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In-Aussicht-Stellen eines Verbrechens als Bedrohung nach § 241 StGB

Das Strafrecht befasst sich häufig mit der Abgrenzung zwischen verschiedenen Delikten, wobei insbesondere die Unterscheidung zwischen Beleidigung und Bedrohung eine herausfordernde juristische Fragestellung darstellt. Im Fokus steht hierbei der § 241 StGB, der das In-Aussicht-Stellen eines Verbrechens als Bedrohung definiert. Dieses Delikt setzt voraus, dass ein Täter glaubhaft ein Verbrechen androht, welches von seinem Willen abhängig ist. Die juristische Herausforderung liegt in der Beurteilung, ob und inwiefern die Äußerungen eines Täters als ernsthafte und realisierbare Drohung einzustufen sind. Zudem spielt die subjektive Wahrnehmung des Bedrohten eine entscheidende Rolle in der Bewertung. Dabei müssen Gerichte sorgfältig zwischen bloßen Beleidigungen und tatsächlichen Bedrohungen unterscheiden, was oft zu komplexen rechtlichen Diskussionen und unterschiedlichen Auslegungen führt. Entscheidungen in solchen Fällen können weitreichende Konsequenzen für die Beteiligten haben und sind oft Gegenstand von Revisionen, bei denen die Rechtsauffassung der untergeordneten Gerichte durch höhere Instanzen überprüft wird.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 ORs 12/23 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Oberlandesgericht Brandenburg hat den Angeklagten von dem Vorwurf der Bedrohung nach § 241 StGB freigesprochen und das Urteil des Landgerichts Neuruppin aufgehoben.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung des Landgerichtsurteils: Das Oberlandesgericht Brandenburg hat das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 01. März 2023 aufgehoben.
  2. Freispruch des Angeklagten: Der Angeklagte wurde vom Vorwurf der Bedrohung freigesprochen.
  3. Übernahme der Verfahrenskosten: Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.
  4. Vorinstanzliche Verurteilung: Der Angeklagte wurde zuvor wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe verurteilt.
  5. Revision erfolgreich: Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg und führte zum Freispruch.
  6. Feststellungen des Landgerichts: Die Feststellungen des Landgerichts Neuruppin trugen nicht die Annahme der Verwirklichung des Tatbestands der Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB.
  7. Beurteilung der Äußerungen: Die Äußerungen des Angeklagten wurden nicht als objektiv ernst zu nehmende Bedrohungen, sondern als Beleidigungen gewertet.
  8. Keine Umwandlung des Schuldspruchs: Eine Änderung des Schuldspruchs in eine Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB war aufgrund fehlender Prozessvoraussetzungen nicht möglich.

Eskalation in Nachbarschaftsstreit führt zu Rechtsfall

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht eine Auseinandersetzung in der H…allee in H…N…, die zwischen einem Angeklagten und seinen Nachbarn, den Zeugen I… und L… N…, eskalierte. Die Probleme begannen mit dem Erwerb des Grundstücks durch die Zeugen im August 2018. Von Beginn an war das Verhältnis zum Angeklagten gespannt, was zu verschiedenen verbalen Konflikten führte. Diese Spannungen erreichten ihren Höhepunkt im Juni 2021, als die Zeugen N… einen Zaun entlang der Grundstücksgrenze errichteten, was den Angeklagten zu einer Reihe beleidigender Äußerungen und Drohungen veranlasste. Unter anderem bezeichnete er die Zeugin N… als „gierigen Arsch“, „fette Kuh“, „Prostituierte“, „dreckige Hure“ und „alte Schlampe“. Zudem drohte er, sie „Blut scheißen“ zu lassen, ins Gefängnis zu stecken und zu ertränken.

Verurteilung und Revision im Rechtsstreit um § 241 StGB

Ursprünglich wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Oranienburg wegen Beleidigung und Bedrohung zu einer Geldstrafe verurteilt. Diese Entscheidung wurde jedoch nach einem Einspruch des Angeklagten aufgrund eines Verfahrenshindernisses aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, woraufhin das Landgericht Neuruppin den Angeklagten wegen Bedrohung zu einer erhöhten Geldstrafe verurteilte. Dies führte zur Revision des Angeklagten, in der er sowohl sachliche als auch formelle Rechtsverletzungen geltend machte.

OLG Brandenburg kippt Urteil wegen mangelnder Beweise

Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied am 12. Juli 2023, auf die Revision hin das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin aufzuheben und den Angeklagten freizusprechen. Im Kern der Entscheidung stand die Auslegung von § 241 Abs. 1 StGB. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Feststellungen des Landgerichts Neuruppin die Annahme einer Bedrohung im Sinne des § 241 Abs. 1 StGB nicht trugen. Insbesondere fehlten objektive Anknüpfungstatsachen, die darauf hindeuteten, dass der Angeklagte ernstlich mit der Begehung eines Verbrechens gedroht habe. Die beleidigenden Äußerungen wurden als solche eingestuft, aber nicht als ernsthafte Drohung mit einem Verbrechen.

Bedeutung der Verfahrensentscheidung und Kostenübernahme

Der Fall wirft wichtige Fragen zur Interpretation von Bedrohungen und Beleidigungen im Rahmen des Strafrechts auf. Es wurde deutlich, dass die bloße Wahrnehmung einer Äußerung als bedrohlich nicht ausreicht, um den Tatbestand der Bedrohung gemäß § 241 StGB zu erfüllen. Zudem wurde hervorgehoben, dass die subjektive Wahrnehmung des Bedrohten in der Beurteilung einer Bedrohung nicht ausschlaggebend ist. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Landeskasse auferlegt, was die Bedeutung der sorgfältigen juristischen Prüfung in solchen Fällen unterstreicht. Dieser Fall dient als ein Beispiel dafür, wie komplex die rechtliche Bewertung von zwischenmenschlichen Konflikten sein kann und stellt die Bedeutung einer genauen Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls heraus.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet Bedrohung nach § 241 StGB?

Gemäß § 241 des Strafgesetzbuches (StGB) in Deutschland wird eine Bedrohung als Straftat angesehen, bei der eine Person einer anderen Person oder einer ihr nahestehenden Person ein Verbrechen in Aussicht stellt. Eine nahestehende Person kann ein Familienmitglied, ein Lebenspartner oder jemand sein, zu dem eine ähnlich intensive Beziehung besteht, wie beispielsweise eine enge Freundschaft.

Die Bedrohung ist ein sogenanntes Gefährdungsdelikt, bei dem die bloße Verursachung einer Gefahr bereits mit Strafe bedroht ist. Es ist nicht erforderlich, dass das angedrohte Verbrechen tatsächlich begangen wird.

Die Strafe für eine Bedrohung kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe sein. Die genaue Strafe hängt von der Art des angedrohten Verbrechens ab. Wenn beispielsweise ein Verbrechen Gegenstand der Bedrohung ist, sieht das Gesetz grundsätzlich eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor.

Es ist auch strafbar, eine Bedrohung vorzutäuschen, d.h. jemandem fälschlicherweise zu suggerieren, dass die Verwirklichung eines Verbrechens bevorsteht. Die Strafe für diese Art von Bedrohung entspricht der für eine „echte“ Bedrohung.

Eine Bedrohung muss nicht persönlich erfolgen. Sie kann auch schriftlich, per Anruf oder sogar per SMS erfolgen.

Die Verjährungsfrist für eine Bedrohung beträgt in Deutschland fünf Jahre.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität im April 2021 den Straftatbestand der Bedrohung erweitert hat. Seitdem ist es nicht mehr notwendig, dass die Bedrohung ein Verbrechen androht. Es kann auch eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder eine Sache von bedeutendem Wert sein.


Das vorliegende Urteil

OLG Brandenburg – Az.: 1 ORs 12/23 – Urteil vom 12.07.2023

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 01. März 2023 aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe

I.

Mit Strafbefehl vom 13. Mai 2022 hat das Amtsgericht Oranienburg gegen den Angeklagten wegen Beleidigung und Bedrohung eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 € verhängt. Auf seinen hiergegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht das Verfahren mit Urteil vom 19. Juli 2022 wegen des Verfahrenshindernisses gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt.

Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin am 01. März 2023 das angefochtene Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen Bedrohung zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 € verurteilt.

In den Urteilsfeststellungen führt das Berufungsgericht aus:

„Zu dem vom Angeklagten in der H…allee … in H…N… bewohnten Haus gehört ein Grundstück, das direkt an das von den Zeugen I… und L… N… bewohnten Hausgrundstück in der H…allee … in H…N… grenzt. Die Zeugen erwarben ihr Grundstück im August 2018 und haben ihren Lebensmittelpunkt dort etwa seit 2019. Das Verhältnis zu dem Angeklagten und Nachbarn gestaltete sich von Beginn an als schwierig. Es kam zu verschiedenen, verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Nachbarn, wobei im Wesentlichen die ebenfalls aus B… stammende Zeugin N… Ziel der verbalen Anfeindungen des Angeklagten war. Aus diesem Grund ließen die Zeugen N… im Juni 2021 einen Zaun an der Grundstücksgrenze zum Angeklagten errichten.

Am Nachmittag des 29.06.2021 gegen 15.30 Uhr waren die Zeugen I… und L… N… in ihrem Garten, um sich den Fortschritt an den Bauarbeiten des Zauns anzusehen, als auch der Angeklagte sich auf dem von ihm bewohnten Grundstück an die Grenze begab und die entlang der Grundstücksgrenze auf ihrem Grundstück laufenden Zeugen auf seinem Grundstück begleitete. Dabei bezeichnete der Angeklagte die Zeugin N… als „gieriger Arsch“, „fette Kuh“, „Prostituierte“, „dreckige Hure“ und „alte Schlampe“ und behauptete, dass sie abgetrieben habe, um sie in ihrer Ehre zu verletzen. Ferner rief er der Zeugin N… zu, dass sie „Blut scheißen“ werde, er sie ins Gefängnis stecken und sie ertränken werde, wobei er mit Gesten seinen Worten Nachdruck verlieh. Die Zeugin N… nahm die Worte aufgrund der seit Jahren bestehenden nachbarschaftlichen Differenzen ernst und zog sich mit ihrem Ehemann ohne Widerworte zurück.“

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen und formellen Rechts rügt.

II.

Die nach § 333 StPO statthafte und nach §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zum Freispruch des Angeklagten.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen der ihm vorgeworfenen Bedrohung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

Die vom Landgericht Neuruppin getroffenen Feststellungen tragen die Annahme der Verwirklichung des Tatbestands der Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung nicht.

Der vorliegend in Betracht kommende § 241 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter die von seinem Willen abhängige Begehung eines Verbrechens in Aussicht stellt, wobei das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen der Begehung eines Verbrechens gegen den Drohungsadressaten seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint, den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken. Aus dem Tatbestand werden indes diejenigen Ankündigungen ausgeklammert, die nicht als objektiv ernst zu nehmende Bedrohungen mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Bedrohte sich von der Ankündigung hat beeindrucken lassen (vgl. Gropp/Sinn in Münchener Kommentar, StGB, § 241 Rn. 4 m. w. N.; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 241 Rn. 3a).

Vorliegend fehlen im Urteil hinreichende objektive Anknüpfungstatsachen, welche die Annahme rechtfertigten, der Angeklagte habe ernstlich mit der Begehung eines Verbrechens zum Nachteil der Zeugin N… gedroht. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass die Situation an der Grundstücksgrenze eskalierte und der Angeklagte die Zeugin mit einer Beleidigungsflut überzog, in welcher auch die Worte fielen, er werde sie ins Gefängnis stecken und sie ertränken. Ein solcher Lebenssachverhalt vermittelt einem objektiven Betrachter oder einem objektiven Durchschnittsmenschen aber nicht den Eindruck der Ernstlichkeit der Äußerung, er werde die Zeugin durch Ertränken töten, insbesondere auch nicht im Zusammenhang mit der zuvor getätigten Äußerung, er werde sie ins Gefängnis stecken. Der Angeklagte war schlichtweg außer sich (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Februar 2013 – 2 Ss 25/13 –). Die von ihm getätigte Äußerung, er werde sie ertränken, ist hiernach als (weitere) Beleidigung zu werten, da mit dieser zum Ausdruck kommt, die Zeugin sei nicht lebenswert.

Da nicht zu erwarten ist, dass weitere Feststellungen möglich sind, aufgrund derer die Äußerung gegenüber der Zeugin N… als Bedrohung nach § 241 StGB gewertet werden könnte, kann das Revisionsgericht nach § 354 Abs. 1 StPO selbst entscheiden.

Der Angeklagte war mithin vom Vorwurf der Bedrohung freizusprechen.

Die Abänderung des Schuldspruchs in den Tatvorwurf der Beleidigung gemäß § 185 StGB scheidet aus, da es insoweit an einer Prozessvoraussetzung mangelt. Die Zeugin N… als Verletzte dieser Tat im Sinne von § 77 Abs. 1 StGB hat keinen Strafantrag gestellt, die Staatsanwaltschaft hat im Berufungsverfahren jedenfalls einen auf die Verurteilung wegen Beleidigung gerichteten Verfolgungswillen nicht mehr aufrechterhalten, indem sie das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung auf den Vorwurf der Bedrohung beschränkte.

III.

Nur ergänzend bemerkt der Senat, dass auch der Strafausspruch keinen Bestand gehabt hätte, weil das Urteil insoweit den vorliegend auszumachenden gesteigerten Begründungsanforderungen nicht gerecht wird. Der Angeklagte hat nämlich einen Anspruch darauf zu erfahren, warum trotz der erheblichen Milderungsgründe eine höhere Strafe verhängt wird (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21. Mai 2021 – 206 StRR 193/21 –).

Zunächst ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Berufung nicht eingelegt hat, um eine höhere Bestrafung des Angeklagten zu erreichen. Ziel der Berufung war die Beseitigung des einstellenden Prozessurteils und eine Verurteilung des Angeklagten überhaupt.

Es sind auch neu eingetretene gewichtige Strafmilderungsgründe zu verzeichnen.

Zum einen geriet die zunächst tateinheitlich vorgeworfene Tat der Beleidigung in Wegfall, darüber hinaus war inzwischen ein Zeitablauf eingetreten, den das Gericht als strafmildernd berücksichtigt hat (vgl. BayObLG, a.a.O.). Weshalb sodann eine um 50 % erhöhte Geldstrafe verhängt wurde, kann man den Urteilsgründen nicht entnehmen.

Die Tatsache, dass die Kammer, anders als noch von der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht im Strafbefehl angenommen, von der Drohung mit einem schweren Verbrechen ausgeht, kann die Erhöhung der Strafe allein nicht begründen, denn dass die Tat im Strafbefehl rechtlich anders beurteilt wurde als in der Berufungshauptverhandlung, rechtfertigt bei gleicher Tatsachengrundlage nicht ohne Weiteres eine höhere Strafe.

Zudem legt das Urteil nicht ausreichend dar, dass die Voraussetzungen für die Schätzung des Einkommens des Angeklagten vorgelegen haben.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1, § 473 Abs. 1 StPO.

 

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