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Falsche Verdächtigung – Strafbarkeit bei wertender Betrachtung von Tatsachen

Falsche Verdächtigung oder bloße Meinungsäußerung? OLG Hamm klärt auf

Ein kürzlich ergangener Beschluss des OLG Hamm hat die Grenzen zwischen falscher Verdächtigung und Meinungsäußerung beleuchtet. Dabei ging es um einen Fall, in dem ein Bruder behauptete, sein Geschwister habe ein Millionenvermögen unrechtmäßig verschoben und veruntreut.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: III-3 Ws 399/19 >>>

Hintergrund des Falles

Der Antragsteller warf dem Beschuldigten vor, in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft Bielefeld behauptet zu haben, dass er, der Antragsteller, ein Millionenvermögen unrechtmäßig an sich gerissen und veruntreut habe. Zudem wurde ihm vorgeworfen, vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt und seinen Eltern Hausverbot auf dem ehemaligen Firmengelände erteilt zu haben. Aufgrund dieser Vorwürfe erstattete der Antragsteller Strafanzeige, insbesondere wegen falscher Verdächtigung und Ehrdelikten.

Entscheidung der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten ein und verwies den Antragsteller auf den Privatklageweg. Der Antragsteller legte gegen diesen Bescheid Beschwerde ein, die jedoch von der Generalstaatsanwältin in Hamm zurückgewiesen wurde. Daraufhin wandte sich der Antragsteller mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das OLG Hamm.

Bewertung des OLG Hamm

Das OLG Hamm kam zu dem Schluss, dass die vom Beschuldigten getätigten Äußerungen den Tatbestand der falschen Verdächtigung nicht erfüllen. Der Grund: Der Beschuldigte hat den Antragsteller nicht einer rechtswidrigen Tat verdächtigt. Eine Verdächtigung im juristischen Sinne liegt nur vor, wenn die Behauptungen objektiv einen Verdacht hervorrufen oder verstärken. Das war hier nicht der Fall. Die Äußerungen des Beschuldigten waren eher wertende Beurteilungen und rechtliche Einschätzungen als konkrete Tatsachenbehauptungen.

Rechtliche Bewertung und Kostenentscheidung

Obwohl die Äußerungen des Beschuldigten möglicherweise die persönliche Ehre des Antragstellers verletzen könnten, war es nicht Aufgabe des Senats, darüber zu entscheiden. Der Antragsteller kann diese Straftaten im Wege der Privatklage verfolgen. Die Kostenentscheidung basierte auf der Tatsache, dass der Senat sowohl über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als auch über die Sache selbst entschieden hat.

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Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: III-3 Ws 399/19 – Beschluss vom 13.02.2020

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller behauptet, der Beschuldigte habe sich in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft Bielefeld u. a. wie folgt geäußert:

„… Mein Bruder hat nämlich ein Millionenvermögen sich übertragen lassen und nach Auffassung meiner Eltern inzwischen veruntreut und illegal verschoben, nur um seine Eltern um ihre Ansprüch zu prellen. Seit Jahren erfüllt er nicht nur seine vertraglichen Verpflichtungen in Höhe mehrerer hunderttausend Euro nicht, sondern hat auch noch seinen Eltern sogar für das ehemalige Firmengelände „Hausverbot“ erteilt. … “

Deshalb erstattete er mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 2. Mai 2018 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld insbesondere unter dem Gesichtspunkt der falschen Verdächtigung sowie sämtlicher in Betracht kommender Ehrdelikte.

Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten mit Bescheid vom 22. März 2019 gem. § 170 Abs. 2 StPO ein und verwies den Antragsteller wegen eines in Betracht kommenden Beleidigungsdelikts auf den Privatklageweg. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Antragstellers vom 8. Mai 2019 hat die Generalstaatsanwältin in Hamm mit Bescheid vom 30. Juli 2019 zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27. August 2019, mit dem er beantragt, die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten anzuordnen. Die Generalstaatsanwältin hat beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen.

II.

Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 172 Abs. 2 StPO ist unbegründet.

1.

Die Äußerung,

„… Mein Bruder hat nämlich ein Millionenvermögen sich übertragen lassen und nach Auffassung meiner Eltern inzwischen veruntreut und illegal verschoben, nur um seine Eltern um ihre Ansprüch zu prellen. Seit Jahren erfüllt er nicht nur seine vertraglichen Verpflichtungen in Höhe mehrerer hunderttausend Euro nicht, sondern hat auch noch seinen Eltern sogar für das ehemalige Firmengelände „Hausverbot“ erteilt. … “

erfüllt den Tatbestand der falschen Verdächtigung gem. § 164 Abs. 1 StGB nicht. Denn der Beschuldigte hat den Antragsteller damit keiner rechtswidrigen Tat verdächtigt.

„Verdächtigen“ im Sinne des § 164 Abs. 1 StGB ist das Hervorrufen, Verstärken oder Umlenken eines Verdachts durch das Behaupten von Tatsachen, die im konkreten Fall geeignet sind, einen in Wahrheit Unschuldigen der Gefahr behördlichen Einschreitens auszusetzen (Fischer, § 164, Rn 3). Denn für behördliche Verfahren und andere behördliche Maßnahmen genügen keine Vermutungen, Werturteile oder Schlussfolgerungen. Gem. § 152 Abs. 2 StPO können allein „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ ein strafprozessuales Ermittlungsverfahren auslösen. Eine Verdächtigung im Sinne von § 164 Abs. 1 StGB liegt deshalb nur vor, wenn das gesamte tatsächliche Vorbringen des Täters nicht nur nach seiner persönlichen Auffassung, sondern nach objektiv-richtiger Würdigung einen Verdacht hervorruft oder verstärkt (Ruß, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2009, § 164, Rn. 7 m. w. N.).

Dies war hier nicht der Fall. Denn in tatsächlicher Hinsicht erschöpft sich die dem Beschuldigten vorgeworfene Äußerung in der Mitteilung, der Antragsteller habe sich ein Millionenvermögen übertragen lassen. Davon ist bereits die Staatsanwaltschaft Bielefeld in ihrem Einstellungsbescheid vom 22. März 2019 zutreffend ausgegangen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird mit der Äußerung auch nicht behauptet, der Antragsteller habe sich das Millionenvermögen von P oder P1 übertragen lassen; vielmehr wird die Herkunft des Vermögens offengelassen.

Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Entscheidend ist, dass die Äußerung weitere Tatsachenbehauptungen nicht enthält.

Die Erklärung, der Antragsteller habe das Millionenvermögen „veruntreut“, enthält keine Tatsachenangaben, sondern ist das Ergebnis der wertenden Beurteilung eines von dem Beschuldigten gerade nicht mitgeteilten tatsächlichen Geschehens. Selbst wenn man – mit dem Antragsteller – dem Wort „veruntreut“ die konkludente Behauptung entnehmen wollte, der Antragsteller habe eine Vermögensbetreuungspflicht gehabt, handelt es sich auch dabei erneut nicht um eine Tatsachenbehauptung. Denn ob eine Vermögensbetreuungspflicht besteht, ist ebenfalls das Ergebnis wertender Betrachtung von Tatsachen, die die Äußerung gerade nicht enthält.

Auch die Angabe, der Antragsteller habe das Vermögen „illegal verschoben“, enthält schon keine im Sinne des § 164 Abs. 1 StGB erheblichen Tatsachen. Der Begriff des „Verschiebens“ mag – so scheint es jedenfalls der Antragsteller zu sehen – insinuieren, das Vermögen sei „nicht mehr da“ oder „nicht mehr vorhanden“. Die tatsächlichen Informationen über den Verbleib des Vermögens (Ist das Geld ausgegeben? Ist das Geld auf eine andere Person übertragen? Ist das Geld lediglich dem Zugriff bestimmter Gläubiger entzogen? Ist bestimmten Personen – Gläubigern, dem Fiskus, der Justiz… – unbekannt, wo das Geld geblieben ist, obwohl es vielleicht „noch da“ ist?) sind indes derart unkonkret, dass die Behauptung, das Geld sei verschoben worden, keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung bietet.

Hinsichtlich des Prädikats „illegal“ gilt nichts anderes als bezüglich der Angabe „veruntreut“. Auch hierbei handelt es sich um das Ergebnis einer wertenden Betrachtung von Tatsachen, die dem Leser der inkriminierten Äußerung gerade vorenthalten bleiben.

Schließlich handelt es sich auch bei den Äußerungen, er habe das Vermögen veruntreut und verschoben, „nur um seine Eltern um ihre Ansprüche zu prellen“; „Seit Jahren erfüllt er nicht nur seine vertraglichen Verpflichtungen in Höhe mehrerer hundertausend Euro nicht“ gerade nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um erneut um rechtliche Bewertungen, um die – wie der Antragsteller selbst vorträgt – seit Jahren rechtliche Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten geführt werden. Gerade weil es sich auch insoweit lediglich um das Ergebnis einer rechtlichen Einschätzung handelt, ohne die zugrunde liegenden Tatsachen zu offenbaren, waren auch diese Äußerungen von vornherein nicht geeignet, den Antragsteller dem tatsächlichen Verdacht einer strafbaren Handlung auszusetzen.

Unerheblich ist, dass den Äußerungen des Beschuldigte der Vorwurf zu entnehmen sein mag, der Antragsteller habe – zumindest aus Sicht des Beschuldigten – bestimmte Straftatbestände erfüllt. Entscheidend ist vielmehr, dass Tatsachen, aus denen sich ein entsprechender Verdacht objektiv ableiten ließe, vom Beschuldigten nicht behauptet worden sind. Aus der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshof ergibt sich nichts anderes.

2.

Ob die betreffenden Äußerungen gleichwohl geeignet sind, die persönliche Ehre des Antragstellers zu verletzen und gem. §§ 185ff. strafbar sind, hat der Senat nicht zu entscheiden. Insoweit ist das Klageerzwingungsverfahren gem. § 172 Abs. 2 Satz 3 unzulässig, da der Antragsteller diese Straftaten gem. § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO im Wege der Privatklage verfolgen kann.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 177 StPO, da der Senat auch in der Sache über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung entschieden hat. Anlass für eine Nichterhebung oder Herabsetzung der Gebühr von 70 EUR bestand nicht.

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