LG Köln – Az.: 153 Ns 89/17 – Urteil vom 25.04.2018
Auf die Berufung des Angeklagten vom 24.11.2017 wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 24.11.2017 (Az: 716 Ds 171/17) im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die Tagessatzhöhe 10,- EUR beträgt.
Dem Angeklagten wird gestattet, die verhängte Geldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von je 20 EUR, fällig jeweils am 15. eines Monats, erstmals am 1. des auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats zu zahlen. Erfolgt eine Zahlung ganz oder teilweise nicht rechtzeitig, ist die jeweilige gesamte Reststrafe sofort fällig.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.
Angewendete Vorschriften: §§ 316 Abs. 1; 2; 42 StGB
Gründe
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 S. 1 StPO)
I.
Das Amtsgericht Köln – Strafrichter – hat den Angeklagten am 24.11.2017 (Az. 716 Ds 171/17) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25,- EUR verurteilt und ihm insoweit die Zahlung von Raten in Höhe von 100,- EUR monatlich bewilligt. Der Angeklagte hat hiergegen durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 24.11.2017 Berufung eingelegt und diese auf die Tagessatzhöhe sowie die Zahlungserleichterung beschränkt. Zugleich ist der Angeklagte am 24.11.2017 durch ein weiteres Urteil des Amtsgerichts Köln zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 25,- EUR verurteilt worden, ebenfalls bei Zahlung von Raten in Höhe von 100,- EUR monatlich. Die Berufung des Angeklagten hat Erfolg.
II.
Die Berufungshauptverhandlung hat zu folgenden Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten geführt: Der Angeklagte ist bereits seit längerer Zeit krankheitsbedingt arbeitslos. Er bezieht Grundsicherung nach dem SGB II (sog. „Hartz IV“). Neben dem Regelbedarf von derzeit 416,00 EUR (vgl. § 20 SGB II) werden ihm auch Leistungen zur Deckung weiterer Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vgl. § 22 SGB II) in Höhe von ca. 550,00 EUR gewährt, wobei letztere unmittelbar an den Vermieter des Angeklagten gezahlt werden.
III.
1. Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung auf die Tagessatzhöhe und die Zahlungserleichterung (vgl. BGH, Beschl. v. 30.11.1976 – 1 StR 319/76; Beschl. v. 25.04.2017 – 1 StR 147/17; RG, Urt. v. 30.05.1930 – I 531/30, jew. juris) sind die den Schuldspruch tragenden Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils in Rechtskraft erwachsen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 24.11.2017 (Az. 716 Ds 171/17) Bezug genommen.
2. Der Angeklagte hat sich hiernach wegen einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht, § 316 Abs. 1, 2 StGB.
IV.
Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:
1. Die in dem Strafbefehl vom 04.08.2017 festgesetzte Anzahl der Tagessätze ist in Rechtskraft erwachsen
2. Hinsichtlich der Tagessatzhöhe gilt Folgendes:
Auszugehen ist gem. § 40 Abs. 2 S. 2 StGB unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters regelmäßig von dem Nettoeinkommen, das dieser – zum Zeitpunkt der Entscheidung – durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Hierzu zählen Einkünfte jeglicher Art, mithin auch Sachbezüge, da diese ebenso wie Geldleistungen die Leistungsfähigkeit und den Lebenszuschnitt des Täters bestimmen (st. Rspr. und h.M., vgl. nur BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – 1 StR 147/17, juris; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 40 Rn. 7 m.w.N.). Dies gilt auch für Sachbezüge, die Empfänger von Sozialleistungen erhalten (OLG Köln, Beschl. v. 10.06.2011 – 1 RVs 96/11; Beschl. v. 17.06.2015 – 1 RVs 101/15; OLG Jena, Urt. v. 27.10.2017 – 1 OLG 161 Ss 53/17, jew. juris). Demnach wären die dem Angeklagten insgesamt gewährten Sozialleistungen nach dem SGB II in Höhe von ca. 966,- EUR als in der Regel maßgebliches Nettoeinkommen im Sinne von § 40 Abs. 2 S. 2 StGB anzusetzen, woraus sich wiederum eine Tagessatzhöhe von 32,20 EUR ergäbe.
Allerdings kann es bei Angeklagten, die von Bezügen am Rande des Existenzminimums leben, geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen und unter Beachtung der Notwendigkeit der Wahrung der Strafe als ernsthaft fühlbares Übel die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels der monatlichen, sich aus Geldzahlungen und etwaigen Sachmittelzuwendungen zusammensetzenden Bezüge festzusetzen. Denn nahe am Existenzminimum Lebende sind durch Auswirkungen der am Nettoeinkommensprinzip ausgerichteten Geldstrafe systembedingt härter betroffen als Normalverdienende, weil der auf die Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums hin ausgestaltete Leistungsumfang der Grundsicherung dem Leistungsbezieher lediglich einen sehr geringen finanziellen Spielraum lässt (OLG Jena, a.a.O.; Fischer, a.a.O., Rn. 11a, jew. m.w.N.). Bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe handelt es sich dabei um einen ermessensähnlich ausgestalteten Strafzumessungsakt, der sich einer schematischen Behandlung entzieht (BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – 1 StR 147/17; OLG Köln, Beschl. v. 22.01.2016 – 1 RVs 3/16; OLG Jena, a.a.O., jew. juris).
Unter Berücksichtigung dessen erachtet die Kammer für einen Empfänger von Grundsicherung im Grundsatz einen Tagessatz in Höhe von 10,- EUR als angemessen. Dies entspricht gerichtsbekannt auch der üblichen Praxis der kleinen Strafkammern beim Landgericht Köln und wird durch den zuständigen Revisionssenat beim OLG Köln regelmäßig nicht beanstandet (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 10.06.2011 – 1 RVs 96/11, juris).
Dem Angeklagten muss nämlich in jedem Fall das täglich zum Lebensbedarf Unerlässliche erhalten bleiben (OLG Köln, a.a.O.). Der Begriff des zum Lebensbedarf „Unerlässlichen“ entstammt dabei dem Recht der Sozialhilfe, § 26 Abs. 2 SGB XII. Er wird dort mit einem Bruchteil des jeweiligen Regelbedarfs nach der Anlage zu § 28 SGB XII bestimmt und kann mit einem Mittelwert von 75% hiervon angesetzt werden (OLG Köln, a.a.O.). Ausgehend von dem aktuellen Regelsatz in Höhe von 416,- EUR für die Bedarfsstufe 1 (= Regelbedarf für eine alleinstehende erwachsene Person, die in einer Wohnung lebt) errechnet sich ein Betrag von 312,- EUR, welcher dem Angeklagten monatlich jedenfalls verbleiben muss. Die Differenz zum Regelbedarf beträgt damit 104,- EUR monatlich bzw. 3,47 EUR täglich. Ein Tagessatz von 10,- EUR entspricht insoweit auch der Rechtsprechung derjenigen Oberlandesgerichte, von denen die Tagessatzhöhe nach dem Drei- bis Vierfachen des Differenzbetrags zwischen bezogener Leistung und Unerlässlichem berechnet wird (OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.02.2010 – 1 Ss 425/08, juris; OLG Stuttgart, Beschl. v. 05.03.1993 – 2 Ss 60/93, juris). Die Einbeziehung von Sachleistungen in diese Berechnung scheidet dabei aus Sicht der Kammer allerdings deswegen aus, weil der Angeklagte über die Verwendung dieser Mittel – soweit die Kosten seiner Wohnung in Rede stehen – jedenfalls faktisch nicht frei verfügen kann, ohne seine persönliche Existenz durch Obdachlosigkeit zu gefährden (vgl. auch OLG Celle, Beschl. v. 10.07.2007 – 32 Ss 95/07; OLG Jena, a.a.O.; a.A.: OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.05.2014 – 1 Ss 18/14, jew. juris).
Daneben sind dem Angeklagten gem. § 42 StGB Zahlungserleichterungen einzuräumen. Die tenorierte Ratenzahlung stellt dabei sicher, dass dem Angeklagten das für den Lebensbedarf Unerlässliche (s.o.) verbleibt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Angeklagte aufgrund zweier Verurteilungen vom gleichen Tage jeweils Geldstrafen zu zahlen hat, so dass im Rahmen des § 42 StGB die Gesamtbelastung in den Blick zu nehmen ist. Die festgesetzte Höhe von – jeweils – 20,- EUR führt insoweit zu fühlbaren finanziellen Einbußen, hält sich aus Sicht der Kammer aber im Rahmen des Zumutbaren (vgl. auch OLG Köln, a.a.O.: 35,- EUR; OLG Jena, a.a.O.: 40,- EUR).
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 3 StPO.