AG Limburg, Az.: 52 Ds 3 Js 7678/12, Urteil vom 18.01.2016
durch eine Kinderkrankenschwester; Strafzumessung
Die Angeklagte ist wegen fahrlässiger Körperverletzung schuldig.
Sie wird deswegen zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30.- € verurteilt.
Sie trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklage.
Angewendete Strafvorschriften: §§ 229, 230 StGB.
Gründe
I.
Die 50 Jahre alte Angeklagte ist bisher nicht vorbestraft. Sie ist verheiratet und hat 3 erwachsene Kinder. Ihr Mann ist Oberstudienrat. Das Einkommen der Angeklagten beträgt 900.- € in ihrer Teilzeitarbeit. Ihr Ehemann verdient ca. 4.300.- € inklusive Kindergeld für die noch in Ausbildung befindlichen Kinder.
Die Angeklagte hat ihre Ausbildung 1983 zur Kinderkrankenschwester in Wuppertal in der dortigen Kinderklinik begonnen. In Jahre 1986 hat sie ihre Ausbildung beendet und wechselte in die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Vor der Geburt ihres ersten Kindes war sie noch Vollzeitkraft in der HSK Wiesbaden. Nach der Geburt ihrer ersten Tochter hatte sie eine Viertelteilzeitstelle bis 1994. Dann legte sie eine Berufstätigkeitspause wegen der weiteren Kinder ein. Im Jahre 2006 bis 2009 war sie Arzthelferin im Gesundheitsamt/schulärztlichen Dienst. Seit 2009 ist sie im St. Vincenz-Krankenhaus Limburg tätig auf der Kinderstation. Dort hat sie eine Teilzeitstelle und übt den Beruf der Kinderkrankenschwester ununterbrochen weiterhin aus.
II.
In der Sache selbst hat das Gericht folgenden Feststellungen getroffen:
Der Geschädigte T.J.,. geb. am 22.10.2010 war aufgrund einer Bronchitis vom behandelnden Kinderarzt Dr. P. zur Antibiotikatherapie am 22.12.2011 zur stationären Aufnahme in die Kinderabteilung des St. Vincenz-Krankenhaus Limburg verwiesen worden. Zur Antibiotikatherapie wurde dem Geschädigten dort ein Kopfzugang mit Zugangsschlauch gelegt, welche mit einem Kopfverband befestigt war. Der Geschädigte bekam täglich Antibiotika über den Kopfzugang gespritzt. Aufgrund der unangenehmen Wirkung der Spritzt (Kälte, Druck, Brennen) wurde der Geschädigte bei der Antibiotikagabe immer unruhig und schrie bis die Infusion beendet war.
Am 26.12.2011 gegen Nachmittag war die Mutter des Geschädigten, die Zeugin J. bei ihrem Sohn zu Besuch. Die Eltern wechselten sich bei der Begleitung des Sohnes ab. Sie hatte ihrem Sohn Apfelstücke und Chips mitgebracht. Der Geschädigte hatte am Morgen des 26.12.11 das erste Mal wieder nach längerer Zeit normales Frühstück zu sich genommen. Zuvor hatte der Flüssignahrung erhalten. Die Zeugin J. war froh, dass ihr Kind wieder normal essen konnte und wollte ihn deswegen mit Apfelstücken und Chips füttern, die er besonders gerne mochte. Sie setzt sich auf sein Bett und gab dem Geschädigten Apfelstücke und Chipsscheiben zu essen. Der Geschädigte hatte zu diesen Zeitpunkt noch keine Backenzähne und nur jeweils oben und unten zwei Schneidezähne. Er konnte daher die Apfelstücke nicht zermahlen und nur abbeißen. Auch die Chipsstücke konnte er nicht zermahlen, dieser werden allerdings durch den Speichel weich gemacht.
Die Angeklagte hatte kurzfristig für eine erkrankte Kollegin die Schicht am Nachmittag des 26.12.2011 auf der Kinderstation des Krankenhauses übernommen. Die Station war durchschnittlich bis gering belegt mit Patienten, neben der Angeklagten hatte auch die Zeugin S. als Krankenpflegerin Dienst. Es war ein entspannter Nachmittag und es gab keine Stresssituation aufgrund von Personalmangel oder zu hohem Patientenaufkommen.
Die Angeklagte übernahm es, den Rundgang durch die Krankenzimmer mit den aufgezogenen Spritzen/Infusionen durchzuführen. Zwar besaß sie keinen sogenannten Spritzenschein, der beim erstmaligen Legen eines Infusionszugangs notwendig ist, sie sollte jedoch auch nur die bereits liegenden Zugänge benutzen und Infusionen wiederholen.
Sie begann diesen Rundgang gegen 15:30 Uhr und kam auch in das Zimmer des Geschädigten. Gegen 15:50 Uhr sah die Angeklagte daher zum ersten Mal den Patienten J. Sie sah wie das Kind auf dem Schoß der Mutter mit Chips in den Händen saß und die Mutter äußerte, dass sie sich freue, dass T. wieder Chips und Äpfel essen könne. Die Angeklagte unterhielt sich mit der Mutter kurz und setzte 5 bis 7 Minuten später, also ca. gegen 15.55 -15.57 Uhr die Infusion an.
Dabei – und auch zuvor seit ihrem Eintritt in das Patientenzimmer – beobachtete sie den Geschädigten, der in diesem Zeitraum nicht mehr kaute. Die Chips und Apfelstückchen hatte die Mutter auf den Nachtschrank gelegt bzw. in der Hand gehalten. Dies sah auch die Angeklagte.
Sie begann mit der Infusionsspritze über den Schlauch und den Kopfzugang. Die Angeklagte unternahm keine gesonderte Prüfung des Mund- und Rachenraumes, ob gegebenenfalls noch Speisereste sich dort befanden. Einsehen konnte sie lediglich beim Schreien des Kindes Teile des Mundraumes, nicht die Backentaschen und den Rachenraum.
Der Geschädigte fing – wie immer – an zu strampeln und zu schreien bei der Gabe des Antibiotikas. Hierdurch verschluckte er sich an einem in den Backentaschen oder im Rachenraum übrig gebliebenen Apfelstück sowie an kleineren Chipsstückchen. Diese kamen über die Luftröhre in die Bronchien und verlegten die Atemwege. Es kam zu einer Sauerstoffunterversorgung des Gehirns des Geschädigten, welche schon nach 3 bis 5 Minuten bei kleinen Kindern zu einer Hirnschädigung führen kann, da ein größerer Stoffwechsel als bei älteren Menschen im kleinen Körper stattfindet, der mehr Sauerstoffzufuhr benötigt.
Der Geschädigte fing zunächst kurz an zu Husten wurde jedoch dann schnell sehr ruhig und bekam eine blaue Lippen- und Gesichtsfarbe. Die Angeklagte versuchte durch Anpusten die Atmung zu reizen und klopfte dem Geschädigten auf den Rücken. Gleichzeitig nahm sie das Kind von der Mutter weg und lief auf den Flur um ihre Kollegin S. zu rufen. Diese alarmierte unverzüglich über Notruf das Notrufteam, welches aus den drei Personen Frau H. (jetzt B.), Herr M. und Frau M. (jetzt M.) bestand.
Das Notfallteam setzt sich unmittelbar in Bewegung und erschien ca. 1 ½ bis 2 min. später auf der Kinderkrankenstation. Die Angeklagte legte den erschlafften Körper des Geschädigten zunächst wieder auf sein Bett, führte jedoch keine Reanimationsmaßnahmen (Mund zu Mund Beatmung oder Herzdruckmassage) aus.
Als das Notfallteam eintraf begab man sich mit dem leblosen Geschädigten aus dem Patientenzimmer in ein Behandlungszimmer im vorderen Teil des Ganges der Station und begann mit der Beutelbeatmung. Es zeigte sich schnell, binnen weniger Sekunden, dass hierdurch kein Sauerstoff in die Lunge gelangte.
Der hinzugekommene Zeuge und Chefanästhesist Dr. M. musste daher um 16:04 Uhr mit hohem Luftdruck intubieren und Sauerstoff in die Lunge pressen Er erreichte dadurch den Anstieg des Sauerstoffs in der Lunge und damit in den Organen/Gehirn des Patienten. Zu diesem Zeitpunkt war der Geschädigte jedoch schon ca. 5 bis 7 min. ohne ausreichende Sauerstoffzufuhr.
Durch dieses Geschehen erlitt er dauerhafte, hypoxische Hirnschäden, die zu einem körperlichen und geistigen Behinderungsgrad von 100 Prozent führten. Der Geschädigte wird sein Leben lang auf die Pflege Dritter angewiesen sein.
Nachdem das Notfallteam den Geschädigten reanimieren konnte und mit hohem Luftdruck den Sauerstoffgehalt bzw. die Sauerstoffversorgung des Patienten aufrechterhalten und verbessern konnte, bemühte sich der Zeuge Dr. M. um die Verlegung des Patienten mittels Helikopter in die Kinderfachklinik der Horst-Schmidt-Klinik in Wiesbaden. Grund hierfür war, dass nur dort eine entsprechende Kinderbronchoskopie möglich war, welche die in der Lunge sich noch befindlichen Speisereste entfernen konnte. Entsprechende Geräte waren in Limburg nicht vorhanden.
Aufgrund von schlechten Wetterverhältnissen musste der Helikopter jedoch abgesagt werden und es kam zur Verlegung des Geschädigten mittels eines Krankennottransportes im Krankenwagen. Im Krankenwagen wurde er weiterhin beatmet, allerdings konnte dort nicht ein solcher Sauerstoffdruck aufgebaut werden wie in der Anästhesie des Krankenhauses St-Vincenz Limburg. Während der Fahrt verschlechterte sich daher der Zustand des Patienten wieder und der CO2-Gehalt bzw. der PH-Wert des Patienten stiegen erheblich an. Auch durch diese Faktoren kann sich die Hirnschädigung, die durch die Sauerstoffunterversorgung zuvor ausgelöst wurde, noch verstärkt haben, da diese erhöhten Werte zu einer weiteren Schädigung des (Hirn-)Gewebes führen können.
In der HSK wurden noch Speisereste aus beiden Seiten der Lunge entfernt, insbesondere ein Apfelstückchen, welches aspiriert worden und damit Auslöser für die Atemnot war und die Luftzufuhr verhindert hatte.
Der Geschädigte kann auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht alleine essen und trägt Windeln. Er hat keinen normalen Tag-Nacht-Rhythmus und kann auch keinerlei Kommunikation mittels Worten durchführen. Bei dem Geschädigten liegt darüber hinaus Epilepsie und Tetraspastik vor.
III.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der umfangreichen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung.
Die Angeklagte selbst äußerte sich umfangreich zur Sache. Sie bestätigte zunächst ihren beruflichen Werdegang und machte auch in der Hauptverhandlung den Eindruck, dass sie „mit Leib und Seele“ Kinderkrankenschwester sei. Sie übe diesen Beruf weiterhin aus und sei derzeit nicht vom Arbeitgeber suspendiert. Sie sei nicht berufshaftpflichtversichert und hoffe, dass die Versicherung des Arbeitgebers die Schäden trage, da sie ansonsten finanziell ruiniert sei.
Die Angeklagte machte klar, dass ihr das Geschehen unendlich Leid tue. Sie sieht jedoch in ihrem eigenen Verhalten keinerlei Fehler der zu den Folgen geführt oder beigetragen habe. Dies bestätigte die Angeklagte auch noch einmal in ihrem letzten Wort, bei dem sie auf erneute Nachfrage des Gerichts, ob sie sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme etwas vorzuwerfen habe und einen Fehler begangen habe, dies verneinte.
Die Angeklagte stellt dar, dass sie spontan für eine Kollegin kurzfristig für den Dienst auf der Station 7 Ost eingesprungen sei und den Dienst dafür etwas später als normal begonnen habe. Es war der 2. Weihnachtstag als sie auf der Kinderstation Dienst tat, zusammen mit ihrer Kollegin S. Es seien nur wenige Kinder auf der Station gewesen, es habe eine kurze Übergabe mit der Frühschicht gegeben. Gegen 15:30 Uhr habe sie den Durchgang unter anderem für die zur Verabreichung der Spritzen vorbereitet. Diese Behandlungen seien ärztlich verordnet und sie habe sich die Infusionen auf ihrem Wagen zurechtgelegt. Gegen kurz vor 16:00 Uhr sei sie in das Zimmer des Geschädigten getreten, den sie an diesem Tag das erste Mal gesehen habe. Zuvor habe sie Urlaub gehabt und deswegen den Patienten noch nicht von den 4 Tagen vorher gekannt. Weder bei der Übergabe, noch aus den Patientenunterlagen habe sie erkennen können, dass der Geschädigte bei Gabe der Antibiotika schreie und sich winde. Als sie in das Zimmer gekommen sei habe die Mutter gesagt, dass sie sich freue, dass ihr Kind wieder Chips essen könne. Der Geschädigte habe auch einen Stapel Chips in der Hand gehabt und auf dem Nachtschrank hätten Apfelstücke gelegen. Die Angeklagte gibt an, sie habe das Kind in den wenigen Minuten des Gesprächs mit der Mutter beobachtet und keinerlei Kaubewegung festgestellt. Ihrem Eindruck nach hatte das Kind daher keinerlei Speisereste mehr in Mund- und Rachenraum. Eine genauere Durchsuchung des Rachenraumes und des Mundraumes habe sie jedoch nicht ausdrücklich durchgeführt.
Sie habe dann nach ca. 5 bis 7 min. mit der Antibiotikagabe begonnen. Das Kind sei unruhig geworden auf dem Schoß der Mutter und weinerlich. Die Mutter habe auf ihre Frage hin bejaht, dass dies immer so sei. Für sie sei das eine ganz normale Situation gewesen. Die Eltern brächten den Kindern viele Dinge zu essen mit, auch unsinnige.
Die Angeklagte hatte sich bei Erfassen der Situation und der Äußerung der Mutter Gedanken gemacht, ob man einem 14 Monate alten Kind Chips und Äpfel überhaupt zu essen geben solle. Letztlich habe sie hierzu aber nichts gesagt.
Ähnliches bestätigte auch der Sachverständige Prof. Dr. T., der ebenfalls beschreibt, dass die Eltern der kleinen Patienten auf den Kinderstationen sehr viele Dinge mit in die Patientenzimmer brächten – auch Essen -, welches eigentlich nicht krankheits- oder patientenangemessen sei. Dies könne man aber kaum wirksam kontrollieren.
Der Sachverständige erörterte in seinem Gutachten auch, dass insbesondere die Gabe von Apfelstückchen durch die Mutter in der Situation des Geschädigten bei seiner Erkrankung und seinem nur mit je zwei Schneidezähnen ausgebildeten Gebisses nicht hätten erfolgen dürfen. Die Apfelstücke konnte der Geschädigte nicht zermahlen und sie gerieten daher in relativ großer Form in die Atemwege als sich das Kind aufgrund der Injektionsfolgen verschluckte.
Die Angeklagte gibt weiter an, dass sie nachdem sie zunächst den Durchgang des vorhandenen Zugangs geprüft habe, das Antibiotika langsam gespritzt habe. T. hätte kurz gehustet, dabei hätte sie ebenfalls keinerlei Speisereste im Mund gesehen. Er sei dann plötzlich leiser geworden und die Gesichtsfarbe habe sich von blass auf bläulich geändert. Er habe nicht mehr reagiert und nicht mehr geatmet. Sie hätte sich entschlossen sofort Hilfe zu holen, sich das Kind vom Schoß der Mutter geschnappt und ihre Kollegin S. um Hilfe gerufen. Diese hätte dann das Notfallteam angerufen. Sie selbst sei mit T. wieder in das Patientenzimmer gegangen und habe Reanimationsmaßnahmen begonnen. Dies so lange, bis das Notfallteam da war.
An dieser Stelle sei eingefügt, dass die Zeugin M. glaubhaft angeben konnte, dass als sie mit den anderen Mitgliedern des Notfallteams eintraf, die Angeklagte keinerlei Reanimationsmaßnahmen durchgeführt hatte. Die Einlassung der Angeklagten ist daher insoweit zur Überzeugung des Gerichtes auch widerlegt.
Die Einlassung der Angeklagten kann ansonsten auch den Feststellungen zugrunde gelegt werden, lediglich soweit die Angeklagte behaupte Mund und Rachenraum des Geschädigten seien frei gewesen und sie habe Reanimationsmaßnahmen begonnen und durchgeführt, ist sie durch die weiteren Aussagen der Zeugen und des Sachverständigen eindeutig widerlegt.
Die Zeugin J., die Mutter des Geschädigten beschrieb zunächst die Situation bei Einweisung des Kindes in das St-Vincenz Krankenhaus Limburg. T. habe eine Bronchitis gehabt und der normale Hausarzt sei nicht erreichbar gewesen. Dr. P. als Kinderarzt habe daher die stationäre Aufnahme veranlasst. Man habe sich am 22.12.11 in die Klinik in Limburg begeben. T. habe mehrfach inhaliert und jeden Tag Infusionen mit Antibiotika über den Kopfzugang bekommen. Am fünften Tag, dem Tattag begann T. morgens wieder normal zu essen. Er hatte Frühstück erhalten und auch sein Mittagessen bereits gegessen.
Sie hätte ihm eine Dose Chips der Marke Pringels mitgebracht, da er diese besonders gerne esse und auch Äpfel. Diese hätte sie ihm kurz bevor die Schwester in das Zimmer gegangen sei zu essen gegeben. Sie hätte sich gefreut, dass ihr Sohn wieder normal essen konnte.
Als die Schwester um 15.50 Uhr hereingekommen sei, hätte sie gesagt, dass T. noch esse. Die Schwester hätte dennoch mit der Infusion begonnen. T. habe dann angefangen zu weinen. Sie hätte der Schwester bestätigt, dass diese Verhalten bei den Infusionen immer so gewesen sei in den letzten Tagen. Die Schwester hätte ihr T. dann aus dem Arm genommen und ihn geschüttelt. T. sei blau geworden und die Schwester sei in Panik hinausgelaufen. Sie selbst habe T. dann auf dem Flur Apfelstücke aus dem Mund geholt. Man sei zurück ins Zimmer bis das Notfallteam kam. Die Angeklagte habe keine Reanimationsmaßnahmen ergriffen. Man habe T. dann aber aus dem Patientenzimmer herausgeholt und vorne in den Behandlungsraum gebracht.
Sie habe die Reanimation ihres Sohnes nicht mitbekommen und habe gedacht, er müsse sterben. Erst als sie später hörte, dass man einen Helikopter anfordere, um ihn zu verlegen, habe sie mitbekommen, dass ihr Sohn nicht gestorben sei.
Die Mutter berichtete dann von den Folgen des Hirnschadens und den vielen Kämpfen mit Krankenkassen und anderen Behörden insbesondere auch den Versicherungen um Schadensersatz und Hilfe. Sie konnte berichte, dass bisher noch keine Versicherung ihr einen Abschlag bezahlt habe. Dies sei auch der Grund gewesen, wieso sie ihren Fall ins Fernsehen gebracht habe, da sie dort Geld erhalten habe.
Sie sei sich sicher, dass die Angeklagte um 15:50 Uhr ins Kinderzimmer gekommen sei, da sie in diesem Moment auf die Uhr geschaut habe. Daran könne sie sich noch sehr genau erinnern. Hinsichtlich der weiteren zeitlichen Abläufe konnte sie sich nicht so genau festlegen. Aus ihrer Sicht habe alles zu lange gedauert.
Die Aussage der Zeugin J. wird soweit sie den Feststellungen nicht widerspricht ebenfalls zugrunde gelegt. Soweit die Zeugin beschreibt selbst noch Speisereststücke aus dem Mund des Geschädigten im Flur herausgeholt zu haben, unterliegt dies Zweifeln. Es wird von keinem anderen Zeugen bestätigt. Letztlich kann in dieser hektischen Situation ein genauer Ablauf der Vorgänge auch nicht vollständig rekonstruiert werden. Es mag sein, dass die Zeugin ihrem Kind, als dies auf dem Arm der Angeklagten war noch Speisereste aus dem Mundraum holte.
Die Zeugin beschrieb, dass T. des Öfteren wie ein Hamster das Essen in die Backentasche geschoben hätte und dort „versteckt“ hätte. Hingewiesen hatte sie die Angeklagte darauf nicht.
Die Zeugin S. bekundete, dass sie seit 2007 im St-Vincenz Krankenhaus in Limburg tätig ist und zuvor bereits mehr als 20 Jahre Kinderpflegehelferin gewesen sei. Sie hätte gemeinsam mit der Angeklagten die Spätschicht gehabt und sei auf der Station gewesen als die Angeklagte laut nach ihr gerufen habe. Sie sei vom Flur direkt ins Dienstzimmer und hätte den Notdienst gerufen. Danach sei sie nochmal ins Patientenzimmer des Geschädigten gegangen und meinte sich erinnern zu können, dass die Angeklagte Reanimationsmaßnahmen durchführte.
Die Zeugin konnte noch beschreiben, dass die Angeklagte keinerlei Stress an diesem Tag hatte und auch nicht ungehalten war, weil sie für eine Kollegin hätte einspringen müssen.
Zu den weiteren Abläufen konnte die Zeugin keine genauen Angaben machen. Auch konnte sie nicht angeben, ob dem Geschädigten von der Angeklagten oder der Mutter Essensreste aus dem Mund genommen wurden.
Die Aussage der Zeugin ist soweit sie den Feststellungen entspricht dem Urteil zugrunde zu legen. Soweit die Zeugin angibt die Angeklagte habe Reanimationsmaßnahmen begonnen unterliegt sie offensichtlich einem Irrtum. Diese Reanimationsmaßnahmen hätte das Notfallteam ebenfalls wahrnehmen müssen als es eintraf – siehe oben -. Die Zeugen haben dies jedoch nicht wahrgenommen.
Die Zeugin M. erklärte, dass sie Fachgesundheits- und Krankenpflegerin im St Vincenz Krankenhaus sein. Sie erinnere sich nur noch grob an den Vorfall und konnte darstellen, dass sie sich im Notfallteam befand und man zu dritt auf die Kinderstation gerufen wurde. Bei ihrem Eintreffen sei der Patient schon blau angelaufen, man habe das Kind mit in den Behandlungsraum genommen. Das Kind habe sich dann stabilisiert und sei nach Wiesbaden verlegt worden. Sie schätze, dass maximal ca. 2 min. vergangen seien nach dem Anruf bis man auf der Kinderstation eintraf. Die Zeugin konnte sich nicht mehr genau erinnern wo das Kind war als sie in das Patientenzimmer eintraf, ob auf dem Bett oder Schoß der Mutter oder in den Händen der Angeklagten. Sie war sich jedoch sicher, dass, als sie dort eintraf, keinerlei Reanimationsmaßnahmen an dem Patienten vorgenommen wurden, auch nicht von der Angeklagten. Dies wäre ihr aufgefallen. Erst später habe man dann erfahren was überhaupt vorgefallen sei, in dieser Situation sei dies auch nicht entscheidend gewesen.
Schließlich hätte die Ärztin entschieden, dass man mit dem Patienten in das vordere Behandlungszimmer ging. Dort hätte man bessere Behandlungsmöglichkeiten. Insbesondere war dort ein stabiler fester Tisch, der eine Herzdruckmassage ermöglichte. Dies sei auf einem weichen Bett nicht möglich.
Die Mutter hätte zu ihr – wohl schockbedingt – auf dem Weg nach vorne zum Behandlungszimmer gesagt „alle Jahre wieder“, sie hätte damit allerdings nichts anfangen können. Zu ihrem Notfallteam gehörten Herr M. und Frau Dr. B.
Die Aussage der Zeugin ist den Feststellungen zugrunde zu legen, sie ist glaubhaft und berichtet als neutrale Zeugin. Sie macht keine übertrieben sicheren Angaben und hat weder Be- noch Entlastungstendenzen.
Der Zeuge S. war als Vater eines anderen Patienten ebenfalls auf der Kinderstation. Er hatte das Schreien und die Unruhe wahrgenommen. Es seien Leute in das Patientenzimmer gelaufen. Er selbst habe sich aber zurückgehalten, um nicht im Weg zu stehen. Er habe mitbekommen, dass eine Krankenschwester das Notfallteam alarmiert habe, was die Mutter und die Krankenschwester gemacht hätten, könne er nicht mehr sagen. Der Zeuge beschrieb dann wie die Krankenschwester das Kind falsch herum gehalten habe. Dabei zeigte er mit Hilfe einer Puppe, dass das Kind mit dem Kopf nach unten von der Krankenschwester gehalten wurde. Er konnte jedoch nicht mehr sagen, ob das Kind einfach nur in der Hüfte eingeknickt sei und deswegen der Kopf nach unten gehalten wurde.
Die Aussage des Zeugen wird den Feststellungen zugrunde gelegt. Soweit er angab, dass die Angeklagte das Kind falsch herum gehalten habe, ist er einem Irrtum unterlegen. Allenfalls durch die Leblosigkeit des erschlafften Körpers und das Überhängen des Kopfes kann er diesen Eindruck gewonnen haben. Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Angeklagte den Geschädigten an den Füßen falsch herum hielt.
Die Zeugin B. war ebenfalls als Mutter eines Patienten am Tattag vor Ort. Ihr Kind und der Geschädigte hatten zuvor des Öfteren zusammen gespielt. Sie habe gesehen, dass der Geschädigte nicht mehr geatmet habe und dass das Notfallteam kam, was vorher geschehen sei, habe sie nicht mitbekommen. Sie habe T. auf dem Arm der Angeklagten gesehen und die Mutter daneben. Auch sie wusste, dass der Geschädigte bei den Injektionen schreit. Ob jemand dem Geschädigten etwas aus dem Mund habe entfernen wollen, könne sie nicht sagen. Reanimationsmaßnahmen habe sie nicht mitbekommen. Eventuell habe die Angeklagte dem Kind auf den Rücken geklopft. Sie konnte nicht mehr angeben, wie die Angeklagte den Geschädigten auf dem Arm getragen hatte. Die Zeugin gibt allerdings an, dass sie sich noch genau erinnern könne, dass die Mutter der Krankenschwester gesagt habe, man solle mit der Verabreichung der Spritze noch warten.
Die Aussage der Zeugin wird den Feststellungen im Wesentlichen zugrunde gelegt. Soweit sie jedoch angibt sich an einen genauen Satz Jahre später noch erinnern zu können, ist dies nicht glaubhaft. Die Zeugin hatte mit der Mutter des Geschädigten des Öfteren Kontakt und die Situation mehrfach besprochen. Offensichtlich unterliegt sie dem Irrtum, dass sie nicht eigene Wahrnehmungen sondern die der Mutter hier bekundet.
Der Zeuge M. erklärte, dass er Krankenpfleger von Beruf sei und auf der Intensivstation arbeite. Notfälle auf der Kinderstation seien sehr selten. In der ganzen Zeit seiner Berufstätigkeit, immerhin 35 Jahre, habe er eine solche Situation nicht erlebt. Gegen 16:00 Uhr hätte die Kinderstation angerufen und man sei direkt mit Notfalltasche und Defibrillator die Treppe in den siebten Stock gelaufen. Dies sei schneller als mit dem Aufzug. Man habe versucht das Kind wiederzubeleben bis der Anästhesist dazugekommen sei. Später sei der Patient in ein anderes Krankenhaus verlegt worden. Das Kind sei bei Eintreffen leblos gewesen und das Gesicht verfärbt. Die genaue Haltung des Kindes auf dem Arm der Krankenschwester konnte er nicht mehr beschreiben. Die Notbeatmung mittels Intubation sei erfolgreich gewesen. Dr. M. und Dr. P. seien dazugekommen. Aus seiner Sicht war der Einsatz des Notfallteams optimal. Er schätze, dass es etwa eine Minute gedauert habe vom Anruf bis zum Eintreffen in der Kinderstation. Speisereste hatte er nicht wahrgenommen.
Die Aussage des Zeugen wird den Feststellungen zugrunde gelegt, er berichtet objektiv und ohne besondere Be- oder Entlastungstendenz.
Der Zeuge Dr. P. ist seit 22 Jahren einer der fünf Belegärzte der Kinderkrankenstation. Er berichtete, dass der Geschädigte nicht sein eigener Patient gewesen sei, aber er ihn in Vertretung habe stationär einweisen lassen, da er eine schwere Bronchitis gehabt habe. Es sei mit den üblichen Injektionen behandelt worden. Die Injektionen gäben die Schwestern. Er selbst hätte, wenn er gesehen hätte, dass Chips und Äpfel gefüttert worden wären, den Eltern entsprechende Anweisungen gegeben. Er sei eigentlich nicht der Bereitschaftsarzt für die Kinderstation gewesen, dies sei die Frau Dr. E. gewesen. Er habe sich aber für einen anderen Patienten sowieso auf dem Weg ins Krankenhaus befunden, als er von der Frau Dr. E. telefonisch erreicht wurde und sie ihm schilderte, dass er nach dem Geschädigten sehen solle. Als er eintraf sei dieser bereits beatmet gewesen und das Notfallteam sei noch vor Ort gewesen.
Die Angeklagte kenne er als ruhig, erfahren und besonnen, es habe nie Zweifel an ihrer fachlichen Kompetenz gegeben, Injektionen habe sie setzen dürfen. Er habe das Ganze als schlimmen Schicksalsschlag empfunden. Er halte die Gabe von Apfelstückchen am ersten Tag, an dem ein Kleinkind wieder essen könne, in diesem Alter für falsch.
Die Aussage des Zeugen P. wird den Feststellungen zugrunde gelegt. Zwar hat er ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens, jedoch scheint seine Aussage frei von Be- oder Entlastungstendenzen und stimmt mit den anderen Aussagen der Zeugen auch überein.
Die Zeugin B. zuvor H., gehörte ebenfalls zum Notfallteam. Sie bekundete ebenfalls, dass man in ca. 2 min. nach dem Anruf im Patientenzimmer gewesen sei. Der Patient sei bläulich verfärbt gewesen, der Puls sehr schwach und man beschloss das Kind zu reanimieren. Hierfür hatte die Schwester das Behandlungszimmer aufgeschlossen und man entschied sich für die Herzrhythmusmassage. Dies gestaltete sich schwierig. Man erfuhr später erst von der Lungenentzündung als Behandlungsgrund. Man beschloss zu intubieren, da eine Beatmung mit dem Beatmungssack nicht erfolgreich war. Der Arzt Dr. M. sei hinzugekommen. Erst als der Sauerstoffschlauch durch Dr. M. gelegt worden war, sei das Kind richtig zu Sauerstoff gekommen. Die ganze Reanimation habe ca. maximal eine halbe Minute gedauert. Während der Reanimation sei der Vorfall geschildert worden und man habe erfahren, dass das Kind Chips und Äpfel gegessen habe und blau angelaufen sei, bzw. keine Luft mehr erhalten habe. Sie wisse nicht, ob vorher bereits Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Man habe zügig Medikamente geben können, da bereits ein Zugang lag und nach 5 bis 7 min. hätte sich spontan wieder ein Kreislauf beim Patienten gezeigt. Dr. M. habe dann die Verlegung in die HSK veranlasst. Speisereste hätte sie nicht gesehen. Jemand habe gesagt der Mund sei ausgeräumt worden. Die Verlegung vom Patientenzimmer in das Behandlungszimmer sei sinnvoll gewesen, da man dort besser habe arbeiten können. Die Maskenbeatmung sei nicht möglich bzw. erfolgreich gewesen, das habe man bereits nach wenigen Sekunden gemerkt.
Die Aussage der Zeugin wird den Feststellungen zugrunde gelegt. Sie berichtet nachvollziehbar logisch und mit dem professionellen Abstand einer zu einem Notfall kommenden Assistenzärztin, die dabei Routine hat und nur die in dieser Situation wichtigen Dinge wahrnimmt.
Der Zeuge Dr. M., Facharzt für Anästhesie, bekundete, dass er mit der Angeklagten regelmäßig zusammenarbeite, er gehe gerne auf die Kinderstation und habe dort noch nie Probleme gehabt.
Der Vorfall selbst sei ihm in guter Erinnerung, da er weit abseits der normalen Geschehnisse gewesen sei. Einen solchen Vorfall habe er auf der Kinderstation noch nie erlebt. Er sei von der Kollegin H/B hinzugerufen worden. Der Patient habe auf einer Trage gelegen und man habe ihn mechanisch reanimiert. Er sei um 16:04 Uhr eingetroffen und habe das Kind mit Sauerstoff beatmet. Er habe die Lunge abgesaugt und gelbliche Fragmente herausgeholt. Der Mund sei frei gewesen. Hätten sich im Mund noch weiter Speisereste befunden, hätte er dies dokumentiert. Da man in Limburg keine Geräte für eine Kinderbronchoskopie habe, sei der Patient nach Wiesbaden verlegt worden. Man habe um 16:15 Uhr den Hubschrauber angefordert. Es hätte dann jedoch zum Rettungswagentransport kommen müssen, da die Wetterlage einen Hubschrauberflug nicht ermöglichte. Um 16:05 Uhr habe er das Kind intubiert. Die Sauerstoffsättigung sei nicht gut gewesen, erst später hätte man eine gute Sauerstoffsättigung erreicht. Er sei froh gewesen, dass das Kind bereits einen Kopfzugang gehabt hätte, da das Kind ansonsten wohl nicht überlebt hätte. Man habe einen weiteren Zugang im Laufe der Reanimation gelegt. Er habe keinerlei Erkenntnisse gehabt, dass das Kind zuvor etwas gegessen habe. Er habe erst später gesehen, dass das Kind wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus gewesen sei.
Er habe an den Daten der HSK Wiesbaden gesehen, dass der PH-Wert bei dem Patienten sehr schlecht gewesen sei, ebenso der CO2-Wert. Diese hätten sich wohl beim Transport von Limburg nach Wiesbaden deutlich verschlechtert, da die von ihm festgestellten Werte zuvor deutlich besser gewesen seien. Er könne nicht ausschließen, dass die Schädigung des Gehirns hier eine weitere Verstärkung genommen habe.
Hier sei eingefügt, dass der Sachverständige Prof. Dr. T. der Einschätzung des Zeugen Dr. M. letztlich zustimmt, dass auf dem Weg vom Krankenhaus Limburg nach Wiesbaden aufgrund der technisch veränderten Voraussetzungen im Kinderkrankenwagen und des nicht so hoch aufbaubaren Beatmungsdruckes diese Werte entstanden sein können und dies zu weiteren Verschlechterungen also Hirnschädigungen geführt haben könnte.
Der Zeuge Dr. M. gibt weiter glaubhaft an, dass er sich bei seinen Behandlungen angewöhnt habe entscheidende Momente auf seinem Arztkittel zu notieren. Dies würde er später dann in seinen Berichten übernehmen. Er könne daher die Minutenangaben sehr genau machen.
Der Zeuge führt noch einmal aus, dass eine Beutelbeatmung nicht möglich war und seiner Ansicht nach daher auch eine Mund-zu-Mund oder Mund-zu-Nase Beatmung vorher keinen Erfolg gezeigt hätte.
Dieser Einschätzung schließt sich der Sachverständige ebenfalls an.
Der Sachverständige Prof. Dr. T. erstattete dann sein Gutachten. Er ist ein sehr erfahrener Kinderarzt und leitet eine Kinderklinik. An seiner fachlichen Kompetenz bestehen daher keine Zweifel.
Er verwies darauf, dass man später in der HSK Wiesbaden weitere Apfelstückchen in der Lunge beidseitig haben finden können. Diese seien bei der Bronchoskopie erfolgreich entfernt worden.
Seiner Ansicht nach besteht kein Zweifel daran, dass der Geschädigte sich an diesen Essensresten in der Situation der Medikamentengabe verschluckt habe, da er durch die Injektion erschrocken sei und sich aufgeregt habe. Die Essensreste müssen sich im hinteren Mund- bzw. Rachenraum befunden haben, der Geschädigte hätte sie beim Weinen und der Erregung wegen der Injektion verschluckt. Diese Apfelstückchen hätten die Atemwege verlegt und es sei deswegen zu einer Sauerstoffunterversorgung des Hirns gekommen. Es bestehe kein Zweifel, dass dies die Ursache der Schädigung gewesen sei. Die weitern Schäden des Gehirns und die damit zusammenhängenden körperlichen Behinderungen des Geschädigten beruhen auf diesem Vorgang. Daran lässt der Sachverständige keinerlei Zweifel.
Der Sachverständige unterstreicht bei seiner Befragung allerdings, dass bei der Verschlechterung der PH- und CO2- Werte auf dem Transport zur Kinderklinik Wiesbaden es durchaus zu einer Verstärkung der schädigenden Symptome kommen konnte. Eine genaue Einschätzung der Verstärkung konnte er nicht vornehmen. Ausgangspunkt sei aber, dass es zuvor eine eindeutige Verursachung durch die Sauerstoffunterversorgung gegeben habe. Es sei ausgeschlossen, dass die Schäden sämtlich erst auf dem Transport entstanden seien.
Der Sachverständige bestätigt auch, dass eine Mund-zu-Mund oder Mund-zu-Nase Beatmung durch die Angeklagte keinerlei Erfolg gehabt hätte, da auch die Beutelbeatmung sich als nicht erfolgreich erwies. Erst die Sauerstoffzufuhr mittels Intubationsschlauches und entsprechend hohem Beatmungsdruck war erfolgreich und verantwortlich für das Ansteigen des Sauerstoffs im Körper des Geschädigten.
Der Sachverständige bestätigt, dass auch auf seiner Kinderstation die Kinderkrankenschwestern Injektionen setzten und dass Eltern unfassbar viele Gegenstände in die Patientenzimmer mitbringen, die eigentlich ungeeignet seien. Auch er schätzt die Gabe von Chips und Äpfeln in dieser Situation als falsch ein. Dabei sieht er insbesondere in den Äpfeln das größere Risiko, da das Kind mit den Schneidezähnen diese nicht zermahlen könne und sie daher, auch weil sie durch Speichel nicht in Mund- und Rachenraum zersetzt werden, in großen Stücken runtergeschluckt werden müssen. Der Sachverständige lässt keinerlei Zweifel daran, dass ein solches verschlucktes Apfelstückchen Ursache für die Verlegung der Atemwege war.
Hinsichtlich der Sorgfaltsverstöße der Angeklagten muss der Sachverständige sein schriftliches Sachverständigengutachten teilweise korrigieren. Insbesondere die Tatsache, dass die Angeklagte nicht das Heimlich-Manöver (mehrfacher plötzlicher Pressdruck durch die umschlingenden Hände von einer hinter dem Patienten stehenden Person auf den Brustkorb) durchgeführt hatte, ist nach der Beweisaufnahme kein Sorgfaltspflichtverstoß. Wie der Sachverständige in seiner Begutachtung erläuterte, ist dieses Heimlich-Manöver für Säuglinge und Kleinkinder nicht geeignet. Vielmehr würde man ersatzweise bei solchen kleinen Körpern in auf-dem-Rücken-liegender Position Druck mit den Handballen auf den Brustkorb ausüben, um gegebenenfalls Fremdkörper aus dem Mund auszuwerfen.
Die Nichtdurchführung des Heimlich-Manövers ist daher der Angeklagten nicht vorzuwerfen.
Die von der Angeklagten ebenfalls unterlassene Ersatzmaßnahme wäre nach Auskunft des Sachverständigen aber in dieser Situation nicht erfolgreich gewesen, da die Fremdkörper – wie sich später herausstellte – viel zu tief in die Bronchien gelangt waren. Ein vorwerfbarer Sorgfaltspflichtverstoß liegt hierin daher ebenfalls nicht.
Der Sachverständige erläutert jedoch auch überzeugend, dass er die Zeit des Zuwartens der Angeklagten, um eine Injektion zu geben für nicht ausreichend hält. Nach den zeitlichen Feststellungen hatte die Angeklagte nur wenige Minuten das Kind beobachtet. Der Sachverständige hält dabei einen zeitlichen Abstand vor der Injektion seit Beendigung des Konsums von Apfelstückchen und Chips von mindestens 10 bis 15 min. für notwendig. Die Angeklagte hat jedoch maximal 5 bis 7 min. gewartet und dann die Injektion frühzeitig begonnen.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte die Angeklagte nur dann frühzeitiger beginnen dürfen, wenn sie sichergestellt hätte, dass der Geschädigte keinerlei Speisereste mehr in Mund- und Rachenraum habe. Dies hätte sie durch Sichtkotrolle mittels eines Spatels durchführen können. Auch wäre ein Ausspülen des Mundes möglich gewesen. Er weist jedoch noch einmal darauf hin, dass die Wangentaschen bei Kleinkindern kaum einsehbar seien, nur dann, wenn man sie intensiv mittels Spatel prüfe.
Weitere vorwerfbare Sorgfaltspflichtverletzungen hat der Sachverständige in seinem Gutachten nicht dargelegt. Vielmehr sei der Ablauf der medizinischen Maßnahmen nach dem Aspirationsereignis ordnungsgemäß gewesen. Auch der zeitliche Ablauf der einsetzenden Notfallmaßnahmen sei optimal.
IV.
Die Angeklagte hat sich wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 229 StGB schuldig gemacht.
Die Eltern des Geschädigten haben ausweislich Blatt 4 der Akte frist- und formgerecht Strafantrag gestellt.
Die Angeklagte hat objektiv und auch subjektiv vorwerfbar die notwendige Sorgfalt bei der Behandlung des kleinen T. J. nicht eingehalten. Ihr Sorgfaltspflichtverstoß hatte große Auswirkungen und verursachte eine schwere Hirnschädigung des Patienten, Dieser wird sein Leben lang geistig und körperliche Behinderungen ausweisen.
Die Angeklagte hat dabei den Fehler begangen, nicht lange genug zuzuwarten, um sicherzustellen, dass keinerlei Speisereste sich mehr im Mund des Kleinkindes befinden. Auch das Alternativverhalten der eindeutigen Kontrolle des Mundraumes hat sie nicht durchgeführt. Ihre vorgegebene Sichtkontrolle von außen ohne genauere Mund- und Rachenraumkontrolle reicht nicht aus. Da sie schon nach wenigen Minuten mit der Injektion begonnen hat, musste sie vorhersehen, dass das Kind sich erschreckt, zumal sie diese Reaktion nun auch selbst wahrnahm und hätte damit rechnen müssen, dass Speisereste, die sich noch im Mund befinden dann verschluckt werden und es zur Atemwegsverlegung kommt. Insofern ist der Angeklagten vorzuwerfen, dass sie entweder den Mundraum nicht ordnungsgemäß geprüft oder zu früh die Injektion angesetzt hat, obwohl sie wusste und gesehen bzw. von der Mutter gehört hatte, dass der Geschädigte zuvor Chips und Apfelstückchen gegessen hat, die in dieser Situation zu einer Verlegung der Atemwege führen können. Der objektive Sorgfaltspflichtverstoß ist ihr daher subjektiv vorwerfbar, er war auch durch zumutbare, geeignete Maßnahmen vermeidbar.
Die ordnungsgemäße Durchführeng der oben genannten Maßnahmen, insbesondere das Zuwarten oder die genauere Kontrolle des Mundraumes war der erfahrenen Kinderkrankenschwester auch zumutbar. Sie hatte keinerlei Zeitdruck und hätte diese Dinge ohne Probleme korrekt ausführen können.
Weitere strafbare Vorwürfe sind er Angeklagten jedoch nicht zu machen. Wie oben bereits erwähnt ist das fehlende Heimlich-Manöver bzw. die Ersatzmaßnahme bei Kleinkindern und auch die fehlende Mund-zu-Mund oder Mund-zu-Nase Beatmung ohne Auswirkung, so dass der Pflichtwidrigkeitszusammenhang dieser Säumnisse fehlt.
V.
Bei der Strafzumessung war zunächst zu berücksichtigen, dass der Strafrahmen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB von Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe ausgeht.
Strafschärfend müssen die ganz erheblichen Folgen bei dem Geschädigten Patienten bewertet werden. Insbesondere die Tatsache, dass ein junger Mensch sein Leben lang an körperlichen und geistigen Behinderungen leiden wird, ist ein schwerwiegendes Kriterium.
Strafmildernd kann bei der Angeklagten bewertet werden, dass sie bisher nicht vorbestraft ist und den Vorfall glaubhaft bedauert. Strafmildernd kann auch bewertet werden, dass die Angeklagte eine gefahrgeneigte Arbeit ausübt, wo jeder kleinste Fehler große Auswirkungen, insbesondere körperliche und geistige Folgen bei den Patienten haben kann. Andererseits ist ihr natürlich wegen dieser Gefahr eine besonders sorgfältige Ausübung ihres Berufes abzuverlangen.
Strafmildernd kann allerdings auch berücksichtigt werden, dass die Angeklagte aus Sicht des Gerichtes lediglich einen geringfügigen Sorgfaltspflichtverstoß beging, als sie nicht lange genug zuwartete bzw. nicht ausreichend den Mund kontrollierte. Auch der Sachverständige beschrieb, dass eine Sichtkontrolle mittels Spatel des Mund- und Rachenraumes in dieser Situation wohl kaum von jemandem ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre. Auch die Tatsache, dass in den Kinderstationen die Eltern Dinge mitbringen, die nicht sinnvoll sind, und die Angeklagte für die Kontrolle entsprechender Nahrung bzw. Nahrungsmittelaufnahme durch die Patienten nicht in der Lage bzw. auch nicht zuständig ist, muss ebenfalls strafmildernd bewertet werden.
Schließlich hat das ganze Geschehen fast schicksalshafte Züge. Es spielten mehrere Faktoren eine Rolle, die unglücklicherweise zusammentrafen.
Zunächst einmal die aktuelle Erkrankung des Geschädigten, der schon mit einer Lungenerkrankung in die Klinik kam. Auch der Zeuge Dr. M. erklärte, dass dieses Vorerkrankungsbild zu einer weiteren Komplikation führte und zum Beispiel ein an einem Beinbruch leidender Patient mit einer entsprechenden Verlegung der Atemwege höchstwahrscheinlich nicht so viele Probleme gehabt hätte.
Hinzu kommt das für diese Situation „unpassende“ Füttern des Geschädigten durch die Mutter mit Chips und Apfelstückchen.
Schließlich kommen die möglichen Verschlechterungen der Hirnschädigung durch den Transport hinzu.
Auch zeigen die Aussagen der beteiligten Ärzte und des Sachverständigen, dass dieser eigentlich alltägliche Vorgang mit seinen drastischen Folgen ein absolut seltener Einzelfall war.
Zwar kann man deswegen nicht von einem nur schicksalshaften Ereignis im Sinne einer naturgegebenen Gefahr sprechen, vielmehr hat die Angeklagte schon Schuld durch ihren Sorgfaltspflichtverstoß auf sich genommen. Diese ist jedoch in ihrem Ausmaß hinsichtlich des Tatunrechts aus Sicht des Gerichtes als geringe Schuld zu werten.
Andererseits kann man auch die emotionale Betroffenheit der Eltern verstehen, die ein schwerstbehindertes Kind lebenslang werden betreuen müssen und in vielen Bereichen keine „normale“ Beziehung zu ihrem Kind haben werden.
Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgesichtspunkte hält das Gericht eine Geldstrafe für ausreichend. Das Gericht ist auch der Ansicht, dass diese Geldstrafe unter der Eintragungsgrenze sein muss, da die Angeklagte keinen groben Behandlungsfehler sondern nur einen fahrlässigen bis leicht fahrlässigen Fehler begangen hat. Mit 80 Tagessätzen hält das Gericht die Geldstrafe für tat- und schuldangemessen.
Die Höhe des Tagessatzes ergibt sich aufgrund der Einkünfte der Angeklagten zu ihren Gunsten abgerundet.
VI.
Die Angeklagte wurde verurteilt und hat daher auch die Kosten des Verfahrens zu tragen. Darüber hinaus hat sie auch die notwendigen Auslagen der Nebenklage nach § 472 Abs. 1 StPO zu tragen.