E-Scooter und Alkohol: Fahrverbot statt Fahrerlaubnisentzug
In einer jüngsten Entscheidung hat das AG Heidelberg in einem Fall, der sich um fahrlässige Trunkenheit im Verkehr drehte, ein bemerkenswertes Urteil gefällt. Der Fall drehte sich um einen jungen Studenten, der sich nach einer nächtlichen Fahrt auf einem E-Scooter mit zu viel Alkohol im Blut vor Gericht verantworten musste. Trotz des ernsten Hintergrunds führt dieser Fall zu wichtigen Überlegungen zur Regulierung von E-Scootern und der Verantwortung ihrer Nutzer.
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Keine Entziehung der Fahrerlaubnis trotz Trunkenheit
Der betroffene Student, der sich über Unterhaltszahlungen seiner Eltern finanziert, wurde wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt. Als Strafe wurde er zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Außerdem wurde ihm für die Dauer von vier Monaten untersagt, jegliche Art von Fahrzeugen zu führen.
Eine Frage der Geeignetheit und der Gefährlichkeit
Interessant an diesem Fall ist, dass das Gericht trotz des Vorliegens eines Regelfalls nach § 69 Abs.2 StGB die Fahrerlaubnis nicht entzogen hat. Der Grund hierfür liegt in der Betrachtung der konkreten Umstände. Trotz seiner Fahrt im betrunkenen Zustand wurde der Angeklagte nicht als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs erachtet. Dieser Einschätzung liegt die Annahme zugrunde, dass aus der Benutzung eines E-Scooters im betrunkenen Zustand nicht generell auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden kann.
E-Scooter im rechtlichen Graubereich
Die Rechtsprechung zu E-Scootern ist noch nicht eindeutig geklärt, da diese Fahrzeuge eine neuartige Herausforderung darstellen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftfahrzeugen stellen E-Scooter aufgrund ihrer geringeren Gefährlichkeit eine Art rechtlichen Graubereich dar. In diesem Fall wird der E-Scooter dem Fahrrad nähergestellt, was dazu führt, dass das sonst geltende Regelausnahmeverhältnis außer Funktion gesetzt wird.
Individuelle Betrachtung des Täters und der Umstände
Ein weiterer zentraler Punkt in der Entscheidung des Gerichts war die individuelle Betrachtung des Täters und der Umstände der Tat. Neben der Einbeziehung des konkreten Tathergangs wurde insbesondere die Täterpersönlichkeit berücksichtigt. Da das Vorstrafenregister des Angeklagten leer war und er ein Geständnis ablegte, wurde er nicht als grundsätzlich ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs bewertet.
Dieses Urteil zeigt die Komplexität der rechtlichen Herausforderungen, die mit der Nutzung neuer Verkehrsmittel wie E-Scootern verbunden sind. Es unterstreicht auch die Wichtigkeit einer individuellen Betrachtung der Täter und der Umstände der Tat bei der Urteilsfindung.
Die Implikationen für die Zukunft
Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte zukünftig mit ähnlichen Fällen umgehen werden. Dieses Urteil könnte Präzedenz schaffen und so dazu beitragen, dass bei Fällen von fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr mit E-Scootern in Zukunft mehr Augenmerk auf den individuellen Kontext und weniger auf die generelle Gefährlichkeit des geführten Fahrzeugs gelegt wird. Gleichzeitig wirft es Fragen auf, wie die Regulierung von E-Scootern und ähnlichen Verkehrsmitteln weiterentwickelt werden sollte, um sowohl die Sicherheit im Verkehr als auch die Rechte der Nutzer zu gewährleisten.
Eines ist jedoch sicher: Die Verantwortung der Nutzer solcher Fahrzeuge kann und darf nicht unter den Tisch fallen gelassen werden, und Fahrlässigkeit, insbesondere in Kombination mit Alkohol, muss stets angemessen bestraft werden. Denn obwohl ein E-Scooter weniger gefährlich ist als ein Auto, birgt seine Benutzung im betrunkenen Zustand immer noch erhebliche Risiken – für den Fahrer selbst, aber auch für andere Verkehrsteilnehmer.
Das vorliegende Urteil
AG Heidelberg – Az.: 11 Cs 560 Js 15453/21 – Urteil vom 20.10.2021
Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt.
Dem Angeklagten wird für die Dauer von 4 Monaten verboten, Fahrzeuge aller Art zu führen. Die Zeit in der sich der Führerschein bei den Akten befunden hat, wird auf das Fahrverbot angerechnet.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: § 316 Abs. 1 , 44 StGB
Gründe
(abgekürzt nach § 267 IV StPO)
I.
Der Angeklagte studiert Ökonomie im 6. Fachsemester. Seinen Lebensunterhalt finanziert er durch Unterhaltszahlungen seiner Eltern
Der Bundeszentralregisterauszug und der Fahreignungsregisterauszug enthalten keine Eintragung.
II.
Wegen des Sachverhalts und der rechtlichen Würdigung wird auf den Strafbefehl vom 26.07.2021 verwiesen.
Der Angeklagte war geständig.
III.
Ausgehend vom Strafrahmen des § 316 Abs.1 StGB, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vorsieht, hat das Gericht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass sein Bundeszentralregisterauszug keine Eintragung enthält und er vollumfänglich geständig war.
Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgesichtspunkte erschien eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 € tat- und schuldangemessen.
Die Tagessatzhöhe entspricht den Einkommensverhältnissen des Angeklagten.
Obwohl ein Regelfall des § 69 Abs.2 StGB vorliegt, hat das Gericht die Fahrerlaubnis nicht entzogen, da der Angeklagte nicht ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist. Wie auch beim Leichtmofa, kann aus dem Führen eines E-Scooters in fahruntüchtigem Zustand nicht generell auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden. Die bei der Beurteilung der Ungeeignetheit des Kraftfahrzeugführers für die Anwendung des § 69 StGB im Vordergrund stehende Gefährlichkeit des geführten Kraftfahrzeugs greift beim Benutzen eines E-Scooters nicht durch, weil dieser dem Fahrrad nähersteht und deswegen das gesetzlich vorgesehene Regelausnahmeverhältnis insoweit außer Funktion gesetzt wird (LG Oldenburg DAR 1990, 72).
Es muss bei den Führern solcher Fahrzeuge auch bei der sogenannten Regelnorm des § 69 Abs.2 StGB zusätzlich noch Tathergang und insbesondere Täterpersönlichkeit geprüft werden und unter Berücksichtigung der gesetzlich bereits vorgenommenen Prognose festgestellt werden, ob der Täter nach den Gesamtumständen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist (OLG Nürnberg NZV 2007,642)
Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte das Fahrzeug über eine kurze Strecke von ca. 2 km gegen 4.30 Uhr morgens geführt, als kaum ein Fußgänger unterwegs war, sodass die Gefährdung anderer gering war.
Der Angeklagte ist zudem bisher weder im Straßenverkehr noch strafrechtlich negativ aufgefallen. Er war auch durch die Gerichtsverhandlung stark beeindruckt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass er keine solche Tat mehr begehen wird und deshalb nicht ungeeignet ist zum Führen von Kraftfahrzeugen. Zudem wurde als Warnungs- und Besinnungsstrafe ein Fahrverbot von 4 Monaten verhängt (§ 44 StGB), was in diesem Fall völlig ausreichend erscheint um weitere Taten dieser Art zu verhindern.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.