LG Köln – Az.: 108 Qs 9/21 u. 108 Qs 13/21 – Beschluss vom 18.08.2021
In der Strafsache wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz hat die achte große Strafkammer des Landgerichts Köln am 18.8.21 beschlossen:
Die Beschwerden der Beschuldigten gegen die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts Köln vom 12.5.2021 – 504 Gs 1675/21 — sowie die Beschlagnahmeanordnung des Amtsgerichts Köln vom 14.7.2021 – 504 Gs 2214/21 — werden verworfen.
Die Beschuldigte trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren und die ihr insoweit entstandenen Auslagen.
Gründe:
I.
Gegen die Beschwerdeführerin wird bei der Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln geführt, in welchem der Beschuldigten insbesondere vorgeworfen wird, dem gesondert Verfolgten N. LSD und Ketamin veräußert zu haben. Hintergrund waren Erkenntnisse aus einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz betreffend den gesondert Verfolgten N.
Mit dem Beschluss vom 12.5.2021 auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Köln die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführerin angeordnet. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Tatverdacht ergebe sich aus der Auswertung des Mobiltelefons des gesondert Verfolgten. Dieser habe in einem Whats’s App Chatverlauf gegenüber der Nutzerin der Rufnummer 0… Interesse am Bezug von 50 „Blottern“ und 5 „Micros“ geäußert, wobei die Nutzerin der Rufnummer geäußert habe, dass sie dies für den Folgetag gerne anbieten könne, wobei es sich bei „Blottern“ und „Micros“ um typische Szenebezeichnungen für LSD und Ketamin handele. Dabei sei davon auszugehen, dass die Rufnummer von der Beschuldigten genutzt werde, weil diese als Anschlussinhaberin registriert sei und die Nutzerin sich entsprechend des Vornamens der Beschuldigten auch selbst als „N…“ bezeichne.
Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten konnten zwei Briefumschläge mit je 10 Trips mit der Aufschrift 1CP-LSD, zwei Umschläge mit je 10 lila Pillen, zwei Umschläge mit je 5 lila Pillen, ein Briefumschlag mit 9 lila Pillen und ein Briefumschlag mit acht grünen Pillen sichergestellt werden. Nachdem die Beschuldigte sich zunächst mit einer Sicherstellung dieser Gegenstände einverstanden erklärt hat, hat sie dieses Einverständnis mit Schreiben ihres Verteidigers vom 2.7.2021 zurückgenommen, insoweit einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und gleichzeitig Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung erhoben. Zur Begründung der Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung hat die Beschuldigte durch Ihren Verteidiger, auf dessen Ausführungen wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, im Wesentlichen vorgetragen, die Annahme eines Anfangsverdachts beruhe auf fehlerhaften polizeilichen Ermittlungen und Spekulationen. Es habe keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Beschwerdeführerin mit illegalen Betäubungsmitteln gehandelt habe. Aus der Ermittlungsakte gehe vielmehr eindeutig hervor, dass den Ermittlern bereits zum Zeitpunkt des Antrages auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses bekannt gewesen sei, dass die Beschuldigte als Vor-Ort-Partnerin des Onlineshops www… tätig gewesen sei. Dieser veräußere jedoch ausschließlich legale Stoffe, darunter damals auch die Stoffe 1CP-LSD und 2F-Ketamin, die zum damaligen Zeitpunkt weder unter das BtMG noch unter das NpSG fielen und auf die auch das AMG nicht anwendbar sei. Der Chatverlauf aus dem Mobiltelefon des gesondert verfolgten habe sich eindeutig auf diese Stoffe bezogen und der Bezug zu dem Online-Shop sei ebenfalls aktenkundig gewesen. Die Durchsuchungsanordnung sei überdies auch formell fehlerhaft, weil die Tatzeit nicht angegeben worden sei. Die Maßnahme sei angesichts dessen, dass man nicht versucht habe, den Verdacht gegenüber der Beschuldigten, die bisher nie strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, mit milderen Mitteln zu ergründen, überdies unverhältnismäßig. Soweit seitens der Staatsanwaltschaft ausgeführt worden sei, dass keine gesicherte Erkenntnis dafür vorliege, dass die Beschuldigte ausschließlich mit legalen Mitteln handele, sei dies eine unzulässige Beweislastumkehr. Es sei überdies darauf hinzuweisen, dass die zwischen der Beschwerdeführerin und dem gesondert verfolgten N. ausgetauschten Nachrichten aufgrund ihrer Eindeutigkeit gegen einen illegalen Hintergrund sprächen. Schließlich hätten die auf dem Mobiltelefon des gesondert verfolgten N. aufgefundenen Nachrichten aufgrund ihres Alters zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung keinen Anfangsverdacht mehr dahingehend begründen können, dass die Beschuldigte weiterhin als Verkäuferin von Produkten des Online-Shops tätig sei.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Mit dem weiteren Beschluss vom 14.7.2021, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Köln die Beschlagnahme der bei der Beschuldigten aufgefundenen Briefumschläge mit „Trips“ und Pillen angeordnet, da diese für das Verfahren weiterhin als Beweismittel von Bedeutung seien. Insbesondere sei durch eine chemische Untersuchung zu klären, ob es sich bei den Stoffen um solche handele, mit denen ein Umgang strafbar sei. Dies gelte trotz der Bezeichnung der „Trips“ als 1CP-LSD und der negativ ausgefallenen Schnelltests. Auch hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit dem Rechtsmittel der Beschwerde zu deren Begründung sie durch ihren Verteidiger im Wesentlichen ausführt, dass es sich bei den Stoffen um solche handele, die sie in der Vergangenheit für den Online-Shop vertrieben habe. Dabei vertreibe dieser ausschließlich legale Produkte. Sowohl Untersuchungen seitens des Herstellers als auch im Rahmen von Behördengutachten in anderen Verfahren hätten dies bestätigt. Auch die Schnelltests im vorliegenden Verfahren seien negativ ausgefallen. Bei dem Hersteller der über den Onlineshop vertriebenen Substanzen handele es sich um einen renommierten Chemiker, der sich auch wissenschaftlich betätige. Überdies sei seitens des Onlineshops, mit dessen damaligen Inhaber die Beschuldigte befreundet sei, regelmäßig eine Untersuchung der Substanzen in chemischen Labors vorgenommen worden. Auch dieser Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Die zulässigen Beschwerden der Beschuldigten haben in der Sache keinen Erfolg.
II.
Die zulässige, auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung gerichtete Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 12.5.2021 hat in der Sache keinen Erfolg, da sich die auf §102 StPO gestützte Durchsuchung als rechtmäßig erweist.
Die Durchsuchungsanordnung ist zunächst nicht bereits aus formellen Gründen rechtswidrig. Insbesondere gehen aus dem Durchsuchungsbeschluss die der Beschuldigten vorgeworfene Tat, die Umstände, auf welche der Tatverdacht gestützt wird und die im Rahmen einer Durchsuchung aufzufindenden Beweismittel hinreichend konkret hervor. Dabei fehlt es nicht an einer hinreichenden Umgrenzungsfunktion der Durchsuchungsanordnung, weil in dem Durchsuchungsbeschluss der Tatzeitpunkt nicht angegeben ist. Denn aufgrund der Wiedergabe der konkreten Bestellung und der Angabe des Bestellers war für die Beschuldigte hinreichend deutlich, welche Tat ihr vorgeworfen wird.
Es lag weiterhin zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung ein hinreichend konkreter Anfangsverdacht für die der Beschuldigten vorgeworfene Tat vor. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung bestand ein konkreter Anfangsverdacht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln jedenfalls bezogen auf LSD. Denn ausweislich des auf dem Mobiltelefon des gesondert verfolgten N. gesicherten Chat-Verlaufs hatte die Beschwerdeführerin dem gesondert verfolgten entsprechend dessen Bestellung 50 Blotter und 5 Micros zum Kauf angeboten, wobei der Chatverlauf auch nahelegt, dass diese tatsächlich übergeben wurden. Dass es sich bei der Gesprächspartnerin des N. um die Beschwerdeführerin handelte ergab sich im Sinne eines für die Anordnung der Durchsuchung ausreichenden Anfangsverdachts daraus, dass diese die Anschlussinhaberin der Partnernummer war und die Gesprächspartnerin des N. sich entsprechend dem Vornamen der Beschwerdeführerin — als „N…“ bezeichnete. Weiterhin war im Sinne eines Anfangsverdachts davon auszugehen, dass es sich bei den „Blottern“ und „Micros“ um die dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende Droge LSD handelte. Bei „Blottern“ und „Micros“ handelt es sich um an die unterschiedlichen Darreichungsformen angelehnte szenetypische Bezeichnungen für diese Droge und überdies hatte auch der gesondert verfolgte N. die Nutzerin der Rufnummer als diejenige Person bezeichnet, von welcher er das im Rahmen der Durchsuchung seiner Wohnung aufgefundene „LSD“ bezogen habe. Dieser Anfangsverdacht wurde auch nicht dadurch entscheidend entkräftet, dass aufgrund dessen, dass in dem Chatverlauf auch von 2F-Ketamin die Rede war und das WhatsApp Profil der Beschuldigten Bezüge zu [Firma B.] und damit zu dem Online-Shop „…“ aufweist, deutliche Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Beschwerdeführerin als Vertriebspartnerin für diesen Shop tätig war, der neben dem damals legalen 2F-Ketamin auch das damals ebenfalls legale 1 cP-LSD vertrieb. Zwar bestand danach die Möglichkeit, dass mit Blottern und Micros nicht das dem BtMG unterfallende LSD, sondern IcP-LSD gemeint war. Hierbei handelte es sich jedoch nur um eine Möglichkeit, die den Anfangsverdacht nicht ausschloss. Dieser bestand vielmehr angesichts der dokumentierten Äußerung des N. der gerade davon sprach, dass er von der Beschuldigten LSD bezogen habe und gerade nicht auf einen legalen Hintergrund hingewiesen hat, fort. Auch der in relativer Deutlichkeit geführte Chat-Verlauf sprach nicht gegen einen Anfangsverdacht. Entsprechendes ist der Kammer auch aus anderen Verfahren mit eindeutigem BtM-Bezug bekannt. Es bestand auch Grund zu der Annahme, dass bei der Beschuldigten weiterhin Betäubungsmittel aufgefunden werden konnten. Denn vor dem Hintergrund der zitierten Äußerung des N. bestand auch Grund zu der Annahme, dass die Beschuldigte weiterhin mit Betäubungsmitteln handelte und bei ihr entsprechende Betäubungsmittel und die weiteren in der Durchsuchungsanordnung genannten Beweismittel aufzufinden sein würden.
Die Anordnung der Durchsuchung erweist sich auch als verhältnismäßig. Andere mildere Mittel, die geeignet gewesen wären, den Tatverdacht aufzuklären und ggfls. vor dem Erlass einer Durchsuchungsanordnung heranzuziehen gewesen wären, sind nicht ersichtlich. Auch überwog angesichts des Vorwurfs und der Schwere des Tatverdachts das staatliche Aufklärungsinteresse die grundgesetzlich geschützten Freiheitsrechte der Beschuldigten.
2.
Auch die gegen die Beschlagnahme der bei der Beschuldigten sichergestellten Gegenstände gerichtete Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Beschlagnahme zu Recht angeordnet, weil die Gegenstände weiterhin für die Untersuchung in dem gegen die Beschuldigte geführten Strafverfahren von Bedeutung sind (§ 94 Abs. 1 und 2 StPO) und sich die Beschlagnahme als verhältnismäßig darstellt. Im Einzelnen:
Es ist zunächst weiterhin von einem für die Anordnung der Beschlagnahme ausreichenden Tatverdacht auszugehen. Die Beschlagnahme setzt nicht voraus, dass dringende Gründe dafür bestehen; dass gegen die Beschuldigte das Hauptverfahren geführt werden wird, erforderlich aber auch ausreichend ist vielmehr, dass gegen die Beschwerdeführerin weiterhin ein durch konkrete Tatsachen gestützter Tatverdacht im Sinne eines Anfangsverdachts besteht (vergl. Meyer-Goßner / Schmitt Strafprozessordnung, 64. Auflage 2021, § 94 StPO Rn 8). Gemessen daran ist weiterhin aufgrund der die Durchsuchung rechtfertigenden Umstände von einem auch die Beschlagnahme rechtfertigenden Anfangsverdacht auszugehen. Dieser Verdacht besteht auch im Lichte der Angaben der Beschuldigten und der seitens ihres Verteidigers vorgetragenen Umstände fort. Es mag sein, dass die Beschuldigte zumindest auch legale Substanzen aus dem Angebot des Online-Shops „www…“ gehandelt hat. Angesichts des vorliegenden Chat-Verlaufs, der Angaben des gesondert verfolgten N. im Rahmen der Durchsuchung und der bei der Beschuldigten aufgefundenen — entgegen der Angaben auf der Internetseite des Online-Shops nicht mit einer entsprechenden Beschriftung versehenen — Tabletten liegen weiterhin konkrete Tatsachen vor, die Grund zu der Annahme bieten, dass die Beschuldigte mit Betäubungsmitteln gehandelt hat. Dass der Schnelltest im vorliegenden Verfahren negativ ausgefallen ist, steht dem angesichts der — der Kammer bekannten — eingeschränkten Aussagekraft von Schnelltests ebenso wenig entgegen, wie der Umstand, dass in einem anderen Verfahren sichergestellte optisch gleiche Pillen keine verbotenen Substanzen enthielten. Die Herkunft der bei der Beschuldigten sichergestellten, unbeschrifteten Pillen ist aus Sicht der Kammer unklar.
Allein die Behauptung der Beschuldigten, dass es sich bei dieser um solche mit dem Wirkstoff 1CP-LSD handelt, die sie von den Betreibern des Online-Shops erhalten habe, ist nicht geeignet, den Tatverdacht zu entkräften.
Die sichergestellten Gegenstände sind für die Untersuchung dieses Tatverdachts auch weiterhin von Bedeutung, da zu klären ist, welche Substanzen diese enthalten. Dies gilt angesichts der unbekannten Herkunft zunächst eindeutig für die sichergestellten Pillen aber aus Sicht des Gerichts auch für die Mit 1CP-LSD beschrifteten Trips. Auch hier gilt, dass ein Gutachten Auskunft darüber geben kann, welche Stoffe diese enthalten und hierdurch den Tatverdacht entweder zu untermauern oder zu entkräften. Allein aufgrund der Begutachtung optisch identischer Trips in einem anderen Verfahren und der behaupteten Qualitätskontrolle durch den Betreiber des Onlineshops wird eine Untersuchung der konkret sichergestellten Trips nicht derart überflüssig, dass die Trips für die Untersuchung der Sache nicht mehr von Bedeutung wären.
Die Beschlagnahme erweist sich auch als verhältnismäßig. Mildere gleich geeignete Mittel zur Aufklärung des Tatverdachts sind nicht ersichtlich. Gleichzeitig überwiegt das staatliche Interesse an einer Aufklärung des Tatverdachts die grundgesetzlich geschützten Interessen der Angeklagten. Dies gilt auch im Lichte des eher gering ausgeprägten Tatverdachts. Denn auch das Herausgabeinteresse der Beschuldigten stellt sich als eher gering dar. Selbst wenn man insoweit davon ausginge, dass die sichergestellten Gegenstände allein die Wirkstoffe 1cP-LSD und 2F-Ketamin enthalten, wäre ein Handel mit diesen aufgrund der geänderten Gesetzeslage strafbar. Überdies hat die Beschuldigte selbst erklärt, dass sie den Handel mit den Stoffen eingestellt habe. In diesem Lichte erscheint es der Beschuldigten zuzumuten, die Begutachtung der sichergestellten Gegenstände abzuwarten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.