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Nichteröffnung des Hauptverfahrens – unterbliebene Kosten- und Entschädigungsentscheidung

Nach monatelanger Untersuchungshaft wegen Mordverdachts kommt es für einen Mann zur überraschenden Wende: Das Oberlandesgericht Köln hebt den Haftbefehl auf und stellt fest, dass kein dringender Tatverdacht besteht. Doch damit ist der Fall noch nicht abgeschlossen, denn es entbrennt ein Rechtsstreit um die Kostenübernahme für das Verfahren. Kann der Staat zur Kasse gebeten werden, obwohl das Hauptverfahren gar nicht eröffnet wurde?

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Gericht hat entschieden, dass die Kosten des Hauptverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers von der Staatskasse getragen werden.
  • Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, jedoch wurde die Beschwerdegebühr um die Hälfte reduziert.
  • Die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren wurden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt; die andere Hälfte muss er selbst tragen.
  • Der Beschwerdeführer war aufgrund eines Europäischen Haftbefehls in Polen in Auslieferungshaft genommen und an Deutschland ausgeliefert worden.
  • Der Haftbefehl beruhte auf dem Vorwurf des gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub.
  • Das Oberlandesgericht Köln hob den Haftbefehl wegen mangelnden dringenden Tatverdachts auf und ordnete die sofortige Entlassung des Beschwerdeführers an.
  • Das Landgericht Aachen beschloss, das Hauptverfahren aus tatsächlichen Gründen nicht zu eröffnen, da kein hinreichender Tatverdacht feststellbar war.
  • Der Beschwerdeführer legte Beschwerde ein und beantragte die Übernahme seiner Kosten und notwendigen Auslagen durch die Staatskasse sowie eine Entschädigung für die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen.
  • Das Gericht entschied, dass die Kosten und notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen sind, wenn die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird.
  • Eine Entscheidung über die Entschädigung des Beschwerdeführers für die erlittene Haft wurde noch nicht getroffen; diese muss nachgeholt werden.

Gerichtsurteil zur Nichteröffnung des Hauptverfahrens: Klärung der Kostenfrage

Ein Verfahren vor Gericht kann sehr unterschiedlich verlaufen. Manchmal kommt es zu einem Urteil, manchmal wird das Verfahren jedoch eingestellt. Eine Möglichkeit dafür ist die Nicht-Eröffnung des Hauptverfahrens. Dies geschieht, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder das Verfahren aus anderen Gründen aussichtslos erscheint.

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch die Frage, was passiert, wenn im Zuge der Nichteröffnung des Hauptverfahrens keine Entscheidung über die Kosten und eine mögliche Entschädigung getroffen wird. Diese Frage ist von juristischem Interesse, da sie die Rechte der Beteiligten betrifft. Denn wer die Kosten des Verfahrens trägt und wer gegebenenfalls eine Entschädigung erhält, muss geklärt werden.

Im Folgenden soll nun ein konkretes Gerichtsurteil zum Thema Nichteröffnung des Hauptverfahrens und der fehlenden Kosten- und Entschädigungsentscheidung näher beleuchtet werden.

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Der Fall vor Gericht


Nichteröffnung des Hauptverfahrens: Kostenübernahme durch den Staat bei mangelndem Tatverdacht

Im vorliegenden Fall geht es um einen Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 20.08.2015 (Az.: III-2 Ws 523/15), der sich mit den Folgen einer Nichteröffnung des Hauptverfahrens befasst. Der Fall dreht sich um einen Mann, der ursprünglich des gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub verdächtigt wurde. Die rechtliche Auseinandersetzung begann, als der Beschwerdeführer aufgrund eines Europäischen Haftbefehls am 17.11.2014 in Polen festgenommen und am 18.12.2014 an Deutschland ausgeliefert wurde. Er befand sich daraufhin in Untersuchungshaft.

Aufhebung des Haftbefehls und Nichteröffnung des Hauptverfahrens

Die Wendung in dem Fall trat ein, als das Oberlandesgericht Köln am 02.06.2015 den Haftbefehl aufhob und die sofortige Entlassung des Beschwerdeführers anordnete. Der Grund dafür war ein mangelnder dringender Tatverdacht. In der Folge beschloss das Landgericht Aachen am 15.07.2015 die Nichteröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschwerdeführer aus tatsächlichen Gründen. Das Gericht stellte fest, dass kein hinreichender Tatverdacht vorlag.

Rechtliche Herausforderung: Kosten- und Auslagenentscheidung

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall bestand darin, dass das Landgericht Aachen in seinem Beschluss zur Nichteröffnung des Hauptverfahrens keine Entscheidung über die Kosten und Auslagen getroffen hatte. Der Beschwerdeführer legte daraufhin sofortige Beschwerde ein und beantragte, seine Kosten und notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Zudem forderte er die Feststellung, dass er für die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen sei.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln: Kostenübernahme durch den Staat

Das Oberlandesgericht Köln entschied in seinem Beschluss wie folgt:

  1. Die sofortige Beschwerde gegen die Unterlassung der Kosten- und Auslagenentscheidung wurde als statthaft und zulässig erachtet. Das Gericht begründete dies damit, dass die Beschränkung des § 464 Abs. 3 S. 1 2. HS. StPO dem nicht entgegensteht, da die Anfechtung der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht generell ausgeschlossen ist.
  2. Das Gericht ordnete an, dass die Kosten des Hauptverfahrens und die dem Beschwerdeführer darin entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen sind. Dies erfolgte gemäß § 467 Abs. 1 StPO.
  3. Bezüglich der Kosten des Beschwerdeverfahrens entschied das Gericht, dass diese dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind. Allerdings wurde die Beschwerdegebühr auf die Hälfte ermäßigt.
  4. Die dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt. Die andere Hälfte muss er selbst tragen.
  5. Hinsichtlich der Entschädigung für die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen erklärte das Gericht die Beschwerde für unzulässig. Es begründete dies damit, dass noch keine beschwerdefähige Entscheidung vorlag, da das Landgericht Aachen in seinem ursprünglichen Beschluss keine Entscheidung über die Entschädigung getroffen hatte. Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass diese Entscheidung vom zuständigen Gericht nachgeholt werden muss.

Der Fall verdeutlicht die komplexen rechtlichen Konsequenzen, die sich aus der Nichteröffnung eines Hauptverfahrens ergeben können. Er zeigt auch, wie wichtig es ist, dass Gerichte in ihren Beschlüssen alle notwendigen Aspekte, einschließlich der Kosten- und Auslagenentscheidungen, berücksichtigen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Kostenregelung bei Nichteröffnung des Hauptverfahrens. Sie verdeutlicht, dass der Staat die Kosten und notwendigen Auslagen des Beschuldigten zu tragen hat, wenn kein hinreichender Tatverdacht besteht. Gleichzeitig zeigt der Fall die Notwendigkeit einer vollständigen gerichtlichen Entscheidung, die alle relevanten Aspekte, einschließlich Kosten und Entschädigung, umfasst. Dies dient dem Schutz der Rechte des Beschuldigten und der Rechtssicherheit.


FAQ – Häufige Fragen

Nichteröffnung des Hauptverfahrens: Kostenübernahme durch den Staat bei mangelndem Tatverdacht – ein Thema, das viele Menschen beschäftigt. Oftmals stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Kosten für ein Ermittlungsverfahren vom Staat übernommen werden, wenn das Verfahren eingestellt wird. In dieser FAQ-Rubrik erhalten Sie präzise und verständliche Antworten auf Ihre Fragen rund um dieses rechtlich komplexe Thema.


Wer trägt die Kosten, wenn das Hauptverfahren nicht eröffnet wird?

Bei einer Nichteröffnung des Hauptverfahrens trägt in der Regel die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten. Dies ist in § 467 Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Die Vorschrift besagt, dass soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last fallen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Regelung den Angeschuldigten finanziell entlasten soll, wenn sich der Tatverdacht nicht erhärtet hat. Die Staatskasse übernimmt in diesen Fällen sowohl ihre eigenen Auslagen als auch die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten. Zu den notwendigen Auslagen können beispielsweise Anwaltskosten, Reisekosten oder Verdienstausfälle gehören, die dem Angeschuldigten im Zusammenhang mit dem Verfahren entstanden sind.

Allerdings gibt es Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Kostenübernahme durch die Staatskasse. Wenn der Angeschuldigte durch schuldhafte Säumnis Kosten verursacht hat, werden ihm diese auferlegt. Das bedeutet, wenn der Angeschuldigte beispielsweise unentschuldigt nicht zu einem Vernehmungstermin erscheint und dadurch zusätzliche Kosten entstehen, muss er diese selbst tragen.

Eine weitere Ausnahme besteht, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage durch eine falsche Selbstanzeige veranlasst hat. In diesem Fall werden seine notwendigen Auslagen nicht von der Staatskasse übernommen. Diese Regelung soll verhindern, dass jemand das Justizsystem missbraucht, indem er sich fälschlicherweise selbst bezichtigt.

Es ist auch zu beachten, dass die Kostenentscheidung Teil des Nichteröffnungsbeschlusses ist. Wenn die Staatsanwaltschaft gegen diesen Beschluss Beschwerde einlegt, wird die Kostenentscheidung erst mit der Rechtskraft des Beschlusses wirksam. Das bedeutet, dass die endgültige Entscheidung über die Kostentragung erst feststeht, wenn keine Rechtsmittel mehr gegen den Nichteröffnungsbeschluss eingelegt werden können oder diese erfolglos geblieben sind.

In der Praxis wird die Kostenentscheidung üblicherweise im Beschluss über die Nichteröffnung des Hauptverfahrens mit aufgenommen. Ein typischer Wortlaut könnte lauten: „Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Angeschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen“.

Die Kostenregelung bei Nichteröffnung des Hauptverfahrens ist ein wichtiger Aspekt des Rechtsstaatsprinzips. Sie soll sicherstellen, dass Personen, gegen die kein ausreichender Tatverdacht besteht, nicht durch finanzielle Belastungen zusätzlich benachteiligt werden. Gleichzeitig schafft sie einen Anreiz für die Strafverfolgungsbehörden, sorgfältig zu prüfen, ob tatsächlich hinreichender Tatverdacht für die Eröffnung eines Hauptverfahrens vorliegt.

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Kann man eine Entscheidung über die Kosten- und Auslagenübernahme anfechten?

Die Anfechtung einer Entscheidung über die Kosten- und Auslagenübernahme ist grundsätzlich möglich, unterliegt jedoch bestimmten Voraussetzungen und Einschränkungen.

Gemäß § 464 Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) ist gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen die sofortige Beschwerde zulässig. Diese Beschwerde muss innerhalb einer Woche nach Bekanntmachung der Entscheidung eingelegt werden. Die kurze Frist erfordert besondere Aufmerksamkeit der Betroffenen.

Allerdings gibt es eine wichtige Einschränkung: Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das bedeutet, dass die Möglichkeit zur Anfechtung der Kostenentscheidung eng mit der Anfechtbarkeit der Hauptsache verknüpft ist.

Ein interessanter Aspekt ergibt sich aus der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle. Das Gericht hat entschieden, dass kein Fristversäumnis vorliegt, wenn der Verteidiger irrtümlich davon ausging, dass eine korrekte Kosten- und Auslagenentscheidung getroffen wurde. In solchen Fällen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht, da die Frist gar nicht erst zu laufen begann.

Für Nebenkläger gelten besondere Regelungen. Das Oberlandesgericht Hamm hat klargestellt, dass die §§ 464 Abs. 3 S. 1, 2. Hs., 400 Abs. 1 StPO der Anfechtung einer Kostenscheidung durch den Nebenkläger nicht entgegenstehen. § 400 Abs. 1 StPO beseitigt nicht die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels, sondern versagt dem Nebenkläger nur für einen bestimmten Fall die Beschwer.

Bei der Anfechtung von Kostenentscheidungen im Zivilprozess gelten andere Regeln. Nach § 99 Absatz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist die Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Dies unterstreicht die enge Verknüpfung zwischen der Anfechtbarkeit der Hauptsache und der Kostenentscheidung.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Anfechtung einer Kostenentscheidung oft komplexe rechtliche Fragen aufwirft. Die Erfolgsaussichten hängen von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab, einschließlich der Art des Verfahrens, der getroffenen Entscheidung und der Rolle des Anfechtenden im Verfahren.

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Was passiert, wenn das Gericht keine Entscheidung zur Entschädigung trifft?

Bei einer fehlenden Entscheidung des Gerichts zur Entschädigung steht den Betroffenen ein Rechtsmittel zur Verfügung. Gemäß § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) muss das Gericht über die Verpflichtung zur Entschädigung in dem Urteil oder in dem Beschluss entscheiden, der das Verfahren abschließt. Sollte diese Entscheidung ausbleiben, kann dagegen vorgegangen werden.

Das Oberlandesgericht Köln hat in seinem Beschluss vom 20.08.2015 (Az. III-2 Ws 523/15) klargestellt, dass gegen eine fehlende Kostenentscheidung im Nichteröffnungsbeschluss die sofortige Beschwerde statthaft ist. Diese Rechtsauffassung lässt sich auf die Entschädigungsentscheidung übertragen, da beide Aspekte eng miteinander verknüpft sind.

Die sofortige Beschwerde ist ein Rechtsbehelf, der es den Betroffenen ermöglicht, die unterbliebene Entscheidung anzufechten und eine Nachholung zu erwirken. Sie muss innerhalb einer Woche nach Bekanntmachung der Entscheidung eingelegt werden. Durch dieses Rechtsmittel wird sichergestellt, dass das Gericht seine Pflicht zur Entscheidung über die Entschädigung nicht vernachlässigen kann.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Entschädigungsentscheidung von großer Bedeutung für die Betroffenen ist. Sie dient dazu, einen Ausgleich für erlittene Nachteile durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schaffen, insbesondere wenn sich diese im Nachhinein als ungerechtfertigt erweisen. Die Entschädigung kann beispielsweise Verdienstausfälle oder immaterielle Schäden abdecken.

Der Anspruch auf Entschädigung ergibt sich aus § 2 StrEG. Er steht denjenigen zu, die einen Freispruch erlangt haben, bei denen das Verfahren eingestellt wurde oder bei denen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde. In diesen Fällen hat das Gericht von Amts wegen über die Entschädigung zu entscheiden.

Sollte das Gericht trotz Einlegung der sofortigen Beschwerde keine Entscheidung treffen, besteht die Möglichkeit, den Instanzenzug zu beschreiten. Dies bedeutet, dass die nächsthöhere Instanz angerufen werden kann, um die Entscheidung über die Entschädigung herbeizuführen.

Es ist ratsam, bei einer fehlenden Entschädigungsentscheidung umgehend zu handeln. Die Wahrung der Beschwerdefrist ist entscheidend, um den Anspruch nicht zu verlieren. Zudem sollte in der Beschwerdebegründung deutlich gemacht werden, warum eine Entschädigungsentscheidung erforderlich ist und welche konkreten Nachteile durch die Strafverfolgungsmaßnahmen entstanden sind.

Die Möglichkeit, gegen eine unterbliebene Entschädigungsentscheidung vorzugehen, ist ein wichtiger Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips. Sie gewährleistet, dass Betroffene nicht schutzlos bleiben, wenn das Gericht seiner Pflicht zur Entscheidung nicht nachkommt. Gleichzeitig dient sie der Rechtssicherheit und dem Vertrauen in die Justiz, indem sie sicherstellt, dass alle relevanten Aspekte eines Verfahrens abschließend behandelt werden.

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Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Entschädigung für erlittene Haft zu erhalten?

Die Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft ist im Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) geregelt. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Entschädigung, wenn jemand durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat.

Voraussetzung für eine Entschädigung ist, dass das Strafverfahren mit einem Freispruch endet oder eingestellt wird. Auch bei einer Verurteilung kann in bestimmten Fällen ein Entschädigungsanspruch bestehen, etwa wenn die verhängte Strafe geringer ausfällt als die Dauer der Untersuchungshaft.

Der Anspruch auf Entschädigung muss innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden. Nach § 10 StrEG ist der Anspruch bei der zuständigen Behörde anzumelden. Die Frist dafür beträgt in der Regel sechs Monate ab Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung.

Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem erlittenen Schaden. Für den immateriellen Schaden, also den Freiheitsentzug an sich, sieht das Gesetz seit 2020 eine pauschale Entschädigung von 75 Euro pro Tag vor. Darüber hinaus können auch materielle Schäden wie Verdienstausfall geltend gemacht werden.

Es gibt jedoch Ausschlussgründe für eine Entschädigung. Nach § 5 StrEG wird keine Entschädigung gewährt, wenn der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn jemand ein falsches Geständnis abgelegt oder Beweismittel vernichtet hat.

Auch wenn der Beschuldigte wegen einer anderen Tat rechtskräftig verurteilt wird und die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, entfällt in der Regel der Entschädigungsanspruch. Dies gilt selbst dann, wenn die Untersuchungshaft für ein anderes Verfahren angeordnet wurde, in dem später ein Freispruch erfolgte.

Bei der Prüfung des Entschädigungsanspruchs spielt auch eine Rolle, ob die Untersuchungshaft rechtmäßig angeordnet wurde. War die Anordnung rechtswidrig, etwa weil kein dringender Tatverdacht vorlag, kann dies den Entschädigungsanspruch begründen, selbst wenn später eine Verurteilung erfolgt.

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Rechte von zu Unrecht Inhaftierten gestärkt. So hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass bei der Bemessung der Entschädigung auch die besonderen Belastungen der Untersuchungshaft zu berücksichtigen sind. Dazu gehören etwa die Trennung von Familie und sozialem Umfeld sowie mögliche berufliche Nachteile.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Entscheidung über die Entschädigung in der Regel zusammen mit dem Urteil oder dem verfahrensabschließenden Beschluss getroffen wird. Unterbleibt diese Entscheidung, kann sie nachträglich beantragt werden. Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Beschluss vom 20.08.2015 (Az. III-2 Ws 523/15) klargestellt, dass in solchen Fällen die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs erst mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung beginnt.

Die Entschädigung für Untersuchungshaft dient nicht nur dem Ausgleich erlittenen Unrechts, sondern hat auch eine wichtige rechtsstaatliche Funktion. Sie unterstreicht den Grundsatz der Unschuldsvermutung und soll einen Ausgleich für die oft gravierenden Folgen eines Freiheitsentzugs schaffen.

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Was bedeutet mangelnder Tatverdacht für das Verfahren und die Beteiligten?

Mangelnder Tatverdacht hat weitreichende Konsequenzen für das Strafverfahren und die daran Beteiligten. Er liegt vor, wenn nach den Ermittlungen eine Verurteilung des Beschuldigten unwahrscheinlicher ist als ein Freispruch.

Für das Verfahren bedeutet mangelnder Tatverdacht in der Regel dessen Einstellung. Die Staatsanwaltschaft ist gemäß § 170 Abs. 2 StPO verpflichtet, das Ermittlungsverfahren einzustellen, wenn kein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Dies geschieht, wenn die vorhandenen Beweise nicht ausreichen, um eine Verurteilung in einer Hauptverhandlung wahrscheinlich erscheinen zu lassen.

Für den Beschuldigten hat die Einstellung aufgrund mangelnden Tatverdachts positive Auswirkungen. Er gilt weiterhin als unschuldig und wird vollständig rehabilitiert. Es wird praktisch festgestellt, dass er als Täter nicht in Betracht kommt. Allerdings entfaltet die Einstellung keine Rechtskraft, sodass das Verfahren theoretisch wieder aufgenommen werden könnte, falls neue Beweise auftauchen. Dies kommt in der Praxis jedoch selten vor.

Für das mutmaßliche Opfer oder den Anzeigeerstatter kann die Einstellung frustrierend sein. Sie werden über die Einstellung durch einen schriftlich begründeten Bescheid informiert. Sind sie mit der Entscheidung nicht einverstanden, haben sie die Möglichkeit, ein Klageerzwingungsverfahren anzustrengen. Dazu müssen sie zunächst eine Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft einlegen und können dann gegebenenfalls eine gerichtliche Entscheidung des zuständigen Oberlandesgerichts beantragen.

Für die Staatsanwaltschaft bedeutet mangelnder Tatverdacht, dass sie keine Anklage erheben kann. Sie muss ihre Ermittlungen einstellen und kann das Verfahren nur dann wieder aufnehmen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel auftauchen, die einen hinreichenden Tatverdacht begründen könnten.

Für das Gericht hat mangelnder Tatverdacht zur Folge, dass es nicht zur Eröffnung eines Hauptverfahrens kommt. Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang ergibt sich aus einem Beschluss des OLG Köln (Az.: III-2 Ws 523/15 vom 20.08.2015). Darin wurde festgestellt, dass bei einer Nichteröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts eine unterbliebene Kosten- und Entschädigungsentscheidung nicht nachgeholt werden kann. Dies verdeutlicht die prozessualen Konsequenzen des mangelnden Tatverdachts.

Es ist wichtig zu betonen, dass mangelnder Tatverdacht nicht bedeutet, dass keine Straftat stattgefunden hat. Es heißt lediglich, dass die vorhandenen Beweise nicht ausreichen, um eine Verurteilung wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Dies kann verschiedene Gründe haben, wie etwa Mangel an Beweisen, nicht verwertbare Beweise aufgrund von Beweisverwertungsverboten oder die Unmöglichkeit, den Täter zu ermitteln.

Für die Rechtspflege insgesamt dient das Konzept des mangelnden Tatverdachts als wichtiger Filter. Es verhindert, dass Verfahren ohne ausreichende Beweisgrundlage vor Gericht gebracht werden. Dies schützt nicht nur die Rechte des Beschuldigten, sondern entlastet auch die Gerichte und trägt zur Effizienz des Justizsystems bei.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Untersuchungshaft: Untersuchungshaft ist eine vorläufige Inhaftierung einer Person, die einer Straftat verdächtigt wird. Sie dient dazu, die Ermittlungen zu sichern und zu verhindern, dass der Verdächtige flieht, Beweise vernichtet oder weitere Straftaten begeht. Ein Haftbefehl, der von einem Richter ausgestellt wird, ist dafür erforderlich.
  • Haftbefehl: Ein Haftbefehl ist eine gerichtliche Anordnung, die die Festnahme einer Person aufgrund eines dringenden Tatverdachts und bestimmter Haftgründe erlaubt. Er wird erlassen, um sicherzustellen, dass die verdächtige Person für die Dauer der Ermittlungen verfügbar bleibt und kein Schaden entsteht.
  • Dringender Tatverdacht: Dringender Tatverdacht liegt vor, wenn aufgrund konkreter Beweise eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte die Tat begangen hat. Dies ist eine Voraussetzung für die Anordnung der Untersuchungshaft und anderer Maßnahmen im Strafverfahren.
  • Hauptverfahren: Das Hauptverfahren ist der Abschnitt des Strafverfahrens, in dem die eigentliche Gerichtsverhandlung stattfindet. Hier werden Beweise geprüft, Zeugen befragt und letztlich ein Urteil gefällt. Ein Hauptverfahren wird nur eröffnet, wenn genügend Beweise für einen hinreichenden Tatverdacht vorliegen.
  • Sofortige Beschwerde: Die sofortige Beschwerde ist ein Rechtsmittel, mit dem eine gerichtliche Entscheidung schnell und ohne langes Verfahren angefochten werden kann. Sie muss innerhalb einer kurzen Frist nach Bekanntgabe der Entscheidung eingereicht werden und richtet sich gegen Entscheidungen, die nicht endgültig sind, aber sofortige Auswirkungen haben.
  • Entschädigung: Entschädigung ist ein finanzieller Ausgleich für Schäden oder Nachteile, die jemand durch staatliche Maßnahmen, wie z.B. ungerechtfertigte Untersuchungshaft, erlitten hat. Das deutsche Recht sieht vor, dass Personen, die zu Unrecht inhaftiert wurden, eine Entschädigung vom Staat erhalten können.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 467 Abs. 1 StPO (Kostenentscheidung bei Nichteröffnung des Hauptverfahrens): Dieser Paragraph regelt, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen sind, wenn das Hauptverfahren nicht eröffnet wird. Im vorliegenden Fall wurde dieser Paragraph angewendet, um die Kosten des Beschwerdeführers dem Staat aufzuerlegen, da das Hauptverfahren gegen ihn nicht eröffnet wurde.
  • § 464 Abs. 3 S. 1 2. HS. StPO (Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit): Dieser Paragraph schränkt die Möglichkeit ein, Rechtsmittel gegen Entscheidungen über Kosten und Auslagen einzulegen. Im vorliegenden Fall wurde diese Beschränkung jedoch nicht angewendet, da die Anfechtung der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht generell ausgeschlossen ist.
  • § 210 Abs. 2 StPO (Beschwerderecht bei Nichteröffnung des Hauptverfahrens): Dieser Paragraph gibt der Staatsanwaltschaft das Recht, gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens Beschwerde einzulegen. Im vorliegenden Fall war dies relevant, da der Beschwerdeführer argumentierte, dass die Beschränkung des § 464 Abs. 3 S. 1 2. HS. StPO nicht gilt, da die Anfechtung der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht generell ausgeschlossen ist.
  • § 311 Abs. 2 StPO (Frist für sofortige Beschwerde): Dieser Paragraph legt die Frist für die Einlegung einer sofortigen Beschwerde fest. Im vorliegenden Fall war dies relevant, um zu prüfen, ob die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers fristgerecht eingelegt wurde.
  • § 8 Abs. 1 S. 1 StrEG (Entschädigung bei Erledigung des Verfahrens): Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Entschädigung für Untersuchungsgefangene, wenn das Verfahren gegen sie eingestellt oder sie freigesprochen werden. Im vorliegenden Fall wurde dieser Paragraph herangezogen, um zu begründen, dass das Gericht über die Entschädigung des Beschwerdeführers hätte entscheiden müssen, als das Hauptverfahren nicht eröffnet wurde.

Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: III-2 Ws 523/15 – Beschluss vom 20.08.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Unter Verwerfung der weitergehenden sofortigen Beschwerde werden die Kosten des Hauptverfahrens und die dem Beschwerdeführer darin entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt, jedoch wird die Beschwerdegebühr auf die Hälfte ermäßigt.

Die dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt; im Übrigen hat er sie selbst zu tragen.

Gründe

I.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit der Vorlageverfügung vom 14.08.2015 den derzeitigen Sachstand wie folgt zusammengefasst:

„Der Beschwerdeführer ist aufgrund Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Aachen vom 27.10.2014 – 401 Js 171/06 (903 AR 142/14) – (Bl. 1159 ff. EA) am 17.11.2014 in Polen in Auslieferungshaft genommen und am 18.12.2014 von dort an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert worden; seither hat er sich in Untersuchungshaft befunden (Bl. 1207 f., 1246 f., 1843 f. EA). Grundlage des Europäischen Haftbefehls war der Haftbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 10.10.2014 – 620 Gs 1391/14 -, mit dem dem Beschwerdeführer gemeinschaftlicher Mord in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub zur Last gelegt wurde (Bl. 1144 ff. EA). Wegen dieser Tatvorwürfe hat die Staatsanwaltschaft Aachen unter dem 22.04.2015 gegen den Beschwerdeführer und zwei weitere Beschuldigte Anklage beim Landgericht – Schwurgericht – Aachen erhoben (Bl. 1512 ff. EA).

Durch Beschluss vom 02.06.2015 hat das Oberlandesgericht Köln – 2 Ws 335/15 – den Haftbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 10.10.2014 wie auch den zwischenzeitlich ergangenen Haftfortdauerbeschluss der Schwurgerichtskammer vom 11.05.2015 – 52 Ks 6/15 – (Bl. 1634 f. EA) mangels dringenden Tatverdachts aufgehoben und die sofortige Entlassung des Beschwerdeführers angeordnet (Bl. 1754 ff. EA), die am selben Tag erfolgt ist (Bl. 1713 EA).

Mit Verweis auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Köln in dem Beschluss vom 02.06.2015 hat das Landgericht Aachen sodann unter dem 15.07.2015 unter anderem die Nichteröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschwerdeführer aus tatsächlichen Gründen beschlossen – ein hinreichender Tatverdacht sei nicht feststellbar – (Bl. 1798 ff. EA) und die formlose Übersendung einer Beschlussausfertigung an den Verteidiger des Beschwerdeführers verfügt, die taggleich erfolgt ist (Bl. 1804, 1807 EA).

Gegen diesen, seinem Verteidiger am 20.07.2015 zugegangenen (Bl. 1827 EA) Beschluss hat der Beschwerdeführer mit beim Landgericht Aachen am selben Tag eingegangenem anwaltlichem Schreiben vom 24.07.2015 sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, seine Kosten und notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, sowie festzustellen, dass er für die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen zu entschädigen ist (Bl. 1827 f. EA).“

Darauf nimmt der Senat Bezug.

II.

1.

Gegen die Unterlassung der Kosten- und Auslagenentscheidung in dem die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschwerdeführer ablehnenden Beschluss der Schwurgerichtskammer vom 15.07.2015 ist die die sofortige Beschwerde des früheren Angeschuldigten statthaft. Die Beschränkung des § 464 Abs. 3 S. 1 2. HS. StPO steht dem nicht entgegen. § 464 Abs. 3 S. 1 1. HS StPO geht von einer grundsätzlichen Anfechtbarkeit der Kosten- und Auslagenentscheidung aus und erklärt – als Ausnahme – die Unzulässigkeit der Anfechtbarkeit, wenn die Anfechtbarkeit der Hauptentscheidung Sinne von § 464 Abs. 1 generell nicht statthaft ist, d.h.: schon nach der Art der Entscheidung schlechthin nicht zulässig ist, oder weil die betroffene Person grundsätzlich – unabhängig von der Frage der Beschwer im Einzelfall – nicht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt ist (BT-Drucks. 10/1313 S. 40; SenE vom 05.08.2010 – 2 Ws 471/10 = NStZ-RR 2010, 392; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 464 Rdn. 19; Franke in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage, § 464 Rdn. 8; Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 464 Rdn. 57).

Nach § 210 Abs. 2 StPO ist die Anfechtung der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht generell ausgeschlossen, sondern nur der Staatsanwaltschaft vorbehalten, weil der frühere Beschuldigte durch die Entscheidung nicht beschwert wird.

Für den Fall der Nichteröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 204 StPO ist daher die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde des früheren Beschuldigten gegen die Unterlassung einer Kosten-und Auslagenentscheidung anerkannt (vgl. OLG München StraFo 1997, 191; KG StraFo 2008, 265; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.; Hilger in Löwe-Rosenberg a.a.O.).

Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. In Ermangelung eines in den Akten befindlichen Nachweises über die erfolgte Zustellung des angegriffenen Beschlusses ist entsprechend den Angaben des Verteidigers davon auszugehen, dass diesem der Beschluss am 20.07.2015 zugegangen ist und er mit Schriftsatz vom 24.07.2015, der per Fax am selben Tag beim Landgericht Aachen eingegangen ist, innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt hat.

Das Rechtsmittel führt gemäß § 467 Abs. 1 StPO dazu, dass die Kosten und notwendigen Auslagen des früheren Beschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen sind. Hinsichtlich der Kosten führt zwar allein schon das Unterlassen einer darüber zu treffenden Entscheidung dazu, dass die Staatskasse diese zu tragen hat (Hilger in: Löwe-Rosenberg a.a.O. Rdn. 17; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rdn. 8 jeweils m.w.N.). Jedenfalls aus Gründen der Klarstellung ist insoweit aber ein gesonderter Ausspruch angezeigt.

2.

Soweit sich das Rechtsmittel gegen die unterbliebene Entscheidung über die Entschädigung des Beschwerdeführers nach dem StrEG richtet, ist es nicht statthaft, weil noch keine beschwerdefähige Entscheidung vorliegt.

Zwar war die Kammer nach § 8 Abs. 1 S. 1StrEG verpflichtet, mit der verfahrensabschließenden Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens über die Verpflichtung zur Entschädigung des Beschuldigten für die erlittene Auslieferungs- und Untersuchungshaft zu entscheiden.

Anders als bei einer unterbliebenen Entscheidung über die notwendigen Auslagen nach § 464 Abs. 2 StPO kommt dem bloßen Schweigen über die Entschädigungsfrage in der verfahrensabschließenden Entscheidung aber nicht die Bedeutung einer Versagung der Entschädigung zu (OLG Stuttgart NStZ 2001, 496; OLG Celle NStZ-RR 2011, 264; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 8 StrEG Rdn. 7 m.w.N.)

Ist eine Entscheidung beim Vorliegen eines entschädigungsfähigen Tatbestandes unterblieben, so kann und muss sie durch das dafür zuständige Gericht nachgeholt werden (OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Düsseldorf StraFo 1999, 286; OLG Celle a.a.O.; OLG Nürnberg NJW 2006, 1826; KG NStZ 2010, 284; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 8 StrEG Rdn. 7)

Erst dann liegt eine beschwerdefähige Entscheidung vor; vorher ist die sofortige Beschwerde nicht statthaft, denn nach allgemeinen Regeln kann ein Rechtsmittel erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung eingelegt werden (OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O. ; OLG Celle a.a.O.; OLG Nürnberg a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O.). Der Strafprozessordnung ist eine reine Untätigkeitsbeschwerde fremd. Zwar unterliegt grundsätzlich auch die Unterlassung einer von Amts wegen oder auf Antrag zu treffenden gerichtlichen Entscheidung der Anfechtung. Dies gilt jedoch in aller Regel nur dann, wenn der Unterlassung die Bedeutung einer endgültigen Ablehnung zukommt (BGH NJW 1993, 1279). Das ist, wie ausgeführt, vorliegend nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO.


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