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Kosten- und Auslagenentscheidung – Erlöschen des Einziehungsanspruches vor Verfahrensabschluss

Landgericht Hildesheim: Teilweise Aufhebung der Kosten- und Auslagenentscheidung im Strafverfahren

Das Landgericht Hildesheim (Az.: 21 Qs 4/23) entschied am 13.12.2023, dass die im Strafbefehl gegen die Einziehungsbeteiligte verhängte Kosten- und Auslagenentscheidung teilweise aufgehoben wird. Die Beschwerdeführerin muss nicht die Kosten tragen, die sich auf die Einziehungsentscheidung beziehen, da sie nicht als Angeklagte gilt. Ihre eigenen notwendigen Auslagen muss sie jedoch selbst tragen, da keine Gründe vorliegen, diese der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten aufzuerlegen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 21 Qs 4/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung der Kostenentscheidung des Amtsgerichts Hildesheim bezüglich der Einziehungsbeteiligten.
  2. Die Beschwerdeführerin ist nicht als Angeklagte zu betrachten.
  3. Kostentragung für die Einziehungsentscheidung entfällt.
  4. Beschwerdeführerin muss die eigenen Auslagen des Rechtsmittels tragen.
  5. Keine Überbürdung der Auslagen auf die Staatskasse.
  6. Entscheidung beruht auf spezifischen Paragraphen der StPO.
  7. Der Teilerfolg des Rechtsmittels hat keine praktischen Auswirkungen.
  8. Kein weiteres Rechtsmittel gegen diese Entscheidung statthaft.

Kosten- und Auslagenentscheidung im Strafverfahren: Herausforderungen bei erloschenem Einziehungsanspruch

Die Kosten- und Auslagenentscheidung im Strafverfahren ist ein wichtiger Aspekt, der in § 464 StPO geregelt ist. Dabei müssen Urteile, Strafbefehle und Einstellungsbeschlüsse über die Verfahrenskosten entscheiden und klären, wer die Kosten trägt und welche Auslagen erstattet werden. Eine besondere Herausforderung stellt die Situation dar, wenn der Einziehungsanspruch vor Verfahrensabschluss erlischt, beispielsweise durch Rücknahme der Anklage oder Einstellung des Verfahrens.

In solchen Fällen ist zu prüfen, ob der Einziehungsbeteiligte Anspruch auf Erstattung der notwendigen Auslagen hat. Laut einer Entscheidung des LG Bamberg ist der Einziehungsbeteiligte nicht automatisch zur Erstattung berechtigt, wenn der Einziehungsanspruch vor Verfahrensabschluss erlischt. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Erstattung vorliegen. Ein weiteres Urteil des LG Nürnberg-Fürth betont, dass eine getroffene Kostenentscheidung grundsätzlich nicht selbst abgeändert werden kann, sondern nur in Ausnahmefällen, wenn sich die Verhältnisse nach der ursprünglichen Entscheidung wesentlich geändert haben.

Es ist daher bei der Kosten- und Auslagenentscheidung im Zusammenhang mit dem Erlöschen des Einziehungsanspruchs vor Verfahrensabschluss eine genaue Prüfung der individuellen Umstände erforderlich. In einem konkreten Urteil des Landgerichts Hildesheim (Az.: 21 Qs 4/23) wurde die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Hildesheim bezüglich der Einziehungsbeteiligten teilweise aufgehoben, da die Beschwerdeführerin nicht als Angeklagte gilt und somit keine Kostentragung für die Einziehungsentscheidung besteht. In einem bemerkenswerten Fall vor dem Landgericht Hildesheim, Az.: 21 Qs 4/23, wurde ein Urteil gefällt, das in der juristischen Fachwelt für Aufsehen sorgt. Das Gericht musste sich mit einer komplexen Situation auseinandersetzen, die sich um das Thema der Kosten- und Auslagenentscheidung in Verbindung mit dem Erlöschen eines Einziehungsanspruchs drehte. Der Fall beleuchtet eindrucksvoll die juristischen Herausforderungen und Feinheiten in einem Strafverfahren.

Beginn des Rechtsstreits: Strafbefehl wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt

Der Fall nahm seinen Ausgangspunkt im Jahr 2022, als das Amtsgericht gegen eine Angeklagte wegen zahlreicher Fälle des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt einen Strafbefehl erließ. Dieser verhängte nicht nur eine Gesamtgeldstrafe gegen die Angeklagte, sondern traf auch eine Einziehungsanordnung gegen die Einziehungsbeteiligte. Beide Parteien, sowohl die Angeklagte als auch die Einziehungsbeteiligte, legten gegen diese Entscheidungen Einspruch ein, was zu einer Hauptverhandlung am 7. September 2023 führte.

Wendepunkt im Verfahren: Vollständige Erfüllung der Ansprüche

Eine entscheidende Wende im Verfahren erfolgte zwei Tage vor der Hauptverhandlung. Der damalige Verteidiger der Angeklagten informierte das Gericht, dass die Ansprüche der tatverletzten Krankenkasse durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Januar 2023 vollständig erfüllt wurden. Daraufhin nahm er den Einspruch der Angeklagten zurück. Bei der Hauptverhandlung, die sich nun auf den Einspruch der Einziehungsbeteiligten konzentrierte, trat der frühere Verteidiger der Angeklagten als Vertreter der Einziehungsbeteiligten auf. Das Amtsgericht hob in seiner Entscheidung die Einziehungsanordnung auf und legte der Einziehungsbeteiligten die Kosten und die eigenen notwendigen Auslagen auf, die sich auf die Einziehungsentscheidung bezogen.

Zentrales rechtliches Problem: Die Kosten- und Auslagenentscheidung

Die Beschwerdeführerin, in diesem Fall die Einziehungsbeteiligte, legte gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Amtsgerichts sofortige Beschwerde ein. Diese führte zu einem geringen Teilerfolg, da die Kostenentscheidung teilweise aufgehoben wurde. Die Kernaussage des Landgerichts war, dass die Beschwerdeführerin nicht als Angeklagte im Sinne des § 465 Abs. 1 StPO angesehen werden kann und daher nicht die Kosten tragen muss, die sich auf die Einziehungsentscheidung beziehen. Es wurde festgestellt, dass Einziehungsbeteiligte nur für die durch ihre Beteiligung entstandenen besonderen Kosten aufkommen müssen, was wiederum voraussetzt, dass eine Einziehung tatsächlich angeordnet wurde.

Entscheidungsfindung des Gerichts: Eine detaillierte Betrachtung

Bei der Entscheidung ging das Gericht methodisch vor und berücksichtigte alle relevanten rechtlichen Aspekte. Es wurde klar gestellt, dass die notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten nach § 472b Abs. 3 StPO der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten nur dann auferlegt werden können, wenn das Tragen der eigenen Auslagen unbillig erscheint. In diesem Fall sah das Gericht keine Gründe, die Auslagen der Beschwerdeführerin der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten aufzuerlegen. Interessanterweise wurde festgestellt, dass die Einziehungsbeteiligte selbst dem Gericht keine Mitteilung vom Erlöschen des zugrundeliegenden Anspruchs gemacht hatte und dass die Information erst kurz vor der Hauptverhandlung durch den Verteidiger der Angeklagten bekannt wurde.

Fazit: Das Landgericht Hildesheim hat in diesem Fall eine differenzierte und detaillierte juristische Entscheidung getroffen, die die Komplexität von Kosten- und Auslagenentscheidungen in Strafverfahren unterstreicht.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Was bedeutet eine Kosten- und Auslagenentscheidung im Strafverfahren?

Die Kosten- und Auslagenentscheidung im Strafverfahren ist eine gerichtliche Entscheidung, die festlegt, wer die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen trägt. Diese Entscheidung ist Teil jedes Urteils, jedes Strafbefehls und jeder Entscheidung, die eine Untersuchung einstellt.

Die Kosten des Verfahrens umfassen die Gerichtskosten und die Kosten für die Durchführung des Verfahrens. Die notwendigen Auslagen können beispielsweise die Kosten für einen Anwalt oder für Reisekosten zur Teilnahme an Gerichtsverhandlungen sein.

Im Falle eines Freispruchs trägt in der Regel die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Dies bedeutet, dass die Kosten für den Anwalt und andere Ausgaben, die im Zusammenhang mit dem Verfahren entstanden sind, von der Staatskasse erstattet werden. Ohne eine entsprechende Kosten- und Auslagenentscheidung können diese Auslagen jedoch nicht geltend gemacht werden.

Es ist auch möglich, dass das Gericht eine Entscheidung trifft, die die Kosten und Auslagen zwischen den Parteien aufteilt. Beispielsweise kann das Gericht entscheiden, dass der Angeklagte einen Teil der Kosten trägt, während der Rest von der Staatskasse übernommen wird.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Kosten- und Auslagenentscheidung sofort angefochten werden kann, wenn eine Partei mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.

In welchen Fällen kann ein Einziehungsanspruch im Strafrecht erlöschen?

Ein Einziehungsanspruch im Strafrecht kann unter verschiedenen Umständen erlöschen. Einige der häufigsten Gründe sind:

  • Verjährung: Die Verjährungsfrist für die Einziehung von Taterträgen entspricht der Verjährungsfrist für die Verfolgung der Straftat. Wenn die Verjährungsfrist abgelaufen ist, kann der Einziehungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden.
  • Vollständige Bezahlung: Wenn der Täter den durch die Straftat erlangten Betrag vollständig zurückgezahlt hat, erlischt der Einziehungsanspruch. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Täter hinterzogene Steuern vollständig beglichen hat.
  • Unmöglichkeit der Durchsetzung: Der Einziehungsanspruch kann auch erlöschen, wenn es unmöglich ist, ihn durchzusetzen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Täter insolvent ist oder wenn das durch die Straftat Erlangte nicht mehr vorhanden oder nicht mehr auffindbar ist.

Bitte beachten Sie, dass dies allgemeine Informationen sind und die genauen Umstände, unter denen ein Einziehungsanspruch erlöschen kann, von den spezifischen Umständen des Einzelfalls und den geltenden rechtlichen Bestimmungen abhängen können.


Das vorliegende Urteil

Landgericht Hildesheim – Az.: 21 Qs 4/23 – Beschluss vom 13.12.2023

In dem Strafverfahren wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt hier: Sofortige Beschwerde der Einziehungsbeteiligten gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung hat die Strafkammer 10 nach Anhörung der Staatsanwaltschaft am 13. Dezember 2023 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Einziehungsbeteiligten wird die Kostenentscheidung im Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 7. September 2023 aufgehoben, soweit die Beschwerdeführerin verpflichtet worden ist, die Kosten des Verfahrens zu tragen, die die Einziehungsentscheidung betreffen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Im Jahr 2022 erließ das Amtsgericht einen Strafbefehl, in dem es gegen die Angeklagte wegen zahlreicher Fälle des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt eine Gesamtgeldstrafe verhängte und gegen die Einziehungsbeteiligte eine Einziehungsanordnung traf. Hiergegen legten sowohl die Angeklagte als auch gesondert hiervon die – durch die Angeklagte als Geschäftsführerin vertretene – Einziehungsbeteiligte jeweils Einspruch ein, woraufhin das Amtsgericht im Februar 2023 eine Hauptverhandlung für den 7. September 2023 anberaumte.

Zwei Tage vor der Hauptverhandlung teilte der damalige Verteidiger der Angeklagten mit, dass die der tatverletzten Krankenkasse aus den verfahrensgegenständlichen Taten erwachsenen Ansprüche durch im Januar 2023 erfolgte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vollständig erfüllt seien. Den Einspruch der Angeklagten nahm er – im Ergebnis – zugleich zurück. In der mit Blick auf den fortbestehenden Einspruch der Einziehungsbeteiligten durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Strafrichter trat der vorherige Verteidiger der Angeklagten unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht als Vertreter der Einziehungsbeteiligten auf. Mit am Schluss der Sitzung verkündetem Urteil sprach das Amtsgericht die „Aufhebung“ der Einziehungsentscheidung aus dem Strafbefehl aus und legte der Einziehungsbeteiligten „die Kosten und die eigenen notwendigen Auslagen, die die Einziehungsentscheidung betreffen“ auf.

Gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrem am 14. September 2023 beim Amtsgericht eingegangenen und mit Schreiben vom 7. Dezember 2023 begründeten Rechtsmittel.

II.

Die statthafte (§ 464 Abs. 3 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§§ 304 Abs. 3, 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) sofortige Beschwerde führt hinsichtlich der angeordneten Kostenfolge zu einem geringen Teilerfolg. Hinsichtlich der in erster Linie von der Beschwerdeführerin erstrebten Überbürdung ihrer notwendigen Auslagen auf die Staatskasse bleibt das Rechtsmittel erfolglos.

1. Der Ausspruch über die Kostentragung durch die Beschwerdeführerin, auch soweit diese nur die Einziehungsentscheidung betreffen soll, war aufzuheben. Die Kosten konnten ihr entgegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht auf der Grundlage von § 465 Abs. 1 StPO auferlegt werden, weil die Beschwerdeführerin nicht – wie von der Vorschrift verlangt – Angeklagte ist (KK-StPO/Gieg, 9.Aufl. 2023, § 472b Rn. 2; für das objektive Verfahren ebenso BGH, Beschluss vom 13. November 2019 – 3 StR 222/19). Einziehungsbeteiligten können nach § 472b Abs. 1 Satz 1 StPO allenfalls die durch ihre Beteiligung entstandenen besonderen Kosten auferlegt werden. Dies setzt aber stets voraus, dass eine Einziehung tatsächlich angeordnet wurde. Nachdem das Amtsgericht die im Strafbefehl gegen die Beschwerdeführerin angeordnete Einziehung im Urteilsspruch „aufgehoben“ hat, fehlt es hieran. Unterbleibt eine Einziehungsentscheidung sieht das Gesetz keine Kostentragung durch Einziehungsbeteiligte vor. Die Kostenentscheidung unterlag daher der Aufhebung.

Praktische Auswirkungen folgen aus dem Teilerfolg nicht, denn besondere Kosten der Beteiligung wären nicht entstanden. Das Gerichtskostengesetz sieht keine gesonderten Kosten für die – vorliegend ohnehin nicht erfolgte – Einziehungsentscheidung vor. Ausscheidbare Auslagen der Staatskasse (§ 464a Abs. 1 Satz 1 StPO, vgl. KK-StPO/Gieg a.a.O.) sind infolge des im Hauptverhandlungstermins erklärten Auslagenverzichts des einzigen zum Gegenstand der Einziehungsentscheidung vernommenen Zeugen nicht entstanden.

2. Gegen die Entscheidung, die Beschwerdeführerin ihre eigenen notwendigen Auslagen selbst tragen zu lassen, ist dagegen im Ergebnis nichts zu erinnern.

a) Rechtsgrundlage hierfür ist abweichend von der Begründung der angefochtenen Entscheidung aus den genannten Gründen wiederum nicht § 465 Abs. 1 StPO. In Fällen, in denen eine Einziehungsanordnung, gleich aus welchem Grund, unterbleibt, richtet sich die Auslagentragung des Nebenbeteiligten vielmehr nach § 472b Abs. 3 StPO. Danach können die notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten auferlegt werden. Daraus folgt, dass der Nebenbeteiligte im Grundsatz seine Auslagen selbst zu tragen hat (MüKo-StGB/Maier, 2019, § 472b Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 472b Rn. 6). Davon, die notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten – § 467 Abs. 1 StPO entsprechend – in diesen Fällen stets der Staatskasse aufzuerlegen, hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen (BT-Drs. V/1319, S. 86). Eine Überbürdung der notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten im Ganzen oder in Teilen erfolgt nach pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts nur, wenn das Tragen der eigenen Auslagen unbillig erscheint.

b) Eine solche Ermessensbetätigung hat das auf § 465 Abs. 1 StPO als Rechtsgrundlage abstellende Amtsgericht nicht vorgenommen, weshalb sie von der Kammer gemäß § 309 Abs. 2 StPO selbst vorzunehmen ist (OLG Schleswig, Beschluss vom 20. Januar 1976 – 1 Ws 332/75; OLG Hamm, Beschluss vom 7. Dezember 2017 – 5 Ws 541/17; KK-StPO/Zabeck, a.a.O., § 309 Rn. 6). Eine Aufhebung und Zurückverweisung war nicht ausnahmsweise deshalb geboten, weil die angefochtene Entscheidung keine für eine Ermessensausübung ausreichenden tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO enthält. Denn der maßgebliche Sachverhalt lässt sich zweifelsfrei aus den dem Beschwerdegericht vorliegenden Akten ersehen (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 1976 – 3 StR 298/74; KG, Beschluss vom 26. Februar 1999 – 4 Ws 257/98 u.a.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464 Rn. 24).

c) Gründe, die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, bestehen nicht.

aa) Mit Blick auf den gegen die Angeklagte erhobenen Tatvorwurf war die Beteiligung der Beschwerdeführerin am Verfahren gemäß §§ 424 Abs. 1, 432 Abs. 1 StPO unabdingbar. Entgegen der von der Beschwerde angeführten Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 24. August 1983 (1 Ws 177/83) kann es deshalb im Fall des späteren Absehens von einer Einziehungsentscheidung nicht stets der Billigkeit entsprechen, die Auslagen des Nebenbeteiligten der Staatskasse aufzuerlegen. Denn dann liefe die in § 472b Abs. 3 StGB getroffene Grundentscheidung des Gesetzgebers ins Leere, nach der Einziehungsbeteiligte ihre Auslagen grundsätzlich selbst zu tragen haben.

bb) Bei Erlass des Strafbefehls und der damit angeordneten Beteiligung der Beschwerdeführerin lagen mit Blick auf die später rechtskräftig gegen die Angeklagte festgestellten Tatvorwürfe auch zunächst die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Einziehungsanordnung gegen die Beschwerdeführerin vor. Dass am Ende des Verfahrens von einer Einziehungsentscheidung abgesehen wurde, war allein dem Umstand geschuldet, dass sich die materielle Rechtslage zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls und der Hauptverhandlung vom 7. September 2023 aufgrund der erfolgreichen Zwangsvollstreckung der Tatverletzten im Januar 2023 geändert hat. Hierdurch erlosch der der Wertersatzeinziehung zugrundeliegende Anspruch der Tatverletzten, was einer Einziehungsanordnung gemäß § 73e Abs. 1 StGB nachträglich die Grundlage entzogen hat. Die Beschwerdeführerin, die hierzu selbst nichts beigetragen hat, steht daher nicht etwa einem freigesprochenen Angeklagten gleich, dessen Auslagen mangels Tatnachweis gemäß § 467 Abs. 1 StPO durch die Staatskasse zu tragen sind. Die Verfahrenssituation ist vielmehr am Ehesten mit derjenigen vergleichbar, bei der ein Angeklagter wegen eines Verfahrenshindernisses nicht verurteilt werden kann (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO). In diesen Fällen eröffnet das Gesetz trotz Einstellung oder Freispruchs ausdrücklich die Möglichkeit, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten abweichend vom Regelfall des § 467 Abs. 1 StPO nicht aufzuerlegen.

cc) Vorliegend tritt hinzu, dass die Einziehungsbeteiligte selbst dem Gericht bis zur Hauptverhandlung keine Mitteilung vom Erlöschen des der Einziehungsbeteiligung zugrundeliegenden Anspruchs der Tatverletzten gemacht hat. Die erfolgreiche Zwangsvollstreckung der tatverletzten Krankenkasse ist dem Gericht erst durch eine zwei Tage vor der Hauptverhandlung erfolgte Mitteilung des Verteidigers der Angeklagten bekannt geworden. Noch am selben Tag an die Staatsanwaltschaft und das Hauptzollamt gerichtete Anfragen des Amtsgerichts mit der Bitte um Bestätigung des Anspruchserlöschens blieben bis zum 7. September 2023 unbeantwortet. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, gemäß §§ 432 Abs. 2, 434 Abs. 4 Satz 1 StPO die Hauptverhandlung durchzuführen und nicht durch Beschluss zu entscheiden, ist daher nichts zu erinnern.

dd) Auch aus dem konkreten, von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Verfahrensgang folgen keine Gründe, ihre notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen.

(1) Dies gilt zum einen für die – bereits von der Staatsanwaltschaft vorbestimmte – Verfahrensart. Entgegen dem Beschwerdevorbingen war die Beschwerdeführerin aufgrund des vorliegend gewählten Strafbefehlsverfahrens hinsichtlich ihrer Beteiligung, ihrer Rechtswahrnehmung und der hiermit verbundenen Auslagen nicht schlechter gestellt, als wenn durch die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben worden wäre. Die Anordnungen aus dem Strafbefehl drohen nach einem Einspruch des Betroffenen keinesfalls ohne weiteres in Rechtskraft zu erwachsen. Vielmehr wird das Verfahren wie nach Erhebung einer Anklage fortgeführt: Der Strafbefehlsantrag tritt für die im Fall des Einspruchs gemäß § 411 Abs. 1 Satz 2 StPO anzuberaumende Hauptverhandlung an die Stelle der Anklage und dem Strafbefehl selbst kommen die Wirkungen des Eröffnungsbeschlusses zu (BGH, Beschluss vom 16. Juni 1979 – 5 StR 111/70, NJW 1970, 1694; KK-StPO/Maur, a.a.O., § 411 Rn. 8; BeckOK-StPO/Temming, 49. Ed. 01.10.2023, § 411 Rn. 3 m.w.N.). Im auf die Hauptverhandlung ergehenden Urteil ist das Gericht gemäß § 411 Abs. 4 StPO an die Aussprüche im Strafbefehl nicht gebunden. Beide Verfahrensarten unterscheiden sich daher nach Einlegung eines Einspruchs hinsichtlich des Ablaufs und der auf die Hauptverhandlung ergehenden Entscheidung nicht. Soweit das Gericht gemäß § 432 Abs. 2 StPO i.V.m. § 434 Abs. 2 StPO anstelle einer Hauptverhandlung – vorbehaltlich eines gegenteiligen Antrages eines Verfahrensbeteiligten – durch Beschluss entscheiden kann, wenn nur noch über den Einspruch des Einziehungsbeteiligten zu entscheiden ist, gilt dies gemäß § 423 Abs. 3 StPO auch im auf eine Anklage hin geführten Strafverfahren, das infolge Abtrennung der Entscheidung über die Einziehung von der Entscheidung über die übrigen Rechtsfolgen allein gegen einen Einziehungsbeteiligten weitergeführt wird. Auch insofern besteht zwischen beiden Verfahrensarten kein Unterschied.

(2) Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin entgegen § 429 Abs. 1 StPO nicht zum anberaumten Hauptverhandlungstermin geladen worden ist, führt schließlich nicht dazu, ihre Auslagen aus Billigkeitsgründen der Landeskasse aufzuerlegen. Denn eine den Einspruch verwerfende Entscheidung hätte selbst im Fall ihres Ausbleibens im Termin nicht gedroht, da § 412 StPO wegen der spezielleren Regelung in § 430 Abs. 1 StPO auf den Einspruch eines Nebenbeteiligten keine Anwendung findet (LR-StPO/Gaede, 27. Aufl. 2023, § 432 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 432 Rn. 4; KK-StPO/Schmidt/Scheuß, a.a.O., Rn. 9). Unbeschadet dieser Rechtslage wäre dem Amtsgericht mangels ordnungsgemäßer Ladung der Beschwerdeführerin weder eine Verwerfung des Einspruches ohne Sachprüfung, noch eine Entscheidung gemäß § 430 Abs. 1 StPO in ihrer Abwesenheit möglich gewesen. An einer die Beschwerdeführerin belastenden Entscheidung wäre das Amtsgericht überdies unabhängig von der fehlenden Ladung angesichts der zuvor bekannt gewordenen, veränderten materiellen Rechtslage gehindert gewesen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Der im Ergebnis geringe, ohne praktische Auswirkung bleibende Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, die Beschwerdeführerin auch nur anteilig von den durch ihr Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.

Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel statthaft (§ 310 Abs. 2 StPO).

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