LG Berlin – Az.: 534 Qs 103/11 – Beschluss vom 17.10.2011
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. August 2011 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die einjährige isolierte Sperrfrist am 9. November 2010 in Lauf gesetzt worden ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Verurteilte zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten verhängte mit Strafbefehl vom 15. Juni 2010 gegen die Verurteilte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 60,00 Euro. Zugleich wies es die Verwaltungsbehörde an, der Verurteilten vor dem Ablauf von zwölf Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Auf den gegen diese Entscheidung eingelegten Einspruch der Verurteilten beraumte das Amtsgericht Tiergarten auf den 9. November 2010 Hauptverhandlung an. In der Hauptverhandlung beschränkte die Verurteilte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ihren Einspruch auf die Überprüfung der Tagessatzhöhe der Geldstrafe. Das Amtsgericht Tiergarten verhängte mit Urteil von demselben Tag gegen die Verurteilte eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 30,00 Euro. Das Urteil wurde noch am 9. November 2010 rechtskräftig. Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2011 beantragte der Verteidiger bei dem Amtsgericht Tiergarten festzustellen, dass die mit dem zuvor genannten Strafbefehl angeordnete Sperre am 15. Juni 2011 geendet hat. Das Amtsgericht Tiergarten stellte mit Beschluss vom 12. August 2011 fest, dass die einjährige isolierte Sperrfrist am 16. Juni 2010 zu laufen begonnen hatte. Gegen diesen, der Amtsanwaltschaft am 18. August 2011 zugestellten Beschluss legte diese am 24. August 2011 sofortige Beschwerde ein. Mit ihrem Rechtsmittel begehrt sie u.a. festzustellen, dass die Sperrfrist erst am 9. November 2010 zu laufen begonnen hatte.
II.
Die gemäß §§ 458 Abs. 1, 462 Abs. 1 sowie Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Der angefochtene Beschluss war aufzuheben, weil die mit Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 15. Juni 2010 angeordnete einjährige isolierte Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nicht bereits am 15. Juni 2010 – dem Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls – sondern erst am 9. November 2010 – dem Eintritt der Rechtskraft des Strafbefehls – zu laufen begonnen hatte.
Gemäß § 69a Abs. 5 Satz 1 StGB beginnt die Sperre mit der Rechtskraft des Urteils. Nach § 69a Abs. 5 Satz 2 StGB wird in die Frist die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, indem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten. Diese Anrechnungsregelung ist vorliegend nicht direkt anwendbar, weil der Verurteilten mangels einer Fahrerlaubnis diese nicht vorläufig entzogen worden war. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob auch bei der Berechnung der Dauer einer isolierten Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis in analoger Anwendung von § 69a Abs. 5 Satz 2 StGB eine Verkürzung der Sperrfrist um die Zeit geboten ist, die zwischen der Anordnung der Sperre und dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung verstrichen ist. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Düsseldorf VRs 39 (1970) 259; OLG Hamburg MDR 1979, 73; OLG Nürnberg DAR 1987, 28; LG Gießen NStZ 1985, 112; AG Idstein NStZ – RR 2005, 89; Fischer, StGB, 58. Auflage, § 69a Rdnr. 37; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, StGB, 28. Auflage, § 69a Rdnr. 18; Münchener Kommentar/Athing, StGB, 69a Rdnr. 44; anderer Ansicht: LG Nürnberg-Fürth NJW 1977, 464; LG Heilbronn NStZ 1984, 263, Leipziger Kommentar/Geppert, StGB, 12. Auflage, § 69a Rdnr. 74a) hält § 69a Abs. 5 Satz 2 StGB auf Fälle der isolierten Sperre nicht für entsprechend anwendbar. Dieser Meinung schließt sich die Kammer an und verweist zur Begründung ihrer Ansicht auf die überzeugende Argumentation des OLG Nürnberg (Beschluss vom 31. Oktober 1986 -Ws 824/86- in: DAR 1987, 28f).
War nach alledem die Sperrfrist erst am 9. November 2010 in Lauf gesetzt worden, so wird sie mit dem Ablauf des 8. November 2011 enden.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.