OLG Oldenburg – Az.: 1 Ss 86/21 – Urteil vom 05.07.2021
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 18. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 15. Dezember 2020 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Varel hatte den Angeklagten am 23. Juli 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Oldenburg – 18. kleine Strafkammer – mit Urteil vom 15. Dezember 2020 als unbegründet verworfen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten. Er erstrebt mit der ausgeführten Sachrüge die Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt.
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte am TT. MM 2019 auf dem Stadtfest in der (…) Innenstadt mit dem Zeugen BB in Streit geraten, in dessen Verlauf der als Schlichter auftretende Bruder des Angeklagten von dem Zeugen BB einen Schlag ins Gesicht erhalten hatte. Der Zeuge BB hatte daraufhin die Flucht ergriffen, wurde hierbei aber von dem Angeklagten und dessen Bruder verfolgt. Als die auf dem Stadtfest eingesetzten Polizeibeamten, die Zeugen PHK CC und PK DD, die auf das Geschehen aufmerksam geworden waren, den Zeugen BB ergriffen hatten und festhielten, fiel dessen Kopfbedeckung zu Boden. Der Zeuge BB bückte sich deshalb, um diese aufzuheben. In diesem Moment trat der hinzugekommene Angeklagte ihm, um ihn zu verletzen, mit seinem beschuhten Fuß – wahrscheinlich Adidas-Turnschuhe mit einer relativ leichten und ca. 1-2cm dünnen Sohle und keine Lederstiefel (UA S. 7 unten/8 oben) – von unten mit voller Wucht mit „Vollspann“ gegen den Kopf, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, dass auf Grund seiner Vorgehensweise, insbesondere der Wucht seines Trittes gegen den Kopfbereich, der Geschädigte erhebliche und auch lebensgefährliche Verletzungen erleiden könnte. Der Zeuge BB wurde mit dem Fußrücken im Wangen-Nasen-Bereich getroffen und hatte zumindest in den Folgetagen Hämatome und Schmerzen im Gesicht.
2.
Die den Feststellungen zu Grunde liegende Beweiswürdigung der Strafkammer weist keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere werden die Ausführung zur Art des Trittes durch die durch das Landgericht als glaubhaft angesehenen Aussagen der Polizeibeamten getragen, wonach sie den Zeugen BB festgehalten hätten und der Angeklagte diesem mit voller Wucht mit dem beschuhten Fuß gegen das Gesicht getreten habe.
3.
Die getroffenen Feststellungen tragen auch die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB, also als mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangene Tat.
a.
Die Bewertung des gezielten Trittes mit dem Fußrücken gegen das Gesicht des Zeugen BB als eine mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangene Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Tritte mit dem beschuhten Fuß und Schläge mit Knüppeln gegen den Kopf und den Oberkörper stellen eine das Leben gefährdende Behandlung dar, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können (vgl. BGH, Urteil v. 29.04.2004, 4 StR 43/04, NStZ 2004, 618). Massive Schläge oder Tritte gegen den Kopf sind regelmäßig geeignet, eine hierfür ausreichende Gefährdung zu verursachen (vgl. etwa BGH, Beschluss v. 23.07.2004, 2 StR 101/04, NStZ 2005, 156; Beschluss v. 13.05.2015, 2 StR 488/14, bei juris). Insbesondere kommt es angesichts der generellen Eignung derartiger Handlungen, lebensgefährliche Verletzungen herbeizuführen, nicht darauf an, ob die konkret eingetretene Verletzung tatsächlich lebensgefährlich war und sich die mit dem Tritt verbundene Gefahr für den Geschädigten nicht realisiert hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 11.06.2008, 2 Ss 60/08, NStZ-RR 2009, 15).
b.
Den somit bereits durch die Erfüllung eines der in § 224 Abs. 1 StGB beschriebenen Qualifikationsmerkmale zu Recht erfolgten Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (vgl. BGH, Beschluss v. 13.05.2015, 2 StR 488/14, Rz. 5, bei juris) stützt das Landgericht zudem zutreffend auch auf die Tatbegehung mittels eines gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. StGB).
Eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Absatz 1 Nr. 2, 2. Alt. StGB liegt dann vor, wenn ein „anderes gefährliches Werkzeug“ zur Tatausführung eingesetzt wird. Dabei ist ein Gegenstand dann ein gefährliches Werkzeug, wenn er nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach seiner Art der Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Schuhe kommen als solche in Betracht, je nach Art des Einsatzes neben festen, schweren Schuhen auch gewöhnliche Straßen- und handelsübliche Turnschuhe. Hinsichtlich letzterer wird ein gefährlicher Einsatz im Allgemeinen dann bejaht, wenn mit dem beschuhten Fuß gegen einen besonders empfindlichen Körperteil, wie zum Beispiel Gesicht, Kopf, Bauch oder die Genitalien, getreten wird (vgl. Stree/Strenberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage, § 224 Rd. 5; Hardtung, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage, § 224 Rd. 28).
Nach den Feststellungen des Landgerichts ist davon auszugehen, dass der Angeklagte den Tritt (zumindest) mit einem festen Turnschuh ausgeführt hat (dies war in dem der o.a. Entscheidung des BGH vom 13. Mai 2015, 2 StR 488/14, zu Grunde liegenden Fall, in dem dieser die Annahme der Qualifikation des § 224 Abs., 1 Nr. 5 StGB bei einem wuchtigen Tritt in das Gesicht des sich nach vorn beugenden Geschädigten nicht beanstandet hat, wohl aber die Annahme von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, offen geblieben: „Lederslipper“). Erfolgt aber der Tritt ins Gesicht mit einem solchen Schuh, dann liegt stets eine gefährliche Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs vor. Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seinem Urteil vom 23. Juni 1999 (3 StR 94/99, bei juris Rz. 4) ausgeführt, dass ein Straßenschuh von üblicher Beschaffenheit regelmäßig als gefährliches Werkzeug anzusehen sei, wenn damit, mit welcher Stelle des Schuhs auch immer, einem Menschen in das Gesicht getreten wird, ohne dass dies näherer Begründung bedarf. Entsprechendes gelte für Turnschuhe der heute üblichen Art. Darauf, dass der Angeklagte einen „Spannstoß“ ausführte, bei der jedenfalls die Sohle der Schuhe für den potentiellen Verletzungserfolg irrelevant war und möglicherweise eine stärkere Verletzung als bei einem Stoß mit dem bloßen Fuß nicht bewirkt werden konnte, kommt es daher nicht an.
4.
Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dass das Landgericht die Berücksichtigung eines Härteausgleichs nicht näher dargelegt hat, gefährdet den Bestand des Strafausspruches schon deshalb nicht, weil ein Härteausgleich wegen der anderweitigen Gesamtstrafenbildung gar nicht erforderlich war (vgl. BGH, Urteil v. 26.09. 2007, 1 StR 276/07, NStZ 2008; BayObLG, Beschluss v. 23.03.1993, 5 St RR 178/92, NJW 1993, 2127). Auch die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht zu beanstanden.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.