LG Dortmund – Az.: 35 Qs 3/20 – Beschluss vom 07.02.2020
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 21.01.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 17.01.2020 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschuldigten insoweit werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Dortmund führt gegen die Beschuldige ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der jedenfalls fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB.
Ihr wird vorgeworfen am 07.12.2019 gegen 01:37 Uhr einen E-Roller im Bereich der R-Straße in der G1 Innenstadt in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand (Blutalkoholkonzentration 1,86 ‰) geführt zu haben. Nach dem bisherigen Stand der Ermittlung soll die Beschuldigte nach einer Fahrstrecke von einigen Metern bzw. 2,5m gestürzt sein, wobei sie sich am Kinn verletzte.
Die aufnehmenden Polizeibeamten PK T1, PK’in H1, und KA’in M1 beschlagnahmten noch vor Ort den Führerschein der Beschuldigten: Hiergegen legte deren Verteidigerin unter dem 09.12.2019 Widerspruch ein.
Mit Antragsschrift vom 19.12.2019 beantragte die Staatsanwaltschaft Dortmund bei dem Amtsgericht Dortmund – Ermittlungsrichter -, der Beschuldigten gemäß § 111a Abs. 1 StPO vorläufig die Fahrerlaubnis zu entziehen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht Dortmund mit Beschluss 17.01.2020 zurück, wobei es zur Begründung im Wesentlichen ausführte, dass keine dringenden Gründe dafür vorlägen, dass das Gericht der Hauptsache der Beschuldigten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB entziehen werde.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 21.01.2020, mit der sie den o.g. Antrag weiterverfolgt. Das Amtsgericht Dortmund hat der Beschwerde unter dem 24.01.2020 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis zurecht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zurückgewiesen.
Zwar besteht gegen die Beschuldigte dringender Tatverdacht wegen jedenfalls fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr i.S.d. § 316 StGB, die Voraussetzungen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a Abs. 1 StPO liegen indes nicht vor. Hiernach kann das Gericht dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, wenn dringende Gründe dafür vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird, § 69 StGB. Dringende Gründe in diesem Sinne liegen vor, wenn die endgültige Entziehung in hohem Maße wahrscheinlich ist (KK-StPO/Bruns, 8. Aufl. 2019, § 111a Rn. 3b).
Hieran fehlt es vorliegend. Zwar ist bei der in § 69 Abs. 2 StGB genannten Straftat des § 316 StGB in der Regel von der Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, die hierin zum Ausdruck kommende Regelvermutung kann indes widerlegt werden. Dies setzt die positive Feststellung von Anhaltspunkten dafür voraus, dass ein Ausnahmefall gegeben ist und die Tat Ausnahmecharakter im Hinblick auf die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hat (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019 § 69 Rn. 22). Eine Ausnahme wegen in der Tat liegender Umstände setzt voraus, dass diese sich hinsichtlich Gewicht, Anlass, Motivation oder sonstiger Umstände vom Durchschnittsfall deutlich abhebt (Fischer, a.a.O., § 69 Rn, 26). Anhaltspunkte für solche Umstände liegen hier vor. Wesentlicher Gesichtspunkt ist, dass die von der Beschuldigten zurückgelegte Fahrtstrecke nur einige Meter bzw. 2,5m (jeweilige Einlassung der Beschuldigten) betragen haben soll. Zwar ist diese kurze Fahrtstrecke mit dem Sturz der Beschuldigten zu erklären, hierbei ist jedoch zu bedenken, dass der E-Roller nicht beschädigt wurde und die Beschuldigte eine nur geringfügige Verletzung erlitten hat. Gleichwohl hat sie trotz der objektiv bestehenden Möglichkeit der Weiterfahrt hiervon Abstand genommen und die Fahrt nicht fortgesetzt. Dies ist nach derzeitigem Aktenstand nicht ausschließbar darauf zurückzuführen, dass die Beschuldigte erkannt hat, alkoholbedingt nicht (einmal) zum Führen eines E-Rollers in der Lage gewesen zu sein und deshalb von der Weiterfahrt abgesehen hat. Dies kann positive Rückschlüsse auf die charakterliche Eignung der Beschuldigten zum Führen von Kraftfahrzeugen zulassen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beschädigte lediglich einen E-Roller geführt haben soll, wobei diese üblicherweise nicht schneller als 20 km/h fahren und ein geringes Gewicht aufweisen. Schließlich i st die Hemmschwelle, ein Elektrokleinstfahrzeug wie einen E-Roller trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit zu führen, als niedriger einzuordnen, als beispielsweise diejenige beim Führen eines PKWs in einem solchen Zustand.
Genannte Umstände lassen es jedenfalls als möglich erscheinen, dass das zur Entscheidung berufene Tatgericht im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung einen Ausnahmefall im o.g. Sinne feststellen wird. Dies steht der Annahme einer hohen Wahrscheinlichkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis i.S.d. § 111a Abs. 1 StPO entgegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S.1, Abs. 2 S. 1 StPO.