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Löschung personenbezogener Daten strafrechtliches Ermittlungsverfahren – Verfahrenseinstellung

VG München – Az.: M 7 K 18.4570 – Urteil vom 18.02.2020

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Löschung personenbezogener Daten.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2018 erklärte der Klägerbevollmächtigte gegenüber dem Bayerischen Landeskriminalamt, dass im INPOL-System und sehr wahrscheinlich auch in dem polizeiinternen System BALLUNGSRAUM offensichtlich Daten über den Kläger gespeichert seien. Dies sei daraus zu schließen, dass dieser Kontrollen über sich ergehen lassen müsse, die nicht mehr hinnehmbar seien. Er bitte daher um Mitteilung, welche Eintragungen im INPOL-System und im System BALLUNGSRAUM über den Kläger gespeichert seien.

Das Bayerische Landeskriminalamt teilte daraufhin dem Klägerbevollmächtigten u. a. mit Schreiben vom 10. April 2018 mit, dass im Bayerischen Kriminalaktennachweis 6 Einträge zur Person des Klägers vorhanden seien, dabei u.a.

b) Kriminalakte der Kriminalpolizeiinspektion Miesbach

– Anzeige wegen Beleidigung vom 25.06.2015

c) Kriminalakte des Polizeipräsidiums München

– Anzeige wegen Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen vom 20.08.2014

– Anzeige wegen vorsätzlich leichter Körperverletzung vom 03.01.2013

– Anzeige wegen vorsätzlich leichter Körperverletzung vom 18.05.2012

– Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs (unter Ausnutzung eines Beratungs-/ Behandlungs-/Betreuungsverhältnisses) vom 01.01.2010

Des Weiteren seien neben diesen Anzeigen Daten zu derzeit 19 (im Folgenden einzeln aufgeführte) Ereignissen im Integrationsverfahren Polizei (IGVP) zum Zweck der Dokumentation polizeilichen Handelns gespeichert.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2018 beantragte der Klägerbevollmächtigte gegenüber dem Bayerischen Landeskriminalamt die Löschung sämtlicher Eintragungen mit Ausnahme der Nr. (1) b). Richtig sei, dass der Kläger wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von ungefähr 30 Tagessätzen, jedenfalls weit unter Eintragungen in das Führungszeugnis, verurteilt worden sei. Die übrigen Eintragungen seien falsch. In dem Verfahren „Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs (unter Ausnutzung eines Beratungs-/Behandlungs-/Betreuungsverhältnisses) vom 1. Januar 2010 sei der Kläger mit Urteil des Bundesgerichtshofs aus Rechtsgründen freigesprochen worden. Die übrigen Eintragungen seien ebenfalls zu tilgen, da keine Verurteilung erfolgt sei. Ein polizeilicher Verdacht liege ebenfalls nicht vor.

Mit Bescheid vom 13. August 2018 teilte das Bayerische Landeskriminalamt dem Klägerbevollmächtigten mit, dass dem Löschungsersuchen teilweise nachgekommen werde. So werde die Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs vom 1. Januar 2010 vorzeitig gelöscht. Ein weiterergehender Löschungsanspruch aus Art. 62 Abs. 2 PAG ergebe sich jedoch nicht. Der den polizeilichen Ermittlungen zugrunde liegende Verdacht reiche für die weitere Aufbewahrung der Unterlagen (Art. 54 Abs. 2 PAG) aus. Zwar seien die übrigen Ermittlungsverfahren gemäß § 153a Abs. 1 und § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Dies bedeute jedoch nicht zwangsläufig, dass die Unterlagen vernichtet werden müssten. Die Aufbewahrung personenbezogener und erkennungsdienstlicher Unterlagen setze eine strafrechtliche Verurteilung nicht voraus. Vielmehr sei für die polizeilichen Speicherungen maßgebend, ob der Sachverhalt einen ausreichenden Verdacht dafür biete, dass die Daten für eine vorbeugende Bekämpfung von Straftaten und zur Gefahrenabwehr erforderlich seien (Art. 54 Abs. 2 PAG). Die Polizei könne die erhobenen personenbezogenen Daten weiterhin speichern, wenn ein Tatverdacht von ausreichender Substanz verbleibe und nicht auszuschließen sei, dass die Speicherung der Daten des Beschuldigten künftig bei der vorbeugenden Straftatenbekämpfung von Nutzen sein könnte. Das Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung vom 3. Januar 2013 sei gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen Auflagen eingestellt worden. Die Einstellung sei demnach wegen geringer Schuld erfolgt. Die den beiden Anzeigen wegen Abrechnungsbetrugs vom 20. August 2014 und Körperverletzung vom 18. Mai 2012 folgenden Ermittlungsverfahren seien zwar gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Jedoch bleibe ein polizeilicher Restverdacht hinsichtlich beider Vorwürfe bestehen. So habe der Kläger im Auftrag des Gerichts ein ärztliches Gutachten über einen Angeklagten im Strafprozess erstellt. Für die Untersuchung sei in der späteren Liquidation ein Untersuchungszeitraum von siebeneinhalb Stunden ausgewiesen worden. Laut Mutter des Angeklagten habe die Untersuchung jedoch höchstens zwei Stunden gedauert. Der verbleibende Verdacht können nicht ausgeräumt werden, da ein Untersuchungszeitraum von siebeneinhalb Stunden unter gewöhnlichen Umständen kaum nachvollziehbar sein dürfte. Zudem habe der Kläger im Rahmen eines Beziehungsstreits seiner damaligen Lebensgefährtin mit der Hand bzw. Faust in ihr Gesicht geschlagen. Diese habe einige Zeit später nach nochmaliger Bedenkzeit mitgeteilt, dass sie keinen Strafantrag stellen wolle und an einer weiteren Strafverfolgung nicht interessiert sei. Gegenüber den Polizeibeamten habe diese jedoch angegeben, dass der Kläger Neigung zu sadomasochistischen Handlungen habe. Dies habe auch Erwähnung im Freispruch des BGH gefunden. Beide Vorfälle aus den Jahren 2012 und 2013 seien ähnlich gelagert und würden zeigen, dass es sich bei dem Verhalten des Klägers offensichtlich nicht nur um eine einmalige Verfehlung gehandelt habe. Aufgrund des mehrmaligen Auftretens des Klägers könne eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden, weshalb eine Verkürzung der regelmäßigen Speicherfrist für nicht angemessen gehalten werde. Die Verhältnismäßigkeit ergebe sich bei Abwägung des öffentlichen Interesses, zu Zwecken der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung auf polizeiliche Erkenntnisse zurückgreifen zu können, mit dem durch das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit geschützten Interesse des Einzelnen, solchen Einwirkungen der öffentlichen Gewalt nicht ausgesetzt zu sein. Dabei sei der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als an der unteren Grenze gelegen zu beurteilen, nachdem die Daten lediglich der Polizei zur Verfügung stünden.

Gegen diesen Bescheid hat der Klägerbevollmächtigte am 13. September 2018 Klage erhoben.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung am 3. Januar 2013 nicht gegen Auflagen eingestellt worden sei. Es habe tatsächlich einen Beziehungsstreit zwischen ihm und seiner damaligen Lebensgefährtin gegeben. Diese habe jedoch keine aufgeplatzte Oberlippe gehabt. Vielmehr habe diese eine abnorme Blutungsneigung. Im Hinblick auf die Anzeigen wegen Abrechnungsbetrugs vom 20. August 2014 habe der Kläger zweifelsfrei feststellen können, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Er habe seinerseits Anzeige wegen falscher Verdächtigung getätigt. Eine Körperverletzung vom 18. Mai 2012 sei wechselseitig erfolgt. Auch dort habe er reagiert und die beiderseitige Versöhnung sei noch in der gleichen Nacht erfolgt. Worin ein polizeilicher Rest-Tatverdacht bestehen solle, sei für ihn nicht ersichtlich.

Der Kläger beantragt: Die personenbezogenen Eintragungen im INPOL-System wegen Verdachts der Körperverletzung, des Versicherungsbetrugs und einer weiteren Körperverletzung werden getilgt bzw. ist der Beklagte verpflichtet, diese Eintragungen zu tilgen.

Der Beklagte beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Zur Begründung nimmt der Beklagte Bezug auf den Bescheid vom 13. August 2018. Ergänzend hierzu wird vorgetragen, dass die Staatsanwaltschaft München I am 3. Juli 2013 das Verfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Körperverletzung (häusliche Gewalt) gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt habe. Der polizeiliche Tatverdacht sei damit unabhängig davon, ob der Kläger Auflagen zu erfüllen gehabt habe oder nicht, bestätigt worden. Aufgrund einer weiteren Eintragung im Kriminalaktennachweis zum 18. Mai 2012 wegen des Verdachts der Körperverletzung (häusliche Gewalt), liege im selben Deliktsbereich ein wiederholter Ermittlungsvorgang vor. Dieses Ermittlungsverfahren sei durch die Staatsanwaltschaft München I am 27. Juli 2012 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, da ein notwendiger Strafantrag gefehlt habe. Der polizeiliche Restverdacht gründe in dem Verletzungsbild an der Lippe der Geschädigten. Die innerhalb eines Jahres geführten polizeilichen Ermittlungen wegen des wiederholten Verdachts einer Straftat (Körperverletzung, vorsätzlich) seien Grund für die Polizei, eine Wiederholungsgefahr anzunehmen, auch wenn die gesellschaftliche Stellung des Klägers ein anderes Verhalten erwarten lassen würde. Der Kläger spiele in seiner Klagebegründung die Körperverletzung als banal herunter und setze dabei sein medizinisches Fachwissen ein, Zweifel an den Körperverletzungen zu streuen. Die Polizeibeamten hätten vor Ort ein Verletzungsbild bei der Geschädigten im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung festgestellt. Eine bewusst intentionierte Aussage der Geschädigten zum Nachteil des Klägers hätten die Beamten in keinem Fall festgestellt. Das Verfahren wegen Abrechnungsbetrugs zum 20. August 2014 sei durch die Staatsanwaltschaft München I am 21. August 2015 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, nachdem Aussage gegen Aussage gestanden und keiner einen höheren Beweiswert habe zugesprochen werden können.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte, die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte zu dem Aktenzeichen 566 Js 108209/15 sowie die Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft München I in den Verfahren 261 Js 68824/12 und 262 JS 119104/12.

Entscheidungsgründe

Eine Entscheidung in der Sache ohne vorhergehende mündliche Verhandlung war nach § 101 Abs. 2 VwGO zulässig, da beide Parteien auf mündliche Verhandlung verzichtet haben.

Der Klageantrag ist gemäß §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO zu Gunsten des Klägers dahingehend auszulegen, dass dieser die Löschung der streitgegenständlichen Eintragungen sowohl aus dem bayerischen Kriminalaktennachweis (KAN) als auch aus dem bundesweiten Datenpool des INPOL-Systems begehrt.

Zwar darf das Gericht nach § 88 VwGO über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Es ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden, sondern hat vielmehr das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.1980 – 2 C 30/78 – juris Rn. 21). Eine Grenze für die Auslegung bzw. Umdeutung besteht aber insoweit, als dass § 88 VwGO das Gericht nicht dazu ermächtigt, den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und an die Stelle dessen, was die Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie nach Meinung des Gerichts zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (vgl. BVerwG, B.v. 29.8.1989 – 8 B 9/89 – juris Rn. 2). Ratio der in §§ 82, 86 Abs. 3, 88 VwGO enthaltenen Regelung ist, dass es dem nicht juristisch Geschulten vielfach Mühe bereitet, im Verwaltungsrecht den sachdienlichen Antrag richtig zu formulieren; hieraus sollen dem Kläger keine Nachteile erwachsen. Daraus ergibt sich zwar zugleich, dass der anwaltlich Vertretene sich eher an seinen Anträgen festhalten lassen muss (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 88 Rn. 9 m.w.N.); ausgeschlossen im Sinne eines zwingenden Verbots ist aber eine Auslegung bzw. Umdeutung insoweit, sprich auch bei anwaltlicher Vertretung, nicht, sofern dadurch das (deutlich) zum Ausdruck gebrachte Rechtsschutzziel effektiv (Art. 19 Abs. 4 GG) erreicht wird. Vorliegend beantragt der Klägerbevollmächtigte zwar explizit die Löschung der streitgegenständlichen Eintragungen aus dem bundesweiten Datenpool des INPOL-Systems. Dabei verweist er allerdings auf das als Anlage beigefügte Schreiben des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 10. April 2018. Mit diesem wurde dem Kläger Auskunft über dessen Eintragungen im Bayerischen Kriminalaktennachweis sowie im Integrationsverfahren der Polizei (IGVP) erteilt. In diesem Kontext ist somit davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls auch die Löschung der streitgegenständlichen Eintragungen aus diesen Registern begehrt.

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Löschung der Einträge des Klägers aus dem bayerischen Kriminalaktennachweis (KAN) sowie auf Löschung aus dem bundesweiten Datenpool des INPOL-Systems (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, richtet sich nach Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG i.V.m. § 484 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO. Nach Art. 54 Abs. 1 PAG kann die Polizei zudem – beispielsweise im IGVP – solche Daten in Akten oder Dateien speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist.

Ein Anspruch auf unverzügliche Löschung der im KAN gespeicherten personenbezogenen Daten besteht, wenn der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht gegen den Betroffenen entfallen ist (Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG; bisher Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG a.F.). Daneben besteht – insbesondere für die Eintragung im IGVP – ein alle Daten in polizeilichen Sammlungen betreffender allgemeiner Löschungsanspruch aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG (bisher Art. 45 Abs. 2 PAG a.F.), wenn ihre Erhebung oder weitere Verarbeitung unzulässig war (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG Nr. 1), sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen (Nr. 2) oder bei der zu bestimmten Fristen oder Terminen vorzunehmenden Überprüfung oder aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist (Nr. 3).

Es besteht hinsichtlich keiner der angegriffenen Eintragungen ein Löschungsanspruch gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG.

Denn nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG sind – der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur insoweit nahezu inhaltsgleichen Regelung des Art. 38 Abs.2 Satz 2 a.F. folgend – die in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (zu repressiven Zwecken) gewonnenen und für präventive Zwecke genutzten Daten erst dann zu löschen, wenn der dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tatverdacht (restlos) entfallen ist (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 21.1.2009 – 10 B 07.1382 – juris Rn. 35, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 17 m.w.N.). Der für die weitere Aufbewahrung von Polizeiunterlagen erforderliche Tatverdacht im Sinne des Art. 54 Abs. 2 Satz 2 bzw. Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG a.F. entfällt dabei nicht schon mit der Einstellung der Ermittlungen, sondern erst, wenn der Verdacht einer Straftat oder Tatbeteiligung des Betroffenen restlos ausgeräumt ist. Daher kann die Aufbewahrung der polizeilichen Unterlagen selbst im Falle eines rechtskräftigen Freispruchs zulässig bleiben, wenn ein Restverdacht fortbesteht (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2008 – 10 C 08.2087 – juris Rn. 5 unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01 – juris Rn. 10 ff.), etwa, wenn der Freispruch aus Mangel an Beweisen erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 18). Im Falle eines Freispruchs oder wie vorliegend einer Verfahrenseinstellung bedarf es daher der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung der im Verfahren gewonnenen Daten zur polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 19). Von einem fortbestehenden (Rest-)Tatverdacht kann insbesondere dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht festgestellt wurde, dass der Verdacht danach vollständig entfallen ist (vgl. BayVGH, B.v. 10.6.2013 – 10 C 13.62 – juris Rn. 4).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Eintrag „Anzeige wegen vorsätzlicher leichter Körperverletzung vom 18.05.2012“ nicht zu löschen. Das diesbezüglich geführte Ermittlungsverfahren (261 Js 68824/12) wurde von der Staatsanwaltschaft München I mit Verfügung vom 27. Juli 2012 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO entsteht die Verpflichtung zur Löschung der Daten jedoch nur, wenn die Einstellungsverfügung des Staatsanwaltes wegen erwiesener Unschuld ergeht. Denn bei einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren macht der Staatsanwalt von seiner Befugnis zur Einstellung nur deswegen Gebrauch, weil ein Tatnachweis vor Gericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geführt werden kann. Daher zwingt die Einstellung des Ermittlungsverfahrens weder zur Löschung der Daten noch zur Vernichtung angefallenen erkennungsdienstlichen Materials (vgl. noch zu Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG a.F.: Schmidbauer, in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Aufl. 2014, Art. 38 Rn. 37). Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs räumt die Beendigung eines Strafverfahrens durch Einstellung, sowohl nach §§ 153 ff. StPO als auch nach § 170 Abs. 2 StPO den Straftatverdacht nicht notwendig aus und schließt deshalb auch die weitere Datenspeicherung zu Zwecken präventiver Gefahrenabwehr nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 18). Vielmehr bedarf es im Fall eines Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung der im Verfahren gewonnen Daten zur polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 19). Dabei entfällt der für die Aufbewahrung personenbezogener Daten erforderliche polizeiliche Restverdacht erst dann, wenn der Verdacht einer Straftat oder der Tatbeteiligung des Betroffenen restlos ausgeräumt ist (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2008 – 10 C 08.2087 – juris Rn. 5). Für den Fortbestand der Speicherung der personenbezogenen Daten wird dabei nicht ein hinreichender Tatverdacht i.S.v. § 203 StPO vorausgesetzt, sondern es genügt ein weiterhin bestehender Anfangsverdacht (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2013 – 10 ZB 12.2455 – juris Rn. 5). Der Einstellungsverfügung vom 27. Juli 2012 ist zu entnehmen, dass das Ermittlungsverfahren nicht wegen erwiesener Unschuld des Klägers, sondern aus rechtlichen Gründen eingestellt wurde, da ein Verfahrenshindernis bestand. So wurde das Verfahren mangels Stellung eines Strafantrags und mangels Bejahung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt. Zudem ergibt sich aus der Einstellungsverfügung, dass sich die angezeigten Körperverletzungen im Rahmen einer Beziehungsstreitigkeit ereignet und zu keinen erheblichen Verletzungen geführt haben. Dementsprechend wurde der Verdacht einer Straftat oder der Tatbeteiligung des Klägers nicht restlos ausgeräumt, sodass der die Speicherung begründende Restverdacht fortbesteht.

Des Weiteren ist auch der Eintrag „Anzeige wegen vorsätzlich leichter Körperverletzung vom 3. Januar 2013“ nicht zu löschen. Denn das diesbezüglich durchgeführte Ermittlungsverfahren (262 JS 119104/12) wurde von der Staatsanwaltschaft München I mit Verfügung vom 3. Juli 2013 nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt. Mit der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO wird indes nicht festgestellt, dass die fragliche Straftat nicht begangen wurde. Sie setzt vielmehr im Gegenteil einen hinreichenden Tatverdacht voraus, weil ihre Anwendung gegenüber einem aus Sicht der Staatsanwaltschaft möglicherweise Unschuldigen unzulässig wäre (vgl. OVG NW, B.v. 15.10.2012 – 16 B 174/12 – juris Rn. 22).

Schließlich ist auch der Eintrag „Anzeige wegen Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen vom 20. August 2014“ nicht zu löschen. Das hinsichtlich dieses Eintrags geführte Ermittlungsverfahren (566 JS 108209/15) wurde von der Staatsanwaltschaft München mit Verfügung vom 17. August 2015 gemäß § 170 Abs. 2 StPO aus tatsächlichen Gründen eingestellt, da der Tatnachweis nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit geführt werden konnte. So habe sich aufgrund der sich widersprechenden Angaben der Beteiligten nicht feststellen lassen, wie sich der Vorgang tatsächlich zugetragen habe. Es stehe letztlich Aussage gegen Aussage, ohne dass einer der Aussagen von vornherein ein erhöhter Beweiswert zukomme und ohne dass unbeteiligte Zeugen zur Verfügung stünden, die mit ihren Angaben ausreichenden Aufschluss über das tatsächliche Geschehen geben könnten. Andere objektive Beweismittel seien nicht vorhanden. Somit besteht nach der Einstellungsverfügung auch weiterhin ein Restverdacht, der den Fortbestand der Speicherung rechtfertigt.

Nichts anderes ergibt sich aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG – soweit man diese Rechtsgrundlage vorliegend überhaupt neben Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG für anwendbar hält, da es sich vorliegend bei den zur Löschung beantragten Daten ausschließlich um aus einem laufenden Ermittlungsverfahren gewonnene handelt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 23 ff.). Denn es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Daten in unzulässiger Weise erhoben oder verarbeitet wurden (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG) oder sonst eine rechtliche Verpflichtung zur Löschung besteht (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAG). Ferner ist offensichtlich weder die regelmäßige Aufbewahrungsfrist (Art. 54 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 53 Abs. 5 PAG) abgelaufen, noch liegt eine verkürzte, bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufene Speicherfrist nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 PAG vor (ein solche Verkürzung auf dann nur noch rund zwei Jahre ist auch nicht angezeigt), so dass im Übrigen auch Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAG nicht einschlägig ist.

Soweit der Kläger begehrt, den Beklagten zu verpflichten, die gegenständlichen Einträge aus dem bundesweiten Datenpool des INPOL-Systems löschen zu lassen, besteht auch ein solcher Anspruch nicht. Ein dahingehender Anspruch des Klägers folgt insbesondere nicht aus § 77 Abs. 6 Satz 1 Bundeskriminalamtgesetz – BKAG –i.V.m. § 75 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz – BDSG – (bisher: § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG a.F.).

Nach § 77 Abs. 6 Satz 1 BKAG obliegen bei im polizeilichen Informationsverbund gespeicherten personenbezogenen Daten die in § 75 BDSG und den Absätzen 1 und 3 genannten Verpflichtungen der Stelle, die die datenschutzrechtliche Verantwortung nach § 31 Abs. 2 BKAG trägt. Nach § 75 Abs. 2 BDSG hat der Verantwortliche personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, wenn ihre Verarbeitung unzulässig ist, sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Der Kläger nimmt diesbezüglich zu Recht den Beklagten für die Löschung der über ihn gespeicherten Daten in Anspruch. Zwar begehrt er die Löschung von Daten aus einer Datei, die vom Bundeskriminalamt errichtet worden ist und betrieben wird. Das polizeiliche Informationssystem (§ 29 BKAG – INPOL) wird im Rahmen der Bundesaufgabe des Bundeskriminalamts nach § 2 Abs. 3 BKAG geführt. Unter den Zentralstellenaufgaben des § 2 BKAG hebt § 2 Abs. 3 BKAG die Unterhaltung eines einheitlichen polizeilichen Informationsverbundes hervor, dessen Hauptelement das polizeiliche Informationssystem – INPOL – ist. INPOL ist das gemeinsame, arbeitsteilige, elektronische Informationssystem der Polizeien des Bundes und der Länder zur Unterstützung vollzugspolizeilicher Aufgaben, in dem informationstechnische Einrichtungen des Bundes und der Länder in einem Verbund zusammenwirken (BT-Drs. 13/1550 S. 29).

Die streitgegenständlichen Daten sind vorliegend nicht gemäß § 77 Abs. 6 Satz 1 BKAG i.V.m. § 75 Abs. 2 BDSG zu löschen, da ihre Speicherung weiterhin für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist und ihre Verarbeitung weder unzulässig ist noch sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen.

Denn die ursprünglich rechtmäßige Speicherung kann rechtswidrig werden, insbesondere dann, wenn die Daten nicht mehr erforderlich sind. Nicht mehr erforderlich sind Daten nicht nur dann, wenn die Aufgabe, zu deren Erfüllung sie gespeichert waren, endgültig erledigt ist, sondern auch, wenn nichts dafür spricht, dass die Daten in Zukunft noch praktische Bedeutung haben werden und deshalb ausgeschlossen werden kann, dass sie die Arbeit der zuständigen Behörde noch fördern können. Besondere Bedeutung hat dies, wenn der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird und sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat (vgl. Ruthig in Schenke/Graulich/Ruthig/, 2. Aufl. 2019, BKAG § 77 Rn. 6). Entsprechend den obigen Ausführungen geht aus den Einstellungsverfügungen jeweils gerade nicht hervor, dass der Kläger die jeweilige Tat nicht bzw. nicht rechtswidrig begangen hat. Vielmehr besteht jeweils ein die Speicherung rechtfertigender Restverdacht fort.

Des Weiteren sind Daten für die Aufgabenerfüllung des Weiteren insbesondere dann nicht mehr erforderlich, wenn die Aussonderungsprüffrist abgelaufen ist. (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2010 – 6 C 5/09 – juris Rn. 31). Die Aussonderungsprüffristen dürfen nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BKAG i.V.m. § 75 Abs. 3 BDSG bei im Informationssystem des Bundeskriminalamtes verarbeiteten personenbezogenen Daten bei Erwachsenen zehn Jahre, bei Jugendlichen fünf Jahre und bei Kindern zwei Jahre nicht überschreiten, wobei nach Zweck der Speicherung sowie Art und Schwere des Sachverhalts zu unterscheiden ist. Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BKAG beginnen die Fristen mit dem Tag zu laufen, an dem das letzte Ereignis eingetreten ist, das zur Speicherung geführt hat, jedoch nicht vor Entlassung der betroffenen Person aus einer Justizvollzugsanstalt oder Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung. Dies ist vorliegend die Eintragung „Anzeige wegen Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen vom 20. August 2014“, so dass die Aussonderungsprüffrist noch nicht abgelaufen ist.

Schließlich folgt auch aus dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) kein weitergehender Löschungsanspruch (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 22 m.w.N.). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das vor der unbegrenzten Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten schützt, ist nicht schrankenlos gewährleistet und findet in den Regelungen der jeweiligen Landespolizeigesetze für den Bereich der Polizeidaten und Kriminaldaten in Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG und Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG eine verfassungsmäßige Grenze (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2012 – 10 ZB 11.2438 – juris Rn. 7). Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergäbe sich ein Anspruch auf Löschung der über den Betroffenen gespeicherten polizeilichen Daten daher nur, soweit deren Aufbewahrung und Speicherung nicht durch diese gesetzlichen Grundlagen gerechtfertigt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 22). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

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