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Gefälschter Impfausweis – Covid 19 Impfung– Vorlage in Apotheke

OLG Karlsruhe – Az.: 2 Rv 21 Ss 262/22 – Beschluss vom 26.07.2022

Dem Bundesgerichtshof wird gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Entfalten die §§ 277 bis 279 StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung eine Sperrwirkung (privilegierende Spezialität), die bei Vorlage eines Impfausweises mit gefälschten Eintragungen über den Erhalt von Covid-19 Schutzimpfungen in einer Apotheke zur Erlangung eines digitalen Covid-19-Impfzertifikats einen Rückgriff auf § 267 Abs. 1 StGB ausschließt und einer Verurteilung nach dieser Vorschrift entgegensteht?

Gründe

I.

Das Amtsgericht L. hat den Angeklagten mit Urteil vom 08.02.2022 wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 150,00 EUR verurteilt.

Zur Tat hat der Strafrichter folgende Feststellungen getroffen:

„Am 03.11.2021 gegen 16.30 Uhr legte der Angeklagte in der Apotheke, H., der dortigen Mitarbeiterin B. einen auf ihn ausgestellten Impfpass vor, in dem zwei Schutzimpfungen gegen COVID-19 vom 10.06.2021 und 15.07.2021 durch das Zentrale Impfzentrum F. mit Stempel und Unterschrift vermerkt sind, um eine digitale Impfbestätigung zu erhalten. Diese Eintragungen stammten, wie er wusste, nicht vom Zentralen Impfzentrum F.. Die Zeugin B. erkannte die Fälschung und verständigte die Polizei. Durch die Vorlage des Dokuments wollte der Angeklagte gegenüber der Apotheke einen tatsächlich nicht bestehenden vollständigen COVID-19 Impfschutz vortäuschen, um mit Hilfe des digitalen Impfzertifikats weiter am öffentlichen Leben (Restaurants, öffentliche Veranstaltungen, Einkaufen etc.) teilhaben zu können.

Die Impfpassfälschung erhielt der Angeklagte von einer ihm nicht näher bekannten Person in einem Club in B.. Er bezahlte dafür 250 SFr. Er nahm das entsprechende Angebot an, weil er es ablehnt, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen, sich dadurch aber vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen fühlte.“

Im Rahmen der Beweiswürdigung ist folgendes ausgeführt:

„…der vom zentralen Impfzentrum F. verwendete Stempel [enthalte] stets auch eine Namensangabe, was beim Impfausweis des Angeklagten nicht der Fall gewesen sei“.

gefälschter Impfausweis – Covid 19 Impfung– Vorlage in Apotheke
(Symbolfoto: nitpicker/Shutterstock.com)

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Revision, die er mit der Sachrüge begründet und hierzu ausgeführt hat, dass das Amtsgericht die Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) gegenüber dem Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 StGB verkannt habe. Der Angeklagte sei daher aus Rechtsgründen freizusprechen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat mit Schrift vom 20.04.2022 beantragt, die Revision des Angeklagten durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Das Urteil lasse keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Der Angeklagte hatte über seinen Verteidiger Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, hat sich aber nicht geäußert.

II.

Der Senat kann über die Revision des Angeklagten nicht entscheiden, ohne entweder von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 31.05.2022 (OLG Celle, Urteil vom 31. Mai 2022 – 1 Ss 6/22 –, juris) oder von der Entscheidung des Bayrischen Obersten Landgerichts vom 03.06.2022 (BayObLG, Beschluss vom 03.06.2022 – 207 StRR 155/22 – BeckRS 2022, 13743) abzuweichen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1976 – 5 StR 240/76 –, BGHSt 26, 384-387).

Die vorgelegte Rechtsfrage ist auch entscheidungserheblich, weil über das Rechtsmittel des Angeklagten nicht unabhängig von der Beantwortung der Vorlagefrage entschieden werden kann.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen den wegen einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB getroffenen Schuldspruch und beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung, die von dem Amtsgericht ausgehend von der geständigen Einlassung des Angeklagten gewissenhaft und lückenlos, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze vorgenommen wurde, wobei die Angaben des Angeklagten von den Aussagen des Ermittlungsbeamten bestätigt und ergänzt wurden.

III.

Der Senat sieht sich an der Verwerfung der Revision durch die Entscheidung des Bayrischen Obersten Landgerichts vom 03.06.2022 gehindert, weil dort die tragende Rechtsauffassung vertreten wird, dass die §§ 277 StGB a.F. eine Sperrwirkung (privilegierende Spezialität) gegenüber dem Tatbestand des § 267 StGB entfalten und einen Rückgriff auf diese Vorschrift ausschließen:

So sei bei Vorlage eines Impfpasses, der gefälschte Eintragungen über Covid-19 Schutzimpfungen enthält, der Tatbestand des § 267 Abs. 1 StGB zwar grundsätzlich erfüllt, diese Vorschrift werde jedoch durch die §§ 277 ff. StGB a.F. verdrängt und sei daher nicht anwendbar. Es handle sich bei den §§ 277 ff. StGB a.F. gegenüber § 267 StGB um einen Fall privilegierender Spezialität, so dass ein Rückgriff auf die allgemeinere Norm auch dann ausgeschlossen sei, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der spezielleren Norm nicht erfüllt sind (BayObLG, a.a.O., Rn. 10, 11, 18). Der systematischen Stellung der Vorschriften und der Gesetzgebungsgeschichte der §§ 277 StGB a.F. sei die Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen, mit diesen ein allgemeines Sonderstrafrecht für bestimmte Umgangsformen mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen zu schaffen (BayObLG, a.a.O., Rn. 13).

Der Senat kann der Revision aber auch nicht stattgeben und den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freisprechen, weil er dann von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 31.05.2022 (a.a.O.) abweichen müsste, in der die tragende Rechtsauffassung vertreten wird, dass bei Vorlage eines Impfpasses mit gefälschten Eintragungen über den Erhalt von Covid-19 Schutzimpfungen in einer Apotheke zur Erlangung eines digitalen Impfpasszertifikats der Tatbestand des § 267 Abs. 1 StGB erfüllt sei und auch nicht durch § 279 StGB a.F. verdrängt werde. Es bestehe keine Sperrwirkung des privilegierenden Tatbestands (OLG Celle, a.a.O., Rn. 16).

IV.

Der Senat hält die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle für zutreffend und beabsichtigt daher die Revision des Angeklagten zu verwerfen:

1. Bei dem hier nach den getroffenen Feststellungen verwandten „Impfpass“, dessen äußere Form und sein grundsätzlicher Inhalt sich anhand allgemein zugänglicher Quellen feststellen lässt, handelt es sich um verkörperte Gedankenerklärungen, die zum Beweis geeignet und bestimmt sind, und ihren (ärztlichen) Aussteller erkennen lassen (vgl. zum Begriff der Urkunde: Fischer, StGB, 69. Aufl., § 267 Rn. 3 ff.).

Dem vollständig ausgefüllten Impfbuch ist die zum Beweis geeignete und bestimmte Gedankenerklärung zu entnehmen, dass der Angeklagte als die im Impfbuch bezeichnete Person zu den genannten Zeitpunkten jeweils mit einem (zugelassenen) Impfstoff einer bestimmten Charge geimpft worden ist. Scheinbarer Aussteller der im Impfbuch dokumentierten Impfungen war hier angeblich eine für das Impfzentrum F. handelnde (zur Impfung berechtigte) Person, der tatsächliche Aussteller ist hingegen unbekannt, jedenfalls war es nicht das Impfzentrum F. Da mithin tatsächlicher Aussteller und der aus der Urkunde ersichtliche Aussteller nicht identisch sind, ist die Urkunde unecht. Von dieser unechten Urkunde hat der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen im Wissen um die dargelegten Umstände und in der Absicht im Rechtsverkehr Gebrauch gemacht, durch ihre Vorlage in der Apotheke einen – inhaltlich unzutreffenden – digitalen Impfnachweis zu erlangen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 Ws 114/21 –, juris Rn. 9 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. März 2022 – 1 Ws 33/22 –, juris Rn. 10; OLG Celle, Urteil vom 31. Mai 2022 – 1 Ss 6/22 –, juris Rn. 15).

2. Der Tatbestand des § 279 StGB a. F. ist vorliegend nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Nach § 279 StGB a.F. wird wegen Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse bestraft, wer zur Täuschung einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft von einem (unrichtigen) Gesundheitszeugnis im Sinne der §§ 277, 278 StGB Gebrauch macht.

a) Bei dem vom Angeklagten vorgelegten „Impfpass“ (Impfbuch) handelt es sich zwar um ein objektiv unrichtiges Gesundheitszeugnis gemäß den §§ 277 ff. StGB a.F. Denn die im Impfausweis enthaltene Impfdokumentation nach § 22 Abs. 1 und 2 IfSG, die dem Angeklagten – vorliegend inhaltlich unrichtig – zwei ärztliche Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV- 2 bescheinigt, impliziert, dass dessen Körper und damit seine Gesundheit aufgrund seiner durch die Impfungen voraussichtlich gesteigerten Immunabwehrkraft mit hoher Wahrscheinlichkeit besser gegen das Virus geschützt ist als ungeimpft (vgl. RGSt 24, 284; OLG Hamburg, a.a.O., Rn. 16; OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 14; OLG Celle, a.a.O., Rn. 18; OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732/21, juris, Rn. 14; Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 277 Rn. 3; MüKoStGB/Erb, 3. Auflage 2019, § 277, Rn. 2; Gaede/Krüger, NJW 2021, 2159, 2163).

Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, dass ein Impfpass nicht umfänglich als Gesundheitszeugnis anzusehen sei und die Angabe der Chargennummer des vorgeblich eingesetzten Impfstoffes die eigenständige Erklärung über den jeweils verwendeten Impfstoff und dessen Chargenzugehörigkeit enthalte (OLG Hamburg, a.a.O., Rn. 17; LG Heidelberg, Beschluss vom 31. März 2022 – 1 Qs 5/22 –, juris, Rn.15) überzeugt dies nicht.

Gegen die Aufspaltung des Impfausweises – also einer bereits gegenständlichen einheitlichen Urkunde – in zwei voneinander unabhängige Urkunden und damit auch Gedankenerklärungen (zur verkörperten Gedankenerklärung als Voraussetzung einer Urkunde i.S.d. § 267 ff. StGB: vgl. nur Fischer, a.a.O., § 267 Rn. 2) spricht, dass zwischen dem Aspekt der Impfung und dem der Chargennummer ein untrennbarer inhaltlicher Zusammenhang vorliegt und damit eine einheitliche Gedankenerklärung besteht. So muss nach § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 IfSG jede Impfdokumentation die Chargenbezeichnung des Impfstoffs angeben. Die Chargennummer stellt somit einen verpflichtenden und untrennbaren Bestandteil der Impfdokumentation im Impfausweis dar, deren zentraler Erklärungsinhalt das „Ob“ der jeweils dokumentierten Impfung und ggf. noch die Art des Impfstoffes ist. Auf diese beiden Punkte kommt es insofern auch dem jeweiligen Erklärungsempfänger und damit dem Rechtsverkehr an. Dagegen ist die Angabe der Chargennummer – auch wenn dadurch etwa im Falle einer Verunreinigung des Impfstoffes eine Rückverfolgung oder etwaige Entschädigungsansprüche ermöglicht werden (BT-Drs. 14/2530, S. 72,73, BeckOK-IfSG/Aligbe, 11. Edition, § 22 Rn. 12) – von lediglich untergeordneter Bedeutung und im Rechtsverkehr letztlich nicht von Belang (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 1. März 2022 – 634 KLs 8/21 –, juris).

b) Darüber hinaus setzt eine Strafbarkeit nach § 279 StGB a.F. jedoch das Gebrauchen des unrichtigen Gesundheitszeugnisses zur Täuschung einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft voraus. Da eine Behörde ein ständiges, von der Person des Inhabers unabhängiges, in das Gefüge der öffentlichen Verwaltung eingeordnetes Organ der Staatsgewalt mit der Aufgabe, unter öffentlicher Autorität nach eigener Entschließung für Staatszwecke tätig zu sein, ist (Fischer, StGB, a.a.O., § 11, Rn. 29 m.w.N), handelt es sich bei einer Apotheke nicht um eine Behörde in diesem Sinne, sondern um ein privates Unternehmen (vgl. OLG Hamburg, a.a.O., Rn. 47 ff.; OLG Stuttgart a.a.O. Rn. 16; OLG Celle, a.a.O., Rn. 19; LG Osnabrück, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – 3 Qs 38/21 -, juris, Rn. 9, 11). Zwar haben die Apotheken nach § 22 Abs. 5 Infektionsschutzgesetz die Durchführung einer Schutzimpfung in einem digitalen Impfzertifikat zu bescheinigen, jedoch begründet allein die bloße Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben noch nicht die Eigenschaft als Behörde, vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB.

Auch ein „Gebrauchen“ des verfälschten Impfnachweises gegenüber dem Robert-Koch-Institut als Bundesbehörde ist durch die Vorlage bei der Apotheke nicht gegeben (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O. Rn. 17). Denn der Gebrauch eines Gesundheitszeugnisses i.S.d. § 279 StGB a.F. verlangt, dass das Gesundheitszeugnis in den Machtbereich der Behörde verbracht wird und diese somit als Adressatin der Täuschung zumindest die Möglichkeit zur (sinnlichen) Wahrnehmung hat (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 25. September 2013 – 2 Ss 519/13-, juris, Rn. 21; OLG Hamburg, a.a.O. Rn. 48, OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 17, OLG Celle, a.a.O., Rn. 20; BeckOK StGB/Weidemann, StGB, 52. Ed. 2022, § 279 Rn. 3). Daran fehlt es vorliegend jedoch, da gemäß § 22 Abs. 5 Infektionsschutzgesetz (IfSG) lediglich personenbezogene Daten aus dem Impfpass elektronisch an das RKI übermittelt werden, nicht jedoch das der Apotheke vorgelegte Impfbuch an sich.

Mithin wurde das Impfbuch mit der Impfdokumentation über den Erhalt zweier Schutzimpfungen gegen das Virus SARS CoV-2 im vorliegenden Fall nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen nicht gebraucht, um eine Behörde bzw. Versicherungsgesellschaft zu täuschen.

3. Da somit jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen des 279 StGB a.F. nicht erfüllt sind, vermögen diese gegenüber dem Delikt der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB auch keine Sperrwirkung zu entfalten.

Zwar handelt es sich bei den §§ 277 bis 279 StGB a.F. im Verhältnis zur Urkundenfälschung (§ 267 StGB) um speziellere Vorschriften, die für das Fälschen und Ausstellen von unrichtigen (ärztlichen) Gesundheitszeugnissen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft sowie das Gebrauchmachen von falschen Gesundheitszeugnissen gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft einen im Vergleich zu § 267 StGB milderen und damit privilegierten Strafrahmen vorsehen. Durch diese Privilegierung wird die Anwendung des § 267 StGB jedoch nach den Grundsätzen der Spezialität nur in solchen Fällen gesperrt, in denen von einem falschen Gesundheitszeugnis Gebrauch gemacht wird bzw. (im Fall von § 278 StGB a. F.) eine solche zu diesem Zweck ausgestellt wird, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft zu täuschen, also die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 277 ff. StGB a.F. erfüllt sind.

Ist dies jedoch – wie hier – nicht der Fall, entfalten die §§ 277 bis 279 StGB a. F. bei einem gleichzeitigen Verstoß gegen § 267 StGB keine über ihren eigenen Anwendungsbereich hinausgehende Sperrwirkung (OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 31. März 2022 – 1 Ws 19/22 –, juris; OLG Celle, a.a.O.; LG Heilbronn, Beschluss vom 11. Januar 2022 – 1 Qs 95/21 –, juris; LG Heidelberg, Beschluss vom 31. März 2022 – 1 Qs 5/22 –, juris; LG Ingolstadt, Beschluss vom 07. April 2022 – 2 Qs 40/22 -, BeckRS 2022, 8784; Puppe/Schumann in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Auflage 2017, § 277 Rn. 13; Fischer, StGB, 2022, § 277 Rn. 1; vgl. BGH, Urteil vom 02.11.2010 – 1 StR 579/09 – juris: zur Strafbarkeit nach § 267 Abs. 1 StGB bei Vorlage eines gefälschten Rezepts zur Erlangung eines Medikaments von einer Apotheke). Zumal die Sperrwirkung einer nicht in allen Tatbestandsmerkmalen erfüllten Privilegierung dem deutschen Strafrecht grundsätzlich fremd ist (OLG Schleswig, a.a.O. Rn. 10). So entfaltet etwa § 216 StGB eine solche nur dann, wenn auch dessen Voraussetzungen umfänglich vorliegen.

Soweit die überwiegende Auffassung in der Literatur und Teile der Rechtsprechung die §§ 277 ff. StGB a.F. gegenüber dem Delikt der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB als umfassende Privilegierung im Fall des Umgangs mit gefälschten bzw. unrichtigen Gesundheitszeugnissen ansehen (vgl. BayObLG, a.a.O.; OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 1 Ws 732/21 -, juris; LG Osnabrück, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – 3 Qs 38/21 -, juris; LG Karlsruhe, Beschluss vom 26. November 2021 – 19 Qs 90/21 -, juris; LG Paderborn, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 5 Qs 33/21 –, juris; LG Hechingen, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – 3 Qs 77/21 -, juris; LG Landau, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – 5 Qs 93/21 -, juris; LG Lüneburg, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – 111 Qs 76/21 – und vom 28. Januar 2022 – 111 Qs 5/22 -, juris; LG Kaiserslautern, Beschluss vom 23. Dezember 2021 – 5 Qs 107/21 -, juris; LG Würzburg, Beschluss vom 24. Januar 2022 – 1 Qs 18/22 -, juris; LG Offenburg, Beschluss vom 11. Mai 2022 – 3 Qs 9/22 –, juris; LG München I Beschluss vom 29.3.2022 – 12 Qs 7/22 -, BeckRS 2022, 6175; MK-Erb, StGB, 3. Auf., § 277, Rn. 11; SK-Hoyer, StGB, 9. Aufl. § 277 Rn. 5; Zieschang in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auf., § 277, Rn. 16; ohne Ausführungen zur Reichweite der Sperrwirkung hingegen: BeckOK, StGB, 51. Edition, § 277 Rn. 13; Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 277 Rn. 30; Lackner/Kühl, StGB, 2018, § 277 Rn. 5) überzeugt dies nicht.

Eine umfassende Sperrwirkung mit der Folge einer weitgehenden Straflosigkeit des Umgangs mit unrichtigen (unwahren und unechten) Gesundheitszeugnissen ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut, dem Zweck der Norm noch aus der Gesetzessystematik. Sie lässt sich überdies auch nicht aus dem Willen des historischen Gesetzgebers oder der Gesetzgebungsgeschichte begründen.

Im Einzelnen:

a) Nach dem in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Bestimmtheitsgebot ist für Strafnormen erforderlich, dass jedermann vorhersehen können soll, welches Verhalten verboten und mit welcher Strafe es bedroht ist (vgl nur: BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 – juris Rn. 70, BVerfGE 126, 170-233; BVerfGE 75, 329 (341) m.w.N.). Maßstab für die Klarheit der Norm ist dabei der Verständnishorizont des Bürgers als Normadressat (vgl. BVerfG Beschluss vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 (3649). Der Bürger muss dem Gesetzestext entnehmen können, was ihm noch erlaubt ist und wodurch er sich gegebenenfalls schon strafbar macht.

Nach diesem Maßstab genügt das Normgefüge aus § 267 Abs. 1 StGB einerseits und den §§ 277 ff. StGB a.F. andererseits dem Bestimmtheitsgebot. Der Wortlaut des § 267 StGB erfasst die Vorlage unrichtiger Gesundheitszeugnisse gegenüber Apotheken ohne weiteres. Ausdrückliche Hinweise auf einen Anwendungsvorrang der § 277 ff. StGB a.F. oder eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 267 StGB enthalten weder die §§ 277 ff. StGB a.F. noch § 267 StGB (OLG Hamburg, a.a.O. Rn. 38; OLG Stuttgart, a.a.O. Rn. 22; OLG Celle, a.a.O., Rn. 24; LG Heilbronn, a.a.O., Rn. 11).

Die kontroverse Diskussion in Literatur, Rechtsprechung und Politik kann insofern unter dem Aspekt der „unklaren Rechtslage“ allenfalls einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB – wofür es vorliegend auf Grundlage der Urteilsgründe sowie der Revisionsbegründung jedoch keine Anhaltspunkte gibt – nicht aber einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG begründen.

Ein solcher Verstoß ist auch nicht deswegen zu bejahen, weil der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik und konkreter Vorschläge zur Bereinigung der Problematik jahrelang untätig blieb, sich schließlich aber doch – wie hier im Zuge der im Zusammenhang mit gefälschten „Covid 19 – Impfbüchern“ aufgekommenen Diskussion über mögliche Strafbarkeitslücken – zu einer Reform der Normen entschloss und damit quasi selbst zur unklaren Rechtslage beigetragen hat (so wohl: LG Offenburg, a.a.O. Rn. 20 ff.).

So war zwar bereits im Entwurf eines Strafgesetzbuchs 1962 (E 1962 – Drucksache IV/650) der damaligen Bundesregierung mit § 309 Abs. 4 (E)StGB ein Vorschlag zur Reform der §§ 277 ff. StGB a.F. enthalten, der wie folgt lautete:

Abs. 1: „Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr als Arzt […] wider besseres Wissen ein unwahres Zeugnis über den Körper- oder Gesundheitszustand […] ausstellt, wird […] bestraft“.

Abs. 4 „Wer ein wider besseres Wissen unwahr ausgestelltes Zeugnis der in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Art zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht, wird […] bestraft.“.

Zur Begründung des Vorschlags ist ausgeführt, dass es

„an ausreichenden Gründen [fehlt], den Strafschutz, wie es in §§ 277 bis 279 StGB geschieht, nur auf solche Gesundheitszeugnisse zu beschränken, die zum Gebrauch bei einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft bestimmt sind. Gefälschte oder unwahre Gesundheitszeugnisse können auch auf anderen Lebensgebieten schwere Folgen nach sich ziehen“ (vgl. Bundestags-Drucksache IV/650, S. 486).

Dadurch, dass der Gesetzgeber in den Folgejahren trotz dieses konkreten Vorschlags zur Bereinigung der Problematik untätig blieb und den Reformvorschlag letztlich erst wieder mit der zum 24.11.2021 in Kraft getretenen Neuregelung der §§ 277 ff. StGB aufgegriffen hat, ist das Bestimmtheitsgebot jedoch nicht verletzt.

So ist zunächst zu sehen, dass es sich um einen Vorschlag der Bundesregierung handelte, der mithin gerade nicht aus der Mitte des Bundestags als parlamentarischem Gesetzgeber heraus erfolgte und somit auch nicht geeignet war den „gesetzgeberischen Willen“ oder zumindest die „Auffassung des damaligen Gesetzgebers“ zu dokumentieren (a.A. wohl: LG Offenburg, a.a.O.). Überdies lässt sich die jahrelange „Untätigkeit“ des Gesetzgebers trotz Vorliegens eines konkreten Reformvorschlags auch dahingehend verstehen, dass er gerade keine Reformnotwendigkeit sah, weil er im Hinblick auf die Verwendung von unrichtigen Gesundheitszeugnissen nicht von einer Strafbarkeitslücke ausging und daher den damaligen Vorschlag der Bundesregierung in den Folgejahren nicht umsetzte.

Insofern wurde vom (aktuellen) Gesetzgeber auch unmissverständlich in der Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 08.11.2021 (BT-Drucksache 20/15) zum Ausdruck gebracht, dass die §§ 277 bis 279 StGB a. F. gerade keine speziellen Sondervorschriften mit allgemeiner Sperrwirkung gegenüber der Urkundenfälschung nach § 267 StGB darstellen. So wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass die §§ 277 bis 279 StGB keine allgemeine Sperrwirkung für die §§ 267 ff. StGB entfalten, sondern lediglich darüber hinausgehende Strafbarkeiten für spezielle Konstellationen (BT-Drucksache 20/15, S. 33 unter Bezugnahme auf Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 277 Rn. 1) regeln sollten.

b) Auch aus einer Gesamtbetrachtung der Gesetzessystematik lässt sich nicht entnehmen, dass nach dem objektiven Willen des Gesetzgebers Gesundheitszeugnisse grundsätzlich anders behandelt werden sollen als sonstige Urkunden (OLG Hamburg, a.a.O. Rn. 27 ff.; OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 23; OLG Celle, a.a.O., Rn. 27; LG Heidelberg a.a.O. Rn. 22 ff.).

So haben die §§ 267 ff. StGB grundsätzlich einen weitreichenden Regelungsgehalt und schützen den Rechtsverkehr umfassend vor der Herstellung und dem Gebrauch unechter oder gefälschter Urkunden. Eine Differenzierung zwischen Urkunden aus unterschiedlichen Bereichen und eine Beschränkung auf Lebensbereiche, die als besonders schützenswert angesehen werden, findet sich insofern in der Gesetzessystematik der §§ 267 ff. StGB gerade nicht.

Die generelle Herausnahme von Gesundheitszeugnissen aus dem Anwendungsbereich der Urkundendelikte wäre vor diesem Hintergrund kaum erklärlich und verständlich, zumal im Übrigen alle Arten von Urkunden aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen dem Strafrechtsschutz der §§ 267 ff. StGB unterfielen, auch wenn deren Bedeutung für den Rechtsverkehr offensichtlich geringer ist als die von Gesundheitszeugnissen (vgl. OLG Hamburg, a.a.O. Rn. 27; OLG Stuttgart, a.a.O. Rn. 23; OLG Celle, a.a.O. Rn. 27), die regelmäßig besonders sensible, aber zugleich wichtige Informationen – etwa im Hinblick auf die Notwendigkeit etwaiger Schutzmaßnahmen eines Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten oder Kunden – enthalten.

Darüber hinaus ist auch zu sehen, dass die erste Handlungsalternative des § 277 StGB a.F., welche eine – nach den allgemeinen Urkundendelikten nicht strafbare – schriftliche Lüge enthält (NK-StGB/ Puppe/Schumann, a.a.O., Rn. 7) sogar eine Erweiterung im Vergleich zu den sonstigen Urkundendelikten darstellt. Die Manipulation von Gesundheitszeugnissen wurde nach der (früheren) Gesetzessystematik mithin nicht grundsätzlich als weniger strafwürdig eingestuft (vgl. OLG Hamburg, a.a.O. Rn. 28; OLG Stuttgart, a.a.O. Rn. 23; OLG Celle, a.a.O. Rn. 28).

Schließlich spricht gegen den Zweck einer umfassenden Privilegierung durch die §§ 277 ff. StGB a.F. auch, dass im Fall einer umfassenden Sperrwirkung nur Behörden und Versicherungsgesellschaften nicht aber der Rechtsverkehr allgemein vor gefälschten Gesundheitszeugnissen geschützt wäre, Gesundheitszeugnisse aber gleichwohl ebenso wie alle anderen Urkunden vom Anwendungsbereich der Urkundenunterdrückung des § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst waren, da die §§ 277 ff. StGB a.F. diesbezüglich keine Regelungen enthielten (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022, a.a.O. Rn. 29; OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 23; OLG Celle, a.a.O., Rn. 29; LG Heidelberg, a.a.O. Rn. 24).

c) Schließlich lässt sich auch aus dem Willen des historischen Gesetzgebers – dem angesichts des Alters der fraglichen Normen ohnehin nur eine eingeschränkte Bedeutung zukommt – keine Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. begründen (OLG Hamburg, a.a.O. Rn. 22). Vielmehr spricht die Gesetzgebungsgeschichte der §§ 277 bis 279 StGB a.F. – wie vom OLG Hamburg in der genannten Entscheidung detailliert und überzeugend dargestellt – eher gegen eine umfassende Privilegierung.

Die §§ 277 bis 279 StGB a.F. sind seit Inkrafttreten des RStGB am 01.01.1872 (vgl. RGBl. 1871, 127 (180) im Kern unverändert geblieben, wobei § 277 StGB a.F. auf § 256 pStGB (preußisches Strafgesetzbuch) basiert und vieles dafür spricht, dass dessen Funktion zumindest auch darin bestand, den Anwendungsbereich des Straftatbestands der Urkundenfälschung (247 pStGB) zu erweitern. So war dessen Tatbestand im Vergleich zum heutigen § 267 StGB durch seinen verengten Urkundenbegriff und die verlangte Gewinn- oder Schädigungsabsicht deutlich eingeschränkt, wohingegen § 256 pStGB auf die Gewinn- und Schädigungsabsicht verzichtete und normierte, dass auch derjenige sich strafbar machte,

„[der] unter dem Namen eines Arztes, Wundarztes oder einer anderen Medizinalperson ein Zeugniß über seinen oder eines Anderen Gesundheitszustand ausstellt, und davon zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht.“

Somit waren damals ärztliche Atteste von den allgemeinen Urkundendelikten nicht erfasst und Fälschungen von Gesundheitszeugnissen wurden überhaupt erst über die Regelung des § 256 pStGB strafrechtlich erfasst.

Der Umstand, dass der Tatbestand der Urkundenfälschung mit Einführung des RGStGB durch § 267 StGB im Vergleich zu § 247 pStGB sodann insgesamt deutlich erweitert wurde, spricht jedoch vor diesem Hintergrund eher dagegen, dass der historische Gesetzgeber mit der Übernahme der §§ 277 ff. StGB a.F. als Nachfolgeregelungen des § 256 pStGB in das Normgefüge des RGStGB eine Privilegierung für Fälschungen von Gesundheitszeugnissen bezweckte. Hinzu kommt, dass in diesem Fall – vor dem Hintergrund der Gesetzgebungsgeschichte und der ursprünglichen – strafbarkeitserweiternden – Funktion des § 256 pStGB – die ausdrückliche Anordnung eines Anwendungsvorrangs naheliegend gewesen wäre.

Insofern erscheint es zwar durchaus möglich, dass der Gesetzgeber zur damaligen Zeit vor dem Hintergrund der eingeschränkten Diagnosemöglichkeiten dem Inhalt eines Gesundheitszeugnisses nur eingeschränkte Aussagekraft zumessen und diesem daher nicht die gleiche Bedeutung beimessen wollte wie einer sonstigen Urkunde (so OLG Bamberg, a.a.O., Rn. 19) – was jedoch voraussetzen würde, dass sich der historische Gesetzgeber der damaligen (im Vergleich zu heute) beschränkten Diagnosemöglichkeiten und der somit verminderten Aussagekraft eines Gesundheitszeugnisses überhaupt bewusst war – wofür keine Anhaltspunkte bestehen.

Zumindest ebenso möglich erscheint es daher, dass der historische Gesetzgeber bei den Privilegierungstatbeständen der §§ 277 ff. StGB a.F. davon ausging, dass Versicherungen und Behörden die Fälschungen – etwa mit Hilfe von Sachverständigen – leichter erkennen können als Privatpersonen (vgl. LG Heilbronn, a.a.O., Rn. 12) und deswegen weniger schützenswert sind oder die Privilegierung deswegen erfolgte, weil gegenüber Versicherungen und Behörden häufig ein zumindest faktischer Zwang zur Einreichung von gesundheitlichen Zeugnissen besteht (vgl. OLG Hamburg, a.a.O., Rn. 34; OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 21).

Eindeutige Anhaltspunkte für einen umfassenden Privilegierungswillen des historischen Gesetzgebers der §§ 277 bis 279 StGB a. F. gegenüber dem § 267 StGB lassen sich demnach weder aus der Gesetzgebungsgeschichte noch aus sonstigen Umständen gewinnen. Es ist letztlich nicht mehr zu klären, ob der historische Gesetzgeber mit dem Nebeneinander der §§ 277 bis 279 StGB a.F. einerseits und des § 267 StGB andererseits einen konkreten Zweck verfolgte oder ob dem historischen Gesetzgeber bei Einführung des § 267 RStGB die ursprüngliche Funktion des § 256 pStGB aus dem Blick geraten ist und er daher die §§ 277 ff. StGB a.F. unreflektiert als dessen Nachfolgeregelungen eingeführt hat und jedenfalls keine umfassende Sperrwirkung der Privilegierung aus den §§ 277 ff. StGB a.F. bezweckte (vgl. OLG Hamburg, a.a.O. Rn. 22; OLG Celle a.a.O. Rn. 26).

d) Auch ohne die Annahme einer umfassenden Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. wird überdies die Privilegierung des § 277 StGB a.F. nicht unterlaufen. Zwar ist nach § 267 Abs. 1 StGB bereits die Herstellung eines gefälschten Gesundheitszeugnisses strafbar, wohingegen § 277 StGB a.F. erst bei der anschließenden Vorlage gegenüber einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft im Sinne des § 277 StGB (so OLG Bamberg, a.a.O., Rn. 20) erfüllt ist und in § 277 StGB a.F. auch keine Versuchsstrafbarkeit normiert ist.

Dem darin liegenden Wertungswiderspruch kann jedoch dadurch begegnet werden, dass Gesundheitszeugnisse, die (ausschließlich) die Täuschung von Behörden und Versicherungen bezweckten, allein dem Anwendungsbereich des § 277 StGB a.F. unterfallen, also die Herstellung solcher falscher Gesundheitszeugnisse von § 267 StGB nicht erfasst war, mithin die bloße Herstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses zur Vorlage bei Behörden und Versicherungen nach alter Rechtslage straflos war (vgl. OLG Hamburg, a.a.O., Rn. 37; OLG Stuttgart, a.a.O. Rn. 26; OLG Celle, a.a.O., Rn. 30).

Nach alldem ist somit davon auszugehen, dass die §§ 277 ff. StGB a.F. keine umfassende Privilegierung und Sperrwirkung gegenüber der Anwendung von § 267 StGB begründen, so dass nach dem vom Amtsgericht festgestellten Sachverhalt eine Strafbarkeit nach § 267 Abs. 1 StGB gegeben ist und die Verurteilung zu Recht erfolgte.

IV.

Die Vorlegungsfrage wurde vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden und ist – wie ausgeführt – entscheidungserheblich. Daher ist die Sache – nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten – gemäß § 121 Absatz 2 Nummer 1 Alternative 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung der in der Beschlussformel formulierten Frage vorzulegen.

 

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