BayObLG – Az.: 207 StRR 371/21 – Beschluss vom 14.09.2021
In dem Strafverfahren wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht – 7. Strafsenat – am 14. September 2021 einstimmig folgenden Beschluss
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 12. April 2021 im Rechtsfolgenausspruch samt den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck zurückverwiesen.
Gründe:
1. Die zulässige Revision erweist sich in dem noch zur Entscheidung des Senates stehenden Umfang auch als begründet.
a) Die Revision des Angeklagten war (wie sich bereits aus dem Revisionsantrag ergibt) wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Damit war allein dieser Gegenstand des Revisionsverfahrens, was die Generalstaatsanwaltschaft offensichtlich übersehen hat. Damit ist nämlich die von ihr begehrte Schuldspruchberichtigung ausgeschlossen (vgl. Löwe-Rosenberg/Franke, StPO, 26. Aufl., § 344 Rdn. 66; BeckOK-StPO/Wiedner, 40. Edition, § 354 Rdn. 44). An sich wäre eine solche allerdings geboten gewesen, denn für einen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Besitz von Betäubungsmitteln und der Fahrt unter deren Einfluss, die zu einer Anwendung von § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG geführt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 08.06.2011, 4 StR 209/11, zitiert nach juris), fehlen hier ausreichende Feststellungen (vgl. z. B. BGH aaO: Transport der Betäubungsmittel vom Erwerbs- zum Wohnort).
b) Die Nachprüfung des Strafausspruches hat Erörterungsmängel des Amtsgerichts ergeben, die sich als sachlich-rechtliche Fehler des Urteils erweisen und verhindern, dass das Urteil sich insoweit auf tragfähige Grundlagen stützt.
aa) Die Rechtsfolgenbemessung ist zwar ureigene Aufgabe des Tatrichters und unterliegt einer nur eingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Die tatrichterlichen Erwägungen hat das Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, solange und soweit der Rechtsfolgenausspruch einen angemessenen Schuldausgleich darstellt. Indessen prüft das Revisionsgericht nach, ob die tatrichterliche Rechtsfolgenentscheidung auf tragfähige Grundlagen gestützt ist und sich von rechtlich anerkannten Strafzumessungserwägungen hat leiten lassen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 337 Rdn. 34f.).
bb) Wie die Revision zutreffend ausführt, ist die Verneinung eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG durch den Tatrichter von Rechtsirrtum beeinflusst.
Denn das Amtsgericht hat hierfür nur angeführt, „dass die Grenze zur nicht geringen Menge um ca. 40 % überschritten war (UA S. 5). Nach ständiger neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist jedoch eine nur geringe Grenzwertüberschreitung ein Kriterium für die Annahme eines minder schweren Falles, während eine ganz erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2019, 2 StR 68/19, zitiert nach juris, dort Rdn. 5, sowie Urteil vom 20.08.2019, 1 StR 209/19, zitiert nach juris, dort Rdn. 14). Eine geringe Grenzwertüberschreitung ist hier anzunehmen (vgl. BGH vom 11.09.2019 aaO Rdn. 6: 2,5fache Überschreitung des Grenzwertes). Nicht tragfähig sind demgegenüber die Überlegungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 24. August 2021 (dort S. 3, 2. Absatz): die bloß abstrakte Möglichkeit der Weitergabe der Drogen an Dritte darf gerade nicht strafschärfend herangezogen (vgl. Körner(Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29a Rdn. 130 m. w. N.) und somit auch nicht zur Verneinung eines minder schweren Falles verwertet werden.
Da das angefochtene Urteil keine weiteren Gründe zur Ablehnung der Voraussetzungen des § 29a Abs. 2 BtMG anführt und auch die weitere Strafzumessung (UA S. 5) im wesentlichen Umstände zugunsten des Angeklagten anführt, fehlt es insoweit an einer schlüssigen Begründung.
cc) Darüber hinaus leidet auch die Anordnung des Fahrverbotes von einem Monat an einem Begründungsmangel. Das Amtsgericht hat insoweit lediglich auf §§ 24a, 25 StVG verwiesen (UA S. 5). Da ein Schuldspruch hinsichtlich einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG nicht erfolgt ist und dies auch nicht nachgeholt werden kann (s. o.), konnte ein Fahrverbot nicht auf § 25 StVG gestützt werden. Mit den Voraussetzungen des § 44 StGB, nach dem ein Fahrverbot nach dem Ermessen des Tatrichters angeordnet werden kann und in dessen Rahmen auch das festgestellte Führen eines Kraftfahrzeuges unter Drogeneinfluss (UA S. 3) hätte gewürdigt werden können, hat sich der Erstrichter (aus seiner Sicht folgerichtig) nicht befasst.
dd) In den aufgezeigten Erörterungsmängeln liegt ein sachlich-rechtlicher Fehler des angegriffenen Urteils, auf dem dieses auch beruht, da der Senat nicht ausschließen kann, dass das Amtsgericht bei Berücksichtigung der vorgenannten Umstände zur Annahme eines minder schweren Falles gekommen und eine niedrigere Strafe verhängt bzw. von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen hätte.
2. Das Urteil war daher gemäß § 349 Abs. 4 StPO samt den zugrunde liegenden Feststellungen (§ 353 StPO) aufzuheben und gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck zurückzuverweisen.