des Erschleichens von Leistungen im Sinne von § 265a StGB zwar aus, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2009, 4 StR 117/08). Hierfür genügt, dass er vor Fahrtantritt keinen Fahrausweis gelöst hat und äußerlich ein unauffälliges Verhalten gezeigt hat (vgl. OLG Koblenz, NStE Nr. 6 zu 265a StGB).

Wegen der weiten Fassung des äußeren Tatbestandes der Beförderungserschleichung sind an den Nachweis der inneren Tatseite jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist ein Vorsatz, mit dem sich die Absicht – im Sinne des zielgerichteten Wollens – verbinden muss, das Entgelt nicht oder nicht vollständig zu entrichten (OLG Koblenz a.a.O.). Insoweit können zwar auch Indizien auf einen möglichen Vorsatz hindeuten. Solche liegen hier aber nicht in ausreichendem Maße vor. Vielmehr steht allein objektiv fest, dass der Angeschuldigte zweimal im Abstand von etwa zwei Monaten die Straßenbahn benutzt hat, ohne einen Fahrausweis anlässlich einer Kontrolle vorweisen zu können. Ob er keinen Fahrschein hatte, weil er tatsächlich den Fahrpreis nicht bezahlten wollte, lässt sich nach Aktenlage nicht mit der für eine Eröffnung des Verfahrens notwendigen Sicherheit feststellen. Weitere Erkenntnisse könnte das Amtsgericht im übrigen aller Voraussicht nach auch im Rahmen einer Hauptverhandlung nicht gewinnen.

Der Angeschuldigte selbst hat sich zu den beiden Taten im Laufe des Verfahrens nicht geäußert, sodass hieraus keine Rückschlüsse auf die innere Tatseite gezogen werden können. Die von der Staatsanwaltschaft auf Anregung der Kammer durchgeführten Nachermittelungen ergaben, dass der Angeschuldigte bei den Verkehrsbetrieben, bis auf die beiden angeklagten Taten, nicht als regelmäßiger „Schwarzfahrer“ bekannt ist. Vielmehr ist er nur durch die beiden Fahrten dort aufgefallen. Auch die Staatsanwaltschaft hat gegen ihn bislang keine weiteren Ermittlungen wegen Verstoßes nach § 265a StGB gegen ihn geführt. Die feststellende Kontrolleurin … hat in ihrer Vernehmung angegeben, dass sie sich an beide Vorgänge nicht mehr erinnern könne, weshalb nicht ermittelt werden konnte, wie sich der Angeschuldigte zum Zeitpunkt der Kontrolle verhalten hatte und ob und wie er sein Fahren ohne Fahrschein erklärt hatte.

Soweit die Staatsanwaltschaft zur inneren Tatseite vorträgt, dass der Angeschuldigte der Leistungserschleichung in zwei Fällen angeklagt sei, es sich damit nicht um ein einmaliges Ereignis handelt, das das Vorliegen eines Versehen möglich erscheinen ließe und er gegenüber der Kontrolleurin keine Angaben zum Grund des fehlenden Fahrscheins gemacht habe, insbesondere sich nicht darauf berufen habe, den Fahrschein vergessen zu haben, geht diese Argumentation ins Leere. Die beiden Taten liegen zeitlich fast zwei Monate auseinander, sodass ein Versehen in beiden Fällen nicht ohne Weiteres auszuschließen ist. Dabei darf zu Lasten nicht berücksichtigt werden, dass der Angeschuldigte sich im Verfahren nicht geäußert hat. Inwieweit er auch gegenüber der Kontrolleurin geschwiegen hat, ist wegen der fehlenden Erinnerung der Zeugin … an beide Vorfälle nicht mehr ermittelbar. Nur aus ihren Erfahrungen heraus teilte sie allgemein mit, dass Besonderheiten oder spontane Äußerungen, warum derjenige zum Kontrollzeitpunkt keinen Fahrausweise mitführte, notiert werden. Ob das auch in diesen Fällen so war, kann wegen der fehlenden Erinnerung ebenfalls nicht mehr ermittelt werden.

Danach kann aber in dem konkreten Fall gerade nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeschuldigte nicht vorsätzlich sondern möglicherweise lediglich fahrlässig gehandelt hat.

Im Ergebnis des vorbereitenden Verfahrens erscheint eine spätere Verurteilung deshalb nicht wahrscheinlich, sodass ein hinreichender Tatverdacht, der für die Eröffnung des Verfahrens nach § 203 StPO erforderlich ist, nicht besteht. Die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Amtsgericht ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz StPO.

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