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Fahrlässige Tötung durch Verletzung Verkehrssicherungspflichten bei Teich

AG Schwalmstadt – Az.: 43 Ds – 2 Js 12490/16 – Urteil vom 20.02.2020

Der Angeklagte ist schuldig der fahrlässigen Tötung in 3 tateinheitlichen Fällen.

Er wird verwarnt.

Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100,00 Euro bleibt vorbehalten.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen.

Angewandte Vorschriften: §§ 222, 13, 52 StGB

Gründe

I.

II.

1. Die Teich- und Parkanlage

Der Angeklagte ist seit dem 03.10.1990 Bürgermeister der Stadt S. in O. – einem Ortsteil von S. – befindet sich an der Teichstraße ein ca. 200 Jahre alter Teich, der durch den B.-Bach gespeist wird, in ungefähr 200-300 m Entfernung zu Wohnbebauung. Die Stadt S. ist Eigentümerin des Grundstückes, auf dem sich der Teich befindet. Das Grundstück um den Teich wird durch einen Flächennutzungsplan aus dem Jahr 2004 als öffentliche Grünfläche und Parkanlage ausgewiesen. Seit der Ausweisung als Parkanlage wurden mit Kenntnis und zumindest Billigung des Angeklagten verschiedene Maßnahmen ergriffen, die zum Ziel hatten, das Gelände um den Teich für die Bürger attraktiver zu gestalten. Eine zu der bereits auf dem Gelände befindlichen Grillhütte gehörende Toilettenanlage wurde ertüchtigt und die Wege dort wurden neu gepflastert. Im Jahr 2014 wurde auf dem Gelände ein Beachvolleyballfeld errichtet. Das Gelände wurde und wird mehrfach im Jahr für Feiern vermietet und für Festtagsgottesdienste genutzt. Der Teich selbst wurde seit Generationen durch die Bürger zum Schwimmen und zum Schlittschuhlaufen genutzt, wobei ein Schwimmbetrieb zu keinem Zeitpunkt offiziell zugelassen war.

2. Bauliche Veränderungen an dem Teich

Der Teich mit einer Oberfläche von ca. 2.383 m² wurde im Laufe der Zeit mehrfach ertüchtigt. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt wurde die Teichsohle mit Beton befestigt. Der Uferbereich bzw. Dammbereich wurde ebenfalls mehrfach befestigt bzw. repariert. Zunächst wurden Reparaturmaßnahmen mit Ton vorgenommen, als jedoch am westlichen Damm massive Schäden durch Bisamratten auftraten, wurde der Damm im Jahr 2014/2015 in Eigenleistung der Bürger mit Gehwegpflaster, das an anderer Stelle in der Gemeinde übrig war, befestigt. Von den Baumaßnahmen hatte der Angeklagte Kenntnis und drückte seine Unterstützung hierfür aus.

3. Beschaffenheit des Teiches am 18.06.2016

Nach Beendigung der Ertüchtigungsmaßnahmen ergab sich am 18.06.2016 die folgende Beschaffenheit des Teiches. Von seinem östlichen, teils noch natürlich belassenen Ufer an war das Wasser seicht. Über eine Treppe konnte man in das zunächst ca. 45 cm tiefe Wasser gelangen. Die Wassertiefe nahm nur langsam zu. In der Teichmitte war das Wasser ca. 1,70 m tief. Ungefähr am südöstlichen Ufer des Teiches lief der B.-Bach zu. Der Ablauf des B.-Bach befand sich am westlichen Teichufer. Letzteres war durch einen Damm vom B.-Bach getrennt. Ebenfalls nahe des Ablaufes befanden sich an dem geraden Ufer ein Mönch sowie ein Steg, der in den Teich hineinragte. Im Dammbereich fiel das westliche Ufer in einem Winkel von ca. 39 bis 45 Grad ab, bis die Bepflasterung in die betonierte Teichsohle überging. Am Westufer erreichte der Teich stellenweise eine Tiefe von bis zu 1,85 m. Die Beschaffenheit des Teiches unterhalb der Wasserlinie war selbst für eine direkt am Ufer stehende Person aufgrund des sehr trüben Wassers nur schwer erkennbar.

Der Dammbereich war nicht mit Bäumen oder Büschen bewachsen. Die Bepflasterung des Uferbereiches zumindest am Westufer war aufgrund von Nässe und Verschlammung derartig rutschig, dass das Verlassen des Teiches an dieser Stelle selbst für erwachsene Schwimmer kaum möglich war, was der Angeklagte bei Anwendung der im Verkehr üblichen Sorgfalt hätte erkennen können. Unter anderem im Bereich des Stegs war ein viereckiges Schild aufgestellt, das in weiß auf grünem Grund die Aufschrift „Teichanlage – Betreten auf eigene Gefahr – Eltern haften für ihre Kinder“ trug. Weitere Maßnahmen mit dem Zweck, vor Gefahren am Westufer des Teiches zu warnen oder Besucher von dem Betreten des westlichen Uferbereiches abzuhalten, gab es nicht. Der Angeklagte bzw. die Stadt S. wurde weder von Bürgern noch von Mitarbeitern oder Mandatsträgern auf die Erforderlichkeit weiterer Sicherungsmaßnahmen hingewiesen. Bei Versammlungen wurde das Thema nicht angesprochen. Dass sich aus der konkreten Gestaltung des westlichen Teichufers in Verbindung mit der Lage, Nutzung und weiteren Bebauung des Teichgeländes aber tatsächlich Gefahren für die Besucher – insbesondere Kinder mit altersbedingt geringem Gefahrenbewusstsein – ergaben, gegen die die Beschilderung die Besucher nicht ausreichend absicherte, hätte der Angeklagte bei Aufwendung der im Verkehr üblichen Sorgfalt erkennen können. Durch die „Budgetierungsrichtlinien der Stadt S. vom 18.12.2012“ hat der Angeklagte in unterschiedlichen Bereichen eine gewisse Finanz- und Ressourcenkompetenz an unterschiedliche budgetverantwortliche Mitarbeiter abgegeben. Eine darüber hinausgehende konkrete Absprache bzw. Festlegung, wer für die mit dem Teich verbundenen Sicherungsmaßnahmen verantwortlich sein sollte, wurde nicht getroffen.

4. Tatgeschehen

Fahrlässige Tötung durch Verletzung Verkehrssicherungspflichten bei Teich
(Symbolfoto: Von Jasper Suijten/Shutterstock.com)

Am 18.06.2016 hielten sich die drei Kinder K1, K2 und K3 abends – vermutlich nach 19:00 Uhr – ohne Aufsicht eines Erwachsenen auf dem Teichgelände auf. Während K1 gut schwimmen konnte, war K3 Nichtschwimmer, K2 konnte ein wenig schwimmen. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen ca. 19:00 Uhr und 20:39 Uhr gelangten die drei Kinder am westlichen Ufer in der Nähe des Stegs plötzlich und unvermittelt – vermutlich durch Hineinfallen oder Hineinspringen bei dem Versuch, ein Geschwisterkind zu retten – in den Teich, wobei nicht festgestellt werden konnte, in welcher Reihenfolge die Kinder in den Teich gelangten. Am Westufer nahe des Metallstegs konnten die Kinder aufgrund der nach dem Umbau bestehenden Uferbeschaffenheit aus eigener Kraft nicht mehr an Land gelangen und ertranken etwas über 2 m vom Ufer entfernt bei einer Wassertiefe von 1,60 m bis 1,85 m. Bei dem wegen der Beschaffenheit des westlichen Teichufers erfolglosen Versuch von K2, den Teich wieder zu verlassen, zog sich das Kind leichte Verletzungen an den Fingernägeln zu. Durch weitergehende Sicherungsmaßnahmen am Teich hätte der Tod der Kinder verhindert werden können. Der Angeklagte hätte erkennen können, dass die Beschaffenheit des Teiches und des Uferstreifens am Westufer im Bereich des Metallstegs eine Gefahr für Personen – insbesondere Kinder – darstellte. Darüber hinaus hätte der Angeklagte erkennen können, dass bei der Verwirklichung dieser Gefahr vor allem bei Kindern, die in den Teich hinein gelangten, die Möglichkeit bestand, dass sie an dieser Stelle zu Tode kommen würden.

5. Nachtatgeschehen

6. Folgemaßnahmen

Nach dem Tod der drei Kinder wurden um den gesamten Teich herum runde Schilder mit einem roten Kreis auf weißem Grund angebracht, die in schwarzem Aufdruck eine in den Wellen ertrinkende Person darstellten.

III.

IV.

Indem der Angeklagte es unterließ, über die festgestellte Beschilderung hinaus Maßnahmen zur Verkehrssicherung zu veranlassen oder vorzunehmen, hat er sich wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB in der Begehungsform des Unterlassens (§ 13 StGB) in drei tateinheitlich begangenen Fällen (§ 52 StGB) strafbar gemacht.

1. Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen ist erfüllt. Der Angeklagte hat es als Verkehrssicherungspflichtiger fahrlässig unterlassen, erforderliche, mögliche und gebotene Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen oder zu veranlassen und dadurch den Tod der drei Kinder verursacht.

a) Taterfolg

Mit dem Tod der drei Kinder ist der tatbestandsmäßige Erfolg der fahrlässigen Tötung eingetreten.

b) Tathandlung

Der Angeklagte hat eine zur Erfolgsabwendung objektiv gebotene und ihm mögliche Handlung unterlassen. Obwohl eine weitere Absicherung des Teiches erforderlich, geboten und möglich gewesen wäre, hat der Angeklagte als Bürgermeister es unterlassen, dies selbst vorzunehmen oder im Magistrat oder in der Stadtverordnetenversammlung auf weitergehende Sicherungsmaßnahmen hinzuwirken.

aa) Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch Unterlassen

Der Angeklagte hat die ihm obliegende Pflicht zur Sicherung des Teichgeländes verletzt, indem er es pflichtwidrig unterlassen hat, selbst erforderliche Maßnahmen zur Sicherung vorzunehmen, in der Stadtverordnetenversammlung durch Festsetzung eines entsprechenden Tagesordnungspunktes auf einen Beschluss zur weitergehenden Sicherung des Teichgeländes hinzuwirken oder im Magistrat auf eine Entscheidung zur weitergehenden Sicherung des Teichgeländes hinzuwirken.

 (1) Verkehrssicherungspflicht

Für den Angeklagten bestand die Pflicht, zum Schutze vor den von dem Teich ausgehenden Gefahren über die am 18.06.2016 bestehende Beschilderung hinaus zusätzliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Diese Pflicht beruht auf dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle eröffnet – beispielsweise, indem er eine gefährliche Einrichtung unterhält –, verpflichtet ist, schützende Vorkehrungen zu treffen. Nur der Inhaber einer gefährlichen Einrichtung kann in der Weise auf sie zugreifen, dass er die Einrichtung sichern kann. Aus diesem Grund ist der Inhaber der Einrichtung – strafrechtlich sanktioniert – dazu verpflichtet, Gefahren für Dritte zu verhindern. Jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, hat somit die nach Lage der Verhältnisse erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz anderer Personen zu treffen (vgl. BGHSt 61, 21, 23 Rn. 9 m.w.N.). Die entsprechende Pflicht beschränkt sich auf das Ergreifen solcher Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein verständiger und umsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. In welchem Umfang die Erfolgsabwendungspflicht besteht, bestimmt sich nach dem Grad der Gefahr. Die Anforderungen an den für die Gefahrenquelle Zuständigen sind umso höher, je größer bei erkennbarer Gefährlichkeit einer Handlung die Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensintensität sind (vgl. BGHSt 61, 21, 23 f. Rn. 9 m.w.N.).

Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird begrenzt durch das so genannte „allgemeine Lebensrisiko“, vor dem auch der Inhaber einer grundsätzlich gefährlichen Anlage Dritte nicht schützen muss. Dies bedeutet, dass nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden muss, es vielmehr nur solcher Sicherungsmaßnahmen bedarf, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zumutbar sind (vgl. BGH NJW 1994, 3348). Wenn ein Betreiber eine öffentliche Freizeiteinrichtung der Allgemeinheit zur Verfügung stellt, hat er die Verpflichtung, die Benutzer vor den Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, nicht ohne weiteres erkennbar und auch vom Benutzer nicht vorhersehbar sind (BGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 – VI ZR 94/88 -, juris – Rn. 9 ff., insb. Rn. 14). Wo besonderer Anreiz für einen kindlichen Spieltrieb besteht, muss der Gefahr, die das Kind nicht erkennen kann, durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen begegnet werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2988 – VI ZR 94/88 -, juris, Rn. 14; zustimmend v. Bar JZ 1989, 251, 252).

Grundsätzlich fällt es unter das „allgemeine Lebensrisiko“, sich einem natürlichen Gewässer zu nähern. Anders liegt es jedoch bei dem Teich in O. Hier wurde durch die unterschiedlichen Maßnahmen, die mit Wissen und Billigung des Angeklagten an dem Teich und auf dem Gelände um den Teich vorgenommen worden sind, das Gefahrenpotenzial des Teiches ganz erheblich über natürliche, überschaubare und kalkulierbare Risiken hinaus erhöht, sodass zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich waren.

 (a) Befestigung des Dammes

Zu einer Gefahrerhöhung hat es ganz wesentlich geführt, dass das natürliche Ufer des Teiches abgetragen und der Damm am Westufer in einem Winkel von 39 bis zu 45 Grad mit Gehweg-Pflastersteinen befestigt worden ist. Diese Maßnahme wirkte gleich in mehrfacher Hinsicht gefahrerhöhend, indem sie die Möglichkeiten, den Teich am Westufer aus eigener Kraft zu verlassen, ganz erheblich reduziert hat. Zunächst war zu beachten, dass die verwandten Pflastersteine aufgrund ihrer Oberflächenbeschaffenheit bei Nässe und insbesondere noch in Verbindung mit dem Teichschlamm eine äußerst rutschige Oberfläche ergaben. Durch den Winkel, in dem die Befestigung angebracht war, wurde der Ausstieg aus dem Teich an dieser Stelle nochmals gravierend erschwert. Hierbei ist zu beachten, dass eine Uferneigung von 45 Grad – eine Steigung von 100 Prozent – einen Winkel darstellt, der bei natürlichen Gewässern in der Regel nicht vorkommt, da bei einer derartig steilen Ufergestaltung stets Landmasse abrutschen und automatisch zu einer Verflachung des Uferbereiches führen würde. Zudem brachte es die Versiegelung des Ufers mit sich, dass ein Bewuchs mit möglicherweise rettendem Wurzelwerk, an dem sich eine Person, die versehentlich an dieser Stelle ins Wasser geraten ist, festhalten könnte, weitgehend verhindert wird. Dass diese angeführte Gefahrerhöhung durch die Befestigung des Dammes nicht nur theoretisch möglich sondern auch praktisch eingetreten ist, ergab sich insbesondere daraus, dass weder der Ersthelfer noch die eingesetzten Rettungstaucher den Teich in diesem Uferbereich aus eigener Kraft wieder verlassen konnten.

 (b) Wasserfläche, Wassertiefe und Beschaffenheit der Teichsohle

Zu der steilen Befestigung des Teichufers kam – wiederum gefahrerhöhend – die Befestigung der Teichsohle durch Beton, wobei zumindest am Westufer die Befestigung mit den Pflastersteinen unmittelbar in die Betonsohle überging. Das befestigte Teichufer setzte sich hierbei im Winkel von bis zu 45 Grad fort. Ein Besucher des Teiches, der versehentlich am Ufer ins Rutschen kommt, rutscht bei diesen Begebenheiten voraussichtlich bis zur tiefsten Stelle des Teiches oder bis seine Füße den Kontakt zum Boden verlieren. Gerade für Kinder stellt dies eine weitere, massive Gefahrerhöhung dar, die aufgrund des trüben Wassers auch dann nicht zu erkennen war, wenn man direkt am Teichufer stand. Aufgrund der Uferbeschaffenheit wäre – insbesondere für ein Kind – die einzige Möglichkeit, aus dem Teich heraus zu gelangen, diejenige gewesen, die Teichfläche von mehr als 2000 m² zu überqueren und an einer seichteren Stelle aus dem Wasser zu gelangen. Im Hinblick auf die Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen, dass bereits nach wenigen Sekunden bei ungeübten Menschen ein Atemreflex auftritt und kurz darauf Panik eintritt, war insbesondere von Kindern nicht zu erwarten, dass sie sich in einer entsprechenden Situation rational verhalten und sich zu einem weiter entfernt liegenden Ufer begeben würden.

 (c) Geringe Erkennbarkeit der gefahrerhöhenden Umstände

Die die erhöhte Gefährlichkeit des Teiches am Westufer begründenden Umstände waren von außen nur schwer erkennbar. Durch das trübe, veralgte Wasser waren für eine am Ufer stehende Person weder die Wassertiefe noch die im Wasser liegende Fortsetzung der Uferbepflasterung oder die betonierte Teichsohle so deutlich erkennbar, dass die sich aus diesen Umständen ergebende Gefahr hätte abgeschätzt werden können.

 (d) Gezielter Ausbau des Freizeitgeländes

Im Hinblick auf den Maßstab, der für den Umfang der Verkehrssicherungspflichten anzusetzen war, war weiter ganz erheblich zu berücksichtigen, dass seitens der Gemeinde bzw. der Stadt S. zahlreiche Maßnahmen ergriffen wurden, um das Teichgelände als Freizeitgelände bzw. Parkgelände attraktiver zu machen. Anzuführen ist hier zunächst der Bau des Beachvolleyballfeldes im Jahr 2014, das unter anderem den Eltern mit kleinen Kindern als „Sandkasten“ diente; auf dem Gelände befand sich weiterhin eine Grillhütte, die gepflegt wurde und deren Toilettenanlage ausgebaut worden ist. Auch die Wege auf dem Gelände sind neu gepflastert worden, um den Bürgern den Zugang zu erleichtern. Die Umbaumaßnahmen standen unter dem Motto, dass das Teichgelände attraktiver werden solle. Das Gelände wurde für zahlreiche Feierlichkeiten zur Verfügung gestellt und gezielt im Hinblick auf diesen Zweck ertüchtigt.

 (e) Umliegende Bebauung und Nutzung durch Kinder

In die Beurteilung der Verkehrssicherungspflicht war zudem einzustellen, dass sich der Teich auch nah an der Wohnbebauung der Gemeinde befand. Dass häufig Kinder auf dem Teichgelände gespielt haben, war in der Gemeinde bekannt.

 (f) Keine Entlastung durch das Fehlen von Normen

Eine weitere Verkehrssicherung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil für das Gewässer – anders als beispielsweise bei einem Löschteich – keine Normen existieren, die konkrete Verkehrssicherungsmaßnahmen vorschreiben. Vielmehr ist die individuelle Beurteilung vorhandener Risiken gerade die Aufgabe des Verkehrssicherungspflichtigen. Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht tritt gerade dort ein, wo eine wörtliche Festschreibung von Sicherungspflichten nicht erfolgt ist. Eine solche Festschreibung kann es hingegen nicht geben, da diese schon von ihrer Natur her nicht auf jede individuelle Gestaltung von Anlagen zutreffen kann. Vielmehr sind festgeschriebene Normen dann sinnvoll und auch gängig, wenn es sich auch um genormte Anlagen handelt.

 (g) Keine Entlastung durch § 60 Bundesnaturschutzgesetz

Das Fehlen einer Verkehrssicherungspflicht ergab sich auch nicht etwa aus § 60 des Bundesnaturschutzgesetzes. Nach dieser Norm erfolgt das Betreten einer freien Landschaft auf eigene Gefahr. Ziel dieses Gesetzes ist es – wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 60 S. 3 BNatSchG ergibt – dass keine Haftung für typische, sich aus der Natur ergebende Gefahren bestehen soll. Dies erfasst den hier gegenständlichen Fall gerade nicht.

Zunächst fällt aus Sicht des Gerichts das Teichgrundstück nicht und den Begriff der „freien Landschaft“ im Sinne des § 60 BNatSchG. Ob eine Fläche zur freien Landschaft gehört, ist unter Berücksichtigung deren tatsächlichen Zustands sowie deren äußeren Erscheinungsbildes zu beurteilen (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 91. EL September 2019, § 59 BNatSchG, Rn. 5 – beck online – m. w. N.). Zur Abgrenzung der freien Landschaft von Siedlungsbereichen wird auf den Grad der Veränderung durch Menschenhand in Form von baulichen oder sonstigen künstlichen Anlagen abgestellt (vgl. Heß, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 53. Edition 01.01.2020, § 59 BNatSchG, Rn. 8 m. w. N.). Die gesamten, hier aufgeführten Baumaßnahmen am Teich und auf dem übrigen Gelände sprechen aus Sicht des Gerichts eindeutig dagegen, die Parkanlage als „freie Landschaft“ einzuordnen.

Darüber hinaus handelte es sich vorliegend nicht um eine typische, sich aus der Natur ergebende Gefahr. Eine Verantwortlichkeit soll nach § 60 BNatSchG für unvermutete, atypische Gefahren bestehen; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Eigentümer die Gefahrenquelle selbst schafft, etwa durch Bauwerke, Abgrabungen oder Absperrungen (vgl. Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 228. EL Januar 220, § 60 BNatSchG, Nr. 3 – beck online). Die Gefahr, die sich im Tode der drei Kinder realisiert hat, ergab sich nach der Überzeugung des Gerichts gerade nicht in erster Linie aus der natürlichen Gefährlichkeit eines Teiches sondern aus der durch die angeführten Baumaßnahmen verursachten erheblichen Gefahrerhöhung.

 (2) Beschilderung am 18.06.2016 nicht ausreichend

Im Hinblick auf die mehrfache, wesentliche Gefahrerhöhung war die am 18.06.2016 vorhandene Beschilderung des Teiches zur Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht nicht ausreichend. Insbesondere für Kinder war die im Vergleich zu natürlichen Teichen ganz wesentlich erhöhte Gefährlichkeit am Westufer des Teiches in O., Teichstraße, nicht in ausreichendem Maß erkennbar. Weder Form noch Farbe des Schildes lassen darauf schließen, dass dieses Schild vor einer erheblichen Gefahr warnt. Auch der Wortlaut des Schild-Textes vermittelt eher den Eindruck eines Haftungsausschlusses als einer konkreten Warnung. Das gilt erst recht im Hinblick auf eine für Kinder ausreichend erfass- und verstehbare Warnung vor den spezifischen Gefahren des Teiches im Bereich des westlichen Ufers. Gerade gegenüber Kindern ist der Verkehrssicherungspflichtige zu einem besonderen Schutz (auch durch wirksame Warnungen) verpflichtet, weil von diesem nicht wie bei Erwachsenen die Einsicht in die besonderen Gefahren einer Einrichtung erwartet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 – VI ZR 94/88 -, juris -, Rn. 14; siehe auch v. Bar JZ 1989, 251, 252).

 (3) Verkehrssicherungspflicht des Angeklagten

Als Bürgermeister der Stadt S. – der Eigentümerin des Teichgeländes – war der Angeklagte der Verkehrssicherungspflichtige. Er war mithin Überwachergarant für die durch den Teich eröffnete Gefahrenquelle.

Als Eigentümerin war die Stadt S. für die Abwehr der Gefahren verantwortlich, die von dem Grundstück ausgingen. Da sie als juristische Person jedoch strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte, entstand die Garantenstellung in der Person, die für die Stadt S. das Amt ausübte, mithin dem Bürgermeister. Bei einem Amtsträger – hier dem Bürgermeister – korrespondiert der durch die Sicherungspflichten erweiterte Verantwortungsbereich mit den durch die Organstellung begründeten Handlungsbefugnissen.

Seiner zivilrechtlichen und strafrechtlichen Handlungsverantwortlichkeit entsprechend hat der Bürgermeister weitgehende Befugnisse, die Verwaltung zu gestalten. Gemäß § 138 der hessischen Landesverfassung ist der Bürgermeister „Leiter der Gemeinden“, er ist der Dreh- und Angelpunkt der Kommunalpolitik (so beschrieben bei von Arnim, Der finanzielle Status hessischer Bürgermeister, Speyer, 2014, S. 12). Der Bürgermeister leitet als Behördenchef den Geschäftsgang der gesamten Verwaltung (§ 70 HGO) und ist Dienstvorgesetzter aller Gemeindebediensteten mit Ausnahme der Beigeordneten (§ 73 Abs. 2 S. 1 HGO). Der Bürgermeister muss rechtswidrigen Beschlüssen des Gemeindevorstands widersprechen und kann Beschlüssen, die dem Gemeinwohl zuwiderlaufen, ebenfalls widersprechen (§§ 63, 74 HGO). Ihm obliegt die Vorbereitung der Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung, also auch die Festsetzung der Tagesordnung. Eine Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung ist ohne Festsetzung in der Tagesordnung regelmäßig nicht möglich. Mit diesen Befugnissen korrespondiert es, dass der Bürgermeister auch strafrechtlich dafür verantwortlich ist, erforderliche Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung oder des Magistrats nicht herbeigeführt bzw. im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten erforderliche Maßnahmen selbst nicht ergriffen zu haben.

Der Angeklagte hat die den Teich betreffenden Verkehrssicherungspflichten nicht in strafrechtlich entlastender Weise an eine andere Person delegiert. Aus den Budgetierungsrichtlinien der Stadt S. ergibt sich zwar die Übertragung einer finanziellen Entscheidungsbefugnis an Ressourcenverantwortliche, eine Übertragung der Verkehrssicherungspflichten in der Form, dass der Angeklagte selbst durch die Richtlinien von der Sicherungspflicht entbunden worden ist, ist nach der Überzeugung des Gerichts nicht erfolgt. Grundsätzlich können Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden. Die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen verkürzen sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten; wer sie übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich, sofern die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2008 – VI ZR 126/07 = NJW 2008, 1449 m. w. N.). Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2008 – VI ZR 126/07 = NJW 2008, 1449). Im Hinblick auf die Budgetierungsrichtlinien fehlt es bereits an einer klaren und eindeutigen Übertragung der Verkehrssicherungspflichten. Nach dem Wortlaut der Richtlinien handelt es sich um eine Zuweisung von Finanzmitteln. Die übertragene Verantwortung gilt dem Budget und damit einem Teil der Finanzen der Stadt S. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich um eine Richtlinie auf der Grundlage der Gemeindehaushaltsverordnung handelt. Dass hier mehr als die eng umgrenzte Ausgabenverantwortlichkeit übertragen werden soll, ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Budgetierungsrichtlinien noch lässt es sich aus dem Text schließen.

 (4) Objektive Vorhersehbarkeit des Taterfolgs

Der Ursachenzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht und dem Tod der drei Kinder war objektiv vorhersehbar. Für den Angeklagten bestanden Anlass und Möglichkeit, die konkrete Gefahr, dass durch die fehlende Sicherung am Teich ein Kind oder gar mehrere Kinder zu Tode kommen, zu erkennen. Aufgrund der signifikanten Gefahrerhöhung in dem Gewässer war die Möglichkeit vorhersehbar, dass jemand, der am Westufer in das Wasser gerät, den Teich nicht aus eigener Kraft an diesem Ufer würde verlassen können und in eine Panikreaktion verfallen würde, bevor er den Teich überqueren und das Wasser an einer geeigneteren Stelle verlassen könnte, sowie, dass dies den Tod der Person zur Folge haben würde. Auch war vorhersehbar, dass insbesondere Kinder die am 18.06.2016 bestehende Beschilderung nicht als Hinweis auf eine mögliche Gefahr wahrnehmen und ihr im Vergleich zu einem Erwachsenen sorgloseres und kritikloseres Verhalten der Gefahr nicht anpassen würden. Hierbei war zu beachten, dass in dem Ort bekannt war, dass sich immer wieder Kinder an dem Teich zum Spielen aufhielten. Der Teich wurde über mehrere Generationen hinweg stets zum Schwimmen genutzt. Dies war ebenfalls allgemein bekannt.

 (5) Objektive Vermeidbarkeit des Taterfolgs

Das Gericht ist überzeugt, dass der Tod der drei Kinder durch weitergehende Sicherungsmaßnahmen hätte verhindert werden können. Hierbei genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Der Dritte ist dabei in der Regel nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (OLG Hamm, VersR 2003, 605). Bei Vorliegen einer atypischen Gefahr hängt der Umfang der Verkehrssicherungspflicht von der Größe der Gefahr, dem Grad ihrer Erkennbarkeit und den für ihre Vermeidung oder Überwindung bestehenden Möglichkeiten ab (OLG Hamm, I-9 U 81/10). Gegenüber Kindern ist der Verkehrssicherungspflichtige zu einem besonderen Schutz (auch durch wirksame Warnungen) verpflichtet, weil von diesem nicht wie bei Erwachsenen die Einsicht in die besonderen Gefahren einer Einrichtung erwartet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 – VI ZR 94/88 -, juris -, Rn. 14; siehe auch v. Bar JZ 1989, 251, 252).

Nach der Überzeugung des Gerichts hätten durch zahlreiche mögliche Maßnahmen die Tode der drei Kinder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können. Diese Maßnahmen könnten Rettungsleinen sein, die die Kinder in die Lage versetzt hätten, sich selbst an das Ufer zu retten. Auch andere Ausstiegshilfen am Westufer wären denkbar gewesen wie beispielsweise Griffe oder Schwimmelemente. Weiter gäbe es die Möglichkeit von Gittern, die im Uferbereich kurz unterhalb der Wasseroberfläche angebracht werden könnten und das Hineinfallen von Personen in den Teich verhindert hätten. Letztlich wäre auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, den Teich so weit aufzuschütten, dass zumindest die sich aus der Tiefe des Gewässers ergebende erhebliche Gefahr nicht mehr bestanden hätte. Auch eine ausreichende Beschilderung des Teichgeländes – etwa mit Hilfe eines Piktogrammes, wie es nach dem Tod der drei Kinder geschehen ist – wäre möglicherweise ausreichend gewesen, um den Tod der drei Kinder zu verhindern.

bb) Ursächlichkeit des Pflichtverstoßes für den Erfolgseintritt

Der Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht war auch konkret ursächlich für den Erfolgseintritt. Dies ist immer dann der Fall, wenn das rechtlich gebotene Tun nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele, d.h., wenn das gedachte Tun den Erfolg auch tatsächlich abgewendet hätte.

 (1) Kein alternativer Sachverhalt

Es bestehen keine konkreten Hinweise auf einen von den Feststellungen abweichenden Geschehensablauf, der unabhängig von der Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten zu dem Ertrinken der Kinder geführt haben könnte.

 (2) Nichtschwimmer

Auch kann die Tatsache, dass es sich zumindest bei dem Kind K3 um einen Nichtschwimmer gehandelt hat, nicht zu der Annahme führen, das Kind wäre vermutlich auch bei Umsetzung einer weitergehenden Sicherung des Teiches ertrunken. Vielmehr wäre das Kind K3 durch die angeführten weiteren Sicherungsmaßnahmen entweder davon abgehalten worden, überhaupt in den Teich zu gelangen, oder hätte angemessene Hilfsmittel gehabt, sich – zumindest mit Hilfe der Geschwister – in Sicherheit zu bringen. Allein die Möglichkeit, dass theoretisch ein Kind, das nicht schwimmen kann, auch in sehr niedrigem Wasser ertrinken kann, ist hier für den Ausschluss der Ursächlichkeit des Pflichtverstoßes für den Erfolgseintritt ohne weitere konkrete Anhaltspunkte nicht ausreichend.

 (3) Möglichkeit des Ignorierens der Sicherungen

Auch die bloß abstrakte Möglichkeit, dass die Kinder weitere Sicherungsmaßnahmen wie beispielsweise einen Zaun oder aussagekräftige Schilder ignoriert bzw. überwunden haben könnten, ist ohne weitere Anhaltspunkte nicht ausreichend, um den Ursächlichkeitszusammenhang infrage zu stellen.

cc) Zurechnungszusammenhang

Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Verkehrspflichtverletzung und dem Taterfolg wurde nicht unterbrochen.

 (1) Keine Eigenverantwortliche Selbstgefährdung

Der Zurechnungszusammenhang wurde nicht durch eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung der Kinder unterbrochen. Der Angeklagte durfte nicht darauf vertrauen, dass die Kinder in diesem Alter die von dem befestigten Teich ausgehenden Gefahren erkennen konnten. Vielmehr war damit zu rechnen, dass der Teich einen derartig großen Reiz auf die Kinder ausüben würde, dass die Kinder mögliche Sicherheitsbedenken hinter den Spaß zurückstellen würden, der mit dem Spielen am Teich einhergeht. Hinzu kommt, dass in dem trüben Wasser des Teiches die von der Ufergestaltung und der Tiefe des Wassers ausgehenden Gefahren nicht ausreichend erkennbar waren. Das Risiko, das von dem umgebauten Teich ausging, konnte durch die Kinder nicht überblickt werden. Selbst wenn man annimmt, dass sich sogar kleine Kinder eigenverantwortlich selbst gefährden können, war eine solche Entscheidung bzw. Abwägung den Kindern mangels Risikobewusstseins nicht möglich. Auch das grüne Schild, das an dem Teich aufgestellt war, musste eine ausreichende Alarmbereitschaft nicht wecken. Das Schild weist auf die spezifische Lebensgefährlichkeit des Hineingelangens in den Teich am hier fraglichen westlichen Ufer nicht einmal ansatzweise hin. Ohne Kenntnis wenigstens der wesentlichen, die Lebensgefährlichkeit des eigenen Verhaltens begründenden Umstände kommt eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung nicht in Betracht (vgl. BGHSt 61, 21, 26 f. Rn. 17 m.w.N.).

 (2) Aufsichtspflichtverletzung der Eltern

Auch wird der Zurechnungszusammenhang nicht durch die grobe Aufsichtspflichtverletzung der Mutter der drei Kinder unterbrochen. Die Aufsichtspflicht der Eltern soll die Kinder vor Gefahren schützen, die sich aus dem allgemeinen Lebensrisiko ergeben. Die hier durch die Baumaßnahmen am Teich hervorgerufenen Gefahren gehen jedoch weit über das allgemeine Lebensrisiko hinaus. Mit einer solchen Gefahr konnten und mussten die Eltern nicht rechnen, vielmehr durften die Eltern sich darauf verlassen, dass überdurchschnittlichem Risikopotenzial in der Gemeinde durch Sicherungsmaßnahmen begegnet wird.

dd) Entsprechungsklausel

Der Unrechtsgehalt des Unterlassens der Vornahme von Verkehrssicherungspflichten kommt dem eines aktiven Tuns auch im hier konkreten Fall derartig nah, dass in strafrechtlicher Hinsicht das Unterlassen der Vornahme einer rechtswidrigen Tathandlung entspricht.

2. Rechtswidrigkeit

Der Angeklagte handelte rechtswidrig, Rechtfertigungsgründe sind nicht erkennbar.

3. Schuld

Der Angeklagte handelte auch schuldhaft. Der Taterfolg war subjektiv vorhersehbar und vermeidbar.

a) Subjektive Vorhersehbarkeit des Taterfolgs

Für den Angeklagten, der das Teichgelände kannte, über die Umbaumaßnahmen im Bilde war und auch die Nutzung des Geländes als Freizeit- bzw. Parkgelände kannte – ebenso wie die bereits seit Generationen andauernde Nutzung des Teiches als Schwimmteich – war der hier gegenständliche Geschehensablauf auch nach seinen persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten vorhersehbar. Hierbei musste der Bürgermeister nicht selbst über alle Möglichkeiten zur Sicherung des Teiches Bescheid wissen, sondern war gehalten, sich in Zweifelsfällen fachkundiger Unterstützung zu bedienen.

b) Subjektive Vermeidbarkeit des Taterfolgs

Für den Angeklagten war auch nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen die Vornahme des erwarteten Verhaltens möglich und somit der Taterfolg auch subjektiv vermeidbar. Als Bürgermeister hätte er eine Entscheidung des jeweils zuständigen Gremiums über weitere Verkehrssicherungspflichten herbeiführen können. Hierbei wäre es von der konkreten Verkehrssicherungsmaßnahme und den damit verbundenen Kosten abhängig gewesen, ob der Bürgermeister die Maßnahme als Leiter der Verwaltung hätte alleine vornehmen können, ob er einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung (§ 9 Abs. 1 S .3 HGO) benötigt hätte oder ob ein Beschluss des Magistrats (§§ 9 Abs. 2 HGO) erforderlich gewesen wäre.

Es kann den Angeklagten nicht entlasten, dass die Bürger der Gemeinde und auch die entscheidenden Gremien nach seiner Auffassung weitere Sicherungsmaßnahmen abgelehnt hätten. Im Falle einer so erheblichen Gesundheitsgefahr steht die Verkehrssicherungspflicht des Bürgermeisters weit über seinem Interesse, in der Gemeinde nicht an Beliebtheit zu verlieren. So wäre der Bürgermeister selbst im Falle eines abschlägigen Beschlusses gefordert gewesen, im Rahmen seiner Möglichkeiten gegen den jeweiligen Beschluss vorzugehen oder weniger kostenintensive Maßnahmen direkt als Geschäft der laufenden Verwaltung vorzunehmen. Insbesondere hätte der Angeklagte eine von der Auffassung des Magistrats abweichende Meinung darlegen können (§ 59 S. 4 HGO) bzw. gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 HGO die Einberufung der Stadtverordnetenversammlung unter Angabe der zur Verhandlung stehenden Gegenstände verlangen können, wobei ihm ein eigenes Antragsrecht zugestanden hätte.

V.

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