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Gefährdungsschaden bei § 315c StGB

Betrunkener Raser in Berlin: Ein Fall von Nötigung, Gefährdung und juristischen Spitzfindigkeiten sorgt für Aufsehen. Ein Mann, der alkoholisiert mehrfach absichtlich gegen ein parkendes Auto fuhr und eine Mutter mit Kind bedrängte, muss sich erneut vor Gericht verantworten. Doch nicht nur sein rücksichtsloses Verhalten, sondern auch die juristische Bewertung des Falls sorgt für Diskussionen.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. November 2023 wurde aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
  • Der Angeklagte wurde ursprünglich wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit versuchter Sachbeschädigung und Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit verurteilt.
  • Der Angeklagte stieß beim Ausparken wiederholt gegen ein anderes Fahrzeug und soll dabei bedingten Schädigungsvorsatz gehabt haben, was jedoch keinen Schaden verursachte.
  • Nach dem Ausparken soll er auf eine Frau mit Kleinkind zugefahren sein, um sie zur schnellen Entfernung von der Fahrbahn zu zwingen.
  • Das Gericht stellte fest, dass die Fahrunsicherheit des Angeklagten auf Fahrlässigkeit und nicht auf Vorsatz beruhte.
  • Es wurde nicht nachgewiesen, dass das gefährdete Fahrzeug von bedeutendem Wert war oder dass ihm ein bedeutender Schaden drohte.
  • Der Revisionsantrag des Angeklagten war erfolgreich, weil die Feststellungen des Amtsgerichts die Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs nicht rechtfertigen.
  • Eine Verfahrensrüge bezüglich der Nichtberücksichtigung eines Antrags auf Verwarnung mit Strafvorbehalt wurde ebenfalls als berechtigt anerkannt.
  • Das Urteil wurde vollständig aufgehoben, um eine mögliche einheitliche Bewertung des gesamten Tatverhaltens zu ermöglichen.

Gefährdung des Verkehrs: Gericht entscheidet über Strafrechtliche Konsequenzen

Der § 315c des Strafgesetzbuches (StGB) regelt die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Gefährdung des Straßenverkehrs. Die Norm soll Autofahrer vor den Folgen unsicherer Fahrweise schützen und für den Fall eines Verkehrsunfalls die notwendigen Konsequenzen rechtlich festlegen. Dabei ist es nicht notwendig, dass durch die unsichere Fahrweise tatsächlich ein Schaden entsteht. Es genügt, dass eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen im Straßenverkehr durch die unsichere Fahrweise geschaffen wurde.

Diese Regelung findet aber nicht nur im Straßenverkehr Anwendung, sondern gilt auch in anderen Bereichen, wenn dort eine ähnlich gefährliche Situation geschaffen wird wie im Straßenverkehr. So kann sie auch im Schienenverkehr, in der Luftfahrt oder im Schiffsverkehr relevant werden, wenn das Verhalten eines Verkehrsteilnehmers die Sicherheit anderer Menschen unmittelbar gefährdet. Im folgenden wird nun ein aktuelles Gerichtsurteil beleuchtet, das die Anwendung des § 315c StGB im Zusammenhang mit einem Gefährdungsschaden untersucht.

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Der Fall vor Gericht


Rücksichtsloser Autofahrer vor Gericht: Alkoholisierter Mann gefährdet Straßenverkehr und Fußgänger

Der Fall eines alkoholisierten Autofahrers, der in Berlin durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr auffiel, beschäftigte kürzlich das Kammergericht Berlin. Der Mann war vom Amtsgericht Tiergarten wegen mehrerer Delikte verurteilt worden, doch das Urteil wurde nun aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Vorfall mit mehreren Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer

Der Angeklagte hatte versucht, sein Fahrzeug auszuparken, obwohl er eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,61 Promille aufwies. Dabei stieß er gegen einen hinter ihm parkenden PKW. Als die Fahrerin des beschädigten Fahrzeugs ihn darauf ansprach, reagierte er uneinsichtig und aggressiv. Er behauptete, sie sei selbst schuld, wenn sie so dicht parke.

Anschließend fuhr der Mann noch zweimal absichtlich gegen das parkende Auto, ohne dabei jedoch einen Schaden zu verursachen. In einer weiteren Situation fuhr der Angeklagte auf eine Frau zu, die mit ihrem Kleinkind auf der Straße stand. Sein Ziel war es offenbar, die Fußgängerin zu einem hastigen Verlassen der Fahrbahn zu zwingen.

Ursprüngliches Urteil und seine rechtlichen Schwachstellen

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Mann wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit versuchter Sachbeschädigung sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Es verhängte eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 70 Euro und ein sechsmonatiges Fahrverbot.

Das Kammergericht Berlin hob dieses Urteil jedoch auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Die Begründung dafür lag in mehreren rechtlichen Mängeln des ursprünglichen Urteils:

  1. Die Feststellungen des Amtsgerichts reichten nicht aus, um eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB zu belegen. Das Gericht hatte lediglich festgestellt, dass der Angeklagte seine Fahrunsicherheit hätte erkennen können und müssen, was nur auf Fahrlässigkeit hindeutet.
  2. Es fehlten Feststellungen zum Wert des gefährdeten Fahrzeugs und zum drohenden Schaden. Für eine Verurteilung nach § 315c StGB muss nachgewiesen werden, dass einer Sache von bedeutendem Wert ein bedeutender Schaden gedroht hat.
  3. Das Amtsgericht hatte es versäumt, sich mit dem Antrag der Verteidigung auf eine Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB auseinanderzusetzen, was einen Verfahrensfehler darstellt.

Mögliche neue rechtliche Bewertung des Gesamtgeschehens

Das Kammergericht wies darauf hin, dass bei der erneuten Verhandlung eine andere rechtliche Einordnung des Geschehens möglich sei. Es sei denkbar, das gesamte Verhalten des Angeklagten als eine einheitliche alkoholbedingte Gefährdung des Straßenverkehrs zu bewerten. Dies könnte für den Angeklagten bei der Strafzumessung vorteilhafter sein als die bisherige Betrachtung als zwei getrennte Taten.

Die erneute Verhandlung vor dem Amtsgericht wird zeigen, wie das Verhalten des Angeklagten letztendlich rechtlich eingeordnet und sanktioniert wird. Der Fall verdeutlicht die Komplexität der rechtlichen Bewertung von Verkehrsdelikten und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung aller relevanten Aspekte durch die Gerichte.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit präziser rechtlicher Bewertungen bei Verkehrsdelikten. Es zeigt, dass für eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB konkrete Feststellungen zum Vorsatz, zum Wert der gefährdeten Sache und zum drohenden Schaden unerlässlich sind. Zudem verdeutlicht der Fall die Bedeutung einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit Verteidigungsanträgen und die Möglichkeit, komplexe Sachverhalte als einheitliches Geschehen zu bewerten, was Auswirkungen auf die Strafzumessung haben kann.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil verdeutlicht, wie komplex die rechtliche Bewertung von Verkehrsdelikten sein kann. Für Sie als Verkehrsteilnehmer bedeutet es, dass nicht jedes gefährliche Verhalten im Straßenverkehr automatisch als vorsätzliche Gefährdung gewertet wird. Die Gerichte müssen sorgfältig prüfen, ob tatsächlich Vorsatz vorlag und ob ein bedeutender Schaden drohte. Dies gilt nicht nur für den Straßenverkehr, sondern auch für Schienen-, Luft- und Schiffsverkehr. Auch wenn Sie alkoholisiert fahren, wird genau untersucht, ob Sie sich der Gefahr bewusst waren. Beachten Sie, dass selbst ohne Schaden eine Strafbarkeit vorliegen kann, wenn eine konkrete Gefährdung nachgewiesen wird.


FAQ – Häufige Fragen

Sie wollen sich über die Strafverantwortlichkeit für Gefährdung des Straßenverkehrs informieren? Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um das Thema.


Wann kommt § 315c StGB zur Anwendung?

§ 315c StGB findet Anwendung, wenn ein Fahrzeugführer im Straßenverkehr durch bestimmte gefährliche Verhaltensweisen Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet. Der Tatbestand umfasst zwei Hauptfallgruppen:

Die erste Fallgruppe betrifft das Führen eines Fahrzeugs trotz Fahruntüchtigkeit. Eine absolute Fahruntüchtigkeit liegt bei Kraftfahrzeugführern ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille vor. Bei geringeren Werten kann eine relative Fahruntüchtigkeit ab 0,3 Promille in Betracht kommen, wenn zusätzliche Ausfallerscheinungen hinzutreten. Auch der Konsum anderer berauschender Mittel oder geistige bzw. körperliche Mängel können zur Fahruntüchtigkeit führen.

Die zweite Fallgruppe umfasst sieben besonders gefährliche Verhaltensweisen im Straßenverkehr. Dazu gehören etwa die Missachtung der Vorfahrt, falsches Überholen, falsches Fahren an Fußgängerüberwegen, zu schnelles Fahren an unübersichtlichen Stellen sowie Wenden, Rückwärtsfahren oder Fahren entgegen der Fahrtrichtung auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen. Diese Handlungen müssen grob verkehrswidrig und rücksichtslos erfolgen.

Entscheidend für die Strafbarkeit nach § 315c StGB ist in beiden Fallgruppen, dass durch das Verhalten eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer oder bedeutende Sachwerte entsteht. Eine solche Gefährdung liegt vor, wenn die Situation so kritisch war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob ein Schaden eintrat oder nicht. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn andere Verkehrsteilnehmer zu einer Vollbremsung oder einem gefährlichen Ausweichmanöver gezwungen werden.

Bei der Bewertung der Gefährdung spielt auch der Gefährdungsschaden eine Rolle. Darunter versteht man die Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit und des Sicherheitsgefühls der gefährdeten Person. Selbst wenn kein Sach- oder Personenschaden eingetreten ist, kann allein die Angst und Verunsicherung des Gefährdeten ausreichen, um den Tatbestand zu erfüllen.

Die Strafbarkeit nach § 315c StGB setzt mindestens Fahrlässigkeit voraus. In der Praxis kommt die Norm häufig bei alkohol- oder drogenbedingten Verkehrsgefährdungen zur Anwendung. Sie kann aber auch bei anderen gefährlichen Fahrmanövern nüchterner Fahrer einschlägig sein, sofern die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.

Für die Anwendung des § 315c StGB ist stets eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls erforderlich. Die Gerichte müssen dabei alle Umstände der konkreten Verkehrssituation berücksichtigen, um zu beurteilen, ob tatsächlich eine strafwürdige Gefährdung vorlag. Nicht jeder Verkehrsverstoß oder jede gefährliche Situation im Straßenverkehr erfüllt automatisch den Tatbestand des § 315c StGB.

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Welche Strafen drohen bei einer Verurteilung nach § 315c StGB?

Bei einer Verurteilung nach § 315c StGB drohen dem Täter empfindliche strafrechtliche Konsequenzen. Das Gesetz sieht für die vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor. Für fahrlässiges Handeln reduziert sich der Strafrahmen auf Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren.

Die konkrete Strafe im Einzelfall hängt von verschiedenen Faktoren ab. Das Gericht berücksichtigt dabei unter anderem die Schwere der Tat, das Ausmaß der verursachten Gefährdung, mögliche Vorstrafen des Täters sowie dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse. Bei Ersttätern wird häufig eine Geldstrafe verhängt, während Wiederholungstäter eher mit einer Freiheitsstrafe rechnen müssen.

Neben der eigentlichen Strafe droht Verurteilten in der Regel auch die Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Gericht entzieht dem Täter die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Dies ist bei einer Verurteilung nach § 315c StGB regelmäßig der Fall. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist dabei keine Strafe im eigentlichen Sinne, sondern eine Maßregel der Besserung und Sicherung.

Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis wird zugleich eine Sperrfrist für die Neuerteilung festgesetzt. Diese beträgt mindestens sechs Monate, kann aber auch deutlich länger ausfallen. Erst nach Ablauf der Sperrfrist darf eine neue Fahrerlaubnis beantragt werden. In besonders schweren Fällen kann das Gericht sogar eine lebenslange Sperre verhängen.

Zusätzlich zur Entziehung der Fahrerlaubnis kann das Gericht ein Fahrverbot von einem bis zu sechs Monaten aussprechen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis als zu einschneidend erscheint, aber dennoch eine verkehrserzieherische Wirkung erzielt werden soll.

Eine Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs hat auch Auswirkungen über das Strafverfahren hinaus. Der Verstoß wird im Fahreignungsregister eingetragen und kann bei späteren Verkehrsverstößen zu verschärften Sanktionen führen. Zudem kann eine Verurteilung negative Folgen für den Beruf haben, insbesondere wenn dieser das Führen von Kraftfahrzeugen erfordert.

Bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr sowie beim Fahren unter Einfluss von Betäubungsmitteln wird in der Regel eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet. Das erfolgreiche Bestehen dieser Untersuchung ist dann Voraussetzung für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.

Die strafrechtlichen Folgen einer Verurteilung nach § 315c StGB sind somit weitreichend und können die persönliche und berufliche Situation des Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Es empfiehlt sich daher dringend, im Falle eines Ermittlungsverfahrens wegen Gefährdung des Straßenverkehrs frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die bestmögliche Verteidigung zu gewährleisten und die drohenden Konsequenzen soweit wie möglich abzumildern.

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Was ist der Unterschied zwischen fahrlässiger und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs?

Der Unterschied zwischen fahrlässiger und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs liegt in der inneren Einstellung des Täters zur Tat. Bei einer vorsätzlichen Gefährdung handelt der Täter bewusst und willentlich, während bei Fahrlässigkeit die nötige Sorgfalt außer Acht gelassen wird.

Eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB liegt vor, wenn der Täter die Tatbestandsmerkmale kennt und den Taterfolg zumindest billigend in Kauf nimmt. Er muss sich der Gefährlichkeit seines Verhaltens bewusst sein und trotzdem handeln. Dies setzt voraus, dass er die konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder bedeutender Sachwerte zumindest für möglich hält und sich damit abfindet.

Bei einer fahrlässigen Gefährdung hingegen verletzt der Täter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, ohne die Gefährdung zu wollen oder billigend in Kauf zu nehmen. Er erkennt die Gefahr nicht, obwohl er sie bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen.

Die Feststellung des Vorsatzes obliegt den Gerichten und erfordert eine sorgfältige Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei gelten strenge Beweisanforderungen, da der Vorsatz als innere Tatsache nicht direkt beobachtbar ist. Die Gerichte müssen anhand objektiver Anhaltspunkte auf die subjektive Einstellung des Täters schließen.

Bei der Beurteilung des Vorsatzes berücksichtigen die Gerichte verschiedene Faktoren. Dazu gehören die Art und das Ausmaß des Verkehrsverstoßes, die Verkehrssituation, das Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat sowie seine persönlichen Verhältnisse und Erfahrungen. Ein besonders rücksichtsloses oder aggressives Fahrverhalten kann beispielsweise für einen Vorsatz sprechen.

Im Fall einer Trunkenheitsfahrt reicht die bloße Feststellung eines hohen Blutalkoholwerts nicht aus, um einen Vorsatz zu begründen. Die Gerichte müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür feststellen, dass der Täter seine Fahruntüchtigkeit erkannt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat. Dies kann sich etwa aus Zeugenaussagen über sein Verhalten vor Fahrtantritt oder aus früheren einschlägigen Verurteilungen ergeben.

Bei der Gefährdung des Straßenverkehrs durch überhöhte Geschwindigkeit muss das Gericht ebenfalls sorgfältig prüfen, ob der Täter die konkrete Gefährdung anderer erkannt und gebilligt hat. Allein aus dem Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung lässt sich nicht automatisch auf einen Vorsatz schließen. Vielmehr sind die gesamten Umstände der Fahrt zu berücksichtigen, etwa die Straßen- und Sichtverhältnisse oder das Verkehrsaufkommen.

Die Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit hat erhebliche Auswirkungen auf die Strafzumessung. Eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, während bei Fahrlässigkeit eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe droht. Zudem hat die Einstufung als vorsätzliche Tat Folgen für den Versicherungsschutz und kann zu einem Regress der Haftpflichtversicherung führen.

Für die Verteidigung in Strafverfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs ist die Frage des Vorsatzes von zentraler Bedeutung. Ein erfahrener Strafverteidiger wird versuchen, Anhaltspunkte für eine bloß fahrlässige Begehung herauszuarbeiten und die strengen Anforderungen an den Vorsatznachweis zu betonen. Dies kann etwa durch eine detaillierte Rekonstruktion des Tathergangs oder die Einholung von Sachverständigengutachten erfolgen.

Die Rechtsprechung betont, dass bei der Annahme eines Vorsatzes Zurückhaltung geboten ist. Im Zweifel ist zugunsten des Angeklagten von Fahrlässigkeit auszugehen. Dies gilt insbesondere bei alltäglichen Verkehrsverstößen, bei denen die Grenze zur strafbaren Gefährdung oft fließend ist. Die Gerichte müssen ihre Vorsatzfeststellung in den Urteilsgründen nachvollziehbar begründen, um eine effektive Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz zu ermöglichen.

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Welche Rolle spielt die Höhe des Sachschadens bei der Gefährdung des Straßenverkehrs?

Bei der Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB spielt die Höhe des Sachschadens eine entscheidende Rolle für die Strafbarkeit. Der Tatbestand setzt voraus, dass durch das verkehrswidrige Verhalten eine konkrete Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert entstanden ist.

Die Rechtsprechung hat hierfür eine Wertgrenze von mindestens 750 Euro festgelegt. Es müssen dabei zwei Aspekte geprüft werden: Zunächst muss die gefährdete Sache selbst einen bedeutenden Wert von mindestens 750 Euro haben. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob dieser Sache auch ein bedeutender Schaden in dieser Höhe gedroht hat.

Der Wert der gefährdeten Sache bemisst sich nach ihrem Verkehrswert. Bei der Schadenshöhe kommt es auf den drohenden Gefährdungsschaden an, nicht auf einen tatsächlich eingetretenen Schaden. Maßgeblich ist die am Marktwert zu messende potenzielle Wertminderung der Sache.

Bei der Beurteilung sind nur fremde Sachen zu berücksichtigen. Schäden am eigenen oder vom Täter geführten Fahrzeug bleiben außer Betracht, auch wenn es ihm nicht gehört. Wurden mehrere fremde Sachen gefährdet, ist deren Gesamtwert maßgeblich.

Die Gerichte müssen in ihren Urteilen konkrete Feststellungen zum Wert der gefährdeten Sachen und zur Höhe des drohenden Schadens treffen. Pauschale Angaben wie „Sachschaden“ reichen nicht aus. Fehlen solche Feststellungen, kann dies zur Aufhebung des Urteils führen.

Die Wertgrenze dient dazu, die Strafbarkeit auf erhebliche Gefährdungen zu beschränken. Geringfügige Sachschäden sollen nicht unter § 315c StGB fallen. Die Vorschrift bezweckt primär den Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs, der Schutz von Individualrechtsgütern ist nur eine Nebenwirkung.

Bei der Strafzumessung kann die konkrete Schadenshöhe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens berücksichtigt werden. Je höher der drohende oder eingetretene Schaden, desto schwerer wiegt in der Regel die Tat.

Für die Praxis bedeutet dies, dass bei Verkehrsunfällen stets sorgfältig zu prüfen ist, ob fremde Sachen im Wert von mindestens 750 Euro konkret gefährdet wurden. Nur dann kommt eine Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs in Betracht. Bei geringeren Schäden kann allenfalls eine Ordnungswidrigkeit vorliegen.

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Welche Verteidigungsmöglichkeiten gibt es bei einer Anklage wegen Gefährdung des Straßenverkehrs?

Bei einer Anklage wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB stehen dem Beschuldigten verschiedene Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Prüfung, ob alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Hierbei spielt insbesondere die Frage nach der konkreten Gefährdung eine wichtige Rolle. Der Verteidiger kann argumentieren, dass keine tatsächliche Gefahr für Leib oder Leben anderer Verkehrsteilnehmer oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert bestand.

Ein weiterer Verteidigungsansatz bezieht sich auf die subjektive Tatseite. Es muss nachgewiesen werden, dass der Beschuldigte vorsätzlich oder zumindest fahrlässig gehandelt hat. Fehlt es an diesem Vorsatz oder an der Fahrlässigkeit, kann eine Strafbarkeit entfallen. Der Verteidiger kann beispielsweise argumentieren, dass der Beschuldigte die Gefährlichkeit seines Verhaltens nicht erkannt hat oder erkennen konnte.

Bei Vorwürfen der Trunkenheit im Straßenverkehr kann die Verteidigung die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Messmethoden in Frage stellen. Hierbei können technische Fehler bei der Blutalkoholmessung oder Ungenauigkeiten bei der Durchführung des Atemalkoholtests thematisiert werden. Auch die Einhaltung vorgeschriebener Wartezeiten zwischen Trinkende und Messung kann ein relevanter Aspekt sein.

Die Verteidigung kann zudem auf mögliche Verfahrensfehler hinweisen. Dazu gehören etwa Verstöße gegen Belehrungspflichten, fehlerhafte Durchsuchungen oder unzulässige Beweiserhebungen. Solche Verfahrensmängel können unter Umständen zu einem Beweisverwertungsverbot führen.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Prüfung alternativer Straftatbestände. Möglicherweise lässt sich argumentieren, dass statt einer Gefährdung des Straßenverkehrs nur eine weniger schwerwiegende Ordnungswidrigkeit vorliegt. Dies kann zu einer milderen Bestrafung führen.

Bei der Strafzumessung kann die Verteidigung auf strafmildernde Faktoren hinweisen. Dazu zählen etwa eine bisher strafrechtlich unauffällige Lebensführung, Reue und Einsicht des Beschuldigten oder besondere persönliche Umstände, die zu der Tat geführt haben.

In Bezug auf den Gefährdungsschaden bei § 315c StGB ist zu beachten, dass laut aktueller Rechtsprechung eine zweistufige Prüfung erforderlich ist. Zunächst muss festgestellt werden, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine von bedeutendem Wert handelt. Anschließend ist zu prüfen, ob dieser Sache auch ein bedeutender Schaden gedroht hat. Dabei kann der tatsächlich entstandene Schaden geringer sein als der maßgebliche „überschießende“ Gefährdungsschaden.

Die Verteidigung kann argumentieren, dass diese Voraussetzungen im konkreten Fall nicht erfüllt sind. Möglicherweise lässt sich darlegen, dass keine Sache von bedeutendem Wert gefährdet wurde oder dass der drohende Schaden nicht als bedeutend einzustufen ist.

Ein erfahrener Strafverteidiger wird die individuellen Umstände des Falles genau analysieren und eine maßgeschneiderte Verteidigungsstrategie entwickeln. Dabei können verschiedene der genannten Ansätze kombiniert und weitere fallspezifische Argumente eingebracht werden. Ziel ist es, entweder einen Freispruch zu erreichen oder zumindest eine möglichst milde Strafe zu erwirken.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs): Dieser Paragraph stellt bestimmte gefährliche Verhaltensweisen im Straßenverkehr unter Strafe. Dazu gehören unter anderem das Führen eines Fahrzeugs unter Alkohol- oder Drogeneinfluss sowie rücksichtsloses Verhalten, das Leib, Leben oder bedeutende Sachwerte gefährdet. Wichtig ist, dass eine konkrete Gefahr entstanden sein muss, auch wenn kein tatsächlicher Schaden vorliegt.
  • Tateinheit: Tateinheit liegt vor, wenn eine Handlung gleichzeitig mehrere Straftatbestände erfüllt. Im Fall des Angeklagten bedeutete dies, dass sein Verhalten sowohl die Gefährdung des Straßenverkehrs als auch die versuchte Sachbeschädigung und die Nötigung erfüllte. Die Strafe richtet sich dann nach der schwersten der begangenen Taten, kann aber insgesamt erhöht werden.
  • Fahrlässigkeit: Fahrlässigkeit bedeutet, dass jemand die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt und dadurch unbeabsichtigt einen Schaden verursacht. Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt, weil er hätte erkennen können und müssen, dass er aufgrund seines Alkoholpegels fahruntüchtig war.
  • Vorsatz: Vorsatz liegt vor, wenn jemand bewusst und gewollt eine Straftat begeht. Im Fall des Angeklagten war strittig, ob er die Gefährdung des Straßenverkehrs vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit ist entscheidend für die Höhe der Strafe.
  • Verfahrensrüge: Eine Verfahrensrüge ist ein Rechtsmittel, das darauf abzielt, Fehler im Prozessablauf geltend zu machen. Im vorliegenden Fall hatte die Verteidigung erfolgreich eine Verfahrensrüge erhoben, weil das Amtsgericht den Antrag auf Verwarnung mit Strafvorbehalt nicht berücksichtigt hatte. Dies führte zur Aufhebung des Urteils.
  • Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB): Diese Maßnahme erlaubt es dem Gericht, von einer Strafe abzusehen, wenn der Täter sich zukünftig straffrei verhält. Es handelt sich um eine Art „letzte Chance“ für Ersttäter, die durch ihr Verhalten gezeigt haben, dass sie keine unmittelbare Gefahr für die Gesellschaft darstellen. Die Nichtberücksichtigung eines solchen Antrags im ursprünglichen Urteil war ein Verfahrensfehler.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs): Dieser Paragraph stellt unter Strafe, wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt, da er mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,61 Promille gefahren ist.
  • § 315c Abs. 3 Nr. 2 StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs): Dieser Paragraph bezieht sich auf die Gefährdung des Straßenverkehrs durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten. Im vorliegenden Fall könnte das Verhalten des Angeklagten, der mehrfach absichtlich gegen ein parkendes Auto fuhr und eine Mutter mit Kind bedrängte, unter diese Kategorie fallen.
  • § 223 StGB (Körperverletzung): Dieser Paragraph stellt körperliche Misshandlungen und Gesundheitsschädigungen unter Strafe. Im vorliegenden Fall könnte das Verhalten des Angeklagten, auf eine Fußgängerin mit Kind zuzufahren, als versuchte Körperverletzung gewertet werden, da er möglicherweise ihre Gesundheit gefährdet hat.
  • § 240 StGB (Nötigung): Dieser Paragraph ahndet die Anwendung von Gewalt oder Drohungen, um einen anderen zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Im vorliegenden Fall könnte das Zufahren auf die Fußgängerin als Nötigung ausgelegt werden, da der Angeklagte sie möglicherweise dazu zwingen wollte, die Straße zu verlassen.
  • § 59 StGB (Verwarnung mit Strafvorbehalt): Dieser Paragraph ermöglicht es dem Gericht, bei Ersttätern von einer Strafe abzusehen und stattdessen eine Verwarnung mit Strafvorbehalt auszusprechen. Im vorliegenden Fall hatte die Verteidigung eine solche Verwarnung beantragt, was das Amtsgericht jedoch nicht berücksichtigt hatte. Dieser Verfahrensfehler führte zur Aufhebung des Urteils.

Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 3 ORs 31/24 – 161 SRs 21/24 – Beschluss vom 12.04.2024

Lesen Sie hier das Urteil…

 

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. November 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit versuchter Sachbeschädigung (Fall 1) sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (Fall 2) zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 70 Euro verurteilt und gegen ihn ein sechsmonatiges Fahrverbot verhängt, das durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis abgegolten war. Nach den Urteilsfeststellungen wollte der infolge einer Blutalkoholkonzentration von zumindest 0,61 Promille (relativ) fahrunsichere Angeklagte am Tattag ausparken, wobei er gegen einen hinter ihm parkenden PKW stieß. Von der anwesenden Fahrerin dieses Fahrzeugs angesprochen, soll der Angeklagte erwidert haben, sie sei selbst schuld, wenn sie so „bescheuert und so nah“ parke. Hiernach soll der Angeklagte, nunmehr mit bedingtem Schädigungsvorsatz, noch zwei weitere Male gegen das Fahrzeug gefahren sein, ohne dass es durch einen der Anstöße zu einem Schaden gekommen sei. In einer neuen selbstständigen Tat soll der Angeklagte, seine Fahrunsicherheit sorgfaltswidrig missachtend, nach dem Ausparken auf eine mit ihrem Kleinkind auf der Fahrbahn stehende Zeugin zugefahren sein, um diese zu einem ruckartigen Verlassen der Fahrbahn zu veranlassen.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat in Bezug auf den Schuldspruch mit der allgemeinen Sachrüge und zudem hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs mit einer ausgeführten Verfahrensrüge Erfolg.

1. Allerdings besteht auch in Bezug auf die Verurteilung wegen versuchter Sachbeschädigung kein Verfahrenshindernis. Zwar teilt der Senat die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, dass die insoweit Geschädigte ihren zunächst gestellten Strafantrag mit der Äußerung, sie stelle keinen Strafantrag, in der Hauptverhandlung zurückgenommen hat (Bd. I Bl. 157). Die Generalstaatsanwaltschaft hat jedoch in ihrer Zuschrift das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Diese Erklärung war auch noch in der Revisionsinstanz möglich (vgl. BGHR § 303c StGB, öffentliches Interesse, 1; Fischer, StGB 71. Aufl., § 303c Rn. 7), weshalb sie wirksam ist.

2. Der Senat überprüft das angefochtene Urteil sowohl im Schuld- als auch im Rechtsfolgenausspruch. Die Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft, der Angeklagte habe die Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, teilt der Senat nicht. Eine solche Beschränkung ist nicht erklärt worden, und sie ergibt sich auch nicht durch Auslegung. Bereits nach dem Wortlaut ist die Revision unbeschränkt eingelegt worden. Der Revisionsführer beantragt zudem, das Urteil „mitsamt den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben“ und die Sache zurückzuverweisen. Er rügt – ohne erkennbare Begrenzung – „die Verletzung sachlichen Rechts“. Schließlich beanstandet er die Verletzung des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO, wobei die weiteren Ausführungen belegen, dass es sich um eine die Rechtsfolgen betreffende Verfahrensrüge handelt (dazu unten 4). Der Umstand, dass sich die einzig ausgeführte Rüge auf die Rechtsfolgen bezieht, gibt keinen Anlass dazu, von einer auf diese beschränkte Revision auszugehen. Hiergegen sprechen sowohl der unbeschränkt gestellte Antrag als auch die allgemein und damit gleichfalls nicht beschränkt erhobene Sachrüge.

3. Die allgemeine Sachrüge dringt durch, weil die Feststellungen den zum Fall 1 getroffenen Schuldspruch der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB) nicht tragen. Sie belegen nicht, dass der Angeklagte die Tat vorsätzlich begangen hat (a), und sie zeigen auch nicht auf, dass einer fremden Sache von bedeutendem Wert ein bedeutender Schaden gedroht hat (b).

a) Das Amtsgericht hat den Angeklagten nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB, also wegen alkoholbedingter vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, verurteilt. Nach den Feststellungen hätte der Angeklagte aber seine Fahrunsicherheit „erkennen können und müssen“ (UA S. 3). Dies belegt nur Fahrlässigkeit.

b) § 315c StGB erfordert zum sog. Gefährdungsschaden zwei Prüfschritte, zu denen im Strafurteil in aller Regel Feststellungen zu treffen sind: Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert gehandelt hat, was etwa bei älteren oder bereits vorgeschädigten Fahrzeugen fraglich sein kann. Handelt es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der allein maßgebliche „überschießende“ Gefährdungsschaden. Der Wert der Sache ist hierbei nach dem Verkehrswert und die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen (vgl. BGH NStZ 2019, 677 m. w. N.).

Hier ist schon nicht festgestellt, dass es sich bei dem gefährdeten Fahrzeug um einen Gegenstand von bedeutendem Wert gehandelt hat, wobei die Wertgrenze noch immer bei 750 Euro liegen dürfte (vgl. BGH NStZ-RR 2019, 125; NJW 2017, 743; zuletzt BayObLG, Beschluss vom 27. November 2023 – 203 StRR 381/23 – [juris]). Dass das im Urteil lediglich als PKW Audi bezeichnete Fahrzeug (UA S. 3) überhaupt diesen Wert hatte, mag naheliegen, versteht sich aber nicht von selbst. Selbst wenn man diesen Wert unterstellte, fehlten Ausführungen zum zweiten Prüfschritt, ob dem Fahrzeug nämlich ein bedeutender Schaden gedroht hat. Dies liegt bei dem festgestellten Fahrverhalten keinesfalls nahe: Es ging um einen Ausparkvorgang mit ersichtlich üblich geringer Geschwindigkeit, bei dem trotz dreifachen Anstoßes kein Schaden entstanden ist. Die Feststellungen belegen daher die konkrete Gefährdung nicht.

Auch die Beweiswürdigung und die rechtliche Würdigung enthalten keine Ausführungen dazu, warum das Tatgericht bei dem festgestellten Sachverhalt von einer konkreten Gefährdung und einem drohenden bedeutenden Schaden ausgegangen ist.

4. Auch die Verfahrensrüge dringt durch.

a) Die Revision beanstandet eine Verletzung des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO, indem sie behauptet, die Verteidigerin habe im Schlussantrag eine Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB gefordert. Da das Urteil zu § 59 StGB nichts enthält, ist die Verfahrensrüge zulässig erhoben.

b) Dass die Verteidigerin einen entsprechenden Antrag gestellt hat, wird durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesen (Bd. I Bl. 160). Damit liegt eine Verletzung des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO vor, denn nach dieser Vorschrift müssen die Urteilsgründe ergeben, warum nicht auf Verwarnung mit Strafvorbehalt erkannt wurde, wenn ein entsprechender Antrag gestellt worden ist.

c) Tatsächlich dürfte bei dem festgestellten Sachverhalt mit durchaus gravierenden Verkehrsverfehlungen eine Verwarnung mit Strafvorbehalt fernliegen. Daher stellt es sich auch nicht als sachlich-rechtlicher Fehler dar, dass das Urteil keine Ausführungen zu § 59 StGB enthält. Dass „die Fallgestaltung die Prüfung des § 59 StGB nicht unbedingt nahe legt“, entbindet das Tatgericht allerdings nicht von Ausführungen zu § 59 StGB, wenn in der Hauptverhandlung ein dahingehender Antrag gestellt worden ist (vgl. OLG Hamm Beschlüsse vom 4. September 2008 – 3 Ss 370/08 – und vom 9. November 1985 – 4 Ss 1328/85 – [jeweils juris]). Dass Ausführungen sachlich-rechtlich erlässlich waren, berührt damit den Erfolg der Verfahrensrüge nicht.

5. Da von den zu 3. bezeichneten sachlich-rechtlichen Mängeln unmittelbar lediglich der Fall 1 betroffen ist, hat der Senat erwogen, neben dem gesamten Rechtsfolgenausspruch nur den diesen Fall betreffenden Schuldspruch aufzuheben. Hiervon hat er aber abgesehen, weil es möglich und gegebenenfalls naheliegend erscheint, dass der neue Tatrichter das gesamte Tatverhalten – mitsamt der Gefährdung der auf der Straße mit einem Kleinkind stehenden Zeugin – als eine einheitliche alkoholbedingte Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB bewertet. Hierdurch könnte der Revisionsführer bei den Rechtsfolgen besser gestellt sein als bei der Bewertung des Geschehens als zwei sachlich-rechtlich selbstständige Taten.

6. Daher hebt der Senat das Urteil mit den Feststellungen insgesamt auf und verweist die Strafsache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zu neuer Verhandlung und Entscheidung.


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