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Haftunfähigkeit: Wann gilt jemand als haftunfähig?

Wann kann jemand für haftunfähig erklärt werden und was bedeutet das genau?

Die Freiheitsstrafe, die einer gerichtlich verurteilten Person nach dem Abschluss des Verfahrens droht, setzt einen gewissen gesundheitlichen Zustand der verurteilten Person voraus. Ist die verurteilte Person aufgrund von psychischen Erkrankungen oder aufgrund einer lebensbedrohenden Situation haftunfähig, so werden damit gesonderte Prozesse ausgelöst. Die Haftstrafe wird entsprechend zunächst erst einmal nicht vollzogen. Vielmehr kann auf einen entsprechenden Antrag hin ein sogenannter Strafaufschub oder auch alternativ dazu eine Strafunterbrechung erwirkt werden.

In der gängigen Praxis, sprich im Normalfall, lässt sich die Freiheitsstrafe sowie der damit verbundene Haftantritt nicht vermeiden. Die Haftunfähigkeit der verurteilten Person stellt jedoch eine Ausnahmesituation dar. Die Haftunfähigkeit muss zwingend durch einen Amtsarzt festgestellt werden. Sollte die Staatsanwaltschaft dem Antrag der verurteilten Person zustimmen, so wird entweder ein Strafaufschub oder auch eine Strafunterbrechung gewährt. In der gängigen Praxis wird die Strafunterbrechung bzw. der Strafaufschub nur in sehr seltenen Ausnahmefällen gewährt. Als Faustformel hierbei gilt: Je länger die Dauer der Freiheitsstrafe, desto höher sind auch die Anforderungen an die Haftunfähigkeit.

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Was bedeutet Haftunfähigkeit eigentlich?

Die Freiheitsstrafe wird in einer Justizvollzugsanstalt vollzogen. Ist eine verurteilte Person aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, den Gang in die JVA anzutreten, so wird von einer Haftunfähigkeit gesprochen. Üblicherweise stellt die rechtsanwaltliche Vertretung der verurteilten Person einen entsprechenden Antrag, der mittels eines Amtsarztes überprüft und seitens der Staatsanwaltschaft entschieden wird. Für gewöhnlich erfolgt eine Bewilligung des Antrags lediglich für einen Zeitraum von 6 Monaten, sodass nach dem Ablauf dieser Zeit ein neues Gutachten über den Gesundheitszustand der verurteilten Person erstellt werden muss. Eine Haftunfähigkeit auf Lebzeit ist in der Regel nicht möglich.

Die Voraussetzungen für die Haftunfähigkeit

  • es liegt eine schwerwiegende psychische Erkrankung vor
  • es liegt eine schwerwiegende physische Erkrankung vor
  • die vorliegende schwerwiegende Erkrankung kann nicht auf angemessene Art in einem Vollzugskrankenhaus behandelt werden
Haftunfähigkeit
Eine Haftunfähigkeit liegt in Fällen vor, wenn eine Person wegen ihres Gesundheitszustandes nicht in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden kann. Wann Gründe für eine Haftunfähigkeit vorliegen und wann nicht, erklärt dieser Artikel. (Symbolfoto: lunopark/Shutterstock.com)

Die Haftunfähigkeit wird stets auch in Verbindung mit gewissen Kriterien geprüft. Die aktuell vorherrschenden Bedingungen in der vorgesehenen JVA werden dabei ebenso berücksichtigt wie die Dauer der Freiheitsstrafe nebst der tatsächlichen Schwere der festgestellten Erkrankung. Weiterhin müssen auch die zu erwartenden Auswirkungen der Freiheitsstrafe auf den Gesundheitszustand der verurteilten Person berücksichtigt werden.

Eine Haftunfähigkeit wurde festgestellt, wie geht es jetzt weiter?

Sollte die Haftunfähigkeit seitens des Amtsarztes festgestellt worden und ein entsprechender Antrag von der Staatsanwaltschaft bewilligt worden sein, so kann die Staatsanwaltschaft entweder einen Strafaufschub oder eine Strafunterbrechung bewilligen. Bei einem Strafaufschub wird die Freiheitsstrafe zunächst durch die verurteilte Person nicht angetreten, wobei ein späterer Termin festgelegt wird. Die Strafunterbrechung wird in der Regel unter der Voraussetzung bewilligt, dass sich die verurteilte Person bereits in einer JVA befindet. Der laufende Strafvollzug wird dann zunächst außer Kraft gesetzt und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt.

  • Sollte eine baldige Verbesserung des Gesundheitszustandes der verurteilten Person erwartbar sein, so erfolgt die entsprechende Behandlung in einem Vollzugskrankenhaus. In diesem Vollzugskrankenhaus erfolgt auch eine weitere Vollstreckung der Strafe.
  • Sollte die baldige Verbesserung des Gesundheitszustandes der verurteilten Person nicht absehbar sein, so erfolgt eine Verlegung in ein öffentliches Krankenhaus unter Überwachung von Justizvollzugsbeamten der JVA.

Die rechtliche Grundlage für die Strafunterbrechung findet sich in dem § 455 Strafprozessordnung (StPO) wieder. Dieser Paragraf sieht als Voraussetzung vor, dass sich die Erkrankung nicht in einer normalen JVA behandeln lässt. Für die Zeit der Strafunterbrechung hat die verurteilte Person rechtlich nicht mehr den Status eines Strafgefangenen. In der gängigen Praxis begibt sich die verurteilte Person dann eigenständig in ein öffentliches Krankenhaus und muss auch für die Kosten der Heilbehandlung selbst aufkommen.

Ausschlussgründe für die Strafunterbrechung

  • es besteht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit
  • es besteht die Fluchtgefahr
  • es besteht die Wiederholungsgefahr von Straftaten
  • die verurteilte Person hat Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug abgelehnt

Diese psychischen Krankheitsbilder sind ein Grund für Haftunfähigkeit

  • Schizophrenie
  • Depressionen
  • Paranoia
  • Platzangst
  • das Borderline-Syndrom
  • Alzheimer sowie Demenzerkrankungen
  • Panikstörungen

Für die Haftunfähigkeit ist die Schwere der psychischen Erkrankung entscheidend. Sollte es sich um eine geringe Ausprägung dieser psychischen Krankheitsbilder handeln, so kann die Haftstrafe angetreten werden – sofern eine Behandlung in der JVA möglich erscheint. Sollte die Inhaftierung eine Lebensgefahr der verurteilten Person mit sich bringen, so darf die Strafvollstreckung in der JVA nicht erfolgen.

Diese Krankheitsbilder können eine Haftunfähigkeit begründen

  • chronische Herzerkrankungen
  • Diabetes
  • Bluthochdruck

Als Voraussetzung für die Haftunfähigkeit gilt dabei jedoch stets, dass eine angemessene Behandlung dieser Krankheitsbilder in einer JVA nicht erfolgen kann.

Die Prüfung der Haftbedingungen

Auf der Grundlage des § 455 StPO werden die Voraussetzungen der Haftunfähigkeit sehr genau festgelegt. Die jeweilig vorherrschenden Bedingungen in der zuständigen JVA müssen dabei ebenfalls geprüft werden, wobei sowohl die medizinische Ausstattung der Ambulanz in einer JVA als auch die Personalsituation bzw. Personalqualifikation genau überprüft werden.

Die Ausschlussgründe für eine Haftunfähigkeit

Eine Haftunfähigkeit einer verurteilten Person ist nicht möglich, wenn die verurteilte Person auch angemessen in einem Vollzugskrankenhaus behandelt werden kann. Auch die Suizidandrohung einer verurteilten Person führt nicht zu einer Haftunfähigkeit. Die Androhung des Suizides ist rechtlich betrachtet zwar eine akute Gefährdung des Lebens, allerdings kann die JVA durch besondere Sicherungsmaßnahmen das Leben der verurteilten Person auch entsprechend schützen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Entscheidung getroffen, dass das Vorliegen einer Krebserkrankung ausdrücklich keine Haftunfähigkeit mit sich bringt, sofern die JVA die angemessene Behandlung ermöglichen kann (EGMR, Aktenzeichen 76512/11). Gleichermaßen verhält es sich auch mit Schwerbehinderungen oder auch einem sehr betagten Lebensalter einer verurteilten Person. Solange die JVA angemessen medizinisch auf den Gesundheitszustand der verurteilten Person reagieren kann, ist die Haftunfähigkeit zunächst erst einmal ausgeschlossen.

Wie kann die Haftunfähigkeit bewiesen werden?

Eine verurteilte Person, welche die Haftunfähigkeit erreichen möchte, muss einen entsprechenden Antrag stellen und im Zuge des Antragsverfahrens auch die Beweislast tragen. Die Haftunfähigkeit muss vor dem Strafantritt beantragt werden, sodass die Staatsanwaltschaft den Antrag auch entsprechend prüfen und entscheiden kann. Der Antrag muss zwingend das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft sowie auch über eine entsprechende Begründung verfügen. Ärztliche Gutachten oder auch Atteste müssen in nachvollziehbarer Weise diesem Antrag beigefügt werden. Eine verurteilte Person kann dies im Grunde genommen auch in Eigenregie durchführen, allerdings ist der Weg über die rechtsanwaltliche Vertretung in der Regel zielführender.

Die verurteilte Person kann den medizinischen Gutachter, welcher für die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Haftunfähigkeit prüft, nicht selbst festlegen. Diese Wahl liegt letztlich bei der Staatsanwaltschaft. Die Bescheinigung von dem Hausarzt der verurteilten Person ist als Gutachten im Zusammenhang mit der Haftunfähigkeit nicht ausreichend.

In der gängigen Praxis wählt die Staatsanwaltschaft für die Prüfung des Antrags auf Haftunfähigkeit einen Arzt von dem Gesundheitsamt oder auch einen Arzt aus dem psychosozialen Dienst bzw. einen Amtsarzt aus, um den Gesundheitszustand der verurteilten Person im Hinblick auf die Haftunfähigkeit zu prüfen. Diese Ärzte sind mit den Gegebenheiten in einer JVA vertraut und dementsprechend auch dazu befähigt, ein entsprechend medizinisches Gutachten zu erstellen.

Sollte die Staatsanwaltschaft den Antrag der verurteilten Person auf Haftunfähigkeit ablehnen, so kann die verurteilte Person gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft einen Einspruch einlegen. Dieser Einspruch ist dann an die zuständige Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht zu richten und soll eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Hierbei muss jedoch gesagt werden, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf der Grundlage des eigenen Ermessens erfolgt. Sollten Sie sich in einer derartigen Situation befinden, so sollten Sie sich umgehend eine rechtsanwaltliche Vertretung suchen und diese mit der Wahrnehmung Ihrer Interessen beauftragen. Wir als erfahrene Rechtsanwaltskanzlei verfügen über das erforderliche juristische Fachwissen und können Ihnen sehr gerne als Rechtsbeistand bei Ihrem Anliegen zur Seite stehen.

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