Fotografieren im öffentlichen Raum: Datenschutzverstoß und Mobiltelefonbeschlagnahme
Ein Fall, der in den Bereichen Strafrecht und Datenschutz ein neues Licht wirft, wurde vom Amtsgericht Hamburg (Aktenzeichen 163 Gs 656/20) am 3. Juli 2020 entschieden. Es ging um die Beschlagnahmung eines Mobiltelefons, das zur Dokumentation von Personen in der Öffentlichkeit verwendet wurde. In dem Vorfall fotografierte der Beschuldigte, von seinem Auto aus, zufällig anwesende, ihm unbekannte junge Frauen auf einem Parkplatz. Das Hauptproblem in diesem Fall ist das Überschreiten der Grenzen der Privatsphäre durch das Fotografieren ohne Zustimmung und die daraufhin erfolgte Beschlagnahme des Mobiltelefons.
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Übersicht
Datenschutzverstöße und ihre Konsequenzen
Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit stellte den Antrag, die bereits erfolgte Beschlagnahmung des Handys richterlich zu bestätigen. Der Beschuldigte wurde des Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), insbesondere die Artikel 5, 6 und 7, die die Verarbeitung personenbezogener Daten und die Bedingungen für die Zustimmung regeln, beschuldigt. Da die Zustimmung der Frauen zur Anfertigung der Fotos nicht eingeholt worden war, wurde aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse ein Verstoß gegen Artikel 83 der DSGVO angenommen.
Der Umfang der Privatsphäre nach DSGVO
Trotz der Argumentation des Beschuldigten, dass er die von ihm gefertigten Fotos ausschließlich für private Zwecke verwenden wollte, hat das Gericht eine andere Ansicht vertreten. Nach der DSGVO ist die Erhebung und Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten aus dem ausschließlich persönlichen und/oder familiären Bereich zwar ausgenommen, doch das Gericht wies darauf hin, dass dies nicht bedeutet, dass jemand in der Öffentlichkeit eigenmächtig gezielt Fotos von unbekannten Personenanfertigen darf.
Grenzen der privaten Fotografie nach DSGVO
Die Bestimmung des privaten Bereichs in der DSGVO, insbesondere Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe c, sieht vor, dass private Veranstaltungen wie Familienfeiern, Gruppenreisen oder Betriebsfeiern von der Regelung ausgenommen sind, da sie einen Teil der privaten Persönlichkeitssphäre einer Person darstellen. Dies gilt jedoch nicht für die gezielte und heimliche Anfertigung von Fotos fremder Menschen in der Öffentlichkeit, da die fotografierte Person bereits außerhalb der „Privatsphäre“ des Fotografen steht.
Mobiltelefonbeschlagnahme und Beweismittel
Die Beschlagnahme des Mobiltelefons wurde vom Gericht bestätigt, da es im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens als Beweismittel in Betracht kommt. Die Beschlagnahme basiert auf den §§ 94, 98 der Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit § 46 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten), die die Verwendung von Beweismitteln in Strafverfahren regeln. Das Gericht hat daher festgestellt, dass das Handy des Beschuldigten rechtlich beschlagnahmt werden kann.
Das vorliegende Urteil
AG Hamburg – Az.: 163 Gs 656/20 Beschluss vom 03.07.2020
Auf Antrag des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit wird die am 14.04.2020 gegen 11:50 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Fahrradladen „[…]“ von dem Betroffenen erfolgte Beschlagnahme eines Mobiltelefons der Marke […] richterlich bestätigt (§§ 94, 98 Abs. 2 StPO i. V. m. § 46 OWiG).
Gründe
Der Betroffene K. ist aufgrund der bisherigen polizeilichen Ermittlungen, insbesondere den Feststellungen der Polizeibeamten W. und L. sowie der Angaben der Zeuginnen T. J. und K., verdächtig,
in Hamburg
am 14.04.2020
gegen die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich der Bedingungen für die Einwilligung, gemäß den Artikeln 5, 6 und 7 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen zu haben, indem er gegen 11:45 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Fahrradladen „[…]“, aus dem von ihm geführten Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen […] heraus mit dem im Tenor dieser Entscheidung näher bezeichneten Mobiltelefon gezielt und gerichtet Fotographien von den dort zufällig aufhältigen und ihm bis dahin unbekannten 18 bzw. 20 Jahre alten Zeuginnen T. J. und L. anfertigte, ohne zuvor deren Erlaubnis eingeholt zu haben.
Ordnungswidrigkeit gemäß § 83 Abs. 5 i. V. m. § 41 DSGVO.
Die Beschlagnahme des im Tenor dieser Entscheidung näher bezeichneten Mobiltelefons des Betroffenen war antragsgerecht anzuordnen, weil dieses für das vorliegende Ordnungswidrigkeitenverfahren als Beweismittel im Sinne der §§ 94, 98 StPO (i. V. m. § 46 OWiG) in Betracht kommt. Nach den Angaben der Polizeibeamten vor Ort handelt es sich um das Handy, das der Betroffene beim Antreffen auf dem Parkplatz mit sich geführt hat und auf dem die Polizeibeamten auch Fotos von den Zeuginnen gesehen bzw. erkannt haben wollen.
Soweit die von dem Betroffenen mandatierte Verteidigung in ihrem Schriftsatz vom 15.06.2020 in der konkreten Fallgestaltung die Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung unter Hinweis auf den dortigen Art. 2 Abs. 2 lit. c mit der Argumentation in Frage gestellt wissen will, dass der Betroffene die von ihm gefertigten Fotos ausschließlich für private Zwecke habe verwenden, insbesondere nicht habe weiterverbreiten wollen, wird eine solche Auslegung dem rechtlichen Gehalt des zitierten Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO nicht gerecht. Zwar entspricht es in der Tat dem Willen des Verordnungsgebers, die Erhebung und Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten aus dem ausschließlich persönlichen und/oder familiären Bereich aus dem Anwendungsbereich der DSGVO auszunehmen. Der Betroffene versteht diese Regelung jedoch ersichtlich falsch, wenn er daraus schließen sollte, dass es ihm jederzeit frei steht, in der Öffentlichkeit eigenmächtig gezielt Fotographien von ihm fremden Personen zu fertigen. Wie von dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz zu Recht darauf hingewiesen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, mit welchem Ziel bzw. zu welchem Zweck die Anfertigung der streitbefangenen Bilder erfolgt ist bzw. ob diese außerhalb einer rein privaten Sachbehandlung beabsichtigt war. Vielmehr verlässt bereits die Erstellung, mithin die Anfertigung von Bildern fremder Personen in der Öffentlichkeit den „privaten Raum“ und damit dem Schutzbereich, der durch die Vorschrift des Art. 2 Abs. 2 lit.c DSGVO eingeräumt wird, da sich letztlich bereits das Objekt der fotographischen Betrachtung schon außerhalb der eingeräumten „Privatsphäre“ befindet und daher nicht durch Anfertigung eines Bildes in diese „hineingezogen“ werden kann. Konkret verdeutlicht wird dieses, wenn man ein derartiges Verhalten ähnlichen Situationen gegenüberstellt, von deren Schutz der Normgeber in diesem Zusammenhang ersichtlich ausgegangen ist. Vornehmlich Familienfeiern, Gruppenreisen, Betriebsfeiern oder ähnliche Veranstaltungen, die in diesem Moment einen Teil der privaten Persönlichkeitssphäre einer Person darstellen bzw. abbilden, sollten aufgrund der individuellen Nähe zu der Daten verarbeitenden Person, hier dem Fotografierenden, aus dem Regelungsbereich der DSGVO ausgenommen sein, nicht aber die gezielte – und zudem heimliche – Anfertigung von Fotos fremder Menschen. Da eine Erlaubnis der betroffenen Frauen zur Anfertigung des Fotos von dem Betroffenen vorab nicht eingeholt worden war, ist nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen von einer Verwirklichung des Verstoßes gegen Art. 83 Abs. 5 DSGVO auszugehen.