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Gesamtstrafenbildung nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes

In einem überraschenden Beschluss hat das Oberlandesgericht Celle die Verurteilung eines Mannes wegen Kinderpornografie aufgehoben und den Fall zur Neuverhandlung ans Landgericht Stade zurückverwiesen. Der Grund: Das Amtsgericht Stade hatte in seiner Urteilsbegründung nicht ausreichend dargelegt, welche konkreten kinderpornografischen Inhalte der Mann besessen hatte. Damit stellt das Oberlandesgericht hohe Anforderungen an die Beschreibung solcher Delikte und sorgt für eine unerwartete Wendung in einem Fall, der nun unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage neu aufgerollt werden muss.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Oberlandesgericht Celle hat das Urteil des Landgerichts Stade aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
  • Das Landgericht Stade ging fälschlicherweise von einer wirksamen Beschränkung der Berufung aus, weshalb keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen wurden.
  • Das Amtsgericht Stade verurteilte den Angeklagten wegen Verbreitens und Besitzes kinderpornographischer Inhalte sowie unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln.
  • Der Angeklagte besaß und verbreitete zahlreiche kinderpornographische Dateien und jugendpornographische Inhalte.
  • Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden Marihuana sowie zahlreiche kinderpornographische Dateien gefunden.
  • Das Landgericht Stade hätte die notwendigen Feststellungen zum Schuldspruch selbst treffen müssen.
  • Es fehlen genaue Beschreibungen der kinderpornographischen Inhalte in den Urteilsgründen, was zu unklaren Feststellungen führte.
  • Aufgrund des neuen Konsumcannabisgesetzes ist die Strafe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nicht mehr einbeziehbar, da diese Tat nicht mehr strafbar ist.
  • Das Gericht wies darauf hin, dass das Konkurrenzverhältnis der Taten näher betrachtet werden muss.
  • Für die Zukunft sind präzisere Feststellungen zu den abgebildeten Inhalten und Tatmodalitäten erforderlich.

Neue Ära in der Cannabis-Rechtsprechung: Rechtsprechung zum Konsumcannabisgesetz analysiert

Die Frage der Strafzumessung bei Drogendelikten ist ein komplexes rechtliches Terrain, das sich durch ständige Weiterentwicklungen und vielschichtigen Interpretationsspielraum auszeichnet. Im Bereich des Cannabis konsums hat sich die Rechtslandschaft in den letzten Jahren durch die Legalisierung von Cannabis für den persönlichen Gebrauch in einigen Ländern und die Abkehr von der „Null Toleranz“-Politik in anderen deutlich verändert. Mit dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes in Deutschland hat sich die Strafrechtspraxis in diesem Bereich erneut einem Wandel unterzogen. Wie werden nun Gesamtstrafen bei Drogendelikten, insbesondere bei Cannabisdelikten, berechnet? Welchen Einfluss haben die neuen Regelungen auf die Rechtsprechung und welche Auswirkungen haben diese auf die bisherige Strafzumessungspraxis?

Diese Fragen stehen im Zentrum neuer Rechtsprechungen, die die Gerichte vor immense Herausforderungen stellen. Die Gerichte sind gefordert, die neuen Gesetzesbestimmungen mit der bestehenden Rechtsprechung in Einklang zu bringen und praktikable Lösungen zu finden, die gleichzeitig den Strafzweck und die Verhältnismässigkeit berücksichtigen. Im Folgenden soll anhand eines konkreten Falles aus der aktuellen Rechtsprechung die Frage der Gesamtstrafenbildung nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes näher beleuchtet werden.

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Der Fall vor Gericht


Kinderpornografie-Fall: Verurteilung wegen unzureichender Feststellungen aufgehoben

Das Oberlandesgericht Celle hat in einem Beschluss vom 28. Mai 2024 die Verurteilung eines Mannes wegen Verbreitens und Besitzes kinderpornografischer Inhalte aufgehoben. Der Fall geht zurück auf eine Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 27. September 2021, bei der neben Betäubungsmitteln auch kinderpornografisches Material gefunden wurde. Das Amtsgericht Stade verurteilte den Mann zunächst zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Diese Strafe beinhaltete auch eine frühere Verurteilung wegen Drogenbesitzes.

Mangelhafte Urteilsbegründung führt zur Aufhebung

Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle kritisierte in seinem Beschluss die unzureichenden Feststellungen des Landgerichts Stade. Das Landgericht hatte fälschlicherweise eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch für wirksam erachtet. Dadurch wurden keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen. Das Oberlandesgericht betonte, dass bei Verurteilungen wegen Kinderpornografie die wesentlichen Inhalte der strafbaren Schriften oder Abbildungen im Urteil wiedergegeben werden müssen. Dazu gehört mindestens eine Beschreibung der Art der sexuellen Handlungen. Diese notwendigen Details fehlten in der Urteilsbegründung des Amtsgerichts, auf die sich das Landgericht gestützt hatte.

Anforderungen an die Urteilsbegründung bei Kinderpornografie-Delikten

Das Oberlandesgericht stellte klar, dass bei einer großen Menge von Bild- und Videomaterial nicht jede einzelne Aufnahme beschrieben werden muss. Jedoch sind für eine exemplarische Auswahl konkrete Feststellungen zu den abgebildeten sexuellen Handlungen erforderlich. Im vorliegenden Fall beschränkte sich die Urteilsbegründung weitgehend auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, ohne die Tatbestandsvoraussetzungen durch tatsächliche Feststellungen auszufüllen. Es fehlten wichtige Angaben wie das Geschlecht der Betroffenen, die genauen Tatmodalitäten und Hinweise darauf, wie das Gericht das Alter der abgebildeten Personen einschätzte.

Neue Verhandlung unter Berücksichtigung aktueller Rechtslage

Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stade zurückverwiesen. Für die neue Hauptverhandlung gab das Oberlandesgericht wichtige Hinweise: Zum einen muss das Konkurrenzverhältnis zwischen den verschiedenen Taten genauer betrachtet werden. Zum anderen ist aufgrund des neuen Konsumcannabisgesetzes, das am 1. April 2024 in Kraft trat, die frühere Verurteilung wegen Drogenbesitzes nicht mehr in eine mögliche Gesamtstrafe einzubeziehen. Der Besitz von 19,85 Gramm Marihuana, der der früheren Verurteilung zugrunde lag, ist nach neuem Recht weder strafbar noch mit einer Geldbuße belegt.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung des OLG Celle unterstreicht die hohe Bedeutung präziser Urteilsbegründungen bei Kinderpornografie-Delikten. Sie verdeutlicht, dass konkrete Feststellungen zu den Tathandlungen unerlässlich sind und eine bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts nicht ausreicht. Gleichzeitig zeigt der Fall die Notwendigkeit, bei der Strafzumessung aktuelle Gesetzesänderungen, wie hier das Konsumcannabisgesetz, zu berücksichtigen. Dies führt zu einer strengeren Überprüfung erstinstanzlicher Urteile und stärkt den Schutz der Angeklagten vor ungerechtfertigten Verurteilungen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie wegen eines Cannabis-Delikts angeklagt sind, könnte dieses Urteil Ihre Situation positiv beeinflussen. Das neue Konsumcannabisgesetz vom 1. April 2024 führt dazu, dass frühere Verurteilungen wegen Besitzes geringer Mengen Cannabis (hier: 19,85 Gramm) nicht mehr in eine Gesamtstrafe einbezogen werden. Das bedeutet für Sie konkret: Sollten Sie neben dem Cannabis-Delikt noch wegen anderer Straftaten verurteilt werden, fällt Ihre Gesamtstrafe möglicherweise geringer aus als vor dem neuen Gesetz. Es ist ratsam, Ihren Anwalt auf diese Rechtsprechung hinzuweisen, um sicherzustellen, dass sie in Ihrem Fall berücksichtigt wird.


FAQ – Häufige Fragen

Drogendelikte sind ein komplexes Thema mit weitreichenden rechtlichen Folgen. Die Strafzumessung bei Drogendelikten ist dabei nicht selten Gegenstand von Unsicherheiten und Fragen. In dieser FAQ-Rubrik wollen wir Licht ins Dunkel bringen und Ihnen fundiertes Wissen aus juristischer Sicht vermitteln.


Welche Strafen drohen mir bei einem Cannabisdelikt nach dem neuen Konsumcannabisgesetz?

Das neue Konsumcannabisgesetz (KCanG) hat die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit Cannabis in Deutschland grundlegend verändert. Seit dem 1. April 2024 ist der Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Dennoch gibt es weiterhin Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Cannabis.

Bei Verstößen gegen die Besitzgrenzen drohen nun abgestufte Strafen. Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum ist für Erwachsene straffrei. Wer zwischen 25 und 30 Gramm mit sich führt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld zwischen 200 und 400 Euro geahndet wird. Ab 30 Gramm liegt eine Straftat vor, die mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden kann.

Für den Eigenanbau gelten neue Regelungen. Erwachsene dürfen bis zu drei Cannabispflanzen für den Eigenbedarf anbauen. Bei Überschreitung dieser Grenze droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Der Anbau in der Nähe von Schulen oder Kindertagesstätten ist verboten und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet.

Die Weitergabe von Cannabis an Minderjährige bleibt eine Straftat. Hierfür sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vor. Bei geringeren Mengen oder in minder schweren Fällen kann die Strafe auf sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe reduziert werden.

Neu eingeführt wurden Straftatbestände für den illegalen Handel mit Cannabis. Wer ohne Erlaubnis Cannabis in nicht geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt oder damit Handel treibt, muss mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren rechnen. In besonders schweren Fällen, etwa bei bandenmäßigem Handel, erhöht sich der Strafrahmen auf zwei bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe.

Das Konsumverbot in der Öffentlichkeit wurde als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet. Der Konsum in bestimmten Schutzzonen, wie in der Nähe von Schulen oder Kindertagesstätten, kann mit einem Bußgeld zwischen 100 und 1000 Euro belegt werden. Die genaue Höhe richtet sich nach der Schwere des Verstoßes und ob Minderjährige anwesend waren.

Für Verstöße gegen die Regelungen zu Anbauvereinigungen wurden ebenfalls Ordnungswidrigkeiten eingeführt. Mitglieder, die mehr als die erlaubte Menge Cannabis erwerben, müssen mit einem Bußgeld von bis zu 500 Euro rechnen. Vereinsvorstände, die gegen Dokumentationspflichten verstoßen, können mit Bußgeldern bis zu 30.000 Euro belegt werden.

Im Straßenverkehr gelten neue Grenzwerte für THC im Blut. Ab einem Wert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum wird eine Ordnungswidrigkeit angenommen, die mit einem Bußgeld von 500 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot geahndet wird. Bei wiederholten Verstößen oder höheren THC-Werten drohen härtere Sanktionen bis hin zum Führerscheinentzug.

Die Strafverfolgungsbehörden haben nun die Möglichkeit, in bestimmten Fällen von einer Strafverfolgung abzusehen. Dies gilt insbesondere bei geringfügigen Mengenüberschreitungen oder wenn der Täter Hilfsangebote annimmt. Diese Ermessensspielräume sollen eine verhältnismäßige Anwendung des neuen Rechts ermöglichen.

Für bereits rechtskräftig abgeurteilte Cannabisdelikte, die nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar sind, sieht das Gesetz eine Amnestie vor. Noch nicht vollstreckte Strafen werden erlassen, sofern die Tat nach dem KCanG straffrei wäre. Dies betrifft vor allem Fälle des Besitzes geringer Mengen Cannabis zum Eigenkonsum.

Die neuen Regelungen zielen darauf ab, den Cannabiskonsum zu entkriminalisieren und gleichzeitig den Jugendschutz zu stärken. Die Strafen für schwere Verstöße, insbesondere im Bereich des illegalen Handels, bleiben jedoch weiterhin hoch. Betroffene sollten sich im Zweifelsfall rechtlichen Rat einholen, um die genauen Konsequenzen ihres Handelns einschätzen zu können.

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Wie beeinflusst das neue Konsumcannabisgesetz die Berechnung meiner Gesamtstrafe?

Das neue Konsumcannabisgesetz hat erhebliche Auswirkungen auf die Berechnung von Gesamtstrafen im Zusammenhang mit Cannabis-Delikten. Die Strafrahmen für Cannabis-bezogene Straftaten wurden deutlich gesenkt, was sich direkt auf die Höhe der Einzelstrafen und damit auch auf die Gesamtstrafe auswirkt.

Bei der Gesamtstrafenbildung wird zunächst die höchste Einzelstrafe als Ausgangspunkt genommen. Diese wird dann unter Berücksichtigung der anderen Taten angemessen erhöht. Durch die Absenkung der Strafrahmen im neuen Gesetz fallen nun auch die Einzelstrafen für Cannabis-Delikte niedriger aus. Dies führt in der Folge zu einer insgesamt niedrigeren Gesamtstrafe.

Besonders relevant ist die Neubewertung der „nicht geringen Menge“. Nach alter Rechtsprechung lag diese bei einem Wirkstoffgehalt von 7,5g THC. Das neue Gesetz sieht hier voraussichtlich einen deutlich höheren Grenzwert vor. Taten, die früher als Verbrechen galten, können nun als Vergehen eingestuft werden. Dies hat massive Auswirkungen auf die Strafzumessung.

Für bandenmäßiges Handeln oder Handeln mit Waffen im Zusammenhang mit Cannabis sieht das neue Gesetz ebenfalls mildere Strafen vor. Der Strafrahmen wurde von 5-15 Jahren auf 2-15 Jahre gesenkt. Zudem wurde ein minder schwerer Fall eingeführt, der Freiheitsstrafen von 3 Monaten bis 5 Jahren vorsieht. Dies eröffnet in vielen Fällen die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe, wo früher eine mehrjährige Haftstrafe zwingend war.

Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB müssen nun die neuen, milderen Strafrahmen berücksichtigt werden. Wurde jemand nach altem Recht verurteilt und steht nun wegen einer weiteren Tat vor Gericht, die vor der ersten Verurteilung begangen wurde, so ist für diese Tat das neue, mildere Recht anzuwenden. Dies kann zu einer deutlichen Reduzierung der Gesamtstrafe führen.

Das Gesetz sieht zudem einen Straferlass für bestimmte Altfälle vor. Rechtskräftige Strafen nach dem Betäubungsmittelgesetz für Taten, die nach dem neuen Cannabisgesetz nicht mehr strafbar sind, können erlassen werden. Dies betrifft beispielsweise den Besitz geringer Mengen Cannabis zum Eigenkonsum.

Eingetragene Verurteilungen im Bundeszentralregister können unter bestimmten Voraussetzungen gelöscht werden, wenn sie ausschließlich wegen einer Handlung erfolgten, die nach dem neuen Gesetz nicht mehr strafbar ist. Dies hat Auswirkungen auf zukünftige Strafverfahren, da diese Vorstrafen dann nicht mehr berücksichtigt werden.

Bei der Gesamtstrafenbildung ist nun besonders zu beachten, dass bestimmte Handlungen im Zusammenhang mit Cannabis, die früher strafbar waren, jetzt legal oder nur noch als Ordnungswidrigkeit eingestuft sind. Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum und bis zu 50 Gramm in der Wohnung ist für Erwachsene nun erlaubt. Überschreitungen dieser Mengen werden zunächst als Ordnungswidrigkeit geahndet und erst bei deutlicher Überschreitung als Straftat.

Die Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips ist von zentraler Bedeutung. Auch in laufenden Strafverfahren muss das neue, mildere Recht angewendet werden, selbst wenn die Tat vor Inkrafttreten des Gesetzes begangen wurde. Dies kann zu einer erheblichen Reduzierung der Strafe führen oder sogar zu einem Freispruch, wenn die Handlung nach neuem Recht nicht mehr strafbar ist.

Bei der Gesamtstrafenbildung ist nun genau zu prüfen, welche Einzeltaten nach neuem Recht noch strafbar sind und in welchem Umfang. Taten, die nun legal oder nur noch als Ordnungswidrigkeit eingestuft sind, dürfen nicht mehr in die Gesamtstrafe einfließen. Dies kann zu einer deutlichen Verringerung der Gesamtstrafe führen, insbesondere wenn es sich um mehrere Cannabis-bezogene Delikte handelt.

Die Gerichte müssen bei der Strafzumessung nun auch die neuen gesetzgeberischen Wertungen berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat mit der Teillegalisierung von Cannabis eine Neubewertung des Unrechtsgehalts vorgenommen. Dies muss sich in der Strafzumessung widerspiegeln, auch wenn eine Tat weiterhin strafbar bleibt.

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Was muss ich bei einer Verhandlung zu einem Cannabisdelikt beachten?

Bei einer Verhandlung zu einem Cannabisdelikt müssen Angeklagte einige wichtige Aspekte beachten. Eine gründliche Vorbereitung ist unerlässlich. Dazu gehört das sorgfältige Studium der Anklageschrift und aller relevanten Unterlagen. Es empfiehlt sich, detaillierte Notizen anzufertigen und offene Fragen mit dem Verteidiger zu klären.

Im Gerichtssaal ist respektvolles und angemessenes Verhalten von großer Bedeutung. Pünktliches Erscheinen und angemessene Kleidung signalisieren dem Gericht Ernsthaftigkeit. Während der Verhandlung sollten Angeklagte aufmerksam zuhören und nur sprechen, wenn sie dazu aufgefordert werden. Emotionale Ausbrüche oder unangebrachte Kommentare sind zu vermeiden.

Die neue Rechtslage nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes hat erhebliche Auswirkungen auf Cannabisdelikte. Besonders wichtig ist die Kenntnis der neuen Grenzwerte für den erlaubten Besitz und Anbau von Cannabis. Angeklagte sollten sich über die genauen Mengen informieren, die nun straffrei sind. Bei Überschreitung dieser Grenzen drohen weiterhin strafrechtliche Konsequenzen.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die rückwirkende Anwendung des neuen Gesetzes auf noch nicht abgeschlossene Verfahren. In manchen Fällen kann dies zu einer Einstellung des Verfahrens oder einer milderen Bestrafung führen. Angeklagte sollten ihren Verteidiger bitten, die Möglichkeiten einer Verfahrenseinstellung oder Strafmilderung aufgrund der neuen Gesetzeslage zu prüfen und gegebenenfalls beim Gericht zu beantragen.

Die Strafzumessung hat sich durch das neue Gesetz ebenfalls verändert. Bei der Bildung von Gesamtstrafen für mehrere Taten müssen Gerichte nun die geänderten Strafrahmen berücksichtigen. Dies kann zu einer günstigeren Gesamtstrafe führen. Angeklagte sollten ihren Verteidiger bitten, diesen Aspekt in der Verteidigungsstrategie zu berücksichtigen und gegebenenfalls eine Neubewertung der Strafe zu beantragen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient auch die Frage der Schuldeinsicht und Reue. Gerichte bewerten es in der Regel positiv, wenn Angeklagte Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und glaubhaft darlegen, dass sie die Konsequenzen ihres Verhaltens verstanden haben. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Vorwürfen und die Bereitschaft zur Veränderung können sich strafmildernd auswirken.

Die Vorbereitung einer überzeugenden Zukunftsperspektive kann ebenfalls von Vorteil sein. Angeklagte sollten konkrete Pläne vorlegen, wie sie künftig ein straffreies Leben führen wollen. Dies kann Maßnahmen zur Suchtprävention, berufliche Weiterbildung oder ehrenamtliches Engagement umfassen. Solche Pläne signalisieren dem Gericht die ernsthafte Absicht, das eigene Leben positiv zu gestalten.

Im Falle einer Verurteilung ist es ratsam, sich auf verschiedene Strafszenarien vorzubereiten. Angeklagte sollten mit ihrem Verteidiger mögliche Alternativen zur Freiheitsstrafe erörtern, wie etwa Bewährungsauflagen oder gemeinnützige Arbeit. Eine realistische Einschätzung der möglichen Konsequenzen hilft, angemessen auf das Urteil zu reagieren.

Die neue Rechtslage erfordert eine sorgfältige Abwägung der Verteidigungsstrategie. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, auf ein Geständnis und eine Verständigung im Strafverfahren hinzuwirken, um eine mildere Strafe zu erreichen. In anderen Fällen kann eine Revision oder Berufung aufgrund der geänderten Gesetzeslage erfolgversprechend sein. Diese Entscheidungen sollten in enger Abstimmung mit dem Verteidiger getroffen werden.

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Welche Auswirkungen hat eine Verurteilung wegen Cannabis auf meine Zukunft?

Eine Verurteilung wegen Cannabis kann weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche haben. Der Eintrag im Bundeszentralregister bleibt je nach Schwere der Tat für mehrere Jahre bestehen. Bei Geldstrafen von mehr als 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen über 3 Monate wird die Verurteilung auch im Führungszeugnis vermerkt. Dies kann die Jobsuche erheblich erschweren, da viele Arbeitgeber ein einwandfreies Führungszeugnis verlangen. Besonders in sensiblen Bereichen wie dem öffentlichen Dienst, bei Sicherheitsfirmen oder in der Kinder- und Jugendarbeit können Verurteilungen wegen Drogendelikten ein Ausschlusskriterium darstellen.

Auch der Führerschein kann bei Cannabisdelikten entzogen werden. Die Fahrerlaubnisbehörde kann eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen, um die Fahreignung zu überprüfen. Das Bestehen einer MPU ist oft mit hohen Kosten und Aufwand verbunden. Ein Führerscheinentzug schränkt die berufliche und private Mobilität stark ein.

Bei Bewährungsstrafen müssen bestimmte Auflagen erfüllt werden, etwa regelmäßige Drogentests oder die Teilnahme an Suchtberatungen. Verstöße gegen Bewährungsauflagen können zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe führen. Auch Geldstrafen können die finanzielle Situation auf Jahre belasten.

Für Ausländer kann eine Verurteilung wegen Drogendelikten aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben. Je nach Einzelfall droht sogar die Ausweisung aus Deutschland. Auch Reisen ins Ausland können durch Vorstrafen erschwert werden, da einige Länder die Einreise verweigern.

Die gesellschaftliche Stigmatisierung von Drogenkonsumenten kann zu sozialer Ausgrenzung führen. Familiäre Beziehungen und Freundschaften können belastet werden. Vermieter könnten bei Kenntnis einer Vorstrafe wegen Drogendelikten zögern, einen Mietvertrag abzuschließen.

Für Studierende oder Auszubildende kann eine Verurteilung den erfolgreichen Abschluss gefährden. Manche Hochschulen oder Ausbildungsbetriebe behalten sich vor, das Studium oder die Ausbildung bei Drogendelikten zu beenden.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit Cannabis haben sich kürzlich geändert. Seit dem 1. April 2024 ist der Besitz geringer Mengen Cannabis zum Eigenkonsum für Erwachsene unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Diese Gesetzesänderung wirkt sich auch auf frühere Verurteilungen aus. Strafen für Taten, die nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar sind, können auf Antrag erlassen werden. Die Tilgung aus dem Bundeszentralregister muss jedoch aktiv beantragt werden.

Trotz der Teillegalisierung bleiben viele cannabisbezogene Handlungen strafbar, etwa der Verkauf, die Weitergabe an Minderjährige oder der Besitz größerer Mengen. Auch der Konsum im Straßenverkehr bleibt verboten. Die genauen Grenzwerte für THC im Blut werden derzeit noch diskutiert.

Für Jugendliche und junge Erwachsene gelten weiterhin strengere Regeln. Der Konsum und Besitz von Cannabis bleibt für Minderjährige illegal. Auch für 18- bis 21-Jährige gelten besondere Beschränkungen hinsichtlich der erlaubten Menge und des THC-Gehalts.

Die Auswirkungen einer Cannabisverurteilung hängen stark vom Einzelfall ab. Art und Schwere der Tat, persönliche Lebensumstände und das Verhalten nach der Verurteilung spielen eine wichtige Rolle. Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann helfen, die individuellen Konsequenzen einzuschätzen und mögliche Wege zur Rehabilitation aufzuzeigen.

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Welche Verteidigungsstrategien gibt es bei einem Cannabisdelikt?

Bei Cannabisdelikten gibt es verschiedene Verteidigungsstrategien, die je nach Einzelfall und neuer Gesetzeslage angewendet werden können:

Berufung auf die geringe Menge zum Eigenkonsum

Eine zentrale Verteidigungsstrategie ist die Argumentation, dass es sich um eine geringe Menge Cannabis zum Eigenkonsum handelte. Nach dem neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für Erwachsene erlaubt. Bei Mengen knapp über diesem Grenzwert kann argumentiert werden, dass keine kriminelle Energie vorlag und der Besitz primär dem Eigenkonsum diente.

Prüfung der Rechtmäßigkeit von Durchsuchungen

Die Verteidigung sollte die Rechtmäßigkeit von Durchsuchungen und Beschlagnahmungen genau prüfen. Wurden Verfahrensvorschriften nicht eingehalten, kann ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht werden. Dies ist besonders relevant, da die neuen Grenzwerte die Anforderungen an Durchsuchungen verschärft haben.

Infragestellung der THC-Bestimmung

Bei Grenzfällen kann die Genauigkeit der THC-Bestimmung angezweifelt werden. Die Verteidigung kann auf mögliche Messfehler oder unzureichende Probennahmen hinweisen und gegebenenfalls ein unabhängiges Gutachten beantragen.

Argumentation mit therapeutischem Nutzen

In manchen Fällen kann der therapeutische Nutzen von Cannabis für den Mandanten hervorgehoben werden. Auch wenn keine offizielle medizinische Verordnung vorliegt, kann dies strafmildernd wirken.

Hinweis auf soziale Integration und Resozialisierung

Die Verteidigung sollte die soziale Situation des Mandanten darlegen. Eine stabile Lebenssituation, Arbeit oder Ausbildung sowie die Bereitschaft zur Drogenberatung können sich positiv auf die Strafzumessung auswirken.

Antrag auf Verfahrenseinstellung

In geeigneten Fällen kann ein Antrag auf Einstellung des Verfahrens nach § 153 oder § 153a StPO gestellt werden. Dies ist besonders erfolgversprechend bei Ersttätern und geringen Mengen.

Berücksichtigung der neuen Gesetzeslage

Eine wichtige Strategie ist der Verweis auf die geänderte Gesetzeslage und gesellschaftliche Bewertung von Cannabis. Die Verteidigung kann argumentieren, dass die Tat nach heutigen Maßstäben weniger schwerwiegend zu bewerten ist.

Prüfung möglicher Gesamtstrafenbildung

Bei mehreren Taten oder laufenden Verfahren sollte die Möglichkeit einer günstigen Gesamtstrafenbildung geprüft werden. Dabei kann argumentiert werden, dass die Cannabis-Delikte im Vergleich zu anderen Taten weniger ins Gewicht fallen.

Antrag auf Strafaussetzung zur Bewährung

Bei Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren kann ein Antrag auf Strafaussetzung zur Bewährung gestellt werden. Hierbei sind die persönlichen Umstände des Mandanten und seine Zukunftsperspektiven darzulegen.

Vorbereitung auf mögliche Rechtsmittel

Die Verteidigung sollte von Anfang an mögliche Rechtsmittel im Blick haben. Bei neuen Rechtslagen wie dem KCanG können Berufungen oder Revisionen erfolgversprechend sein, um höherinstanzliche Entscheidungen zu erwirken.

Zusammenfassend ist eine individuell angepasste Verteidigungsstrategie unter Berücksichtigung der neuen Gesetzeslage und der persönlichen Umstände des Mandanten entscheidend. Eine frühzeitige und umfassende Beratung durch einen erfahrenen Strafverteidiger kann die Chancen auf ein mildes Urteil oder eine Verfahrenseinstellung deutlich erhöhen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Gesamtstrafe: Die Gesamtstrafe ist die zusammengefasste Strafe, die entsteht, wenn jemand wegen mehrerer Straftaten verurteilt wird. Dabei wird nicht einfach jede Strafe addiert, sondern es wird eine einheitliche Strafe festgesetzt, die das Gesamtstrafmaß abbildet. Diese Methode soll verhindern, dass bei mehreren Straftaten eine unverhältnismäßig hohe Strafe entsteht.
  • Konsumcannabisgesetz: Das Konsumcannabisgesetz ist eine neue Regelung in Deutschland, die den Besitz und Konsum von Cannabis in bestimmten Mengen legalisiert. Es legt fest, welche Mengen erlaubt sind und unter welchen Bedingungen der Besitz nicht mehr strafbar ist. Diese Gesetzesänderung hat erhebliche Auswirkungen auf die Strafzumessung bei Cannabisdelikten.
  • Berufungsbeschränkung: Die Berufungsbeschränkung bedeutet, dass die Berufung auf bestimmte Teile eines Urteils beschränkt wird, etwa nur auf den Strafrahmen und nicht auf die Schuldfrage. In dem beschriebenen Fall führte eine fehlerhafte Berufungsbeschränkung dazu, dass keine neuen Feststellungen zur Schuld des Angeklagten getroffen wurden.
  • Rechtsfolgenausspruch: Der Rechtsfolgenausspruch ist der Teil des Urteils, in dem die Strafe festgelegt wird. Er kann isoliert angefochten werden, wenn etwa die Strafe als zu hoch oder zu niedrig empfunden wird. Bei einer Berufung, die sich nur gegen den Rechtsfolgenausspruch richtet, bleibt die Schuldfrage unangetastet.
  • Tatbestandsvoraussetzungen: Tatbestandsvoraussetzungen sind die gesetzlichen Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Handlung als Straftat gilt. Bei Kinderpornografie müssen beispielsweise die Art der dargestellten sexuellen Handlungen und das Alter der betroffenen Personen genau beschrieben werden.
  • Unrechts- und Schuldgehalt: Der Unrechts- und Schuldgehalt beschreibt das Ausmaß des Verstoßes gegen das Gesetz und die Schuld des Täters. Er bildet die Grundlage für die Bemessung der Strafe. Ein Urteil muss klar darlegen, welche Handlungen den Unrechtsgehalt ausmachen und wie schwer die Schuld des Täters wiegt.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • §§ 184b, 184c StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte): Diese Paragraphen definieren die Strafbarkeit im Zusammenhang mit kinder- und jugendpornographischem Material. Sie umfassen sowohl die Verbreitung als auch den Besitz solcher Inhalte. Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte wegen mehrfacher Verstöße gegen diese Vorschriften verurteilt. Die Revision zeigt jedoch auf, dass die Urteilsbegründung nicht ausreichend konkret auf die Tatbestandsmerkmale eingegangen ist, was einen wesentlichen Mangel darstellt.
  • § 318 StPO (Beschränkung der Berufung): Diese Vorschrift regelt die Möglichkeit, ein Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte zu beschränken. Im konkreten Fall wurde die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Oberlandesgericht hat diese Beschränkung jedoch als unwirksam erachtet, da die erstinstanzlichen Feststellungen nicht ausreichend waren, um den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zu beurteilen. Dies führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht.
  • § 267 Abs. 1 S. 3 StPO (Urteilsgründe): Diese Norm legt fest, dass in den Urteilsgründen auf Abbildungen in den Akten Bezug genommen werden kann. Im vorliegenden Fall wurde kritisiert, dass das Amtsgericht diese Möglichkeit nicht genutzt hat, um die erforderlichen konkreten Feststellungen zu den inkriminierten Inhalten zu treffen. Dies hätte eine genauere Beschreibung der strafbaren Handlungen ermöglicht, ohne jedes Bild einzeln im Urteil beschreiben zu müssen.
  • Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB (Übergangsvorschrift zum Konsumcannabisgesetz): Diese Vorschrift regelt die Auswirkungen des neuen Konsumcannabisgesetzes auf bereits ergangene Urteile. Im konkreten Fall führt sie dazu, dass die frühere Verurteilung wegen Cannabisbesitzes nicht mehr in die Gesamtstrafe einbezogen werden darf, da die zugrundeliegende Handlung nach neuem Recht nicht mehr strafbar ist. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Strafzumessung in der neu durchzuführenden Hauptverhandlung.
  • Konkurrenzverhältnis im Strafrecht: Dieses Rechtsprinzip betrifft die Frage, wie mehrere Straftaten rechtlich zu bewerten sind, wenn sie in einem engen zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang stehen. Im vorliegenden Fall weist das Oberlandesgericht darauf hin, dass das Konkurrenzverhältnis zwischen den verschiedenen Taten (Verbreitung und Besitz von kinderpornographischem Material) in der neuen Hauptverhandlung genauer zu prüfen ist. Dies kann Auswirkungen auf die Anzahl der Einzelstrafen und die Gesamtstrafenbildung haben.

Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Celle – Az.: 1 ORs 13/24 – Beschluss vom 28.05.2024

Lesen Sie hier das Urteil…

In der Strafsache hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 9. kleinen Strafkammer des Landgerichts Stade vom 11. Januar 2024 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 28. Mai 2024 einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Stade zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Stade verurteilte den Angeklagten am 21. März 2023 wegen Verbreitens kinderpornographischer Inhalte in sechs Fällen sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Stade vom 6. April 2022 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Durch das einbezogene Urteil war der Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem lag zugrunde, dass im Rahmen der Durchsuchung seiner Wohnung am 27. September 2021 insgesamt 19,85 Gramm Marihuana gefunden worden waren.

Gegen das Urteil vom 21. März 2023 hatten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft beschränkte diese in ihrer schriftlichen Berufungsbegründung und der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch. Das Landgericht Stade hat die Beschränkungen für wirksam gehalten und mit Urteil vom 11. Januar 2024 die Rechtsmittel jeweils verworfen.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Sache, die das Landgericht aufgrund der erfolgten Berufungsbeschränkungen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, lauten wie folgt:

„1.- 6.

Mit Hilfe seines Computers oder Mobiltelefons hielt der Angeklagte in dem Zeitraum vom 02.11.2020 bis zum 26.06.2021 insgesamt mindestens 34 Bilddateien, auf denen unter anderem ein entblößtes männliches Genital, jeweils mit einem ausgedruckten Bild, auf dem der sexuelle Missbrauch eines unter 14 Jahre alten Mädchens oder in grob anreißerischer (pornographischer) Weise eine sexuelle Handlung von, an oder vor einem Kind, ein zumindest teilweise unbekleidetes Kind in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung oder in sexuell aufreizender Weise das unbekleidete Geschlechtsteil bzw. Gesäß eines Kindes dargestellt ist, sowie der Bundespersonalausweis des Angeklagten zu sehen ist, über einen Verweisungslink auf das Tauschbörsenprogramm „pornopics“ im Internet zum Download bereit und zwar

1. am 02.12.2020 insgesamt elf solche Dateien,

2. am 03.12.2020 insgesamt zwölf solche Dateien,

3. am 19.12.2020 insgesamt sechs solche Dateien,

4. am 08.03.2021 insgesamt drei solche Dateien,

5. am 22.06.2021 eine solche Datei,

6. am 26.06.2021 eine solche Datei.

7.

Der Angeklagte ließ sich mithilfe seines Computers oder Mobiltelefons

a) Dateien mit Bildern oder Videos, auf denen der sexuelle Missbrauch von unter 14 Jahre alten Mädchen oder in grob anreißerischer (pornographischer) Weise eine sexuelle Handlung von, an oder vor einem Kind, ein zumindest teilweise unbekleidetes Kind in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung oder in sexuell aufreizender Weise das unbekleidete Geschlechtsteil bzw. Gesäß eines Kindes dargestellt ist,

b) Dateien mit Bildern, auf denen in grob anreißerischer (pornographischer) Weise sexuelle Handlungen von, an oder vor Mädchen oder Jungen zwischen der Vollendung des 14. und 18. Lebensjahres oder zumindest teilweise unbekleidete Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung dargestellt sind,

von anderen Internetnutzern übermitteln oder lud solche Dateien aus dem Internet herunter und speicherte diese auf einer Festplatte, die er in seinem Keller in einer Metallbox verwahrte, sodass anlässlich einer Durchsuchung am 27.09.2021 bei ihm 2.384 kinderpornographische Mediendateien sowie 120 jugendpornographische Dateien aufgefunden wurden. Zusätzlich wurden in der Metallbox vier weitere, ausgedruckte kinderpornographische Bilder in DIN-A4-Format aufgefunden.

Zum Zeitpunkt sämtlicher Taten war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erhebliche beeinträchtigt.“

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der nicht näher ausgeführten allgemeinen Sachrüge.

II.

Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache – jedenfalls vorläufig – Erfolg.

1. Das Urteil weist einen sachlich-rechtlichen Mangel auf, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen ist und deshalb keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen hat.

Ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung nach § 318 S. 1 StPO und damit von einer Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils ausgegangen ist, ist im Rahmen einer zulässigen Revision auf die Sachrüge von Amts wegen zu prüfen (vgl. etwa BayOLG, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – 202 StRR 74/23, juris Rn. 3; KG Berlin, Beschluss vom 10. Juni 2020 – (4) 161 Ss 65/20 (86/20), juris Rn. 24). Eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch setzt voraus, dass das angefochtene Urteil seine Prüfung ermöglicht; dies ist dann nicht der Fall, wenn die Feststellungen zur Tat so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und deshalb keine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung des Berufungsgerichts bilden können (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2020 – 2 StR 288/19, juris Rn.9; BayOLG, Beschluss vom 18. Oktober 2023 – 202 StRR 74/23, juris Rn. 4; KG Berlin, Beschluss vom 10. Juni 2020 – (4) 161 Ss 65/20 (86/20), juris Rn. 26; jeweils mwN). Die Urteilsfeststellungen müssen insbesondere auch erkennen lassen, durch welche Tatsachen die gesetzlichen Merkmale der Straftat als verwirklicht angesehen worden sind (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 3. Mai 2023 – 1 ORs 85/23, juris Rn. 6).

Im Falle einer Verurteilung nach §§ 184b, 184c StGB müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Inhalte der kinder- bzw. jugendpornografischen Schriften bzw. Abbildungen wiedergeben; hierzu gehört zumindest eine Beschreibung der Art der sexuellen Handlung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2023 – 5 StR 55/23, juris Rn. 3 und vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12; OLG Oldenburg aaO Rn. 10). Zwar ist es beim Vorliegen einer großen Menge von Video- und Bildaufnahmen nicht erforderlich, in den Urteilsgründen jede einzelne zu beschreiben; zumindest für eine exemplarische Auswahl der Aufnahmen sind aber konkrete Feststellungen zu den abgebildeten sexuellen Handlungen von, an oder vor Kindern oder Jugendlichen geboten (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12; OLG Oldenburg aaO).

Solche sind jedoch – auch in Form einer grundsätzlich möglichen Bezugnahme auf in den Akten befindliche Abbildungen gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 3 StR 180/18, juris Rn. 12) – in den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils nicht zu finden. Das amtsgerichtliche Urteil belässt es bei den Feststellungen zur Sache vielmehr im Wesentlichen bei der Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, ohne die Tatbestandsvoraussetzungen der angewandten Normen durch entsprechende tatsächliche Feststellungen auszufüllen. Der Inhalt der maßgeblichen Dateien wird – selbst für eine exemplarische Auswahl – nicht mitgeteilt. Es fehlen Angaben zum Geschlecht der jeweils Betroffenen sowie zu den jeweiligen Tatmodalitäten. Schließlich wird auch nicht dargelegt, aus welchen äußeren Merkmalen das Gericht auf ein bestimmtes Alter der auf den Bildern zu sehenden Personen schließt.

Wegen der Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung hätte das Landgericht die notwendigen Feststellungen zum Schuldspruch in eigener Verantwortung treffen müssen. Dass dies nicht geschehen ist, begründet einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, so dass das angefochtene Urteil insgesamt der Aufhebung unterliegt.

2. Für die neu durchzuführende Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass zum einen für den Fall einer etwaigen Gleichzeitigkeit der Taten 1. bis 6. auf der einen und der Tat 7. auf der anderen Seite deren Konkurrenzverhältnis näher in den Blick zu nehmen sein wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2022 – 1 StR 424/21, juris Rn. 6; vom 21. September 2022 – 1 StR 248/22, juris Rn. 3 und vom 15. Januar 2020 – 2 StR 321/19, juris Rn. 19) und zum anderen entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 29. April 2024 die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Stade vom 6. April 2022 nicht mehr in eine etwaig zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe einzubeziehen wäre, weil die diesem Urteil zugrundeliegende Tat nach neuem Recht weder strafbar noch mit Geldbuße bedroht ist und somit gem. Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB mit Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetz zum 1. April 2024 als erlassen gilt (vgl. auch LG Aachen, Beschluss vom 29. April 2024 – 69 KLs 17/19, juris Rn. 42).


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