AG Pirmasens – Az.: 1 VRJs 129/17 jug – Beschluss vom 04.09.2018
Gegen den Verurteilten wird ein zweiwöchiger Jugendarrest verhängt.
Gründe
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts Pirmasens vom 19.04.2017 (1 Ds 4372 Js 8536/16 jug), rechtskräftig seit dem 04.08.2017, wurde der Verurteilte einer versuchten Körperverletzung sowie tateinheitlich einer Körperverletzung schuldig gesprochen. Er wurde verwarnt und für die Dauer von 10 Monaten einer Betreuungsweisung unterstellt. Weiter wurde ihm auferlegt, nach Weisung der Jugendgerichtshilfe 120 Stunden gemeinnützige Arbeit binnen 6 Monaten seit Rechtskraft abzuleisten und darüber hinaus ein einwöchiger Jugendarrest gegen ihn verhängt. Da der Verurteilte nicht am Gelingen der Betreuungsweisung mitwirkte und Termine nicht wahrnahm, wurde durch Verfügung vom 30.11.2017 Anhörungstermin bestimmt. Zum Anhörungstermin erschien der Verurteilte ohne Angabe von Gründen nicht, weswegen am 20.12.2017 ein zweiwöchiger Jugendarrest gegen ihn verhängt wurde.
Mit Schreiben vom 06.03.2018 wurde seitens der Betreuerin mitgeteilt, dass sich der Verurteilte nicht bei ihr gemeldet und auch auf Vorladung nicht reagiert habe. Zum Arrest erschien der Verurteilte zunächst nicht. Die beiden vorgenannten Jugendarreste verbüßte der Verurteilte dann vom 03.06. bis zum 16.06.2018 und vom 16.06. bis zum 22.06.2018.
Mit Bericht vom 25.07.2018 wurde durch die Jugendgerichtshilfe mitgeteilt, dass der Verurteilte nach dortigem Kenntnisstand 4,75 Stunden abgeleistet habe. Am 24.07.2018 wurde seitens der Betreuerin erneut mitgeteilt, dass der Verurteilte sich nach wie vor nach Verbüßung des Jugendarrestes nicht gemeldet habe.
Durch Verfügung vom 02.08.2018 wurde zunächst Termin zur Anhörung des Verurteilten auf den 13.08.2018 bestimmt. Nachdem zwischenzeitlich bekannt geworden war, dass der Verurteilte seit dem 24.06.2018 in der JVA Zweibrücken eine Ersatzfreiheitsstrafe aus einem Strafbefehl vom 27.02.2018 verbüßte, wurde der Termin zur Anhörung des Verurteilten verlegt auf den 20.08.2018. Zu diesem Termin wurde der Verurteilte ausweislich der Postzustellungsurkunde Blatt 66 d.VH. am 21.08.2018 ordnungsgemäß geladen, ist jedoch nicht erschienen. Anwesend war lediglich die Betreuerin. Zu dieser hatte der Verurteilte zwischenzeitlich nach Entlassung aus der JVA Kontakt aufgenommen, erschien im weiteren Verlauf jedoch nicht mehr.
II.
Bei der vorliegenden Sachlage war es, trotz der zwischenzeitlich teilweise verbüßten Ersatzfreiheitsstrafe in anderer Sache, aus erzieherischen Gründen geboten, gegen den Verurteilten einen weiteren Jugendarrest zu verhängen. Der Verurteilte hat sich bisher ganz offensichtlich von den bisher verbüßten Arresten nicht beeindrucken lassen. Es wäre aus erzieherischen Gründen völlig unangebracht, keinen weiteren Arrest gegen den Verurteilten zu verhängen, da bei diesem ansonsten der fatale Eindruck entstehen könnte, eine hartnäckige Weigerung der Befolgung von Auflagen und Weisungen würde ohne weitere Konsequenzen zu einer Erledigung des Verfahrens führen. Dies hätte auch ohne Zweifel Auswirkungen auf die Verhaltensweise des Verurteilten in der Gesellschaft in anderen, nicht der Jugendvollstreckung zuzurechnenden Lebensbereichen.
Der Umstand, dass gegen den Verurteilten vorliegend bereits in der Summe drei Wochen Jugendarrest verhängt und auch verbüßt wurden, steht der weiteren Verhängung eines zweiwöchigen Jugendarrestes nicht entgegen, auch wenn somit in der Summe durch Urteil und im Vollstreckungsverfahren fünf Wochen Dauerarrest gegen den Verurteilten verhängt wurden. Insofern ist es in erzieherischer Hinsicht auch nicht zielführend, nach der Verbüßung eines Ungehorsamsarrestes die Vollstreckung in jedem Fall pauschal und schematisch für erledigt zu erklären.
Für eine Erledigungserklärung nach § 15 Abs. 3 S. 3 JGG besteht vorliegend keine Veranlassung.
Sofern durch das Landgericht Zweibrücken (LG Zweibrücken, Beschluss vom 04.07.2011 – Qs 63/11, zitiert nach juris, Rn. 5) und auch in der Kommentarliteratur (vgl. etwa Eisenberg, JGG, 20. Auflage, § 11, Rn. 21, zitiert nach beck-online; Ostendorf, JGG, 10. Auflage, § 11, Rn. 13, zitiert nach beck-online) vertreten wird, dass § 11 Abs. 3 S. 2 JGG „das Höchstmaß des Jugendarrestes auf vier Wochen begrenzt“, ist dies grundsätzlich zutreffend. Nicht geteilt wird jedoch die weitergehende und zum Teil auch von der Staatsanwaltschaft Zweibrücken (vgl. etwa Verfügung der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 07.06.2011 – 4397 Js 13748/10) vertretene Ansicht des Landgerichts Zweibrücken, wonach der durch Urteil gemäß § 16 JGG verhängte und der sich im an eine Verurteilung anschließenden Vollstreckungsverfahren ggf. gemäß § 11 Abs. 3 JGG bzw. §§ 15 Abs. 3 S. 2 i.V.m. 11 Abs. 3 JGG verhängte Jugendarrest als sog. Ungehorsamsarrest die Summe von vier Wochen nicht überschreiten darf. Vielmehr kann, auch wenn gegen einen Verurteilten durch Urteil bereits ein vierwöchiger Dauerarrest gemäß § 16 Abs. 4 S. 1 JGG verhängt wurde, im sich anschließenden Vollstreckungsverfahren gemäß § 11 Abs. 3 JGG bzw. §§ 15 Abs. 3 S. 2 i.V.m. 11 Abs. 3 JGG ein oder mehrmals ein in der Summe bis zu vier Wochen dauernder Ungehorsamsarrest verhängt werden (wie hier LG Mühlhausen, Beschluss vom 02.03.2008 – 3 Qs 38/09, zitiert nach juris, Rn. 4; Diemer in: D/S/S, JGG, 7. Auflage, § 11, Rn. 18, zitiert nach juris; AG Pirmasens, Beschluss vom 12.05.2011 – 1 VRJs 119/11).
Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Jugendgerichtsgesetzes aber auch aus dem mit der Möglichkeit der Verhängung eines Jugendarrestes verfolgten Sinn und Zweck.
Die Möglichkeit der Verhängung eines bis zu vierwöchigen Dauerarrestes im Vollstreckungsverfahren ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 3 S. 1 und S. 2 JGG bzw. § 15 Abs. 3 S. 2 JGG.
Mit der Formulierung „hiernach“ nimmt § 11 Abs. 3 S. 2 JGG ausdrücklich auf § 11 Abs. 3 S. 1 JGG, der die Möglichkeit der Verhängung eines Jugendarrestes als sog. Ungehorsamsarrest vorsieht, Bezug. Aus der Formulierung des § 11 Abs. 3 S. 2 JGG, wonach „hiernach verhängter Jugendarrest … bei einer Verurteilung insgesamt die Dauer von vier Wochen nicht überschreiten“ darf, kann nicht geschlossen werden, dass diese den – erst nachfolgend in § 16 JGG geregelten – durch Urteil verhängten Jugendarrest in die benannte Höchstfrist einbezieht. Insofern handelt es sich auch nicht um eine „überflüssige“ Formulierung des Gesetzgebers, da hierdurch klargestellt wird, dass auch bei der schuldhaften Nichtbefolgung von mehreren Weisungen bzw. Nichterfüllung von mehreren Auflagen dennoch nur insgesamt vier Wochen Jugendarrest verhängt werden dürfen und dies nicht für jede der Weisungen bzw. Auflagen in Betracht kommt. In dem sich an die betreffende Verurteilung anschließenden Vollstreckungsverfahren kann daher wegen schuldhafter Nichtbefolgung von Weisungen bzw. schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen ungeachtet der Regelung des § 16 Abs. 4 S. 1, 2. Alt. JGG und eines etwaigen bereits durch Urteil verhängten Freizeit-, Kurz-, oder Dauerarrestes Jugendarrest von insgesamt bis zu vier Wochen verhängt werden. Folglich kann der durch Urteil und nachfolgend im Vollstreckungsverfahren verhängte Jugendarrest in der Summe insgesamt bis zu acht Wochen betragen.
Auch der mit der Möglichkeit der Verhängung eines Ungehorsamsarrestes verfolgte Sinn und Zweck spricht gegen die Begrenzung der durch Urteil und im Vollstreckungsverfahren verhängten Arrestdauer auf insgesamt vier Wochen.
Jugendarrest in Form des Ungehorsamsarrestes stellt eine Sanktionsmöglichkeit für die schuldhafte Nichtbefolgung von Weisungen bzw. Nichterfüllung von Auflagen dar. Der Jugendarrest in Form des Ungehorsamsarrestes soll daher auf einen Verurteilten, der Weisungen schuldhaft nicht befolgt bzw. Auflagen schuldhaft nicht erfüllt, durch dessen Verhängung bzw. weitergehend Vollstreckung dahingehend einwirken, dass er diesen nachkommt, wobei verbüßter Arrest es im Hinblick auf die erzieherische Einwirkung nicht in jedem Fall gebietet, eine Auflage für erledigt zu erklären. Entsprechend sieht § 15 Abs. 3 S. 3 JGG lediglich eine Kann-Bestimmung vor.
Die Beschränkung der Höchstdauer des durch Urteil und im Vollstreckungsverfahren verhängten Arrestes auf insgesamt vier Wochen würde dem Vollstreckungsleiter das in der Praxis in vielen Fällen wirksame Mittel der Verhängung eines Jugendarrestes aus der Hand nehmen. Denn bei der vom Landgericht Zweibrücken vertreten Auffassung wäre in dem Fall, dass bereits durch Urteil gemäß § 16 Abs. 4 S. 1 JGG ein vierwöchiger Jugendarrest gegen einen Verurteilten neben weiteren Auflagen und Weisungen verhängt wurde, im Vollstreckungsverfahren die weitere Verhängung eines Jugendarrestes nicht möglich. Dies kann erkennbar nicht Intention von § 11 Abs. 3 S. 1 JGG bzw. §§ 15 Abs. 3 S. 2 i.V.m. 11 Abs. 3 JGG sein. Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut von § 8 Abs. 1 S. 1 JGG dürfte unstreitig sein, dass derartige Konstellationen zulässig sind.
Ob durch Urteil neben dem Ausspruch von Auflagen und Weisungen auch die Verhängung eines – vierwöchigen – Jugendarrestes in erzieherischer Hinsicht geboten und sinnvoll ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die ausschließlich durch den erkennenden Spruchkörper aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung entschieden werden kann, ebenso wie die weitergehende Frage, ob im Rahmen des sich anschließenden Vollstreckungsverfahrens durch den Vollstreckungsleiter, bei welchem es sich regelmäßig um den im Erkenntnisverfahren zuständigen und den Verurteilten daher kennenden Jugendrichter handeln wird und der vor der Verhängung eines Jugendarrestes den Verurteilten zudem gemäß § 65 Abs. 1 S. 3 JGG mündlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck zu machen hat, die Verhängung eines weiteren Arrestes geboten ist.
Sofern das Landgericht Zweibrücken zur Begründung seiner Ansicht, dass der durch Urteil und nachfolgend im Vollstreckungsverfahren verhängte Jugendarrest die Gesamtdauer von vier Wochen nicht überschreiten darf, auf den Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 29.04.1991 – 1 Ws 61/91 – Bezug nimmt, vermag dies nicht zu überzeugen. In dem der Entscheidung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken zu Grunde liegende Sachverhalt ging es nicht um die Verhängung eines Jugendarrestes durch Urteil und nachfolgend eines weiteren in dem sich anschließenden Vollstreckungsverfahren, sondern um die Verhängung eines Jugendarrestes in einem Bewährungsverfahren. Hierzu führte das Pfälzische Oberlandesgericht völlig zutreffend aus, dass die Höchstdauer des im Bewährungsverfahren verhängten Jugendarrestes vier Wochen nicht überschreiten darf (Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken, Beschluss vom 29.04.1991 – 1 Ws 61/91, zitiert nach juris, Rn. 5).
Diese Konstellation ist insbesondere im Hinblick auf die damals geltende Rechtslage nicht mit der vorliegenden vergleichbar, da – was mit der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbar wäre – die Verhängung eines Jugendarrestes durch Urteil neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe zum damaligen Zeitpunkt nicht zulässig war. Das Nebeneinander von durch Urteil verhängter Jugendstrafe und Jugendarrest wurde erst durch den am 07.03.2013 in Kraft getretenen § 16a JGG und den durch diesen vorgesehenen sog. „Warnschussarrest“ möglich. Erst ab diesem Zeitpunkt stellt sich die mit vorliegender Fallkonstellation vergleichbare Frage, ob neben einem gemäß § 16a JGG verhängten und vollstreckten „Warnschussarrest“ im Bewährungsverfahren ein weiterer bis zu vierwöchiger Jugendarrest gemäß § 23 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 11 Abs. 3 S. 2 JGG bzw. § 23 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 15 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 11 Abs. 3 JGG verhängt werden kann.
Aus der Entscheidung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken lässt sich daher für die vorliegende Konstellation und die Frage der Höchstdauer des Jugendarrestes kein Rückschluss ziehen.