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Fahrverbot bei Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter

E-Scooter-Fahrerin erlebt teures Ende einer alkoholisierten Spritztour

Eine junge Frau hat wahrscheinlich nicht geahnt, dass ihre alkoholisierte E-Scooter-Fahrt durch Hamburg schwere juristische Konsequenzen haben würde. In einem aktuellen Fall hat das Amtsgericht Hamburg die Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt. Die Studentin, die nach einer Party betrunken einen E-Scooter fuhr, wurde von der Polizei kontrolliert und einer Blutalkoholkonzentration (BAK) unterzogen.

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Party-Nacht endet mit Polizeikontrolle

Die 1999 in Hamburg geborene Angeklagte ist weder vorbestraft noch sonst verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Dennoch führte ihr alkoholisierter Zustand während der Nutzung eines gemieteten Elektrokleinstfahrzeugs (E-Scooter) zu einer Konfrontation mit der Justiz. Bei der Kontrolle wurde eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,2 Promille festgestellt, was eindeutig auf ihre Fahruntauglichkeit hindeutet.

Geständnis und Berechnung der BAK

Die Angeklagte legte ein umfassendes und glaubhaftes Geständnis ab. Sie erklärte, auf einer Party etwa sechs Bier getrunken zu haben und anschließend gemeinsam mit einer Freundin mit dem E-Scooter unterwegs gewesen zu sein. Die Feststellung der BAK basiert auf den Angaben der Angeklagten, einem Gutachten des UKE und der Entnahmezeit. Das Gericht berechnete eine Tatzeit-BAK von mindestens 1,2 Promille.

Strafmaß und Bewertungsgrundlagen

Das Gericht setzte die Geldstrafe gemäß dem Strafrahmen des § 316 Abs. 2 StGB fest. Es wurden mildernde Umstände wie die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten, ihr Geständnis und die Tatsache, dass die Fahrt mit einem E-Scooter und nicht einem PKW unternommen wurde, berücksichtigt. Insgesamt wurde die Studentin zu 25 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt, wobei ihr gestattet wurde, die Geldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von 30 Euro zu zahlen. Zudem erhielt sie ein dreimonatiges Fahrverbot.

Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass das Fahren eines E-Scooters unter Alkoholeinfluss keinesfalls unterschätzt werden sollte, und dass die rechtlichen Konsequenzen für die Betroffenen schwerwiegend sein können.


Das vorliegende Urteil

AG Hamburg – Az.: 248a Cs 318/21 – Urteil vom 17.12.2021

Die Angeklagte wird wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt.

Ein Tagessatz wird auf € 10,- festgesetzt.

Der Angeklagten wird gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von € 30,-, beginnend am 15. des Monats nach Rechtskraft des Urteils, zu zahlen.

Diese Vergünstigung entfällt, wenn die Angeklagte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt.

Der Angeklagten wird das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr für die Dauer von 3 Monaten verboten.

Die Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewandte Vorschriften: §§ 316 Abs. 2, 42, 44 StGB.

Gründe

I.

Die Angeklagte wurde […] 1999 in Hamburg geboren. Sie studiert […].

Sie ist weder vorbestraft noch sonst bisher verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten.

Die Feststellungen zu I. folgen aus den Angaben der Angeklagten sowie der Verlesung des BZR und FAER jeweils vom 21.09.2021.

II.

Zur Sache hat das Gericht folgende Feststellungen getroffen:

Am 12.09.2021 gegen 03:55 Uhr befuhr die Angeklagte mit einem gemieteten Elektrokleinstfahrzeuge i. S. d. Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) (sog. E-Scooter) in Hamburg die […]straße, Höhe Hausnummer […].

Ihre BAK betrug dabei mindestens 1,2 ‰. Dass sie alkoholbedingt nicht mehr fahrtüchtig war, hätte sie wissen müssen.

III.

Fahrverbot bei Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter
(Symbolfoto: zsuriel1/123RF.COM)

Die Feststellungen zu II. folgen insbesondere aus den Angaben der Angeklagten, die sich umfassend glaubhaft geständig eingelassen hat. Ab 20 Uhr des Vortags sei sie auf einer Party gewesen und habe da ca. 6 Bier getrunken. Nachdem sie das letzte Bier getrunken habe, sei sie gegen 1/2 Uhr nachts mit einer Freundin aufgebrochen. Danach sei man noch ca. 2 h mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Am U-Bhf. […]str. habe man gemeinsam einen E-Scooter genommen. Sie selbst habe diesen gesteuert. Bei der […]straße […] sei sie von der Polizei angehalten worden.

Ein Lichtbild vom benutzten E-Scooter wurde in Augenschein genommen.

Die Feststellungen zur BAK folgen aus den Angaben der Angeklagten (die Tatzeit sei gegen 3:55 Uhr gewesen; das letzte Bier habe sie gegen 1/2 Uhr getrunken), dem Gutachten des UKE (BAK-Mittelwert: 1,04 ‰) und der Entnahmezeit von 5:44 Uhr. Daraus hat das Gericht unter Zugrundelegung einer Resorption, die spätestens zur Tatzeit abgeschlossen war, eine Tatzeit-BAK von mindestens 1,2 ‰ berechnet.

Angesichts der Höhe der BAK kann das Gericht zwar nicht sicher ausschließen, dass die Angeklagte noch glaubte fahrtüchtig zu sein; sie hätte es aufgrund ihres vorangegangenen Alkoholkonsums aber wissen müssen.

IV.

Das Gericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 316 Abs. 2 StGB entnommen.

Strafmildernd hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass die Angeklagte unbestraft ist, die Tat gestanden hat und die Tat „nur“ mit einem Elektrokleinstfahrzeug passiert ist, dessen Gefährlichkeit geringer ist gegenüber der eines PKW.

In der gebotenen Gesamtbetrachtung erachtet das Gericht eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.

Unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten (§ 40 Abs. 2 S. 1 StGB) hat das Gericht die Tagessatzhöhe mit € 10,- bestimmt.

V.

Das Gericht hat davon abgesehen, die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 69 StGB) und eine Sperre anzuordnen (§ 69a StGB) (dazu 1.). Ein Fahrverbot nach § 44 StGB war ausreichend (dazu 2.).

1. a) Nach § 69 Abs. 1 StGB entzieht das Gericht demjenigen die Fahrerlaubnis, der wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt wird, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

Die Frage, ob und unter welchen Umständen, eine Trunkenheitsfahrt mit einem Elektrokleinstfahrzeuge i. S. d. Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung Maßnahmen nach den §§ 69 f. StGB nach sich zieht, wird bisher noch unterschiedlich beantwortet (für Entziehung der Fahrerlaubnis z. B. BayObLG SVR 2020, 397; LG Flensburg, Beschluss vom 23.09.2021 – V Qs 42/21 (= BeckRS 2021, 35545); dagegen z. B. LG Halle, Beschluss vom 16.07.2020 – 3 Qs 81/20 (= BeckRS 2020, 18948); offen gelassen von BGH, Beschl. vom 02.03.2021 − 4 StR 366/20 (= NStZ 2021, 608)). Die Frage stellt sich erst seit dem Jahr 2019, als Elektrokleinstfahrzeuge erstmals für die deutschen Straßen zugelassen wurden (zur Entstehungsgeschichte der eKFV Huppertz NZV 2019, 387).

aa) § 69 StGB lässt die Entziehung der Fahrerlaubnis nur bei Kraftfahrzeugen zu. Für den Begriff des Kraftfahrzeugs ist nach (noch) herrschender Meinung allein die verkehrsrechtliche Legaldefinition des § 1 Abs. 2 StVG maßgeblich (Valerius, in: Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 69, Rn .44 m. w. N.; so auch zu Segways HansOLG, Beschluss vom 19.12.2016 – 1 Rev 76/16 (= NJOZ 2018, 249)). Danach sind Kraftfahrzeuge Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Elektrokleinstfahrzeuge nach der eKFV fallen aufgrund der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 eKFV hierunter (so auch BR-Drucksache 158/19, S. 31).

Elektrokleinstfahrzeuge deshalb aber automatisch auch als Kraftfahrzeuge i. S. d. §§ 69 f. StGB anzusehen, begegnet Bedenken.

bb) Die Gesetzgebungshistorie hilft nicht weiter. Angesichts der Probleme durch insbesondere Miet-E-Scooter (auf Bürgersteigen und Fahrradwegen kreuz und quer abgestellte E-Scooter; Plastikmüll durch die überschaubare Lebenszeit der Leih-E-Scooter und Akkus; fragwürdige Beschäftigungsverhältnisse der Anbieter mit den sog. Juicern), könnte man polemisch anmerken, dass der Verordnungsgeber sich anscheinend wenige Gedanken gemacht hat als er diese Fahrzeugart zugelassen hat. Zumindest die Hoffnungen, die der Verordnungsgeber gehegt hat, sind bisher noch nicht eingetreten (dazu https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/nachhaltige-mobilitaet/e-scooter#aktuelles-fazit-des-uba). Betreffend die Rechtsfolgen der Zulassung werden in den Gesetzgebungsmaterialien zur eKFV die §§ 69 f. StGB zumindest nicht erwähnt. Der inhaltlich nächste Bezug dazu ist folgender Passus:

„Die eKFV soll die allgemeinen Anforderungen festlegen, damit die Fahrzeuge zukünftig in einem entsprechenden fahrzeugtechnischen, verhaltens-, versicherungs- und fahrerlaubnisrechtlichen Rahmen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen können.“

(BR-Drucksache 158/19, S. 23)

Daraus vermag hiesiges Gericht nicht den Schluss ziehen, dass Elektrokleinstfahrzeuge pauschal dem Regime der §§ 69 f. StGB unterstellt werden sollten. Das Gericht ist vielmehr der Überzeugung, dass sich der Verordnungsgeber über die strafrechtliche Qualifizierung der Elektrokleinstfahrzeuge keine Gedanken gemacht hat.

cc) Bei Qualifizierung der Elektrokleinstfahrzeuge als Kraftfahrzeuge im strafrechtlichen Sinne werden diese insbesondere im Vergleich zu sog. Pedelecs (umgangssprachlich auch E-Bikes) unterschiedlich behandelt, obwohl das Gefährdungspotential ähnlich ist. In Umsetzung von Art. 1 Abs. 1 S. 2 lit. h) RL 2002/24/EG wurde in § 1 Abs. 3 StVG bestimmt, dass die darin legaldefinierten Pedelecs keine Kraftfahrzeuge sind. Tatsächlich sind sie Kraftfahrzeuge, gelten jedoch nach § 1 Abs. 3 StVG als Fahrräder (Huppertz, in: Münchener Kommentar zum StVR, 2016, § 1 StVG, Rn. 16; in diese Richtung auch Ternig, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 1 StVG, Rn. 4). Selbst der Gesetzgeber war vor Einführung des § 1 Abs. 3 StVG der Auffassung, dass Pedelecs mit Anfahr- oder Schiebehilfe, die eine Beschleunigung auf eine Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h, auch ohne gleichzeitiges Treten des Fahrers, ermöglichen, Kraftfahrzeuge sind. Deshalb hat er sie in § 1 Abs. 3 S. 2 StVG explizit vom Kraftfahrzeugbegriff ausgenommen (BT-Drs. 17/12856, S. 11). Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 15.10.2020 – 2 Rv 35 Ss 175/20) hat Pedelecs deshalb nicht als Kraftfahrzeuge im strafrechtlichen Sinne eingestuft.

dd) Auch der Sinn und Zweck der §§ 69 f. StGB spricht dagegen, auf Trunkenheitsfahrten mit Elektrokleinstfahrzeugen mit der Entziehung der Fahrerlaubnis und einer Sperrfrist zu reagieren. Als Maßregel der Besserung und Sicherung hat sie keinen Strafcharakter, sondern dient allein der Verkehrssicherheit (Fischer, 69. Auflage 2022, § 69, Rn. 2). Derjenige, der betrunken E-Scooter fährt, darf dies aber auch nach Entzug der Fahrerlaubnis weiterhin straffrei tun. Denn Elektrokleinstfahrzeuge sind nicht fahrerlaubnispflichtig, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 FeV. Nur ein Fahrverbot kann das E-Scooter fahren unterbinden, und das sogar strafbewehrt, § 21 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StVG.

Bei Maßnahmen nach den §§ 69 f. StGB ergibt sich auch eine Ungleichbehandlung zwischen betrunkenen E-Scooter-Fahrern, die über eine Fahrerlaubnis verfügen, und solchen, die gar keine haben. Gegen letztere kann zwar eine Sperrfrist angeordnet werden, § 69a Abs. 1 S. 3 StGB. Da E-Scooter jedoch mehr in Städten als auf dem Land genutzt werden und in urbanen Milieus die Entwicklung dahingeht, dass insbesondere jüngere Leute bewusst keinen Führerschein machen, trifft die Sperrfrist diese Tätergruppe gar nicht. Ein Fahrverbot würde auch diese Gruppe treffen, da sie dann strafbewehrt nicht E-Scooter fahren dürften.

ee) Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es neben dem Fahrverbot hier auch die Fahrerlaubnis hätte entziehen können. Denn bei Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern schließen sich § 44 StGB und § 69 StGB ausnahmsweise nicht gegenseitig aus. Denn nur mit dem Fahrverbot kann auch das Führen eines E-Scooters als fahrerlaubnisfreies Fahrzeug untersagt werden (BayObLG SVR 2020, 397, 398; Kinzig, in: Schönke/Schröder, 30. Auflage 2019, § 44, Rn. 2), dies immer vorausgesetzt E-Scooter sind überhaupt Kraftfahrzeuge im strafrechtlichen Sinne.

b) Das Gericht muss die Frage, ob der strafrechtliche Kraftfahrzeugbegriff dem des StVG auch noch in Zeiten folgt, in denen maschinenbetriebene Fahrzeugarten auf deutschen Straßen unterwegs sind, an die der historische Gesetzgeber noch nicht gedacht hat, nicht beantworten.

Denn zumindest im vorliegenden Fall greift nicht die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Danach ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn die rechtswidrige Tat in den Fällen des § 69 Abs. 1 StGB ein Vergehen der Trunkenheit im Verkehr (§ 316) ist. Diese Regelvermutung ist nur dann widerlegt, wenn die Tat Ausnahmecharakter in Hinblick auf die Frage mangelnder Eignung hat. Sie muss sich hinsichtlich Gewicht, Anlass, Motivation oder sonstiger Umstände vom Durchschnittsfall deutlich abheben (Fischer, 69. Auflage 2022, § 69 Rn. 22).

aa) Nach Ansicht des Gerichts weichen Trunkenheitsfahrten mit Elektrokleinstfahrzeugen regelhaft vom Durchschnittsfall des § 316 StGB ab. Nur in Ausnahmefällen sollte deshalb die Fahrerlaubnis entzogen werden.

Dies folgt insbesondere aus einer zumindest vergleichbaren Gefährlichkeit zwischen Elektrokleinstfahrzeugen und Pedelecs sowie Fahrrädern. Die Gefährlichkeit bestimmt sich nach Ansicht des Gerichts insbesondere anhand von zwei Faktoren: Geschwindigkeit und Gewicht.

Elektrokleinstfahrzeugen erreichen nicht die Höchstgeschwindigkeit von Fahrrädern. Denn die Höchstgeschwindigkeit ersterer beträgt 20 km/h, § 1 Abs. 1 eKFV. Hingegen dürfen Pedelecs beim unterstützten Fahren eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreichen, beim nicht-unterstützten Fahren sind sie nicht gedrosselt. Auch beim „klassischen“ Fahrrad sind Geschwindigkeiten um die 20 km/h kein Problem; oftmals wird bei entsprechendem Trainingsstand und Radtyp (insbes. Rennräder) sogar schneller gefahren.

Pedelecs wiegen üblicherweise sogar mehr als Elektrokleinstfahrzeuge. Auf dem Markt erhältliche Elektrokleinstfahrzeuge habe ein Gewicht zwischen 11,4 bis 19,6 kg (so die vom ADAC im Juni 2020 getesteten Modelle, https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/tests/elektromobilitaet/e-scooter-test/alle-testergebnisse/). Demgegenüber wiegen Pedelecs sogar zwischen 13,7 bis 21,3 kg (so die vom ADAC im November 2020 getesteten Modelle, https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/tests/fahrrad/urban-e-bikes/). Fahrräder wiegen typischerweise deutlich weniger, da bei ihnen die Batterie – ein Grund für das höhere Gewicht von Pedelecs – wegfällt.

Das Gericht verkennt nicht, dass beim Elektrokleinstfahrzeug nur ein Abtreten mit dem Fuß nötig ist, damit der Motor anspringt; danach kann mit Motorkraft beliebig beschleunigt werden. Der Fahrer muss sonst keine Körperkraft mehr aufwenden, um das Elektrokleinstfahrzeug zu beschleunigen. Anders sieht das bei Pedelecs aus; bei diesen unterstützt der Motor nur. Daraus vermag das Gericht aber nicht den Schluss ziehen, dass Betrunkene eher in der Lage sind, mit einem Elektrokleinstfahrzeug als einem Pedelec oder Fahrrad zu fahren. Elektrokleinstfahrzeuge animieren Betrunkene nicht mehr, darauf zu fahren, als es Pedelecs oder Fahrräder tun. Denn das Gericht hat schon zahlreiche Fälle bearbeitet, in denen Täter unter erheblichem Alkoholeinfluss Fahrrad gefahren sind, ohne alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gezeigt zu haben. Auch muss beim Elektrokleinstfahrzeug ebenso wie beim Pedelec und Fahrrad das Gleichgewicht gehalten werden.

Die Vergleichbarkeit von E-Scootern mit Pedelecs und Fahrräder sah auch der Verordnungsgeber. In der Begründung zur eKFV hat er festgehalten:

„Die Fahreigenschaften sowie die Verkehrswahrnehmung von Elektrokleinstfahrzeugen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 12 km/h ähneln am stärksten denen des Fahrrads bzw. des Pedelecs (Fahrrad mit einer elektromotorischen Trethilfe).“

(BR-Drucksache 158/19, S. 33)

bb) Aus folgenden Gründen war hier im konkreten Fall in Abweichung von der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht die Fahrerlaubnis zu entziehen:

Die Angeklagte ist weder vorbestraft noch sonst wie verkehrsrechtlich vorbelastet. Sie ist mit dem E-Scooter zwar eine Strecke von um die 1,3 km gefahren, jedoch in der Nacht von Samstag auf Sonntag, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Straßen üblicherweise recht leer sind. Dass sie bloß fahrlässig gehandelt hat, spricht für sie. Die Vorsatzform bewertet das Gericht jedoch generell nicht als allzu gewichtigen Umstand. Denn die fahrlässige Trunkenheitsfahrt (§ 316 Abs. 2 StGB) hat denselben Strafrahmen wie die vorsätzliche (§ 316 Abs. 1 StGB).

2. Allerdings hat sich das Gericht dafür entschieden, ein Fahrverbot anzuordnen nach § 44 StGB. Ob ein Elektrokleinstfahrzeug ein Kraftfahrzeug i. S. d. StGB ist, musste auch hier nicht entschieden werden. Denn das Fahrverbot war hier sowohl nach S. 1 (Kraftfahrzeuge) als auch nach S. 2 (soweit man Elektrokleinstfahrzeuge nicht als Kraftfahrzeuge einstuft) möglich. Aufgrund des Unterbleibens von Maßnahmen nach den §§ 69 f. StGB hatte das Fahrverbot regelhaft zu erfolgen, § 44 Abs. 1 S. 3 StGB.

Auch wenn Trunkenheitsfahrten mit Elektrokleinstfahrzeugen nicht ebenso gefährlich sind wie Trunkenheitsfahrten mit PKWs, besteht dennoch ein nicht unerhebliches Risiko dabei. Ebenso wie bei alkoholbedingten Fahrradunfällen können auch bei Unfällen unter Mitwirkung von Elektrokleinstfahrzeugen andere Verkehrsteilnehmer (insbes. Fußgänger oder Fahrradfahrer) erheblich geschädigt werden. Eine Fahrverbotsdauer von 3 Monaten war ausreichend, aber auch erforderlich.

Selbst wenn E-Scooter keine Kraftfahrzeuge i. S. d. StGB sind, wäre ein Fahrverbot geboten. Denn durch eine Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter tritt eine Sorglosigkeit im Straßenverkehr hervor, auf die mit einem Fahrverbot reagiert zu werden hat.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.

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