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Hausfriedensbruch und zum Anschein gestellter Strafantrag

LG Berlin, Az.: (567) 231 Js 786/14 Ns (192/14), Urteil vom 01.04.2016

Das Verfahren wird wegen Bestehens eines Verfahrenshindernisses eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

Angewendete Vorschrift: § 260 Abs. 3 StPO.

Gründe

I.

Dem Angeklagten ist mit dem am 26.05.2014 erlassenen Strafbefehl eine Tat des Hausfriedensbruchs zur Last gelegt worden (§§ 123, 77, 77b StGB). Ihm wurde vorgeworfen, am 19.10.2013 gegen 14 Uhr widerrechtlich in das durch Umzäunung gegen Zutritt gesicherte Grundstück R.straße … eingedrungen und in dem darauf befindlichen Gebäude verweilt zu haben.

Nach Einspruch hat das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten mit Urteil vom 17. November 2014 wegen Hausfriedensbruchs schuldig gesprochen(§ 123 StGB). Wegen dieser Tat hat das Amtsgericht eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je 15 € verhängt.

Gegen das Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungshauptverhandlung hat ergeben, dass ein nicht (mehr) zu behebendes Verfahrenshindernis vorliegt. Es war danach gemäß § 260 Abs. 3 StPO die Einstellung des Verfahrens durch Urteil auszusprechen.

II.

In der neuerlichen Hauptverhandlung hat das Berufungsgericht die folgenden Feststellungen getroffen:

1.

Der zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung 24-jährige Angeklagte ist in B. aufgewachsen und hat die Schule mit dem Abitur abgeschlossen. Der Angeklagte ist ledig, aber Vater einer Tochter, die noch nicht 1 Jahr alt ist. Er bewohnt in einer Wohngemeinschaft ein Zimmer, wofür er monatlich 250 € entrichtet. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er durch das von seinen Eltern an ihn ausgezahlte Kindergeld, durch Straßenmusik, durch eine Nebenbeschäftigung beim BUND; insgesamt stehen ihm dadurch ca. 400 – 500 € monatlich zur Verfügung. Der Angeklagte besucht außerdem eine Heilpraktikerschule, wofür monatliche Kosten von 21 O € von seinen Eltern getragen werden.

Der Auszug aus dem BZR vom 21.10.2015 enthält 6 Eintragungen. Im Jahr 2007 sah die Staatsanwaltschaft Potsdam in einem Verfahren wegen Sachbeschädigung Von der Verfolgung ab.

2009 erging durch das Amtsgericht Tiergarten in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eine richterliche Weisung.

Die Staatsanwaltschaft Berlin sah im Jahre 2009 in einem Verfahren wegen Sachbeschädigung von der Verfolgung ab.

Wegen Erschleichen von Leistungen stellte das Amtsgericht Tiergarten im Jahre 2011 ein Verfahren nach Ermahnung ein.

Am 07.09.11 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,00€ (399 Cs 18/11, rk. seit dem 05.10.11 ).

Am 12.09.12 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten erneut wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15,00€ (399 Cs 6/12, rk. seit dem 20.09.12).

2.

Hausfriedensbruch und zum Anschein gestellter Strafantrag
Symbolfoto: Flynt/Bigstock

Am 19.10.2013 beteiligte sich der Angeklagte an einem für diesen Tag ausgerufenen ,,Europäischen Aktionstag für das Recht auf Wohnen“ in B. Gegen 14.00 Uhr drang der Angeklagte mit weiteren teilweise gesondert Verfolgten Teilnehmern des Aktionstages unbefugt auf das durch eine Umzäunung gegen Zutritt gesicherte Gelände des Grundstücks R.straße … in B. L. und verweilte sodann in dem Gebäude, um gegen die Obdachlosigkeit insbesondere ausländischer Mitbürger zu demonstrieren.

Das Grundstück und das Gebäude steht im Eigentum des Landes B. Es hatte früher als behördlicher Standort des Polizeipräsidenten gedient, stand aber am 19.10.2013 bereits längere Zeit leer. Die Rechte des Eigentümers an Grundstück und aufstehendem Gebäude wurden am Tattag auf der Grundlage der mit dem Land B. geschlossenen Verträge und der entsprechend erteilten Vollmachten von der B. I. GmbH (B. GmbH) wahrgenommen.

Da der 19.10.2013 ein Samstag war, war im Betrieb des Eigentümervertreters der an Wochenende stets eingerichtete Notdienst für konkrete Aufgaben zuständig. Gemäß den betrieblichen Dienstplänen der B. GmbH fiel der Notdienst am 19.10.2013 auf den als Zeugen vernommenen Mitarbeiter U.-D. H.. Nachdem das Eindringen der Aktivisten, unter ihnen auch der Angeklagte, von der Polizei festgestellt worden war, informierten die vor Ort an dem Objekt eingesetzten Kräfte den Zeugen H. als den zuständigen Vertreter des Eigentümers und forderte ihn auf, als Vertreter. des Eigentümers zu dem Objekt in der R.straße zu kommen, weil es dort Demonstrationen und einen Einsatz gebe. Der Zeuge setzte sich in sein Auto und traf nach ca. einer halben Stunde vor Ort ein. Er wurde dann vom Einsatzleiter der Polizei in Empfang genommen und zunächst dahingehend informiert, dass sich in dem Gebäude bereits Personen befänden, dass im Bereich der Rückseite der Zaun des Grundstücks oder jedenfalls ein Element davon beschädigt worden sei, und dass von den Aktivisten ein Schloss zum Gebäude aufgebohrt worden sei. Der Zeuge H. wurde dann von dem Einsatzleiter befragt, welche Erklärung er als Vertreter des Eigentümers zu den angetroffenen Zuständen abgeben wolle. Der Zeuge äußerte, die Frage nicht zu verstehen, und wurde dahingehend, dass es sich um ein Privatgrundstück handele, bei dem die weiteren Schritte für eine Räumung und Beendigung der Aktionen entweder von der Polizei durchgeführt werde, wenn der Zeuge H. als Repräsentant des Berechtigten einen entsprechenden Antrag stelle, oder aber dass der Zeuge selbst sich um von ihm für richtig gehaltene Maßnahmen kümmern könne. Im letzteren Falle werde die Polizei kurzfristig den Einsatz als beendet ansehen und abziehen.

Der Zeuge H. nahm diese Erklärung zum Anlass, sich telefonisch mit seinem Vorgesetzten in Verbindung gesetzt, dem Prokuristen und Mitglied der Geschäftsleitung der B. GmbH Herrn G. Diesem erklärte der Zeuge die Situation am Objekt und die von der Polizei gegebene Informationen. Der Prokurist G. erklärte dem Zeugen darauf hin, dass dieser alles als autorisiert ansehen dürfe, was er veranlassen wolle.

Der Zeuge H. entschied daraufhin, dass die Auflösung der Situation vor Ort, also die in seinem Interesse liegende Räumung des Objektes, von der Polizei durchgeführt werden soll. Dies teilte er dem Einsatzleiter der Polizei mündlich mit, woraufhin ihm erklärt wurde, die Polizei benötige zur Klarheit eine schriftliche Anweisung. Auf die Frage des Zeugen, wie eine solche abgefasst sein müsse, diktierte ihm der Einsatzleiter in einem Einsatzfahrzeuge den folgenden Text:

,, … Als Vertreter des Eigentümers/Verwalter erstelle ich Strafanzeige und bitte um Räumung des Gebäudes R.str. … Die Sicherung des Gebäudes erfolgt durch Veranlassung Mitarbeiter B. GmbH … „.

Der Zeuge H. schrieb diesen Text handschriftlich nieder und unterzeichnete ihn. Für weitere Einzelheiten des Inhalts und Escheinungsbildes der so entstandenen Urkunde wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Ablichtung in der Akte (Blatt 22).

Der Zeuge H. fertigte diese Urkunde in dem Wunsch an, dem Einsatzleiter diejenige Unterlage zur Verfügung zu stellen, die dieser als Grundlage der nun vom Zeugen H. erwarteten Räumung des Objektes benötigte.

Immer noch im Einsatzwagen der Polizei sitzend schob der Einsatzleiter dem Zeugen H. eine weitere Unterlage zu, nämlich einen Vordruck ,,Pol … Aufkleber Strafantrag (1.97)“. Diesen hatte der Einsatzleiter in Druckbuchstaben um Angaben zum Aktenzeichen und zur Person des Zeugen H. ergänzt und legte ihn dem Zeugen mit dem Bemerken vor, ,,dies müssen Sie auch noch unterschreiben“.

Der Zeuge H. setzte nunmehr seine Unterschrift auf diesen Vordruck. Er war dabei der ausschließlichen Ansicht, dass dies demselben zuvor bereits verfolgten Zweck diene, nämlich die Räumung des Objektes durch die Polizei vorzubereiten. Für weitere Einzelheiten des Inhalts und Escheinungsbildes der so entstandenen Urkunde wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Ablichtung in der Akte (Blatt 23) verwiesen.

Nach diesen Veranlassungen führte die Polizei die Räumung des Objektes durch, in dessen Inneren sie u.a. auch den Angeklagten antraf, diesen aus dem Gebäude führte, und seine Personalien feststellte.

Eine weitere Erklärung zur Frage der Stellung eines Strafantrages wurde nachfolgend weder von Seiten des Zeugen H., noch von einem anderen Vertreter des Eigentümers (und/oder der B. GmbH) abgegeben.

III.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten und den in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden, sowie auf den Angaben des in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen H.

1.

Der Angeklagte hat die Feststellungen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, sowie zu den Hintergründen und dem Hergang des Eindringens in das Objekt am Tattag so geschildert, wie dies in den Feststellungen wiedergegeben ist. Für die Kammer ergaben sich angesichts der in der Akte in allen Verfahrensschritten konsistent erfolgten geständigen Einlassungen des Angeklagten und seiner auch in der Berufungshauptverhandlung detailreich und ruhig abgegebenen Erklärungen keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben.

2.

Gleiches ergab sich hinsichtlich der Angaben des Zeugen H. Dieser hat seine Beteiligung und die von ihm getroffenen Maßnahmen einschließlich der von ihm dabei subjektiv zugrunde gelegten Annahmen so beschrieben, wie dies in den Feststellungen ausgeführt ist.

Ergänzend hat er geschildert, sich an den ,,Aktionstag“ besonders gut erinnern zu können, weil es sich um einen der in seinem Fall besonders seltenen Samstage gehandelt habe, an dem er für seinen Arbeitgeber den so genannten Notfalldienst verrichtet habe.

Er sei dazu mit dem betrieblichen Notfallhandy ausgestattet gewesen, das für einen solchen Dienst dem jeweils zuständigen Mitarbeiter ausgehändigt werden. Er sei nicht regelmäßig mit diesem Notfalldienst betraut gewesen, sondern es habe sich um einen Ausnahmefall gehandelt. Er habe für diesen Einsatz auch einen hausinternen Leitfaden erhalten, in diesem hätte aber nichts dazu gestanden, welche einzelnen möglicherweise erforderlichen Maßnahmen was genau bedeuten oder welche Anträge man zu stellen hat. Hauptsächlich hätte er aus dem Leitfaden diverse Telefonlisten mit Zuständigkeiten und Ansprechpartnern für verschiedene Notfälle in Erinnerung.

Am Nachmittag sei er über das Handy auf seinem Privatgrundstück in P. von der Polizei angerufen worden. Die Polizei habe erklärt, es sei zu Demonstrationen an dem Objekt gekommen, die jetzt einen Einsatz erforderlich machten. Er habe sich in sein Auto gesetzt, sei innerhalb von ca. einer halben Stunde vor Ort gewesen und habe dort zu seinem Erstaunen ein sehr großes Aufgebot an Polizei und viele Demonstranten angetroffen.

Nach den festgestellten eingehenden Erläuterungen des Einsatzleiters und seiner Rücksprache mit dem Prokuristen sei es für ihn klar gewesen, die Polizei mit der Räumung beauftragen zu wollen. Für die nach Erklärung der Polizei theoretisch ebenfalls bestehende Möglichkeit, dies selbst oder durch selbst organisierte Kräfte durchzuführen, habe er überhaupt keine Möglichkeit gesehen, geschweige denn einen Anlass. Sein Anliegen sei es gewesen, dass das Objekt geräumt werde.

Dies habe er so auch dem Einsatzleiter der Polizei gesagt, woraufhin die Erklärung von Blatt 22 der Akte in der festgestellten Weise zustande gekommen sei.

Dann sei die Räumung von der Polizei vorgenommen worden. Er habe sich zu dieser Zeit im Bereich des Eingangs aufgehalten und immer mal wieder gesehen, dass einzelne Personen oder kleine Gruppen aus dem Gebäude geführt worden seien. Nachdem die Aktion in geschätzt einer knappen Stunde nach ihrem Beginn beendet gewesen sei, habe das Gebäude betreten und sich einen Überblick dort verschafft. Er habe auch einzelne Beschädigungen im Inneren des Gebäudes festgestellt, könne sich an Einzelheiten dazu aber nicht mehr genau erinnern. Sein gesamter Aufenthalt vor Ort habe vielleicht zwei Stunden gedauert; danach sei die Sache erledigt gewesen und er wieder nachhause gefahren.

Die Stellung eines Strafantrages erwähnte der Zeuge H. im Rahmen dieser Schilderungen weder durch die Verwendung des entsprechenden Wortes, noch durch eine Schilderung dahingehend, an der Strafverfolgung der in das Gebäude eingedrungenen Personen interessiert gewesen zu sein. Auf erste Nachfrage bestätigte er dies dahingehend, dass es ihm um die rein praktische Erledigung des vor Ort aufgetretenen Problems an ,,seinem Notfalltag“ gegangen sei. Da es sich um ein konkret leerstehendes früheres Dienstgebäude gehandelt habe, habe für ihn nur die Regelung des konkreten Tages Bedeutung gehabt. Weitere Folgen der Vorfälle oder Bewertungen seien aus seiner Sicht nicht erforderlich oder gar dringend gewesen; er habe sich darum nicht kümmern sondern dies einer späteren Sachbearbeitung in der B. GmbH überlassen wollen. Um die Frage, ob und gegebenenfalls welche Personen strafrechtlich verfolgt würden, habe er sich keinerlei Gedanken gemacht.

Erst auf ausdrücklichen Vorhalt der auf Blatt 23 bei der Akte befindlichen Urkunde ,,Strafantrag“ räumte der Zeuge ein, diesen wohl auch unterschrieben zu haben. Der im Original sehr kleine Vordruck sei ihm auch in dem Einsatzfahrzeug vom Einsatzleiter ,,rübergeschoben“ worden mit dem Bemerken ,,dies hier müssen sie dann auch noch unterschreiben“. Ob es genau diese oder nur ,,solche“ Worte gewesen seien, könne er nicht mehr sicher sagen. Er habe aber zu keiner Zeit wahrgenommen oder gedacht, bei dieser Gelegenheit etwas anderes zu unterschreiben oder zu erklären, als er dies bereits zuvor handschriftlich zur Veranlassung der Räumung getan hatte. Nach seiner Einschätzung, über die er sich in der Situation im Einsatzwagen keinerlei Gedanken gemacht habe, sei das womöglich ,,irgend eine Formalie“ für die Akten der Polizei gewesen, die offenbar ,,auch noch“ nötig erschien, um die Räumungsmaßnahmen einzuleiten.

Auf mehrfache Nachfragen äußerte der Zeuge wörtlich: ,,Ich hatte immer nur die Räumung im Blick; den Strafantrag brachte die Polizei auf; das hatte ich nicht auf dem Schirm. Als ich den Strafantrag unterzeichnet habe, war mir nicht bewusst, was ein Strafantrag ist und was der soll, außer dass er die Polizei für die Räumungsmaßnahmen ermächtigt“.

Schließlich schilderte der zeuge noch, an einem der Werktage nach dem Wochenende habe er in der Firma beiläufig den Geschäftsführer getroffen, Herrn L. Zwischen beiden sei der unerwartete Einsatz vom Wochenende kurz ein Thema gewesen. Er selbst habe auch beschrieben, wie das alles verlaufen und was er alles gemacht habe. Da habe er zur Antwort bekommen, das habe er alles richtig gemacht. Seiner damaligen Meinung nach seien damit sicher auch alle ,,unterschriebenen Dinge“ gemeint gewesen, obwohl er ‚Einzelheiten dazu, was genau er mit welchen Worten überhaupt berichtet habe, nicht mehr erinnern können. Er gehe allerdings sicher davon aus, dass der Geschäftsführer sachlich mit einer Stellung eines Strafantrages einverstanden gewesen sei.

IV.

Nach den getroffenen Feststellungen ist das Verfahren wegen des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses einzustellen, denn der für eine Strafverfolgung gegen den Angeklagten zwingend erforderliche Strafantrag (§ 123 Abs. 2 StGB) ist innerhalb der dafür maßgeblichen Frist (§§ 77, 77b StGB) nicht gestellt worden und kann nun nicht mehr gestellt werden.

Die vom Zeugen H. unterzeichneten Schriftstücke beinhalten einen Strafantrag im Rechtssinne nicht, sondern erwecken lediglich den sachlich unzutreffenden Eindruck, der Zeuge H. habe eine auf die erwünschte Strafverfolgung des Angeklagten gerichtete Erklärung abgegeben. Tatsächlich hat der Zeuge eine solche Erklärung zu keiner Zeit abgeben wollen, weshalb er den beiden von ihm unterzeichneten Schriftstücken auch einen entsprechenden Inhalt zu keiner Zeit beigemessen hat.

Die Frage, was der Zeuge H. wann gedacht und sich vorgestellt hat, was er mit der Leistung seiner Unterschriften wann bezweckte und welche Vorstellung er vom Inhalt seiner ,,Erklärungen“ hatte, waren eingehend Gegenstand der Vernehmung des Zeugen und zahlreicher von allen Beteiligten an den Zeugen gerichteten Nachfragen. Der Zeuge antwortete ausdrücklich auf die Frage ob ihm klar war, was er erklärte, als er den Vordruck ,,Strafantrag“ (Blatt 23 der Akten) unterzeichnete: ,,Nein, das war mir unklar; das wurde mir von der Polizei rübergeschoben mit dem bemerken, das müssen sie dann auch noch unterschreiben“.

Zwar hatte er aus dem Diktat des Einsatzleiters der Polizei sich eine Meinung dazu gebildet, wie ,,so was“ lauten muss, damit die Polizei räumen konnte. Zu diesem Zweck hatte er auch bei entsprechendem Diktat des Wortlauts den handschriftlichen Text (Blatt 22) vollständig selbst geschrieben. Sein Ziel war aber bei allen Unterschriften, die er leistete dasselbe: er wollte, dass die Polizei es unternimmt, zu räumen, und dass nicht er selbst dies tun oder auf einer privaten eigenverantwortlichen Grundlage organisieren muss. Sonst wollte er nichts. Dies genau, und nicht mehr, hatte er auch vor der Leistung von Unterschriften telefonisch mit seinem Vorgesetzten G. ergänzend erörtert.

Nach dieser Vorbereitung hat der Zeuge im Rechtssinne keinen Strafantrag gestellt. Hierfür wäre die Abgabe einer wie auch immer formulierten Erklärung mit dem Ziel und dem vom Zeugen gewollten Inhalt erforderlich, es solle eine Strafverfolgung gegen die Eindringlinge in dem Objekt eingeleitet werden. Einen solchen Willen hatte der Zeuge zu keiner Zeit, und eine in diese Richtung gehende Erklärung wollte er zu keiner Zeit abgeben. Blatt 23 enthält keine dort ausformuliert vorgedruckte inhaltlich bestimmbare Erklärung. Sie enthält im Kern lediglich das Wort ,,Strafantrag“. Zu diesem Wort hat der Zeuge unmissverständlich klargestellt, dass er damit nichts anderes verbunden habe, als eine Voraussetzung für die von ihm ausschließlich gewünschte Räumung des Objektes. Eine Wortbedeutung dahingehend, dass er mit der Unterzeichnung dieses vor Drucks die Strafverfolgung der Tatverdächtigen als erwünscht erklärte, kannte und erkannte der Zeuge nach seiner Darstellung nicht.

Anders als im privatrechtlichen Verkehr bei der Anbahnung von Verträgen und anderen Rechtsgeschäften kommt insoweit auch keine Auslegung aus der Sicht eines Erklärungsempfängers nicht in Betracht. Bei der Verfahrensvoraussetzung eines rechtzeitig gestellten Strafantrages geht es nicht darum, ob ein (ggf. gutgläubiger) Empfänger einer Erklärung in seiner Annahme geschützt werden soll, der Zeuge H. habe mit dem Wort ,,Strafantrag“ denselben Inhalt verbunden, wie er von dem konkreten Empfänger der Erklärung oder von einem ,,objektiv zu erwartenden“ Empfänger im Rechtsverkehr üblicherweise verstanden würde. Es geht stattdessen um die Feststellung, ob innerhalb der gesetzlichen Fristen ein berechtigter Repräsentant des Eigentümers im Ermittlungsverfahren inhaltlich den Wunsch zum Ausdruck gebracht hat, gegen die Tatverdächtigen solle eine Strafverfolgung eingeleitet werden. Dies lässt. sich vor dem Hintergrund der Aussage des Zeugen nicht feststellen. Der Zeuge hat mit seiner Unterschrift lediglich den Anschein der Stellung eines Strafantrages in die Welt gesetzt, nicht aber die inhaltlich dazu erforderliche Erklärung abgegeben.

Auch die vom Zeugen beschriebene spätere Billigung durch den Geschäftsführer L. hat die Voraussetzung der Strafverfolgung nicht herbeigeführt. Zunächst ist bereits unklar, welchen genauen Inhalt eine solche Billigung überhaupt haben könnte, denn der Zeuge H. war sich nicht sicher, was alles er mit welchen Worten berichtet hatte, und worauf also konkret sich eine Billigung in der Gesprächssituation überhaupt beziehen konnte. Diese Billigung wäre aber in jedem Fall nur intern im Betrieb und nur mündlich erfolgt, nicht aber im Zusammenhang des Ermittlungsverfahrens erkennbar geworden.

Zwar mag es Konstellationen geben, in denen ein zunächst angreifbar erklärter Strafantrag die volle Wirksamkeit durch eine nachträgliche Billigung erlangt, einen solchen Fall erkennt die Kammer vor dem Hintergrund der Aussage des Zeugen H. aber nicht. Insbesondere liegt kein Fall vor, in dem ,,inhaltlich“ ein Strafantrag vorliegt, der zunächst von einem Nichtberechtigten erklärt und dann von dem Berechtigten genehmigt worden wäre. Es kann dahinstehen, in welchen Konstellationen dies möglich ist und in welcher Weise die spätere Genehmigung ggf. nach außen sichtbar werden oder gar dem Aktenzusammenhang erfasst werden müsste. Unabhängig von diesen Fragen liegt der entscheidende Mangel hier daran, dass schon grundlegend eine inhaltliche Erklärung in Richtung einer Strafverfolgung nicht vorliegt. Eine etwaige Genehmigung würde also ins leere gehen, denn die Genehmigung kann sich nur auf eine bereits vorliegende (ggf. notleidende) Erklärung beziehen und diese sozusagen vervollkommnen. Fehlt demgegenüber bereits jedwede (auch eine notleidende) Erklärung, so geht eine bloße Genehmigung ins Leere.

Es hätte dann stattdessen der Abgabe einer originären Erklärung bedurft, was aber der Geschäftsführer L. gerade nicht veranlasst hat. Es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob er dies wissentlich nicht getan hat, oder ob er – wofür nach der Aussage des Zeugen H. manches spricht – ggf. von dem Fehlen eines wirksamen Strafantrages gar nichts wissen konnte. Die Feststellung einer objektiven Voraussetzungen für die Strafverfolgung ist von der Einordnung unabhängig, aus welchen subjektiven zusammenhängen es zu der Voraussetzung nicht gekommen ist.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 467a StPO.

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