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Körperverletzung – Freispruch aus tatsächlichen Gründen

AG Oberhausen – Az.: 21 Ds-313 Js 855/17-270/18 – Urteil vom 26.10.2018

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

I.

Der Angeklagte ist 00 Jahre alt und ledig. Er hat keine Kinder. Beruflich ist er seit dem 00.00.0000 bei der Feuerwehr der Stadt W angestellt, zuvor war er als Rettungssanitäter tätig. Monatlich verdient er etwa 2.500 Euro brutto (1.600 Euro netto).

Strafrechtlich ist er ausweislich des verlesenen Bundeszentralregisterauszugs bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Nach der Anklageschrift vom 00.00.2018 liegt dem Angeklagten der folgende Sachverhalt zur Last:

Am 00.00.0000 gegen xx:xx Uhr soll der Angeklagte sich in der  U auf der Tanzfläche aufgehalten haben, ebenso die Zeugen S und M. Als der Zeuge S durch ein leichtes Gedränge nach hinten geschoben wurde, sei er plötzlich von dem Angeklagten, der sich hinter ihm befunden habe, grundlos angegriffen worden, indem der Angeklagte mit seiner rechten Hand des Hals des Zeugen gepackt und den Zeugen kräftig gewürgt habe. Als der Zeuge N dazwischen gehen wollte, sei er ebenfalls von dem Angeklagten angegriffen worden, indem der Angeklagte ihm einen Kopfstoß versetzt und den Zeugen im Bereich des Mundes getroffen habe.

Der bei dem Angeklagten um xx:xx Uhr freiwillig durchgeführte Alcotest habe einen Wert von 0,38 mg/l ergeben.

Gegenüber der Polizei habe der Zeuge N über Schmerzen im Bereich der Lippe und der Schneidezähne geklagt. Es sei ihm unter anderem eine Schädelprellung attestiert worden. Der Angeklagte habe mittig auf der Nase eine augenscheinlich kleine längliche Blutung aufgewiesen, die mit seinem Einverständnis fotografiert worden sei.

Von diesem Vorwurf ist die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

III.

Es ist nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellbar, dass der Angeklagte die Person ist, welche die Zeugen N und S verletzt hat. Eine Verwechslung, wie der Angeklagte sie einwendet, kann nicht ohne verbleibende Zweifel ausgeschlossen werden.

Der Angeklagte räumt ein, am Tatabend mit mehreren Kollegen, unter anderem den Zeugen T, H und C, zu Gast in der Turbinenhalle gewesen zu sein. In eine Auseinandersetzung sei er nicht verwickelt gewesen. Er müsse verwechselt worden sein. Er kenne weder den Zeugen N, noch den Zeugen S. Am Tatabend trug er ein grünkariertes, langärmeliges Hemd. Zur näheren Beschreibung des Aussehens des Angeklagten am Tatabend wird gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 6 und 7 d. A. Bezug genommen.

Die in der Anklageschrift als mittig auf der Nase beschriebene „kleine längliche Blutung“ stellt eine Narbe dar, die der Angeklagte bereits seit Kindesalter hat, was aus seinen eigenen glaubhaften Angaben sowie der Aussage seiner Mutter folgt.

Der Zeuge N schilderte, dass er erzählt bekommen habe, dass die Person, die ihm einen Kopfstoß verpasst habe, zuvor einen Annäherungsversuch gegenüber der Zeugin T1 unternommen hätte, was von dieser nicht erwünscht gewesen sei, weshalb der Zeuge S dazwischen gegangen sei. Der Täter habe den Zeugen S im weiteren Verlauf gewürgt, wobei er vor dem Zeugen S gestanden habe. Er selbst sei dazwischen gegangen und habe von dem Täter einen Kopfstoß gegen sein Gebiss, Bereich Oberlippe, erhalten.  Er sei sehr wütend gewesen und von seinen Freunden zurückgehalten worden. Der Täter sei in die tanzende Menge verschwunden, er habe ihn kurzfristig aus den Augen verloren. Seine Freunde hätten die Türsteher dazu geholt, sodann habe er sich gemeinsam mit seinen Freunden und den Türstehern auf die Suche nach dem Täter begeben. Seine Freundin, die Zeugin S1, habe den Täter auf einer Tanzfläche wiedererkannt, er sei sich auch sicher gewesen, dass die den Türstehern gezeigte Person – der Angeklagte – der Täter gewesen sei. Der Täter habe ein grünkariertes, kurzärmeliges Hemd getragen. Er habe ihn an dem Hemd und den Augen, die während der Tatausführung weit aufgerissen gewesen seien, wiedererkannt.

Die Polizei führte später eine Lichtbildvorlage mit dem Zeugen durch, bei der ihm ein Lichtbild, das den Angeklagten am Tatabend zeigt, vorgehalten wurde. Der Zeuge erklärte, den Angeklagten auf diesem Bild, wie auch in der Hauptverhandlung, als den Täter wiederzuerkennen.

Die Zeugin S1 erklärte, als einzige der Zeugen, dass der Zeuge N dem Täter, nachdem der Angriff beendet gewesen sei, zur Theke gefolgt sei und dort mit ihm geredet hätte. Der Zeuge N habe den Täter gefragt, was das solle, der Täter habe erklärt, nicht zu wissen, worum es gehe. Die anderen hätten die Türsteher geholt, sie habe gesehen, in welche Halle der Täter gegangen sei. Als die Türsteher eingetroffen seien, habe sie den Täter in der Halle von einer Empore aus anhand seines grünkarierten Hemdes wiedererkannt. Als die Türsteher ihn gebracht hätten, habe sie ihn aus der Nähe auch an seinem Gesicht wiedererkannt. Seine Augen hätten glasig und starr gewirkt, er habe entweder unter Drogen gestanden oder sei sehr alkoholisiert gewesen. Sie sei sich sicher, dass die Zeugin T1 ihr gesagt habe, dass der spätere Täter sie vor Beginn der Auseinandersetzung auf der Tanzfläche die ganze Zeit angetanzt habe.

Bei einer aus acht Lichtbildern bestehenden Wahllichtbildvorlage erkannte die Zeugin S1 den Angeklagten „zu 80 Prozent“ wieder. Diese Wahllichtbildvorlage fand statt, nachdem die Zeugin ihren Partner, den Zeugen N, zu dem ersten Gerichtstermin begleitet und den Angeklagten im Flur gesehen und als „Angeklagten“ eingeordnet hatte.

Der Zeuge S erkannte den Angeklagten in einer aus acht Lichtbildern bestehenden Wahllichtbildvorlage nicht wieder, ebenso wenig die Zeugin Q.

Der Zeuge S erklärte, von hinten gewürgt worden zu sein und sich nach dem Kopfstoß zulasten des Zeugen N „mit mehreren“ zu den Türstehern begeben zu haben. In einer anderen Halle der Turbinenhalle hätten sie den Täter schnell gefunden. Der Angeklagte habe, als die Türsteher ihn herausgebeten hätten, alles abgestritten. Auf ihn habe er stark alkoholisiert gewirkt. An dem Abend sei er sicher gewesen, dass der Angeklagte der Täter gewesen sei. Vor Beginn der Auseinandersetzung hätte die Zeugin T1 oder die Zeugin Q ihn gebeten, den Platz zu tauschen, da eine von beiden sich belästigt gefühlt hätte.

Die Zeugin T beschrieb, dass der Täter mit dem Zeugen S auf der Tanzfläche Rücken an Rücken aneinander gestoßen sei, bevor der Täter den Zeugen S gewürgt habe, wobei der Täter hinter dem Zeugen S gestanden habe. Sie habe zuvor keinerlei Kontakt mit dem Täter gehabt. Nach dem Kopfstoß zulasten des Zeugen N sei der Täter zunächst in der Masse verschwunden. Sie wisse nicht, wer den Angeklagten später gegenüber den Türstehern als den Täter identifiziert habe, sie habe ihn erst wieder gesehen, als er bereits bei den Türstehern gestanden habe. Wegen seiner Augen sei sie sicher gewesen, dass die Person – der Angeklagte – der Täter gewesen sei. Bei der Polizei zeigte man der Zeugin ein Lichtbild, das den Angeklagten am Tatabend zeigt, zu dem sie erklärte, darauf den Täter wiederzuerkennen.

Die Zeugin Q schilderte, dass der Zeuge S den späteren Täter versehentlich angerempelt habe und dann am Hals gepackt worden sei. Später habe der Zeuge N einen Kopfstoß erhalten. Wohin der Täter danach gegangen sei, habe sie nicht gesehen, ebenfalls nicht, wer den Türstehern den Täter gezeigt habe. Sie hätte den Täter draußen nochmal gesehen und ihn am Tatabend als den Täter erkannt. Er habe einen komischen Blick gehabt und sei sehr aggressiv gewesen. An seinem Blick habe man erkennen können, dass Alkohol oder Drogen im Spiel gewesen seien.

Die Zeuginnen T und C erklärten, nichts davon mitbekommen zu haben, dass der Angeklagte in eine Auseinandersetzung verwickelt gewesen sei, sie seien jedoch auch nicht ununterbrochen zusammen gewesen. Er habe ihnen am Ende des Abends erzählt, dass ihm eine Körperverletzung vorgeworfen werden würde, beide hätten nicht mitbekommen, dass er mit Türstehern und Polizei gesprochen habe. Er habe an dem Abend nicht stark alkoholisiert gewirkt.

Der Zeuge H erklärte ebenfalls, nichts von einer Auseinandersetzung oder der Ansprache des Angeklagten durch die Türsteher oder die Polizei mitbekommen zu haben, auch er war nicht ununterbrochen mit dem Angeklagten zusammen. Der Angeklagte habe getrunken, habe aber nicht aggressiv oder benommen gewirkt.

Nach Würdigung aller Aussagen kann die Einlassung des Angeklagten, nicht der Täter gewesen zu sein, nicht widerlegt werden. Letztlich hat nur die Zeugin S1 den Angeklagten aus der Menschenmenge heraus gegenüber den Türstehern als den Täter identifiziert, die Zeugen S, T und Q sahen ihn erst, als er schon in Begleitung der Türsteher als „Täter“ angesprochen und ausgewählt worden war, weshalb ein suggerierender Einfluss auf das Wiedererkennen nicht ausgeschlossen werden kann. Der Zeuge N konnte keine konkreten Angaben mehr dazu machen, wie der Täter gegenüber den Türstehern gezeigt wurde, er gab an, dass das von seiner Freundin ausgegangen sei. Die Zeugin S erklärte, den Angeklagten anhand seiner glasigen Augen und des Hemdes als den Täter identifiziert zu haben, zunächst von einer Empore aus, nachdem er bereits die Tanzfläche gewechselt hatte, was alles in einer vollen Diskothek geschah. Dass hierbei eine Verwechslung geschah kann nicht ausgeschlossen werden, insbesondere das Vorhandensein mehrerer Personen mit glasigen Augen gegen xx:xx Uhr nachts in der … erscheint nicht unwahrscheinlich. Weiter kommt hinzu, dass zwischen der Aussage der Zeugin S als Hauptbelastungszeugin und der Aussagen sämtlicher weiterer Zeugen, insbesondere des Zeugen N, ein Widerspruch besteht, da nur sie ein Gespräch zwischen dem Täter und dem Zeugen N gesehen hat. Der Zeuge N hat ein solches nicht erwähnt, obwohl er detailliert zu dem Ablauf der Auseinandersetzung bis zu der Identifizierung des Täters befragt wurde. Ein weiterer Widerspruch liegt in den Schilderungen des Anlasses der Auseinandersetzung und der Position des Täters, als er den Zeugen S würgte. Dies mag dem Zeitablauf – die Hauptverhandlung fand rund eineinhalb Jahre nach Tatbegehung statt – geschuldet sein, lässt jedoch Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen entstehen, die letztlich nicht ausgeräumt werden können. Wahllichtbildvorlagen, bestehend aus jedenfalls acht Lichtbildern, wurden im Ermittlungsverfahren nicht durchgeführt. Die mit den Zeugen Q und S, ebenfalls eineinhalb Jahre nach der Tat, durchgeführten Wahllichtbildvorlagen, hatten zum Ergebnis, dass der Angeklagte nicht als Täter wiedererkannt wurde. Die Wahllichtbildvorlage mit der Zeugin S war unbrauchbar, da sie den Angeklagten zuvor im Gerichtsgebäude als Angeklagten gesehen hatte, so dass nicht auszuschließen ist, dass die Erinnerung an sein Aussehen im Gerichtsflur die Erinnerung an die Person in der … überdeckt hat.

Sämtliche Zweifel mussten letztendlich zugunsten des Angeklagten gewertet werden, weshalb er freizusprechen war.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.

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