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Nebenklagefortführung durch Erben eines verstorbenen Nebenklägers

Kein Eintritt des Erben in Nebenklage des verstorbenen Nebenklägers

Das Kammergericht Berlin verwirft die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung und die Versagung der Zulassung eines Erben als Nebenkläger in einem Strafverfahren, da das Strafprozessrecht keine Fortführung der Nebenklage durch Angehörige nach dem Tod des ursprünglichen Nebenklägers vorsieht und die Berufung des verstorbenen Nebenklägers mit seinem Tod hinfällig wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ws 66 – 67/23 – 121 AR 259/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Kammergericht Berlin entschied, dass eine Nebenklage nicht durch Erben fortgeführt werden kann, da das Strafprozessrecht dies nicht vorsieht.
  • Nach dem Tod des Nebenklägers wurde dessen sofortige Beschwerde sowie die Anmeldung seines Sohnes als neuer Nebenkläger verworfen, da die Berufung des ursprünglichen Nebenklägers als zurückgenommen gilt und somit die ursprüngliche Entscheidung rechtskräftig bleibt.
  • Der verstorbene Nebenkläger und sein Sohn tragen die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel. Zudem müssen aus dem Nachlass des Verstorbenen die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen erstattet werden.
  • Eine Fortführung der Nebenklage durch Angehörige des Verstorbenen ist rechtlich nicht vorgesehen, selbst wenn der Tod des Nebenklägers möglicherweise durch die angeklagte Tat verursacht wurde.
  • Die Berufung des verstorbenen Nebenklägers gilt mit dessen Tod als zurückgenommen, wodurch das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten, das den Angeklagten freispricht, rechtskräftig wird.
  • Eine Anschlusserklärung des Sohnes des Verstorbenen ist rechtlich nicht möglich, da zum Zeitpunkt seines Todes die öffentliche Klage nicht mehr bestand.
  • Die Kosten des zurückgenommenen Rechtsmittels und die dem Freigesprochenen entstandenen notwendigen Auslagen werden dem verstorbenen Nebenkläger bzw. dessen Nachlass auferlegt.

Nebenklage: Rechte und Möglichkeiten der Angehörigen

In Strafverfahren können sich Opfer einer Straftat der öffentlichen Klage als Nebenkläger anschließen. Dadurch erhalten sie zusätzliche Rechte und Einflussmöglichkeiten auf den Verlauf und das Ergebnis des Strafprozesses. Doch was geschieht, wenn der Nebenkläger noch vor Abschluss des Verfahrens verstirbt?

Die Nebenklage wird durch den Tod des Nebenklägers beendet. Allerdings stellt sich die Frage, ob Angehörige die begonnene Nebenklage fortführen und somit in die Rechte des Verstorbenen eintreten können. Dieser Aspekt ist von zentraler Bedeutung, insbesondere wenn durch die Straftat der Tod des Opfers herbeigeführt wurde.

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➜ Der Fall im Detail


Gerichtlicher Hintergrund und Zusammenfassung des Falls

Der vorliegende Fall dreht sich um die Frage, ob ein Angehöriger eines verstorbenen Nebenklägers dessen Rolle im Strafverfahren übernehmen und die Nebenklage fortführen kann.

Erbfolge im Strafrecht: Sohn übernimmt Nebenklage
(Symbolfoto: Nirat.pix /Shutterstock.com)

Das Kammergericht Berlin entschied über die sofortige Beschwerde des verstorbenen Nebenklägers gegen eine Kostenentscheidung und die Versagung der Zulassung seines Sohnes als neuer Nebenkläger.

Der ursprüngliche Nebenkläger war in einem Strafverfahren gegen einen Autofahrer beteiligt, der beschuldigt wurde, die Vorfahrt des Nebenklägers, der mit dem Fahrrad unterwegs war, missachtet zu haben. Der Unfall führte zu schweren Verletzungen und einer vollständigen Lähmung des Nebenklägers.

Der Nebenkläger legte Berufung gegen das freisprechende Urteil des Amtsgerichts ein, verstarb jedoch, bevor es zur Berufungshauptverhandlung kam. Sein Rechtsanwalt beantragte daraufhin eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder fahrlässiger Körperverletzung und erklärte, dass der Sohn des Verstorbenen die Nebenklage fortführe. Der Rechtsanwalt beantragte außerdem, den Sohn als Nebenkläger zuzulassen, damit dieser die Position seines Vaters übernehmen und die Berufung fortführen könne.

Entscheidung des Landgerichts Berlin

Das Landgericht Berlin wies den Antrag auf Zulassung der Nebenklage zurück und entschied, dass die Anschlusserklärung des ursprünglichen Nebenklägers durch dessen Tod ihre Wirkung verloren habe. Das Gericht auferlegte dem verstorbenen Nebenkläger außerdem die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Freigesprochenen entstandenen notwendigen Auslagen.

Gegen diese Entscheidung legte der Rechtsanwalt „sofortige Beschwerde“ ein, bestehend aus einer Beschwerde des verstorbenen Nebenklägers gegen die Kostenentscheidung und einer Beschwerde des Sohnes gegen die Versagung der Zulassung als Nebenkläger. Das Kammergericht Berlin hatte nun über die Zulässigkeit und Begründetheit dieser Beschwerden zu entscheiden.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Kann ein Erbe die Nebenklage in einem Strafverfahren fortführen?

Ja, ein Erbe kann grundsätzlich die Nebenklage in einem Strafverfahren fortführen. Nach § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO sind im Falle der Tötung des Verletzten auch dessen Eltern, Kinder, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner zur Nebenklage berechtigt. Diese Angehörigen können somit als Erben in die strafprozessuale Stellung des getöteten Nebenklägers eintreten.

Voraussetzung ist, dass der Getötete selbst nebenklagebefugt war, also Opfer eines der in § 395 Abs. 1 StPO genannten Delikte geworden ist. Dazu zählen insbesondere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung.

Der Erbe muss innerhalb der Frist des § 395 Abs. 4 StPO, also bis zum Ende der Hauptverhandlung, dem Gericht gegenüber erklären, dass er die Nebenklage fortführen möchte. Er tritt dann vollumfänglich in die Rechtsstellung des verstorbenen Nebenklägers ein und kann dessen Befugnisse im Strafverfahren wahrnehmen, wie z.B. das Anwesenheitsrecht in der Hauptverhandlung, das Frage- und Beanstandungsrecht oder das Recht, Beweisanträge zu stellen.

Die Fortführung der Nebenklage durch den Erben dient dazu, die Interessen des Opfers auch nach dessen Tod im Strafverfahren zu wahren und an der Aufklärung der Tat mitzuwirken. Zudem kann der Erbe als Nebenkläger Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Angeklagten im sogenannten Adhäsionsverfahren geltend machen.

Welche Voraussetzungen müssen für die Fortführung einer Nebenklage durch Erben erfüllt sein?

Damit Erben die Nebenklage eines verstorbenen Angehörigen in einem Strafverfahren fortführen können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Der Getötete muss selbst nebenklagebefugt gewesen sein, also Opfer eines der in § 395 Abs. 1 StPO genannten Delikte wie Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung. Nur dann steht den Angehörigen überhaupt ein Anschlussrecht als Nebenkläger zu.

Die Erben müssen zum Kreis der in § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO genannten nahen Angehörigen gehören, also Eltern, Kinder, Geschwister, Ehegatte oder Lebenspartner des Getöteten sein. Nur dieser enge Personenkreis kann in die Rechtsstellung des verstorbenen Nebenklägers eintreten.

Der Getötete darf sich nicht bereits selbst zu Lebzeiten als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen haben. Denn mit dem Tod des Nebenklägers verliert die Anschlusserklärung ihre Wirkung, die Nebenklage ist beendet. Ein nachträglicher Anschluss der Erben ist dann nicht mehr möglich.

Die Erben müssen innerhalb der Frist des § 395 Abs. 4 StPO, also bis zum Ende der Hauptverhandlung, dem Gericht gegenüber erklären, dass sie die Nebenklage fortführen möchten. Nach Ablauf dieser Frist ist ein Anschluss ausgeschlossen.

Treten diese Voraussetzungen kumulativ ein, können die Erben vollumfänglich in die Rechtsstellung des verstorbenen Nebenklägers eintreten und dessen Befugnisse im Strafverfahren wahrnehmen. Sie haben dann beispielsweise ein Anwesenheitsrecht in der Hauptverhandlung, ein Frage- und Beanstandungsrecht sowie die Möglichkeit, Beweisanträge zu stellen.

Die Fortführung der Nebenklage durch die Erben dient dazu, die Interessen des Opfers auch nach dessen Tod im Strafverfahren zu wahren und an der Aufklärung der Tat mitzuwirken. Zudem können die Erben als Nebenkläger eigene Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Angeklagten im Adhäsionsverfahren geltend machen.

Was geschieht mit einer Nebenklage, wenn der Nebenkläger verstirbt?

Wenn der Nebenkläger während eines laufenden Strafverfahrens verstirbt, hat dies folgende Konsequenzen für die Nebenklage:

Die Anschlusserklärung des Nebenklägers verliert durch dessen Tod automatisch ihre Wirkung. Das ergibt sich direkt aus § 402 StPO. Die Nebenklage ist damit beendet.

Ein nachträglicher Anschluss der Erben des verstorbenen Nebenklägers ist nicht möglich. Denn mit dem Tod des Nebenklägers endet die Nebenklage endgültig, die Erben können nicht in dessen Rechtsstellung eintreten.

Hatte der verstorbene Nebenkläger ein Rechtsmittel wie eine Berufung oder Revision eingelegt, so gilt dieses als zurückgenommen. Die Erben können das Rechtsmittel nicht fortführen.

Hinsichtlich der Kosten gilt: Die durch den Tod des Nebenklägers beendete Nebenklage führt dazu, dass die bis dahin entstandenen Kosten des Nebenklageverfahrens „aus dem Nachlass zu erstatten sind“, also von den Erben getragen werden müssen.

Dies gilt auch für die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Zusammenhang mit der Nebenklage. Denn nach § 473 Abs. 1 S. 1, S. 3 StPO fallen die Kosten eines zurückgenommenen Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten dem Nebenkläger zur Last.

Der Tod des Nebenklägers führt also zum endgültigen Ende der Nebenklage, ohne dass die Erben diese fortführen könnten. Die bis dahin entstandenen Nebenklagekosten müssen aus dem Nachlass beglichen werden.

Dieses Ergebnis ist sachgerecht, weil nach dem Tod des Nebenklägers noch über die Verfahrenskosten und die Ausgleichsansprüche des Angeklagten zu entscheiden ist. Zudem dient die Nebenklage den höchstpersönlichen Interessen des Verletzten, die nicht vererbbar sind.

Kann der Erbe eines verstorbenen Nebenklägers gegen Entscheidungen im Strafverfahren Rechtsmittel einlegen?

Nein, der Erbe eines verstorbenen Nebenklägers kann grundsätzlich keine Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Strafverfahren einlegen. Denn mit dem Tod des Nebenklägers endet die Nebenklage endgültig, ohne dass die Erben in dessen Rechtsstellung eintreten könnten.

Nach § 402 StPO verliert die Anschlusserklärung des Nebenklägers durch dessen Tod ihre Wirkung. Damit ist die Nebenklage beendet. Ein nachträglicher Anschluss der Erben ist dann nicht mehr möglich, selbst wenn ihnen an sich ein eigenes Anschlussrecht als Angehörige eines Getöteten zustünde (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO).

Hatte der verstorbene Nebenkläger ein Rechtsmittel wie eine Berufung oder Revision eingelegt, so gilt dieses als zurückgenommen. Die Erben können das Rechtsmittel nicht fortführen. Denn in der juristischen Sekunde des Versterbens wird das zunächst angefochtene Urteil rechtskräftig.

Hinsichtlich der Kosten gilt: Die durch den Tod des Nebenklägers beendete Nebenklage führt dazu, dass die bis dahin entstandenen Kosten des Nebenklageverfahrens „aus dem Nachlass zu erstatten sind“, also von den Erben getragen werden müssen. Dies gilt auch für die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Zusammenhang mit der Nebenklage. Denn nach § 473 Abs. 1 S. 1, S. 3 StPO fallen die Kosten eines zurückgenommenen Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten dem Nebenkläger zur Last.

Der Tod des Nebenklägers führt also zum endgültigen Ende der Nebenklage, ohne dass die Erben diese fortführen oder eigene Rechtsmittel einlegen könnten. Die bis dahin entstandenen Nebenklagekosten müssen aus dem Nachlass beglichen werden.

Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen der Nebenklage und der Privatklage im Hinblick auf die Fortführbarkeit nach dem Tod des Klägers?

Es bestehen folgende wesentliche Unterschiede zwischen der Nebenklage und der Privatklage im Hinblick auf die Fortführbarkeit nach dem Tod des Klägers:

Bei der Nebenklage verliert die Anschlusserklärung des Nebenklägers durch dessen Tod automatisch ihre Wirkung, die Nebenklage ist damit beendet (§ 402 StPO). Ein nachträglicher Anschluss der Erben ist dann nicht mehr möglich, selbst wenn ihnen an sich ein eigenes Anschlussrecht als Angehörige eines Getöteten zustünde (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Die Nebenklage endet mit dem Versterben des Nebenklägers endgültig, die Erben können nicht in dessen Rechtsstellung eintreten.

Im Gegensatz dazu kann die Privatklage nach dem Tod des Privatklägers von den nach § 374 Abs. 2 StPO zur Erhebung der Privatklage Berechtigten fortgesetzt werden (§ 393 Abs. 2 StPO). Die Fortsetzung muss von dem Berechtigten binnen zwei Monaten ab dem Tod des Privatklägers bei Gericht erklärt werden, sonst geht das Recht verloren (§ 393 Abs. 3 StPO). Die Privatklage ist also im Gegensatz zur Nebenklage nach dem Tod des Klägers grundsätzlich fortführbar.

Der Grund für diesen Unterschied liegt in der unterschiedlichen Rechtsnatur beider Klagen:

Die Nebenklage ist lediglich ein Anschluss an die von der Staatsanwaltschaft erhobene öffentliche Klage. Sie dient den höchstpersönlichen Interessen des Verletzten, die nicht vererbbar sind. Mit dem Tod des Nebenklägers entfällt daher die Grundlage für die Nebenklage.

Die Privatklage ist dagegen eine eigenständige Klage des Verletzten anstelle der öffentlichen Klage. Sie dient auch der Durchsetzung vermögensrechtlicher Interessen, die auf die Erben übergehen können. Daher ist eine Fortsetzung durch die Erben möglich, wenn sie rechtzeitig erklärt wird.

Zusammengefasst endet die Nebenklage stets mit dem Tod des Nebenklägers, während die Privatklage unter bestimmten Voraussetzungen von den Erben fortgeführt werden kann. Dieser Unterschied folgt aus der akzessorischen Natur der Nebenklage im Gegensatz zur eigenständigen Stellung der Privatklage.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 402 StPO (Strafprozessordnung): Beendigung der Nebenklage durch Tod des Nebenklägers
    Die Regelung verdeutlicht, dass die Anschlusserklärung eines Nebenklägers mit dessen Tod ihre Wirkung verliert, was bedeutet, dass die Nebenklage nicht fortgeführt werden kann und somit die eingelegte Berufung als zurückgenommen gilt.
  • § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO: Anschlussrecht bestimmter Angehöriger als Nebenkläger
    Erläutert, unter welchen Voraussetzungen Angehörige eines durch eine Straftat Verletzten das Recht haben, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen. Dies ist im vorliegenden Kontext relevant, da geprüft wurde, ob der Sohn des verstorbenen Nebenklägers diese Rolle übernehmen kann.
  • § 473 Abs. 1 StPO: Kostenentscheidung bei Zurücknahme eines Rechtsmittels
    Diese Vorschrift regelt, wer die Kosten eines Verfahrens trägt, wenn ein Rechtsmittel zurückgenommen wird. Im Kontext des Falles bedeutet dies, dass der verstorbene Nebenkläger bzw. dessen Nachlass für die Kosten aufkommen muss.
  • § 383 Abs. 2 StPO: Sukzession bei der Privatklage
    Während diese Vorschrift eine Sukzession bei der Privatklage erlaubt, fehlt eine ähnliche Regelung für die Nebenklage. Dies unterstreicht die Entscheidung, dass eine Fortführung der Nebenklage durch Erben nicht vorgesehen ist.
  • § 168 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Fortwirken der Vollmacht über den Tod hinaus
    Im Kontext diskutiert, ob eine vom Nebenkläger erteilte Vollmacht nach dessen Tod weiterhin Gültigkeit besitzt, um rechtliche Schritte im Namen des Verstorbenen vorzunehmen. Dies hat Einfluss auf die Möglichkeit, gegen Kostenentscheidungen vorzugehen.
  • § 675 BGB: Geschäftsbesorgungsvertrag
    Relevant für die Frage, ob und inwiefern die Beauftragung eines Rechtsanwalts als Geschäftsbesorgung auch nach dem Tod des Mandanten fortbesteht und damit verbundene Handlungen rechtens sind.
  • § 672 BGB: Fortbestehen des Auftrags nach Tod des Auftraggebers
    Ergänzt die obige Erörterung durch die Klarstellung, dass ein Auftrag unter bestimmten Umständen auch nach dem Tod des Auftraggebers nicht erlischt, was für die Handlungsfähigkeit des bevollmächtigten Anwalts nach dem Tod des Nebenklägers relevant ist.


Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 3 Ws 66 – 67/23 – 121 AR 259/23 – Beschluss vom 22.01.2024

Die sofortige Beschwerde des verstorbenen Nebenklägers gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 18. Oktober 2023 wird verworfen, soweit sie sich dagegen richtet, dass dem Nebenkläger die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Freigesprochenen entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt worden sind.

Die gegen die versagte Zulassung als Nebenkläger gerichtete Beschwerde des Y wird verworfen.

Der verstorbene Nebenkläger und Herr Y haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen, der verstorbene Nebenkläger zugleich die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen.

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Ihm war vorgeworfen worden, als Autofahrer die Vorfahrt des mit einem Fahrrad fahrenden späteren Nebenklägers X missachtet und diesem hierdurch schwere Verletzungen zugefügt zu haben, die zu einer gänzlichen Lähmung führten. Gegen das freisprechende Urteil hat der durch Rechtsanwalt Z vertretene Nebenkläger Berufung eingelegt. Noch bevor es zur Berufungshauptverhandlung gekommen ist, ist der Nebenkläger am 24. Juni 2023 verstorben. Der Rechtsanwalt hat dies dem Berufungsgericht mitgeteilt und zugleich – schriftlich – beantragt, den Angeklagten nunmehr wegen „Körperverletzung mit Todesfolge bzw. fahrlässiger Körperverletzung zu verurteilen“. Hiernach hat Rechtsanwalt Z die Vertretung des Herrn Y, Sohn des verstorbenen Nebenklägers, angezeigt und erklärt, dass „dieser die Nebenklage nach dem Tod des Nebenklägers fortführt“. Weiter hat er beantragt, Y „als Nebenkläger zuzulassen in dem Sinne, dass dieser die Position des verstorbenen Nebenklägers übernimmt und die Berufung mit den in der Berufungsschrift gestellten Anträgen fortführt“.

Das Landgericht Berlin hat durch Beschluss vom 18. Oktober 2023 zunächst festgestellt, dass die Anschlusserklärung durch den Tod des Nebenklägers seine Wirkung verloren habe, wodurch die noch nicht beschiedene Berufung hinfällig sei (§ 402 StPO). Durch denselben Beschluss sind dem verstorbenen Nebenkläger die Kosten der Berufung mit der Folge auferlegt worden, dass sie aus dessen Nachlass zu erstatten seien. Schließlich ist, gleichfalls durch diesen Beschluss, der Antrag des Y auf Zulassung der Nebenklage mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sei.

Rechtsanwalt Z hat „sofortige Beschwerde“ gegen den gesamten Beschluss eingelegt. Dieses Rechtsmittel stellt sich als sofortige Beschwerde des verstorbenen Nebenklägers gegen die Kostenentscheidung sowie als Beschwerde des Y gegen die Versagung der Zulassung als Nebenkläger dar. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde des Y gegen die Versagung der Zulassung als Nebenkläger ist unbegründet, weil das Strafprozessrecht eine Fortführung der Nebenklage durch Angehörige nicht vorsieht (a) und eine eigene Anschlusserklärung nach dem Versterben des Nebenklägers nicht mehr möglich war (b).

a) Ein „Eintreten“ in die Nebenklage oder eine Fortführung durch Angehörige des verstorbenen Nebenklägers ist durch die StPO nicht vorgesehen (vgl. BGH NStZ 2009, 174; Allgayer in Karlsruher Kommentar, StPO 9. Aufl., § 402 Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl., § 402 Rn. 4). Eine solche Sukzession normiert zwar § 383 Abs. 2 StPO für die Privatklage. Für die Nebenklage fehlt eine entsprechende Regelung indes. Mit dem Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 hat der Gesetzgeber die Verweisung in § 397 Abs. 1 a. F. StPO auf Vorschriften der Privatklage vielmehr bewusst beseitigt, so dass eine analoge Anwendung nicht mehr in Betracht kommt (vgl. Valerius in Münchener Kommentar, StPO, § 402 Rn. 8). Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn der Tod des Nebenklägers, was hier keinesfalls fernliegt, durch die zu seinem Anschluss berechtigende Straftat herbeigeführt worden ist (vgl.Valerius in Münchener Kommentar, a.a.O.).

b) Auch konnte sich der Beschwerdeführer Y nach dem Tod des Nebenklägers nicht mehr aus eigenem Recht wirksam der erhobenen öffentlichen Anklage anschließen.

Zwar steht diese Befugnis im Grundsatz auch dem Kind eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten zu (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn sich der öffentlichen Klage bereits der Verstorbene, noch zu Lebzeiten, als Nebenkläger angeschlossen hatte. Denn nach § 402 StPO verliert die Anschlusserklärung durch den Tod des Nebenklägers ihre Wirkung. Da die Nebenklage mit dem Versterben beendet ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. § 402 Rn. 6) und die vom Nebenkläger eingelegte Berufung als zurückgenommen gilt (vgl. OLG Celle NJW 1953, 1726; Allgayer in Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 402 Rn. 5), wird das zunächst angefochtene Urteil in der juristischen Sekunde des Versterbens rechtskräftig.

Angesichts der durch das Versterben des Nebenklägers eingetretenen Rechtskraft des Freispruchs konnte auch der Beschwerdeführer Y nicht mehr den Anschluss nach § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO erklären. Im Zeitpunkt der Anschlusserklärung gab es die durch § 395 Abs. 1 StPO vorausgesetzte öffentliche Klage nicht mehr.

2. Die sofortige Beschwerde des verstorbenen Nebenklägers gegen die vom Landgericht für das Berufungsverfahren getroffene Kostengrundentscheidung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

a) Dass der Nebenkläger verstorben ist, steht der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen. Zwar ist umstritten, ob die zu Lebzeiten erteilte Vertretungsvollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus fortwirkt und den Vertreter jedenfalls zur Stellung von Kosten- und Auslagenerstattungsanträgen sowie zur Einlegung von Beschwerden gegen ablehnende Entscheidungen ermächtigt (bejahend Hanseatisches OLG, NJW 1971, 2183; 1983, 464; OLG Hamm NJW 1978, 177; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 246; OLG Celle NJW 2002, 3720; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl., Vor § 137 Rn. 7; Kühl, NJW 1978, 977, 980 [allesamt den Verteidiger betreffend]; a. A. Hanseatisches OLG wistra 2004, 39). Der Senat geht jedoch mit der wohl herrschenden Meinung von einem solchen Fortbestehen aus. Nach § 168 BGB bestimmt sich das Erlöschen der Vollmacht nämlich nach dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis, hier also nach dem zwischen dem Nebenkläger und seinem Vertreter bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB). Auf diesen ist § 672 BGB anzuwenden, wonach der Auftrag im Zweifel nicht durch den Tod des Auftraggebers erlischt. Dieses Ergebnis ist hier auch sachgerecht, weil nach dem Tod des Nebenklägers noch über die Verfahrenskosten und die Tragung der notwendigen Auslagen zu entscheiden war. Die durch diese Konstellation erzeugte Interessenlage legt es nahe, dass der Vertreter die Interessen des Verstorbenen (und damit „indirekt“ die der Erben) auch weiterhin vertritt (vgl. Kühl, NJW 1978, 977).

b) Die sofortige Beschwerde des verstorbenen Nebenklägers ist jedoch nicht begründet. Denn nach § 402 StPO hat die Anschlusserklärung des Nebenklägers durch dessen Tod ihre Wirkung verloren. Damit ist die Nebenklage beendet (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. § 402 Rn. 6), und das ausschließlich vom Nebenkläger eingelegte Rechtsmittel, die Berufung, gilt als zurückgenommen (vgl. OLG Celle NJW 1953, 1726; Allgayer in Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 402 Rn. 5).

Die Kosten eines zurückgenommenen Rechtsmittels treffen nach § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO grundsätzlich denjenigen, der es eingelegt hat. Nach § 473 Abs. 1 Satz 3 StPO gilt dies auch ausdrücklich für die Nebenklage. Damit hat das Landgericht dem verstorbenen Nebenkläger zutreffend die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Freigesprochenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt. Gleichfalls zutreffend hat das Landgericht formuliert, dass dies zur Folge hat, dass die auferlegten Kosten „aus dem Nachlass zu erstatten sind“ (vgl. OLG Celle NJW 1953, 1726; Thüringisches OLG, MDR 1995, 1071; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 402 Rn. 6).

3. Die Beschwerdeführer haben gemäß § 473 Abs. 1 StPO die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel zu tragen, der verstorbene Nebenkläger nach § 473 Abs. 1 Satz 3 StPO zugleich die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen. In Bezug auf den verstorbenen Nebenkläger ergeht die Kostenentscheidung mit der Maßgabe, dass die Kosten aus dem Nachlass zu erstatten sind.

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