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Jugendstrafverfahren – Ungehorsams-Arrests bei neuer Straftat in der Bewährungszeit

AG München, Az.: 10 VRJs 53/15 jug, Beschluss vom 30.06.2015

Die Vollstreckung des mit Beschluss des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 5.11.2014 angeordneten Arrestes von 3 Wochen Dauer wird abgelehnt.

Gründe

1.

Der Verurteilte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 5.2.2013 rechtskräftig seit 13.2.2013 wegen gef. Körperverletzung u.a. schuldig gesprochen, die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe wurde gemäß § 27 JGG für die Dauer von einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt.

Mit Vor-Bewährungsbeschluss vom 5.2.2013 wurde er u.a. angewiesen, jeden Konsum von Alkohol während der Bewährungszeit zu unterlassen. Im dem Verurteilten ausgehändigten Bewährungsplan ist formuliert:

„Die Richterin widerruft die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn d. Verurteilte

a) in der Bewährungszeit eine Straftat begeht,

b) gegen Bewährungsauflagen oder -Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder

c) sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat.

Jugendstrafverfahren - Ungehorsams-Arrests bei neuer Straftat in der Bewährungszeit
Symbolfoto: Von Alexander Raths /Shutterstock.com

Verstößt der Verurteilte gegen die Bewährungsauflagen oder -weisungen nur geringfügig, so kann die Richterin, sofern sie den Widerruf noch nicht für erforderlich hält, die Bewährungszeit bis auf vier Jahre verlängern oder auch Jugendarrest verhängen.“

Bei einer Anhörung am 14.8.2013 wurde der Verurteilte wegen Nichtbeachtung einer Weisung ermahnt.

Nach Ablauf der Bewährungszeit am 12.2.2014 wurde das Nachverfahren nach § 30 JGG bislang nicht betrieben, auch die Bewährungszeit wurde nicht verlängert.

Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 4.6.2014, das erst am 24.9.2014 rechtskräftig wurde, wurde der Verurteilte wegen einer am 10.8.2013 begangenen gef. Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zu Bewährung ausgesetzt wurde. Bei der Tat war der Verurteilte alkoholisiert, der Sachverständige führte aus, bei der angegebenen Trinkmenge errechne sich eine Mindest-BAK von 2,17 Promille.

Bereits am 13.8.2014 wurde der Verurteilte zur neuen Straftat „in offener Vorbewährung nach § 27 JGG“ angehört, ihm wurde ein Arrest von 3 Wochen angekündigt, falls sich das Urteil in der Berufung bestätige.

Mit Beschluss vom 5.11.2014 wurde ein Dauerarrest von drei Wochen angeordnet. Die Beschwerde des Verurteilten hiergegen wurde mit Beschluss des LG München II vom 9.12.2014 ohne Inhaltsprüfung als unzulässig weil verspätet eingegangen verworfen.

2.

Eine tragfähige Rechtsgrundlage für den angeordneten Arrest ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar. Dies führt zwar nicht zu einer Nichtigkeit des Arrestbeschlusses vom 5.11.2014, jedoch ist der Arrest so offensichtlich ohne ausreichende Rechtsgrundlage ausgesprochen worden, dass sich eine Vollstreckung verbietet.

Zwar ist der Arrestvollstreckungsleiter nicht zu einer inhaltlichen Prüfung des Arrestbeschlusses berufen, dies gilt jedoch nicht im Falle einer offensichtlichen, klar auf der Hand liegenden Rechtswidrigkeit des Beschlusses.

a) Der Arrestbeschluss wurde damit begründet, dass der Verurteilte in der Bewährungszeit nach § 28 JGG eine Straftat begangen hat und es ihm zu verdeutlichen war, dass der Gesetzesverstoß auch für dieses Verfahren Sanktionen nach sich ziehe.

§ 29 JGG sieht durch Verweisung auf § 23 JGG und insbesondere auch auf §§ 23 Abs. 1 Satz 4 iVm 11 Abs. 3 JGG die Erteilung von Auflagen und Weisungen vor, bei deren Nichtbeachtung ein Arrest zur künftigen Weisungsbeachtung angeordnet werden kann.

Der Bestimmtheitsgrundsatz, dem im Jugendstrafrecht eine besondere Bedeutung zukommt, da der junge Mensch die Weisungen auch klar und deutlich verstehen muss, gebietet eine genau verständliche Formulierung der Auflagen und Weisungen, die der Verurteilte zu beachten hat.

Mit dem Vorbewährungsbeschluss vom 5.2.2013 wurden vier konkrete Weisungen/Auflagen erteilt, im Bewährungsplan wurde die Weisung zur Beachtung der Weisungen des Bewährungshelfers ergänzt. Eine allgemeine Weisung, ein straffreies Leben zu führen, wurde nicht erteilt.

Zwar ist es selbstverständlich, dass der Verurteilte keine weiteren Straftaten mehr begehen darf, es stellt sich jedoch die Frage der Konsequenzen bei erneuter Straffälligkeit. Die Belehrung im Bewährungsplan ist unmissverständlich so formuliert, dass zwischen den Folgen einer neuen Straftat mit der Folge des Bewährungswiderrufes und geringfügigen Verstößen gegen Auflagen und Weisungen mit der Folge der Verlängerung der Bewährungszeit oder auch Jugendarrest unterschieden wird.

Jedenfalls ist die Begründung des Arrestbeschlusses – sollte er ein Ungehorsams-Arrest nach § 11 Abs. 3 JGG sein, was sich aus der Begründung nicht eindeutig ergibt -, der Verurteilte habe in der Bewährungszeit eine weitere Straftat begangen, mangels hinreichend deutlicher Weisung nicht tragfähig.

b. Sollte der Ungehorsams-Arrest aufgrund des Verstoßes gegen das Alkoholverbot im Vorbewährungsbeschluss erlassen worden sein, ohne dass dies in der Begründung zum Ausdruck kommt, so ist diese Weisung mit Ende der Bewährungszeit am 12.2.2014 abgelaufen.

Sowohl zum Zeitpunkt der Anhörung am 13.8.2014 wie auch des Arrestbeschlusses am 5.11.2014 bestand kein Alkoholverbot mehr für den Verurteilten, da die Bewährungszeit nicht verlängert wurde.

Ein Ungehorsams-Arrest nach §§ 29, 23,11 Abs. 3 JGG dient dazu, den Verurteilten zur künftigen Beachtung der Weisungen anzuhalten, er soll nicht vorangegangenes Fehlverhalten sanktionieren. Dies ergibt sich aus § 11 Abs. 3 Satz 3 JGG, der ein Absehen von der Vollstreckung vorschreibt, wenn der Verurteilte die Weisung erfüllt bzw. beachtet hat.

Ein Alkoholverbot, zu dessen künftiger Beachtung der Verurteilte anzuhalten wäre, bestand jedoch seit dem 12.2.2014 nicht mehr.

Diese Ansicht wird vom Jugendrichter am AG Wolfratshausen geteilt.

Sollte der Arrest nicht als Ungehorsams-Arrest wegen Weisungsverstoßes angeordnet worden sein, sondern wie in der Begründung wörtlich ausgeführt, um „dem Verurteilten zu verdeutlichen, dass der Gesetzesverstoß während der Bewährungszeit auch für das Bewährungsverfahren Sanktionen nach sich zieht“, läge ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung vor. Zudem sieht § 23Abs. 1 Satz 3 iVm § 11 Abs. 3 JGG für die Begehung neuer Straftaten die Verhängung eines Ungehorsams-Arrestes gerade nicht vor. Dies wäre im Nachverfahren nach § 30 JGG zu würdigen.

 

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