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Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis durch angestellten Autoverkäufer

OLG Zweibrücken – Az.: 1 OLG 2 Ss 39/20 – Beschluss vom 08.10.2020

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 10. März 2020 mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Sachverhalt aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30,– EUR verurteilt, nachdem der Angeklagte durch das Amtsgericht in erster Instanz freigesprochen worden war. Gegen die Verurteilung durch das Berufungsgericht wendet sich der Angeklagte mit seiner allein auf die Sachrüge gestützten Revision. Das statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel ist begründet und führt zu einem vorläufigen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:

„Der Angeklagte war als Verkäufer bei … angestellt. In dieser Funktion war er berechtigt, in eigener Verantwortung selbständig Fahrzeuge seines Arbeitgebers an Kunden für Probefahrten zu überlassen. So überließ er dem gesondert verfolgten M. K. in den folgenden Fällen Fahrzeuge zur Probefahrt:

1. Am 07.12.2017 überließ er K. das Kfz … mit dem amtlichen Kennzeichen … Dieser legte hiermit insgesamt 229 Kilometer im öffentlichen Straßenverkehr zurück.

2. Am 19.01.2018 überließ er K. das Kfz …, amtliches Kennzeichen …, mit welchem dieser insgesamt 408 Kilometer im öffentlichen Straßenverkehr zurücklegte.

Der gesondert verfolgte M. K. verfügte bei beiden Probefahrten nicht über die zum Führen der Kraftfahrzeuge erforderliche Fahrerlaubnis. Dies nahm der Angeklagte jeweils bei Überlassen der Fahrzeuge zumindest billigend in Kauf.“

Das Landgericht ist – insoweit ohne Rechtsfehler – zu Überzeugung gelangt, dass K. dem Angeklagten vor den Probefahrten kein Führerscheindokument in physischer Form (Originalführerschein oder Falsifikat) vorlegte. Weiterhin hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass in dem … für alle Kunden die Vorlage des Führerscheins vor jeder Probefahrt vorgeschrieben war, die Einhaltung dieser Anordnung kontrolliert wurde und Verstöße gegen diese Übung zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen, im Wiederholungsfall bis hin zur Kündigung führen konnten. Daraus leitet das Landgericht die Annahme eines bedingten Tatvorsatzes aufgrund folgender Überlegungen ab: Der Angeklagte habe selbst angegeben, dass er sich auch bei Stammkunden vor jeder Probefahrt ein Führerscheindokument im Original vorlegen lasse, da nur so sichergestellt werden könne, dass der Kunde nicht zwischenzeitlich die Fahrerlaubnis verloren oder ein Fahrverbot erhalten habe. Deshalb habe er das Risiko, dass K. keine Fahrerlaubnis haben könnte, erkannt. Auch seien dem Angeklagten sowohl die internen Vorschriften des … als auch deren Bedeutung und die gesetzlichen Grundlagen bekannt gewesen. Wenn er sich darüber hinwegsetze, zeige dies, dass er es billigend in Kauf genommen habe, dem K. die Probefahrten auch ohne gültige Fahrerlaubnis zu ermöglichen. Das Motiv für dieses Verhalten sei gewesen, dass der unter enormem Verkaufsdruck stehende Angeklagte dem K. ein Fahrzeug verkaufen und die dafür entfallende Provision verdienen wollte. Schließlich sei der K. dem Angeklagten auch keineswegs unbekannt gewesen.

II.

Die getroffenen Feststellungen vermögen den Schuldspruch wegen einer vorsätzlich begangenen Tat des Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht zu tragen.

1.

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen die Annahme, dass der Angeklagte den fahrlässigen Tatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 1 StVG erfüllt hat. Danach steht fest, dass der Angeklagte zu den genannten Zeitpunkten dem gesondert verfolgten K. jeweils ein stark motorisiertes Kfz überließ, deren Halter sein Arbeitgeber, das … war, dessen Geschäftsführer, der Zeuge S., wiederum den Angeklagten ermächtigt hatte im Rahmen der internen Regelungen selbständig Fahrzeuge für Probefahrten an Kunden zu überlassen. Der K., der keine gültige Fahrerlaubnis besaß, fuhr mit diesen Fahrzeugen auch eine nicht unerhebliche Strecke im öffentlichen Straßenverkehr. Weiter steht fest, dass der Angeklagte entgegen der ihm bekannten internen Anweisungen seines Arbeitgebers bei der Überlassung der Fahrzeuge keine Kopie von Vorder- und Rückseite eines körperlich vorgelegten Führerscheins anfertigte, sondern sich mit dem Abspeichern einer Fotodatei von der Vorderseite des zwischenzeitlich eingezogenen Führerscheins des K. begnügte.

Dass das Landgericht dabei den Angeklagten gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 StGB für die Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge des … im Rahmen von Probefahrten als ausdrücklich Beauftragten angesehen hat, begegnet keinen Bedenken. Für Zweifel an der Haltereigenschaft des … im Rahmen des § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG bot der Sachverhalt keinen Anlass, so dass hierzu vertiefte Ausführungen des Landgerichts nicht erforderlich waren (anders z.B. im Fall des KG Berlin, Beschluss vom 25. Juli 2017 – (6) 121 Ss 91/17 (32/17) –, juris, m. Anm. Kernberger, jurisPR-VerkR 6/2018 Anm. 6; AG Zweibrücken, NZV 2019, 270).

2.

Als nicht hinreichend tragfähig erweisen sich indes die der Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise zugrunde gelegten Überlegungen. Die tatrichterliche Überzeugung, der Angeklagte habe tatsächlich gebilligt, dass der gesondert verfolgte K. die ihm überlassenen Fahrzeuge ohne die erforderliche Fahrerlaubnis fahren würde, ist nicht hinreichend belegt. Es erscheint anhand der Feststellungengleichermaßen wahrscheinlich, dass er trotz der Außerachtlassung der gebotenen Vorsichtsmaßnahmen darauf vertraute, der K. werde schon eine Fahrerlaubnis besitzen, auch wenn er sie nicht in der gebotenen Weise nachgewiesen hat.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs legt für die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit die sog. Einwilligungstheorie zugrunde, nach der vorsätzlich und nicht fahrlässig handelt, wer den Erfolg als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und dabei billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH NStZ 1981, 23; 1984, NStZ 19; BGHSt 36, 1, 9; BGH NStZ 1998, 616 mit Anm. Roxin; BGH NStZ 2008, 451), verlangt also – in unterschiedlich strenger Ausprägung – ein voluntatives Element (deutlich BGH NStZ-RR 2008, 239; zu Vorstehendem insgesamt BeckOK StGB/Kudlich, 47. Ed. 1.8.2020, StGB § 15 Rn. 20). Andererseits liegt bewusste Fahrlässigkeit vor, wenn der Täter den durch seine objektive Pflichtwidrigkeit verursachten Erfolg vorhersieht, aber dennoch darauf vertraut und hofft, dass er ausbleibt (vgl. BGH, NZV 2016, 189 Rn. 12; NStZ 2008, 451). Dieser Grundsatz ist bei Tötungsdelikten angesichts der sog. Hemmschwellentheorie von besonderer Bedeutung, aber auch für die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Übrigen entscheidend (BGH NZV 2016, 178 Rn. 12 mwN.).

Feststellungen zur inneren Tatseite obliegen dem Tatrichter anhand seiner aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung, § 261 StPO. Diese Überzeugungsbildung muss zwar nicht schlechterdings zwingend, wohl aber nachvollziehbar sein (vgl. Vogel †/Bülte in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 15 Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln, Rn. 63). Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN, juris; NStZ-RR 2015, 178 Rn. 8). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN). Voraussetzung hierfür ist eine Darstellung der Umstände, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung erlaubt, ob der Tatrichter ohne Rechtsfehler zur seiner Überzeugung gelangt ist.

Diesen Maßstäben genügen die Gründe des angefochtenen Urteils nicht. Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist Lücken auf. Das Landgericht hat bei der Beurteilung der Motivlage des Angeklagten Umstände nicht erkennbar gewürdigt, die dagegen sprechen können, dass der Angeklagte billigend in Kauf genommen hat, dass der K. tatsächlich keine gültige Fahrerlaubnis besaß.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil legte es der K. gerade darauf an, den Angeklagten zu täuschen und ihn Glauben zu machen, dass er nicht nur finanziell gut aufgestellt sondern auch im Besitz einer Fahrerlaubnis sei. Insofern finden sich in den Urteilsgründen keine Ausführungen dazu, dass der Angeklagte an den Aussagen des K. zweifelte und dass er nicht trotz Zweifeln darauf vertraute, die ihm erzählte Geschichte werde schon stimmen. Klar ist lediglich, dass er sich über die Anweisungen seines Arbeitgebers hinwegsetzte und damit Sicherheitsvorkehrungen außer Acht ließ, die es ermöglichten, dass der K. ohne Fahrerlaubnis mit den Fahrzeugen des … fahren konnte. Damit ist allerdings erst ein Fahrlässigkeitsvorwurf belegt. In bestimmten Fällen wird bei persönlicher Bekanntschaft und sicherem Wissen um eine zumindest in der Vergangenheit bestehende Fahrerlaubnis sogar der Fahrlässigkeitsvorwurf kritisch gesehen (BayObLGSt 77, 163; KG, NZV 2006, 487; BGH, Urteil vom 16. Mai 1966 – II ZR 79/64, NJW 1966, 1359).

Ebenfalls nicht vollständig gewürdigt wird die Motivlage des Angeklagten. Er konnte sich von seinem Verhalten nicht nur Vorteile in Form einer etwaigen Provision erhoffen, sondern musste auch damit rechnen, dass sein Fehlverhalten, sollte es offenbar werden, für ihn nachteilige arbeitsrechtliche Konsequenzen haben konnte. Immerhin hat das Landgericht gestützt auf die Vernehmung des Zeugen S. festgestellt, dass diesbezüglich nicht mit der Toleranz der Geschäftsleitung zu rechnen war.

Schließlich bleibt unbeantwortet, wie der Angeklagte sich einen Geschäftsabschluss mit einer Person vorstellte, von der er nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme annahm, dass sie keine Fahrerlaubnis haben könnte. Zwar ist der Erwerb eines Fahrzeugs nicht an das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis gebunden. Regelmäßig wird jedoch eine Fahrerlaubnis vorhanden sein, zumal bei Fahrzeugen der Art wie sie der Angeklagte verkaufte und bei denen es den Erwerbern gerade um den „Fahrspaß“ gehen dürfte. Zwar fallen im Straßenverkehr immer wieder Personen auf, die Kraftfahrzeuge ohne Fahrerlaubnis führen; dabei handelt es sich aber um Einzelfälle. Es ist daher fraglich, ob er bei dem K. unter dieser Annahme überhaupt ein ernsthaftes Kaufinteresse vermutet hätte, wenn er ernsthaft in Erwägung gezogen hätte, dass dieser nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt.

2.

Das angefochtene Urteil unterliegt daher im tenorierten Umfang der Aufhebung. Da zusätzliche Feststellungen zur inneren Tatseite nicht ausgeschlossen scheinen, entscheidet das Revisionsgericht nicht selbst. Die Sache war stattdessen an eine andere kleine Strafkammer desselben Landgerichts zurückzuverweisen, die auch über die Kosten des Revisionsverfahren zu entscheiden haben wird.

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