Gefährdendes verbreiten personenbezogener Daten wird strafbar
In Deutschland gibt es eine Gefahr, die so auf den ersten Blick nicht als solche ersichtlich ist. Die Rede ist von den sogenannten Untergrundorganisationen, die – zumeist aus einer politischen Gesinnung heraus – aus dem Dunkel agieren. Diese Organisationen bestehen aus Menschen, die für sich ein völlig eigenes Weltbild kreiert haben. Im Grunde genommen ist dies ja auch nicht weiter schlimm, da die Meinungsfreiheit in Deutschland grundgesetzlich verankert ist. Derartige Organisationen können jedoch sehr schnell zu einer Gefahr für diejenigen Menschen werden, die nicht in das besagte Weltbild der Menschen im Untergrund passen. In der Regel handelt es sich dabei um Menschen, die sich stark machen für eine vielfältige Gesellschaft. Der Gesetzgeber hat die Pflicht, eben jene Menschen vor der Gefahr zu schützen. Bedauerlicherweise gab es bislang kaum nennenswerte gesetzliche Instrumente, um die Menschen wirksam vor Einschüchterungen oder offenem Hass zu schützen. Mit einem neuen Gesetzesentwurf will die Bundesregierung jetzt jedoch einen wirksameren Schutz für die gefährdeten Menschen gewährleisten.
Es ist nicht selten zu beobachten, dass Untergrundorganisationen über regelrechte Feindeslisten verfügen. Die Existenz der so genannten Feindeslisten, die in den letzten Jahren bekannt geworden sind, hat bei vielen Menschen große Unsicherheit ausgelöst. Die Angst ist verständlich, und es ist schwer, sich nicht den ganzen Tag lang überwacht zu fühlen, wenn es Berichte darüber gibt, wie verschiedene Menschen und ganze Gruppen durch diese Dokumente ins Visier genommen werden könnten – vor allem, wenn sie persönliche Informationen wie Namen oder Adressen enthalten! Die Personen, die sich auf den Feindeslisten wiederfinden, gelten daher auch, nicht weiter verwunderlich, als besonders gefährdet. Der Politiker Lübcke ist hierfür ein tragisches Beispiel.
Feindeslisten werden verboten und damit strafbar
Damit sich ein tragischer Fall wie der Mord an Walter Lübcke nicht wiederholt hat der Gesetzgeber die Verbreitung der sogenannten Feindeslisten in einem Gesetzentwurf künftig als Straftat definiert. Als Motivlage hierfür kann Walter Lübcke durchaus genannt werden, da der CDU-Landtagsabgeordnete im Jahr 2019 einem Rechtsextremen zum Opfer fiel. In seinem Gesetzentwurf geht das Bundeskabinett sogar noch einen Schritt weiter und stellt bereits die reine Erstellung einer sogenannten Feindesliste unter Strafe. Durch diesen Schritt werden in erster Linie die Rechtsextremen ins Visier genommen, da sich Walter Lübcke auch auf einer Feindesliste des späteren Mörders wiederfand. Beachtet werden muss allerdings, dass der Gesetzgeber die Strafbarkeit der Erstellung einer Feindesliste und die Strafbarkeit der Verbreitung explizit voneinander zu trennen versucht. Bundesjustizminister Lambrecht sprach davon, dass durch diese Vorgehensweise ein erheblich besserer Schutz vor Hetze und Hass erreicht werden kann.
Der neue Gesetzentwurf ist nicht frei von Kritik. Die Zustimmung des Bundestages diesbezüglich steht noch aus, doch schon jetzt wird kontrovers darüber diskutiert, ob mit dem Gesetzentwurf nicht auch völlig falsche Zielgruppen ins Visier des Gesetzgebers gerückt werden können.
Ein neuer Paragraf als gesetzliche Grundlage
Die Strafbarkeit einer Handlung ergibt sich in Deutschland aus dem Strafgesetzbuch (StGB) heraus. Dieses Gesetzbuch erfährt im Lauf der Zeit immer wieder Änderungen, mit denen der Gesetzgeber eine Reaktion auf veränderte Lebensumstände oder auch Gefährdungslagen in Deutschland vornehmen möchte. Auch im Fall der Feindeslisten musste das StGB zunächst geändert bzw. erweitert werden. Ein neuer Paragraf „126a“ wurde zu diesem Zweck ins Leben gerufen. In diesem Paragrafen ist davon die Rede, dass die Verbreitung von personenbezogenen Daten in gefährdender Art und Weise als strafbare Handlung angesehen werden soll. Als Voraussetzung hierfür gilt jedoch, dass diese Verbreitung auch eine Eignung für die Gefährdung der entsprechenden Person auf der Feindesliste und/oder von Personen, die der Person auf der Feindesliste nahestehen aufweisen muss. Diese Eignung ergibt sich aus dem Umstand heraus, dass für diese Personen auch die Gefahr besteht, einer Straftat zum Opfer zu fallen. Als denkbare Strafe für ein derartiges Verhalten ist derzeitig eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren oder auch alternativ dazu eine Geldstrafe möglich. Das Strafmaß soll jedoch seitens des Gesetzgebers von der Art der Feindesliste sowie der Art der Verbreitung abhängig gemacht werden.
Sollte die Feindesliste nicht für die Allgemeinheit zugänglich sein, so ist ein Strafmaß von maximal drei Jahren oder alternativ dazu eine Geldstrafe angedacht.
Dass es sich hierbei nicht um eine Bagatelle oder ein Delikt handelt, welches auf die leichte Schulter genommen werden sollte, zeigen die Erfahrungswerte. Sehr viele Kommunalpolitiker werden hierzulande Opfer von Einschüchterungsversuchen oder gar Bedrohungen und nicht selten sind dabei auch regelrechte Feindeslisten im Umlauf. Auf diesen Feindeslisten finden sich dann die persönlichen Daten des Kommunalpolitikers wieder. Sollten diese Feindeslisten ihren Weg in das Internet finden, so steigert sich dadurch auch die Gefährdungslage derjenigen Person, die auf der Feindesliste zu finden ist. Das Ziel derjenigen Personen, welche derartige Feindeslisten erstellen, ist in der Regel eindeutig. Diejenige Person, die auf der Feindesliste zu finden ist, soll ihre politische Haltung entweder ändern oder ihre politische Tätigkeit gänzlich einstellen.
Der Gesetzentwurf wurde bereits einmal geändert
Bei dem aktuellen Gesetzentwurf, der noch seine Zustimmung seitens des Gesetzgebers finden muss, handelt es sich bereits um die erste Änderung. Der ursprüngliche Entwurf, der zu einer Entscheidung vorgelegt wurde, war zu allgemein gehalten und umfasste auch journalistische Berichterstattungen sowie Recherchearbeiten von Vereinen. Im neuen Entwurf ist in erster Linie auch der Kontext entscheidend, in dem die Datenverbreitung erfolgt.
So ist hierbei insbesondere die Verbreitung
- in Netzwerken extremistischer Natur
- Chatgruppen
- einschlägigen Foren
besonders im Fokus des Gesetzgebers.
Journalistische Berichterstattungen, in Rahmen derer gewisse Menschen auch namentlich benannt werden, sind ebenso wenig von dem neuen Gesetzentwurf betroffen wie Vereinsrecherchearbeiten (sofern sie zu einer Aufdeckung von extremistischen Strukturen geeignet sind).
In diesem Zusammenhang muss eindeutig der Charakter der Feindeslisten betrachtet werden. Es muss sich für die Strafbarkeit des Handelns bei der Feindesliste um einen bedrohlichen oder angsteinflößenden Charakter handeln. Dies ist rechtlich betrachtet nicht unproblematisch, sodass auch der neue Gesetzesentwurf hitzig diskutiert wird. Ein Argument, welches von den „Gegnern“ des neuen Gesetzesentwurfs vorgebracht wird, zielt darauf ab, dass die Absicht der handelnden Person überhaupt nicht genau erfasst wird und somit auch die Motivlage für die Erstellung bzw. Verbreitung der Feindesliste nicht genügend Würdigung findet.
Durch die Änderung des Gesetzesentwurfs sollten in erster Linie Schwierigkeiten bei der Beweisfindung bzw. bei der Beweiserbringung beseitigt werden.
Zu den Gegnern des Gesetzesentwurfs gehört auch die Antifa. In ihrer praktischen Arbeit kommt es nicht selten vor, dass ein sogenannter Nazi-Kader seitens der Antifa als solcher geoutet wird. Dies soll für die Mitglieder des Nazikaders im Alltagsleben Schwierigkeiten mit sich bringen. Nach dem neuen Gesetzesentwurf jedoch würde sich die Antifa bei dieser Arbeit bereits strafbar machen, sofern die Justiz derartige Outingmaßnahmen als „charakterlich für eine Feindesliste geeignet“ ansieht. Aktuell ist daher davon auszugehen, dass der Aspekt der Feindeslisten im Zusammenhang mit der Strafbarkeit noch weitere Änderungen erfahren muss, damit der endgültige Einzug in das StGB erfolgen kann. Es ist auf jeden Fall zwingend erforderlich, dass der Paragraf 126a StGB en Detail so ausgearbeitet wird, dass es hinterher keine Lücken mehr geben kann. Fakt ist, dass die Demokratie in Deutschland nur dann frei wirken kann, wenn sich alle Beteiligten im Rahmen ihrer demokratischen sowie auch grundgesetzlich verankerten Rahmen bewegen können. Angst aufgrund einer politischen Einstellung oder Handlungsweise, sofern sie sich im Rahmen der Gesetzgebung bewegt, kann und darf in Deutschland keinen Raum finden. Der Grundgedanke, der sich hinter dem § 126a verbirgt, ist daher auf jeden Fall begrüßenswert.