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Nothilfe als Notwehr zu Gunsten eines Dritten

Ein Mann schlug einem anderen mit solcher Wucht ins Gesicht, dass dieser mehrere Frakturen erlitt – und wurde dafür verurteilt, obwohl er vorgab, in Nothilfe gehandelt zu haben. Das Bayerische Oberste Landgericht bestätigte nun das Urteil und betonte die Grenzen der Nothilfe, selbst wenn es darum geht, einen Dritten zu schützen. War der Faustschlag wirklich unverhältnismäßig oder eine gerechtfertigte Reaktion in einer Gefahrensituation?

Das Wichtigste in Kürze

  • Nothilfe bezeichnet die Notwehr im Interesse eines Dritten. Die Handlung muss unmittelbar und endgültig den Angriff abwehren und das mildeste zur Verfügung stehende Mittel sein.
  • Der Angreifer soll so weit wie möglich geschont werden, während eine effektive Verteidigung gewährleistet ist. Dies betrifft sowohl die Wahl des Mittels als auch dessen Intensität und Dauer.
  • Maßgeblich für die Beurteilung der Notwehrlage sind die konkreten Umstände, wie die Gefährlichkeit des Angreifers und die Verteidigungsmöglichkeiten des Angegriffenen.
  • Ein kraftvoller Schlag gegen die Schläfenregion wird in der Regel als lebensgefährdend angesehen.
  • Die Revision des Angeklagten gegen das Ersturteil wurde als unbegründet angesehen und abgelehnt.
  • Trotz der Meinung des Angeklagten, er habe in Notwehr gehandelt, wurde seine Handlung nicht als gerechtfertigte Nothilfe anerkannt.
  • Eine gerechtfertigte Nothilfesituation erfordert, dass das eingesetzte Mittel dem Angreifer den geringsten Schaden zufügt, während es den Angriff effektiv abwehrt.
  • Der Angeklagte muss die Kosten des Rechtsmittels tragen, da keine Rechtsfehler zu seinem Nachteil gefunden wurden.

Nothilfe im deutschen Recht: Notwehr und Verhältnismäßigkeit im Fokus

Nothilfe ist ein zentrales Konzept im deutschen Recht, das es einer Person erlaubt, in bestimmten Situationen Gewalt anzuwenden, um eine andere Person vor einem rechtswidrigen Angriff zu schützen. Dies fällt unter das Notwehrrecht, das sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Aspekte umfasst. Bei der Ausübung von Nothilfe muss jedoch stets die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, um einen Eingriff in die Rechte Dritter zu vermeiden. Der Schutz von Personen und Eigentum bleibt dabei stets das vorrangige Ziel. In diesem Kontext ist die rechtliche Grundlage entscheidend, um etwaige Schadensersatzansprüche zu klären. Der folgende Fall zeigt auf, wie sich diese Prinzipien in einer konkreten Gefährdungslage entfalten.

Der Fall vor Gericht


Nothilfe-Schlag führt zu Verurteilung: Bayerisches Oberstes Landgericht bestätigt Urteil

In einem kürzlich ergangenen Beschluss hat das Bayerische Obste Landgericht (BayObLG) die Verurteilung eines Mannes wegen gefährlicher Körperverletzung bestätigt.

Rechtliche Grenzen der Nothilfe und Notwehr
Das Bayerische Oberste Landgericht bestätigt die Verurteilung eines Mannes wegen gefährlicher Körperverletzung trotz Nothilfe, da die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt wurde.(Symbolfoto: Ideogram gen.)

Der Angeklagte hatte einen heftigen Faustschlag gegen den Kopf des Opfers geführt, was zu mehreren Frakturen im Gesichtsbereich führte. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die rechtlichen Grenzen der Nothilfe und die Beurteilung von potenziell lebensgefährlichen Handlungen.

Tathergang und Verletzungen

Laut Feststellungen des Landgerichts Nürnberg-Fürth setzte der Angeklagte einen „heftigen unangekündigten Faustschlag“ gegen das Opfer, als er den Eindruck hatte, dieses würde auf einen Zeugen losgehen. Der Schlag verursachte beim Geschädigten eine Jochbeinfraktur, eine Orbitabodenfraktur und eine Kieferhöhlenwandfraktur. Das Opfer konnte sich nach eigener Aussage nicht an den unmittelbaren Tathergang erinnern.

Rechtliche Beurteilung der Nothilfe

Das BayObLG stellte klar, dass Nothilfe als „Notwehr zu Gunsten eines Dritten“ zu verstehen ist. Eine Nothilfehandlung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie zur „sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt“ und das „mildeste Abwehrmittel“ darstellt, das in der konkreten Situation zur Verfügung steht. Das Gericht betonte, dass die „Pflicht, den Angreifer so weit zu schonen, wie dies im Rahmen einer effektiven Verteidigung möglich ist“, nicht nur bei der Wahl des Mittels, sondern auch bei dessen konkreter Ausgestaltung zu beachten sei.

Verhältnismäßigkeit der Handlung

Im vorliegenden Fall sah das Gericht die Voraussetzungen für eine gerechtfertigte Nothilfe als nicht erfüllt an. Es argumentierte, dass dem Angeklagten schonendere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um den drohenden Angriff abzuwehren. Als Beispiele nannte das Gericht „die Androhung eines Einschreitens zur Unterstützung des Zeugen, ein Dazwischentreten oder auch ein weniger heftig geführter Schlag“.

Beurteilung als lebensgefährdende Behandlung

Das BayObLG bestätigte die Einschätzung, dass der Faustschlag als „lebensgefährdende Behandlung“ zu werten sei. Es verwies darauf, dass insbesondere „ein wuchtiger Fausthieb gegen die Schläfenregion“ in der Regel eine objektiv lebensgefährdende Behandlung darstelle. Für den Vorsatz sei es ausreichend, dass der Täter die Umstände erkenne, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Handelns ergebe, auch wenn er diese nicht als solche bewerte.

Vorherige Verurteilung und Alkoholisierung

Das Gericht berücksichtigte in seiner Entscheidung, dass der Angeklagte bereits 2015 wegen eines ähnlichen Vorfalls verurteilt worden war, bei dem er einem Geschädigten „mit einem schwungvoll geführten Faustschlag den Kiefer gebrochen“ hatte. Trotz der Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt ging das Gericht davon aus, dass er „um die Wucht seiner Schläge und seine Technik, mittels Körperkraft Frakturen im Gesichtsbereich herbeizuführen“, wusste.

Das BayObLG verwarf die Revision des Angeklagten und bestätigte somit das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Der Verurteilte muss die Kosten des Rechtsmittels tragen. Dieser Fall unterstreicht die Komplexität der rechtlichen Beurteilung von Nothilfesituationen und die Notwendigkeit, auch in Konfliktsituationen verhältnismäßig zu handeln.


Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung des BayObLG verdeutlicht die engen Grenzen der Nothilfe. Selbst bei vermeintlicher Bedrohung eines Dritten muss das mildeste verfügbare Mittel gewählt werden. Ein wuchtiger Faustschlag gegen den Kopf überschreitet diese Grenze deutlich und kann als lebensgefährdende Behandlung gewertet werden. Die Verhältnismäßigkeit der Abwehrhandlung ist stets zu wahren, unabhängig von Alkoholisierung oder früheren Verurteilungen des Täters.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil verdeutlicht die engen Grenzen der Nothilfe im Alltag. Wenn Sie in eine Situation geraten, in der Sie einem Dritten helfen wollen, müssen Sie äußerst vorsichtig vorgehen. Selbst wenn Sie glauben, dass jemand angegriffen wird, rechtfertigt dies nicht automatisch jede Form der Gewaltanwendung. Das Gericht erwartet von Ihnen, dass Sie zunächst mildere Mittel wie verbale Warnungen oder ein Dazwischentreten in Betracht ziehen. Ein heftiger Schlag, besonders gegen den Kopf, wird als unverhältnismäßig und potenziell lebensgefährlich angesehen. Bedenken Sie, dass selbst wenn Sie in guter Absicht handeln, Sie strafrechtliche Konsequenzen riskieren, wenn Ihr Eingreifen als übermäßig beurteilt wird. Es ist ratsam, in Konfliktsituationen Besonnenheit zu bewahren und professionelle Hilfe, wie die Polizei, hinzuzuziehen, wenn möglich.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine gerechtfertigte Nothilfe?

Die Nothilfe ist eine Form der Notwehr, bei der Sie nicht sich selbst, sondern einen Dritten gegen einen Angriff verteidigen. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine gerechtfertigte Nothilfe sind im § 32 des Strafgesetzbuchs (StGB) geregelt. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:

Notwehrlage

Eine Nothilfesituation liegt vor, wenn ein gegenwärtiger und rechtswidriger Angriff auf einen Dritten stattfindet.

  • Gegenwärtig bedeutet, dass der Angriff unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert. Wenn Sie beispielsweise beobachten, wie jemand gerade überfallen wird, liegt ein gegenwärtiger Angriff vor.
  • Rechtswidrig ist ein Angriff, wenn er nicht durch das Recht gedeckt ist. Stellen Sie sich vor, Sie sehen, wie ein Ladendieb von einem Sicherheitsbeamten festgehalten wird. In diesem Fall wäre ein Eingreifen Ihrerseits nicht gerechtfertigt, da der Sicherheitsbeamte rechtmäßig handelt.

Nothilfehandlung

Ihre Verteidigungshandlung muss erforderlich und geboten sein:

  • Erforderlich ist Ihre Handlung, wenn sie geeignet ist, den Angriff sofort und endgültig abzuwehren, und das mildeste zur Verfügung stehende Mittel darstellt. Wenn Sie beispielsweise einen Angreifer durch lautes Rufen abschrecken können, wäre ein körperlicher Eingriff nicht erforderlich.
  • Geboten bedeutet, dass Ihre Handlung in einem angemessenen Verhältnis zum Angriff steht. Bei einem leichten Angriff dürfen Sie keine unverhältnismäßig schweren Verletzungen zufügen.

Verteidigungswille

Sie müssen mit dem Willen handeln, den Angriff abzuwehren und den Angegriffenen zu verteidigen. Wenn Sie zufällig einen Angreifer verletzen, ohne die Absicht zu haben, jemanden zu verteidigen, liegt keine Nothilfe vor.

Einschränkungen

In bestimmten Fällen kann das Nothilferecht eingeschränkt sein:

  • Bei einem krassen Missverhältnis zwischen Angriff und Verteidigung müssen Sie sich auf mildere Mittel beschränken.
  • Wenn der Angegriffene den Angriff ausdrücklich dulden will, ist eine Nothilfe in der Regel nicht zulässig. Dies gilt jedoch nicht für nicht disponible Rechtsgüter wie das Leben.

Beachten Sie, dass die Nothilfe nur gegen den Angreifer selbst gerichtet sein darf. Ein Eingriff in die Rechte unbeteiligter Dritter ist im Rahmen der Nothilfe nicht gerechtfertigt.

Wenn Sie sich in einer potenziellen Nothilfesituation befinden, müssen Sie schnell einschätzen, ob alle diese Voraussetzungen erfüllt sind. Im Zweifelsfall ist es ratsam, zunächst die Polizei zu rufen und nur einzugreifen, wenn dies unbedingt erforderlich ist, um schwere Schäden abzuwenden.


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Wie wird die Verhältnismäßigkeit einer Nothilfehandlung beurteilt?

Die Verhältnismäßigkeit einer Nothilfehandlung wird nach ähnlichen Grundsätzen wie bei der Notwehr beurteilt. Das Prinzip des „mildesten Mittels“ steht dabei im Vordergrund. Dies bedeutet, dass Sie als Nothelfer das am wenigsten schädliche Mittel wählen müssen, das den Angriff sicher abwehren kann.

Beurteilung der Erforderlichkeit

Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit prüfen Gerichte zunächst die Erforderlichkeit der Nothilfehandlung. Eine Handlung gilt als erforderlich, wenn sie geeignet ist, den Angriff sofort und endgültig abzuwehren. Stellen Sie sich vor, Sie beobachten, wie jemand mit Fäusten angegriffen wird. In diesem Fall wäre es unverhältnismäßig, sofort eine Schusswaffe einzusetzen, wenn der Angriff auch durch einen gezielten Stoß oder den Einsatz von Pfefferspray beendet werden könnte.

Abwägung der Mittel

Die Wahl des Verteidigungsmittels muss in einem angemessenen Verhältnis zur Intensität des Angriffs stehen. Gerichte berücksichtigen dabei Faktoren wie die Art und Gefährlichkeit des Angriffs, die körperlichen Eigenschaften von Angreifer und Angegriffenem sowie die zur Verfügung stehenden Verteidigungsmittel. Wenn Sie beispielsweise sehen, wie ein kräftiger Mann eine ältere Person angreift, dürfen Sie als Nothelfer möglicherweise härtere Mittel einsetzen, als wenn es sich um einen Streit zwischen gleichstarken Personen handeln würde.

Grenzen der Verhältnismäßigkeit

Trotz des grundsätzlich weitreichenden Nothilferechts gibt es Grenzen der Verhältnismäßigkeit. Bei einem krassen Missverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und dem durch die Nothilfe verletzten Rechtsgut kann die Handlung unverhältnismäßig sein. Wenn Sie beobachten, wie jemand einen Apfel von einem Obststand stiehlt, wäre es unverhältnismäßig, den Dieb mit einem gefährlichen Gegenstand zu verletzen.

Beurteilung aus Ex-ante-Sicht

Wichtig ist, dass die Verhältnismäßigkeit der Nothilfehandlung aus der Sicht des Nothelfers zum Zeitpunkt der Tat beurteilt wird (Ex-ante-Betrachtung). Wenn Sie in einer Situation schnell reagieren müssen, wird berücksichtigt, dass Sie unter Stress stehen und möglicherweise nicht alle Umstände vollständig erfassen können.

Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Nothilfehandlung spielt also eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle. Als Nothelfer sollten Sie stets versuchen, die Situation richtig einzuschätzen und das mildeste Mittel zu wählen, das den Angriff sicher abwehren kann.


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Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei einer unverhältnismäßigen Nothilfehandlung?

Bei einer unverhältnismäßigen Nothilfehandlung drohen strafrechtliche Konsequenzen. Wenn Sie in einer Nothilfesituation die Grenzen des Erlaubten überschreiten, können Sie sich selbst strafbar machen.

Strafbarkeit wegen Körperverletzung oder Tötungsdelikten

Überschreiten Sie das Maß der erforderlichen Verteidigung, können Sie sich wegen Körperverletzung nach § 223 StGB strafbar machen. In schweren Fällen droht sogar eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 StGB. Kommt es zu einem Todesfall, ist eine Strafbarkeit wegen Totschlags nach § 212 StGB oder sogar Mordes nach § 211 StGB möglich.

Strafmaß und mögliche Milderungen

Das Strafmaß hängt von der Schwere der Tat ab. Bei einfacher Körperverletzung drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Gefährliche Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Bei Totschlag liegt der Strafrahmen zwischen fünf und fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe.

Allerdings kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen, wenn Sie in einer Nothilfesituation die Grenzen aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten haben. Dies regelt der sogenannte Notwehrexzess nach § 33 StGB.

Zivilrechtliche Folgen

Neben strafrechtlichen Konsequenzen müssen Sie bei einer unverhältnismäßigen Nothilfehandlung auch mit zivilrechtlichen Ansprüchen rechnen. Der Geschädigte kann Schadensersatz und Schmerzensgeld fordern.

Bedeutung der Verhältnismäßigkeit

Um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden, müssen Sie in einer Nothilfesituation stets die Verhältnismäßigkeit wahren. Ihre Verteidigungshandlung muss erforderlich und geboten sein. Stellen Sie sich vor, Sie beobachten, wie jemand eine Handtasche stiehlt. In diesem Fall wäre es unverhältnismäßig, den Dieb mit einem Messer schwer zu verletzen. Eine solche Reaktion würde die Grenzen der Nothilfe deutlich überschreiten und könnte zu einer Strafbarkeit führen.


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Wie beeinflusst die subjektive Wahrnehmung einer Bedrohungssituation die rechtliche Beurteilung der Nothilfe?

Die subjektive Wahrnehmung einer Bedrohungssituation spielt eine wichtige Rolle bei der rechtlichen Beurteilung der Nothilfe. Gerichte berücksichtigen, dass Sie in einer Stresssituation möglicherweise nicht alle Umstände vollständig erfassen können.

Beurteilung aus Ex-ante-Sicht

Bei der Bewertung einer Nothilfesituation wird grundsätzlich eine objektive Ex-ante-Betrachtung angewandt. Das bedeutet, die Situation wird aus der Perspektive eines verständigen Beobachters zum Zeitpunkt der Handlung beurteilt. Dabei wird Ihnen zugutegehalten, dass Sie in der Regel wenig Zeit haben, um die Lage vollständig zu erfassen.

Einfluss der subjektiven Wahrnehmung

Ihre subjektive Wahrnehmung der Bedrohungssituation kann die rechtliche Beurteilung in mehreren Aspekten beeinflussen:

  1. Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung: Wenn Sie die Situation als gefährlicher einschätzen, als sie objektiv ist, kann eine stärkere Verteidigungshandlung gerechtfertigt sein. Stellen Sie sich vor, Sie sehen in der Dunkelheit einen Gegenstand, den Sie für eine Waffe halten – in diesem Fall dürfen Sie sich entsprechend verteidigen, auch wenn sich später herausstellt, dass es sich um einen harmlosen Gegenstand handelte.
  2. Irrtum über die Notwehrlage: Wenn Sie irrtümlich annehmen, dass eine Nothilfesituation vorliegt (sogenannter Erlaubnistatbestandsirrtum), werden Sie nicht wegen vorsätzlicher Tat bestraft. Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt jedoch möglich, wenn Ihr Irrtum vermeidbar war.
  3. Intensität der Abwehrhandlung: Die Gerichte berücksichtigen, dass Sie in einer Bedrohungssituation unter Stress und Angst stehen. Daher wird ein gewisses Übermaß bei der Verteidigung toleriert, solange es nicht völlig unverhältnismäßig ist.

Grenzen der subjektiven Wahrnehmung

Trotz der Berücksichtigung Ihrer subjektiven Wahrnehmung gibt es Grenzen:

  • Offensichtliche Fehleinschätzungen: Wenn Ihre Wahrnehmung der Situation völlig unrealistisch ist, kann dies zu einer negativen rechtlichen Beurteilung führen.
  • Verhältnismäßigkeit: Auch wenn Sie die Situation subjektiv als bedrohlich empfinden, muss Ihre Reaktion in einem angemessenen Verhältnis zum wahrgenommenen Angriff stehen.
  • Sorgfaltspflicht: Von Ihnen wird erwartet, dass Sie die Situation so sorgfältig wie möglich einschätzen, bevor Sie zur Nothilfe schreiten.

Wenn Sie in eine Situation geraten, in der Sie Nothilfe leisten möchten, ist es wichtig, dass Sie versuchen, die Lage so gut wie möglich einzuschätzen. Bedenken Sie dabei, dass Ihre subjektive Wahrnehmung zwar berücksichtigt wird, aber nicht jede Fehleinschätzung rechtfertigt.


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Welche alternativen Handlungsoptionen sollten in einer potenziellen Nothilfesituation in Betracht gezogen werden?

In einer potenziellen Nothilfesituation stehen Ihnen verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung, die Sie je nach Lage und Gefährdungsgrad in Betracht ziehen sollten:

Verbale Deeskalation

Die verbale Deeskalation ist oft die sicherste und effektivste Methode. Sprechen Sie den Angreifer ruhig und bestimmt an. Versuchen Sie, die Situation zu entschärfen, indem Sie Ich-Botschaften verwenden und die Gefühle des Angreifers anerkennen. Ein Beispiel wäre: „Ich sehe, dass Sie sehr aufgebracht sind. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir die Situation lösen können.“

Hilfe holen

Andere Personen einbeziehen kann die Situation entschärfen. Rufen Sie laut um Hilfe oder sprechen Sie gezielt Umstehende an. Oft reicht schon die Anwesenheit weiterer Personen, um einen Angreifer zu verunsichern. Wenn möglich, beauftragen Sie jemanden, die Polizei zu rufen.

Ablenkung

Eine Ablenkungsstrategie kann wirksam sein, um die Aufmerksamkeit des Angreifers vom Opfer abzulenken. Lassen Sie beispielsweise absichtlich einen Gegenstand fallen oder rufen Sie etwas Überraschendes. Dies kann dem Opfer die Möglichkeit geben, sich in Sicherheit zu bringen.

Schutzwehr

Wenn ein körperlicher Eingriff unvermeidbar ist, sollten Sie zunächst Schutzwehr in Betracht ziehen. Dabei geht es darum, den Angriff abzuwehren, ohne selbst aktiv gegen den Angreifer vorzugehen. Sie könnten beispielsweise versuchen, einen Schlag zu blocken oder das Opfer aus der Gefahrenzone zu ziehen.

Dokumentation

Wenn die Situation es zulässt, dokumentieren Sie das Geschehen. Machen Sie Fotos oder Videos mit Ihrem Smartphone. Diese können später als Beweismittel dienen. Achten Sie dabei auf Ihre eigene Sicherheit und die der anderen Beteiligten.

Trutzwehr als letztes Mittel

Nur wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind und eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht, kann aktive Verteidigung (Trutzwehr) gerechtfertigt sein. Dabei müssen Sie das mildeste Mittel wählen, das den Angriff sicher abwehrt. Bedenken Sie, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss.

Bevor Sie in einer Nothilfesituation handeln, schätzen Sie die Lage ein. Fragen Sie sich: Ist ein sofortiges Eingreifen nötig? Können Sie die Situation ohne Gefahr für sich selbst entschärfen? Oft ist es die klügste Entscheidung, professionelle Hilfe zu rufen und die Situation aus sicherer Entfernung zu beobachten. Ihre eigene Sicherheit sollte immer an erster Stelle stehen.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie spezielle Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Nothilfe

Nothilfe ist eine rechtliche Handlung, die es einer Person erlaubt, Gewalt einzusetzen, um einen Dritten vor einem rechtswidrigen Angriff zu schützen. Nothilfe fällt unter das Notwehrrecht im deutschen Strafrecht (§ 32 StGB). Ähnlich wie bei der Notwehr muss auch bei der Nothilfe die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Das bedeutet, das eingesetzte Mittel muss geeignet, erforderlich und das mildeste sein.

Beispiel: Wenn jemand sieht, dass eine andere Person attackiert wird, und den Angreifer mit einem leichten Schubsen auf Abstand hält, handelt es sich um Nothilfe, solange diese Handlung das mildeste Mittel darstellt.

Im Kontext des vorliegenden Falls wurde die Handlung des Angeklagten als unverhältnismäßig bewertet, da er andere, weniger aggressive Maßnahmen hätte ergreifen können.

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Verhältnismäßigkeit

Die Verhältnismäßigkeit ist ein Grundsatz, der sicherstellt, dass eine Handlung nicht über das erforderliche Maß hinausgeht, um ein Ziel zu erreichen. Im Kontext der Nothilfe bedeutet dies, dass das gewählte Mittel geeignet und erforderlich sein muss und gleichzeitig dem geringsten Eingriff in die Rechte anderer darstellt.

Beispiel: Wenn jemand angegriffen wird, ist es unverhältnismäßig, den Angreifer schwer zu verletzen, wenn eine weniger schwere Maßnahme wie Zurückhalten oder Schreien ausgereicht hätte.

In diesem Fall stellte das Gericht fest, dass ein heftiger Faustschlag gegen den Kopf unverhältnismäßig war, da andere, weniger extreme Mittel zur Verfügung standen.

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Rechtswidriger Angriff

Ein rechtswidriger Angriff ist eine Handlung, die ohne rechtliche Grundlage erfolgt und eine Beeinträchtigung von Rechtsgütern, wie Leben, Gesundheit oder Eigentum, darstellt. Ein solcher Angriff rechtfertigt in bestimmten Fällen Notwehr oder Nothilfe.

Beispiel: Wenn jemand versucht, einen anderen ohne Vorwarnung zu schlagen, ist das ein rechtswidriger Angriff, gegen den sich der Angegriffene verteidigen darf.

Im besagten Fall entstand die Diskussion, ob der Angriff auf den Zeugen hinreichend konkret war, um vom Angeklagten abgewehrt werden zu dürfen.

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Mäßigste Mittel

Das mäßigste Mittel ist dasjenige, welches das geringste Maß an Schaden anrichtet, um einen Angriff abzuwenden oder eine Rechtsgüterverletzung zu verhindern. Bei der Abwehr eines Angriffs muss immer das mildeste zur Verfügung stehende Mittel gewählt werden (§ 32 StGB).

Beispiel: Wenn man einen Angreifer anschreit, um einen Angriff zu stoppen, statt ihn zu schlagen, nutzt man das mäßigste Mittel.

Das Gericht urteilte, dass der Angeklagte andere, weniger schädigende Mittel hätte ergreifen sollen, um den Angriff auf den Zeugen zu vereiteln.

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Lebensgefährdende Behandlung

Eine lebensgefährdende Behandlung liegt vor, wenn eine Handlung objektiv geeignet ist, das Leben einer Person erheblich zu gefährden. Dies kann zu einer Verschärfung der strafrechtlichen Bewertung führen.

Beispiel: Ein kräftiger Schlag gegen den Kopf, der schwere Verletzungen verursachen kann, wird als lebensgefährdende Behandlung eingestuft.

In diesem konkreten Fall wurde der Faustschlag des Angeklagten als lebensgefährdend angesehen, da er mit solcher Wucht ausgeführt wurde, dass mehrere Frakturen die Folge waren.

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Revision

Die Revision ist ein Rechtsmittel, mit dem eine gerichtliche Entscheidung überprüft wird, um mögliche Rechtsfehler zu entdecken (§ 349 Abs. 2 StPO). Sie überprüft nicht die Tatsachen, sondern korrigiert rechtliche Mängel.

Beispiel: Wenn ein Urteil unter Missachtung rechtlicher Normen gefällt wurde, könnte eine Revision zur Korrektur oder Aufhebung des Urteils führen.

In dem Fall des Angeklagten verwarf das BayObLG die Revision, da es keine Rechtsfehler im vorherigen Urteil erkannte.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 32 StGB (Notwehr): Diese Vorschrift regelt die Notwehr im deutschen Strafrecht. Eine Tat ist gerechtfertigt, wenn sie zur sofortigen und endgültigen Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs dient und dabei das mildeste Mittel verwendet wird. Dies bedeutet, dass der Angegriffene bei der Wahl der Verteidigungshandlung darauf achten muss, den Angreifer möglichst wenig zu schädigen. Im vorliegenden Fall wurde die Nothilfe des Angeklagten als nicht gerechtfertigt erachtet, da die Bedingungen für eine Notwehrhandlung nicht erfüllt waren und die eingesetzten Mittel als unverhältnismäßig angesehen wurden.
  • § 349 Abs. 2 StPO (Revision): Dieser Paragraph befasst sich mit den Rahmenbedingungen für die Prüfung von Rechtsmitteln in der Strafprozessordnung. Ein Rechtsmittel wird verworfen, wenn keine Rechtsfehler vorliegen, die dem Angeklagten nachteilig sind. Das Gericht hat in diesem Fall bestätigt, dass die Beweiswürdigung hinsichtlich der Schuldsprüche korrekt durchgeführt wurde, was zu der Entscheidung führte, dass die Revision unbegründet war, da keine Rechtsfehler im Urteil des Landgerichts festgestellt werden konnten.
  • BGH-Rechtsprechung zu § 32 StGB: Die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fordert, dass bei der Notwehr immer das mildeste Mittel angewandt werden muss. Dies beinhaltet sowohl die Auswahl des Mittels als auch die Art und Weise seiner Anwendung, wobei die Intensität und Dauer des Einsatzes berücksichtigt werden müssen. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass der Angeklagte in der konkreten Situation nicht die mildeste Abwehrmaßnahme gewählt hatte, was zur Ablehnung der Rechtfertigung seiner Handlung führte.
  • Gesetzliche Regelungen zur Erforderlichkeit der Verteidigung: Bei der Anwendung von Notwehr ist es entscheidend, die Verhältnismäßigkeit der Verteidigungshandlungen zu wahren. Nur wenn die gewählte Maßnahme im Zusammenhang mit der Angriffsituation steht und tatsächlich zur effektiven Abwehr führt, kann sie rechtlich gerechtfertigt sein. Der Fall zeigt auf, dass die Handlung des Angeklagten nicht im Einklang mit einer erforderlichen und angemessenen Verteidigung stand.
  • Kontext der Kampflage: Maßgeblich für die Bewertung der Notwehr ist die konkrete Situation, in der sich die Beteiligten befinden. Faktoren wie die Stärke und Gefährlichkeit des Angreifers sowie die Verteidigungsmöglichkeiten müssen in die Betrachtung einfließen. In diesem Fall wurde festgelegt, dass die Kampflage nicht so beschaffen war, dass die Reaktion des Angeklagten als zwingend notwendig oder gerechtfertigt hätte angesehen werden können.

Das vorliegende Urteil

BayObLG – Az.: 203 StRR 73/24 – Beschluss vom 12.03.2024


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