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Fehlender Anfangsverdacht – Entnahme Speichelprobe bei Beschuldigten

LG Bremen – Az.: 8 Qs 95/20 – Beschluss vom 27.04.2020

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 28.02.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 21.02.2020 aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 21.02.2020 wurde eine Entnahme und Untersuchung der DNA des Beschuldigten … samt Abgleich mit DNA-Spuren an Goldmünzen angeordnet. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde.

Hintergrund des aktuellen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen den Beschuldigten ist, dass sich bereits im Dezember 2014 in der Großen Johannisstraße in Bremen eine – bislang nicht aufgeklärte – Diebstahlstat ereignete, im Zuge derer aus dem Kofferraum eines PKW mehrere Gegenstände, u.a. eine EC-Karte samt dazugehöriger PIN, entwendet wurden. Die EC-Karte wurde zu mehreren Geldabhebungen an Bankautomaten sowie zu Einkäufen von Kleidungsstücken genutzt. Hierdurch erlangten der oder die Täter Bargeld und Kleidungsstücke im Wert von ca. 9.500 €. Die Goldmünzen, welche Gegenstand des angefochtenen Beschlusses sind, befanden sich aber – soweit ersichtlich – nicht unter den aus dem Kofferraum des PKW entwendeten Gegenständen.

Im Hinblick auf das im Vorstehenden beschriebene Geschehen wurde gegen den Beschuldigten … wegen des Verdachts des Diebstahls in einem besonders schweren Fall gem. § 243 StGB ermittelt. Am 18.06.2015 wurde im Rahmen der Ermittlungen eine Wohnungsdurchsuchung beim Beschuldigten durchgeführt, im Zuge derer u.a. auch die 36 Goldmünzen vorgefunden und umgehend beschlagnahmt wurden, welche u.a. Gegenstand der aktuellen Ermittlungen und des hier angefochtenen Beschlusses sind.

Nachdem das Amtsgericht Bremen den Beschuldigten mit Urteil vom 20.11.2018 vom Vorwurf des Diebstahls in einem besonders schweren Fall freigesprochen hatte, leitete die Staatsanwaltschaft Bremen kurze Zeit später ein Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche gem. § 261 StGB gegen den Beschuldigten ein. Dies geschah im Hinblick darauf, dass die Herkunft der Goldmünzen nicht geklärt werden konnte und die Ermittlungen zu den Vermögensverhältnissen des Beschuldigten und dessen Familienangehörigen den Verdacht ergeben hatten, dass weder der Beschuldigte noch ein in der durchsuchten Wohnung ebenfalls lebender Angehöriger die Goldmünzen rechtmäßig erworben haben konnte. Die Goldmünzen wurden, obwohl das Amtsgericht Bremen mit Beschluss vom 21.12.2018 die Beschlagnahme aufgehoben und darauf hingewiesen hatte, dass die Voraussetzungen für die erweiterte Einziehung der Goldmünzen nach § 76a Abs. 4 StGB nicht (mehr) vorliegen, bislang noch nicht an den Beschuldigten herausgegeben.

In der Folgezeit konnten keine erkennbaren Fortschritte in dem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen den Beschuldigten erzielt werden.

Erst mit Verfügung vom 03.02.2020 hat die Staatsanwaltschaft Bremen beim Amtsgericht Bremen u.a. beantragt, die Entnahme einer Speichelprobe und für den Fall der Weigerung einer Blutprobe durch einen Arzt beim Beschuldigten richterlich anzuordnen sowie die vergleichende molekulargenetische Untersuchung der dem Beschuldigten entnommenen Speichel- oder Blutproben mit den an den Goldmünzen sichergestellten serologischen Spuren anzuordnen.

Mit Beschluss vom 21.02.2020 hat das Amtsgericht Bremen die von der Staatsanwaltschaft Bremen beantragten Maßnahmen angeordnet. Zur Begründung wurde auf die Ermittlungsergebnisse aus dem abgeschlossenen Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts des Diebstahls in einem besonders schweren Fall verwiesen und ausgeführt, die angeordneten Maßnahmen könnten dazu beitragen, die Herkunft der Goldmünzen und eine etwaige rechtswidrige Vortat aufzuklären. Die Maßnahmen seien auch, gerade mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität, verhältnismäßig.

Fehlender Anfangsverdacht - Entnahme Speichelprobe bei Beschuldigten
(Symbolfoto: Von Zivica Kerkez/Shutterstock.com)

Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner Beschwerde vom 28.02.2020, die zunächst damit begründet wurde, dass von den Maßnahmen kein Erkenntnisgewinn für das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche zu erwarten sei. Mit Schriftsatz vom 01.04.2020 wurde darüber hinaus vorgetragen, dass hier bereits kein das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren rechtfertigender Anfangsverdacht hinsichtlich des Vorwurfs der Geldwäsche feststellbar sei.

Unter dem 18.03.2020 hat die Staatsanwaltschaft Bremen beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, in diesem Zusammenhang nochmals auf die Begründung des Amtsgerichts Bremen aus dem Beschluss vom 21.02.2020 verwiesen und ergänzend zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen vorgetragen.

II.

Die zulässige Beschwerde (§ 304 StPO) des Beschuldigten ist auch in der Sache begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 21.02.2020 ist aufzuheben.

Die gemäß § 81f StPO durch das Amtsgericht Bremen mit dem angefochtenen Beschluss aufgrund von § 81a StPO (Entnahme der Speichelprobe beim Beschuldigten) bzw. §§ 81a und 81e StPO (molekulargenetischer Abgleich zwischen dem DNA-Muster des Beschuldigten und dem DNA-Muster des Abriebs von den Goldmünzen) angeordneten Maßnahmen konnten hier nicht rechtmäßig angeordnet werden, weil bereits kein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Tat gem. § 261 StGB feststellbar ist. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass sich im Fall der Durchführung der Maßnahmen hieraus für das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Geldwäsche weiterführende Erkenntnisse ergeben könnten.

Im Einzelnen:

1. Die mit dem Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 21.02.2020 angeordneten Maßnahmen können zwar grundsätzlich, mit Verweis auf die rechtlichen Grundlagen in den §§ 81a, 81e StPO, durch ein Gericht gem. § 81f StPO für ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren angeordnet werden. Eine Voraussetzung hierfür ist u.a., dass das Ermittlungsverfahren aufgrund der begründeten Annahme eines Anfangsverdachts hinsichtlich einer konkreten Straftat von der Staatsanwaltschaft durchgeführt wird (§§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO). Ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Geldwäschetat durch den Beschuldigten Kevin Rehling lässt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht feststellen.

Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst in seinem Beschluss vom 31.01.2020 (2 BvR 2992/14, juris Rn. 41 f.) die Voraussetzungen für die Annahme eines Anfangsverdachts für eine Geldwäschetat wie folgt beschrieben:

„Dass eine Vortat aus dem Katalog des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB begangen wurde, ist ein wesentliches Merkmal der Strafbarkeit der Geldwäsche. In § 261 Abs. 1 und Abs. 2 StGB werden zahlreiche Verhaltensweisen umschrieben, die als Tathandlungen in Betracht kommen. Insbesondere der sogenannte Isolierungstatbestand (§ 261 Abs. 2 StGB) sanktioniert über typische und zentrale Geldwäschehandlungen hinaus das bloße Verschaffen, Verwahren oder Verwenden bemakelter Gegenstände, womit die Strafbarkeit auf Handlungen des täglichen Lebens ausgeweitet wird (vgl. Ruhmannseder, in: BeckOK StGB, 42. Edition Stand: 1. Mai 2019, § 261 Rn. 5). Erst die Vortat versieht das Geld oder den sonstigen Gegenstand, mit dem der Geldwäschetäter umgeht, mit dem Makel, der einer neutralen, sozialtypischen Handlung wie beispielsweise einer Geldzahlung das Unwerturteil der Strafbarkeit zuweist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juli 2006 – 2 BvR 950/05 -, Rn. 16 ).

Nicht ausreichend für die Annahme eines Anfangsverdachts ist es demnach, wenn keine über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen. Auch Anhaltspunkte für die Annahme, das betroffene Geld oder der betroffene Vermögensgegenstand rührten aus irgendeiner Straftat her, genügen nicht, um Strafverfolgungsmaßnahmen auszulösen (vgl. LG Marburg, Beschluss vom 15. November 2002 – 4 Qs 136/02 -, StV 2003, S. 67 <68>).“

Hier sind nach bald fünf Jahren der Ermittlungen noch immer keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für eine Vortat ersichtlich. Wenn im Rahmen der Begründung für den angefochtenen Beschluss diesbezüglich lediglich auf die Ergebnisse der Finanzermittlungen sowie auf die Umstände, unter denen die Goldmünzen aufgefunden wurden, verwiesen wird, so ist dies im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzureichend. Es reicht hiernach gerade nicht aus, dass – wie im vorliegenden Fall geschehen – pauschal darauf verwiesen wird, dass die 36 Goldmünzen „aus einer oder mehreren noch zu ermittelnden Straftaten im Sinne des § 261 Abs. 1 S. 2 StGB“ herrühren. Hierbei handelt es sich um eine bloße Vermutung hinsichtlich des Vorliegens einer derzeit nicht näher spezifizierbaren Straftat.

Es ist bislang noch nicht gelungen, den Geschädigten hinsichtlich der ggf. abhanden gekommenen Goldmünzen zu ermitteln. Daher lässt sich derzeit auch noch nicht im Ansatz bestimmen, welche Art von Straftat als geldwäschetaugliche Vortat hier überhaupt in Betracht kommt.

Es bleibt festzuhalten, dass die mit dem Beschluss angeordneten Maßnahmen – mangels Vorliegens eines die Ermittlungen rechtfertigenden Anfangsverdachts hinsichtlich einer Geldwäschetat durch den Beschuldigten Rehling – nicht angeordnet werden durften. Insofern ist der Beschluss bereits aus diesem Grund aufzuheben.

2. Darüber hinaus ist der Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 21.02.2020 auch deshalb aufzuheben, weil die Entnahme der Speichelprobe beim Beschuldigten, die Identifizierung des DNA-Musters des Beschuldigten sowie der anschließende molekulargenetische Abgleich mit dem DNA-Muster des Abriebs von den Goldmünzen keine geeigneten Maßnahmen sind, aufgrund derer der Gewinn von bedeutsamen Tatsachen für das hier maßgebliche Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten zu erwarten war (§ 81a Abs. 1 S. 1 StPO).

Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Ganz grundsätzlich bestünde die Möglichkeit, dass sich im Zuge der Durchführung der angeordneten Maßnahmen zeigen könnte, dass sich ausschließlich DNA-Spuren des Beschuldigten auf den Goldmünzen befinden. Im Hinblick darauf, dass die Goldmünzen am 18.06.2015 in dessen Zimmer auf dessen Bettkasten gefunden wurden, erscheint es von vornherein bereits nicht als fernliegend, dass sich DNA-Spuren des Beschuldigten auf den Goldmünzen nachweisen lassen könnten. Im Fall des Nachweises würde sich hieraus jedoch kein relevanter Erkenntnisfortschritt ergeben. Insbesondere würden sich hieraus keine Erkenntnisse zur bislang ungeklärten Herkunft der Goldmünzen oder hinsichtlich einer tatbestandsmäßigen (Geldwäschetat-)Handlung des Beschuldigten ergeben.

Es bestünde aber auch die Möglichkeit, dass sich ausschließlich DNA-Spuren von einer (oder mehrerer) unbekannten Person(en) auf den Goldmünzen nachweisen lassen würden. Doch auch in diesem Fall würden sich immer noch keine Hinweise auf eine näher spezifizierbare Straftat ergeben, deren Frucht die 36 Goldmünzen waren. Somit wäre auch in diesem Fall die Annahme eines Anfangsverdachts hinsichtlich einer Geldwäschetat durch den Beschuldigten (weiterhin) nicht gerechtfertigt. Der Beschuldigte würde in diesem Fall also weder belastet noch würde er entlastet. Zwar verweist das Amtsgericht Bremen darauf, dass die Staatsanwaltschaft grundsätzlich auch verpflichtet sei, entlastende Tatsachen zugunsten des Beschuldigten zu ermitteln. Auf welche Weise hier jedoch entlastende Tatsachen zugunsten des Beschuldigten zutage gefördert werden sollen, ist – im Hinblick auf den hier erhobenen Verdacht hinsichtlich einer Geldwäschetat – nicht ansatzweise ersichtlich und wird vom Amtsgericht Bremen im Beschluss vom 21.02.2020 auch nicht näher erläutert.

Auch wenn sich DNA-Spuren sowohl des Beschuldigten als auch von unbekannten Personen auf den Goldmünzen nachweisen lassen würden oder wenn sich überhaupt keine DNA-Spuren auf den Goldmünzen nachweisen lassen würden, könnten sich hieraus keine Erkenntnisse über Tatsachen ergeben, die für das vorliegende Ermittlungsverfahren von Bedeutung wären.

Es könnte sich mithin in keiner denkbaren Konstellation ein Erkenntnisfortschritt für das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Geldwäsche gem. § 261 StGB ergeben, weswegen die Durchführung der Maßnahmen keinem legitimen Zweck dienen würde und sich deren Durchführung aus diesem Grund verbietet, auch wenn die Eingriffsintensität in der Tat noch so gering sein mag.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO in entsprechender Anwendung.

 

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