Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 2 Ws 137/19 – 1 OBL 81/19 – Beschluss vom 02.12.2019
Die Beschwerde des Angeklagten … gegen den die Verhängung von Ordnungsmitteln betreffenden Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Altona, Abteilung 327c, vom 16. August 2019 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe
I.
Gegen den Angeklagten hat das Amtsgericht Hamburg-Altona am 11. Mai 2019 einen Strafbefehl erlassen, mit dem gegen ihn wegen Nötigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 EUR verhängt worden ist. Auf seinen Einspruch hin hat das Amtsgericht in der Zeit vom 3. Juni 2019 bis zum 20. August 2018 die Hauptverhandlung durchgeführt. Mit Beschluss vom 16. August 2019, dem sechsten Tage der Hauptverhandlung, hat das Amtsgericht gegen den Angeklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 EUR, ersatzweise fünf Tage Ordnungshaft, wegen „ungebührlichen Verhaltens in Form von ehrverletzenden Äußerungen“ verhängt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte über seinen Verteidiger mit am 23. August 2019 eingegangener Beschwerde, auf deren kostenpflichtige Verwerfung die Generalstaatsanwaltschaft angetragen hat.
II.
Die Beschwerde des Angeklagten ist zulässig (§§ 181 Abs. 1 GVG, 306 Abs. 1, 296 Abs. 1 StPO), bleibt aber nach Überprüfung durch den gemäß § 181 Abs. 3 GVG zuständigen Senat ohne Erfolg.
1. Der Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses stehen formelle Mängel nicht entgegen.
a) Der amtsgerichtliche Beschluss leidet nicht an einem durchgreifenden Begründungsmangel.
aa) Nach § 178 Abs. 1 GVG kann unter anderem gegen Beschuldigte, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Die Entscheidung, sofern diese sich nicht gegen Personen richtet, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, trifft nach § 178 Abs. 2 GVG das Gericht.
Die gem. § 182 GVG in das Sitzungsprotokoll aufzunehmende Entscheidung nach § 178 GVG bedarf grundsätzlich gem. § 34 StPO einer Begründung, der im Beschwerdeverfahren nach § 181 GVG hervorgehobene Bedeutung zukommt. In diesem Verfahren sind die Befugnisse des Beschwerdegerichts, das im Allgemeinen gemäß § 309 Abs. 2 StPO, gegebenenfalls aufgrund eigener Sachaufklärung, die in der Sache erforderliche Entscheidung erlässt, eingeschränkt, da die Kompetenz zur Anordnung von Ordnungsmitteln Ausfluss der sitzungsleitenden Gewalt des Tatrichters ist (vgl. HansOLG NJW 1999, 2607), die zeitlich und räumlich mit der Sitzung endet (Schmitt, a.a.O., § 181 GVG Rn. 6; Kissel/Mayer, GVG, § 178 Rn. 48). Für das Beschwerdegericht muss daher feststehen, auf welcher Grundlage das Tatgericht seine Entscheidung nach § 178 GVG erlassen hat.
Geht dies aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht hervor oder fehlt eine solche, führt der Mangel allerdings nicht in jedem Fall zur Aufhebung der Anordnung. Es reicht aus, wenn auf Grund der gem. § 182 GVG erforderlichen Protokollierung des den Beschluss veranlassenden Geschehens für den Betroffenen der Anordnungsgrund außer Zweifel steht und auf dieser Grundlage für das Beschwerdegericht die Festsetzung des Ordnungsgeldes in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht dem Grunde und der Höhe nach überprüfbar ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschl. v. 7. Februar 2018 (Az.: 2 Ws 22/18); Beschl. v. 23. März 2006 (Az.: 2 Ws 36/06); Beschl. v. 8. Juni 2005 (Az.: 2 Ws 82/05); vgl. ferner OLG Celle, Beschl. v. 17. Januar 2012 (Az.: 1 Ws 504/11) (juris); Meyer-Goßner/Schmitt § 178 GVG Rn. 16, § 182 GVG Rn. 3 f.; LR-Wickern § 178 GVG Rn. 40, § 181 GVG Rn. 11, § 182 GVG Rn. 4, 10 ff.).
Aus der Protokollierung des veranlassenden Verhaltens und des Beschlusses nach § 182 GVG muss dabei zweifelsfrei ersichtlich sein, wegen welchen Verhaltens des Betroffenen das Ordnungsmittel angeordnet worden ist (Senat, a.a.O.; OLG Düsseldorf NStZ 1988, 238; OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. August 1990, Az.: 1 Ws 201/90). Das veranlassende Verhalten ist in der Sitzungsniederschrift konkret festzuhalten, wobei bloße Wertungen oder abstrakte Darstellungen, die eine konkrete Subsumtion nicht ermöglichen, grundsätzlich nicht ausreichen (Wickern, a.a.O., § 182 GVG Rn. 4 m.w.N.).
bb) Diesen Anforderungen ist vorliegend hinreichend genügt.
(1) Zwar enthält der angefochtene Beschluss zur Begründung nur den Hinweis, dass die Anordnung „wegen ungebührlichen Verhaltens in Form von ehrverletzenden Äußerungen“ ergangen ist, ohne das entsprechende Verhalten des Angeklagten konkret zu bezeichnen.
(2) Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 16. August 2019 ist indessen zweifelsfrei zu ersehen, dass das Amtsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, dass der Angeklagte die Vorsitzende in der Hauptverhandlung zweimal als eine „furchtbare Juristin“ bezeichnet hat.
Im Einzelnen ergibt das Protokoll, dass im Laufe der Hauptverhandlung zwischen 8.49 Uhr und 8.55 Uhr der Angeklagte zunächst gegenüber der Vorsitzenden erklärt hat:
„Sie verweigern eine Auseinandersetzung mit der Sache. Es ist ein Beweis wie sie befangen über mich handeln. Die Staatsanwältin hat eine Weisung von oben. Sie kann sich nicht anders verhalten. Genauso wie sie liebe Vorsitzende. Sie sind nicht gebunden, sie sind unabhängig. Die StAin ist jung und Anfängerin. Man kann auch eine Reinemachekraft hier hinsetzen.
Es ist gut das zwei Justizwachtmeister da sind so wenig Impulskontrolle wie sie haben.“
Das Protokoll ergibt weiter, dass nach anschließender kurzer Unterbrechung und Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.03 Uhr die Vorsitzende dem Angeklagten für den Fall der „Wiederholung einer ehrverletzenden Äußerung ein Ordnungsgeld“ angedroht hat. Nachdem der Verteidiger in Bezug hierauf die Benutzung des Wortes „Wiederholung“ beanstandet hatte, hat die Vorsitzende erklärt: „Für mich ist das eine Ehrverletzende Äußerung, dass der Angeklagte in Richtung der StAin geäußert hat, sie sei eine arme junge Frau und man könne eine Reinigungskraft an ihre Stelle setzen.“.
Im weiteren Verlauf sind zunächst unter anderem Äußerungen des Angeklagten, Protokollierungsfragen und die Beiziehung weiterer Akten erörtert worden. Nachdem nach neuerlicher Unterbrechung und Fortsetzung der Hauptverhandlung um 10.33 Uhr zunächst ein Gerichtsbeschluss ergangen war, gibt das Protokoll den anschließenden Verlauf der Hauptverhandlung wie folgt wieder:
„Der Angeklagte erklärt auf die Frage, ob er Angaben zur Person mache:
Ich habe noch eine Prozesserklärung und zwei Beweisanträge.
Der Angeklagte verliest eine Erklärung, die als Anlage 33 zu Protokoll genommen wird. Als der Angeklagte die Wendung „im Auftrag der furchtbaren Juristin, Frau Dr. … (Bl. 8/9 d. Anl. 33) verliest, entzieht die Vorsitzende ihm das Wort.
Der Angeklagte erklärt, die Vorsitzende sei eine furchtbare Juristin.
b.u.v.
Gegen den Angeklagten wird wegen ungebührlichen Verhaltens in Form von ehrverletzenden Äußerungen ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 EUR, ersatzweise 5 Tage Ordnungshaft, verhängt.“
In der vorstehend in Bezug genommenen Anlage 33 zum Protokoll der Hauptverhandlung, die eine Stellungnahme des Angeklagten zur Tätigkeit des im Verfahren von der Vorsitzenden mit der Begutachtung seiner Verhandlungsfähigkeit beauftragten, von dem Angeklagten in besagter Erklärung als „Spinner“ bezeichneten Arztes Dr. S. enthält, die der Angeklagte unter anderem mit den Begriffen „Schrott“ und „Unsinn“ umschreibt, heißt es in dem von dem Wortentzug durch die Vorsitzende betroffenen Abschnitt:
„Dr. S. ist ein Scharlatan. Dann auch noch zu behaupten, dass er ´aktuell´, also in der Situation als er mich im Auftrag der furchtbaren Juristin, Frau Dr. M., 75 Minuten am Krankenbett belästigte …“
(3) Die im Protokoll der Hauptverhandlung festgehaltenen Abläufe ergeben, dass es sich bei den als ehrverletzend bewerteten Äußerungen, die der angefochtenen Ordnungsmittelanordnung zugrunde liegen, um die zweimalige, zunächst durch Verlesen der vorgenannten Erklärung vorgetragene sowie anschließend vom Angeklagten wiederholte Bezeichnung der Vorsitzenden als „furchtbare Juristin“ handelt.
Das Beschwerdegericht ist damit im Sinne der vorstehend erörterten Maßstäbe durch die Sitzungsniederschrift ausreichend in die Lage versetzt, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen.
b) Ebenfalls nicht aus formellen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt der Umstand, dass das Amtsgericht vor Erlass und Verkündung der Entscheidung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls dem Angeklagten hierzu nicht ausdrücklich rechtliches Gehör eingeräumt hat.
aa) Einem Betroffenen ist mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG, § 33 Abs. 1 StPO vor Festsetzung eines Ordnungsmittels grundsätzlich Gehör zu gewähren (Senat, Beschl. v. 23. März 2006, Az.: 2 Ws 36/06; Meyer-Goßner/Schmitt § 178 GVG Rn. 13 m.w.N.). Davon kann allerdings abgesehen werden, wenn dem Gericht mit Rücksicht auf Intensität oder Art der Ungebühr eine solche Anhörung nicht zugemutet werden kann (Kissel/Mayer, a.a.O. § 178 Rn. 46), etwa wenn Ungebühr und Ungebührwille völlig außer Frage stehen und eine Anhörung nur Gelegenheit zu weiteren Ausfälligkeiten gäbe (Senat, a.a.O.; OLG Köln, Beschl. v. 3. Februar 2010, Az.: 2 Ws 62/10; OLG Düsseldorf NStZ 1988, 238; Schmitt a.a.O., Rn. 14) oder wenn die betroffene Person bereits wiederholt verwarnt oder mit Ordnungsmitteln bedroht worden ist (Senat, Beschluss vom 21. Februar 2005, Az.: 2 Ws 36/05; Wickern, a.a.O., § 178 GVG Rn. 36).
bb) Demnach war vorliegend die Anhörung des Angeklagten und seines Verteidigers im Vorfeld der Ordnungsmittelanordnung entbehrlich. Dem Angeklagten waren im Beisein seines Verteidigers in der Hauptverhandlung vom 16. August 2019 Ordnungsmittel ausdrücklich für den Fall nochmaliger ehrverletzender Äußerungen angedroht worden. Ebenfalls für den Fall „weiterer ehrverletzender Äußerungen“ hatte die Vorsitzende ihm auch bereits am vorangehenden Hauptverhandlungstag, dem 1. August 2019, im Beisein seines Verteidigers die Verhängung von Ordnungsmitteln angedroht.
Darüber hinaus stehen auch Ungebühr und Ungebührwille des Angeklagten vor Ergehen der angefochtenen Entscheidung außer Frage, wie insbesondere daraus folgt, dass der Angeklagte seine Äußerung, die Vorsitzende sei eine „furchtbare Juristin“, in der von ihm vorgetragenen Erklärung bereits schriftlich vorformuliert hatte, und er zudem nach Entzug des Wortes in Kenntnis des Umstandes, dass die Vorsitzende ihm das Wort deshalb entzogen hatte, weil sie den Vortrag als erneute ehrverletzende Äußerung auffasste, diese Bezeichnung nochmals wiederholt hat. Dies lag – auch für den Verteidiger des Angeklagten – in der vorgenannten Hauptverhandlungssituation offen zutage.
2. In materieller Hinsicht lagen die Voraussetzungen der angefochtenen Anordnung von Ordnungsmitteln zunächst dem Grunde nach vor. Der Angeklagte hat sich einer Ungebühr i. S. d. § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG schuldig gemacht. Der damit verbundene Eingriff in seine grundgesetzlich gewährleisteten Rechte steht der Sanktionierung durch Ordnungsmittel nicht entgegen.
a) Sachliche Voraussetzung der Ordnungsmittelanordnung ist nach § 178 Abs. 1 GVG, dass der betroffene Verfahrensbeteiligte sich einer Ungebühr schuldig gemacht hat.
Ungebühr in diesem Sinne ist ein erheblicher Angriff auf die Ordnung (vgl. § 176 GVG) in der Sitzung, auf deren justizgemäßen Verlauf, auf den „Gerichtsfrieden“ und damit auf die Ehre und Würde des Gerichts, wohingegen ein lediglich prozessualen Vorschriften zuwiderlaufendes Verhalten als solches nicht genügt (Meyer-Goßner/Schmitt § 178 GVG Rn. 2). Grundsätzlich darf ein Verfahrensbeteiligter dabei auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen. Nicht gestattet bzw. im vorgenannten Sinne privilegiert sind demgegenüber ehrverletzende Äußerungen, die in keinem inneren Zusammenhang zur Ausführung oder Verteidigung der geltend gemachten Rechte stehen oder deren Unhaltbarkeit ohne weiteres auf der Hand liegt (BVerfG Beschl. v. 13. April 2007, Az.: 1 BvR 3174/06; Schmitt aaO. m.w.N.). Besteht das Verhalten in einen Richter betreffenden beleidigenden Äußerungen, steht § 22 Nr. 1 StPO der Verhängung eines Ordnungsmittels nicht entgegen (Schmitt aaO.).
Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit setzt die Sanktionierung einer Äußerung wegen Ungebühr demnach voraus, dass die Äußerung nach Zeitpunkt, Inhalt oder Form den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf in nicht unerheblichem Ausmaß gestört hat und die Sanktion dem Anlass angemessen ist. Einer Sanktion kann entgegenstehen, dass die Verfahrensstörung eine Spontanreaktion auf ein zumindest aus Sicht des Betroffenen beanstandungswürdiges Fehlverhalten der prozessualen Gegenseite oder des Gerichts war. In einer solchen Situation kann es jedenfalls dann unverhältnismäßig sein, eine Ordnungsmaßnahme nach § 178 Abs. 1 GVG zu ergreifen, wenn der Betroffene vorher nicht ermahnt worden ist (BVerfG NJW 2007, 2839).
Die Ungebühr muss außerdem nach § 178 Abs. 1 S. 1 GVG schuldhaft begangen worden sein, was nach Sinn und Zweck der Vorschrift im Sinne des Erfordernisses einer vorsätzlichen Begehung aufzufassen ist (Schmitt a.a.O., § 178 GVG Rn. 4 m.w.N.).
b) Nach diesen Maßstäben war vorliegend die Anordnung eines Ordnungsmittels dem Grunde nach gerechtfertigt.
aa) Der Angeklagte hat die Vorsitzende zweimal als „furchtbare Juristin“ bezeichnet. Der verwendete Begriff stellt – wie der Senat unter gebildeten Verfahrensbeteiligten, zu denen nach Aktenlage, insbesondere nach dem Inhalt der von ihm persönlich verfassten Prozesserklärungen, seiner Vorgeschichte als früherer Kriminalbeamter und Abgeordneter des Deutschen Bundestages und seiner beruflichen Tätigkeit als „Wirtschafts- und Politikberater“ auch der Angeklagte gehört, als bekannt voraussetzt – eine Bezugnahme auf den Titel des bekannten, die Tätigkeit von Richtern des nationalsozialistischen Unrechtsstaates und ihre Weiterbeschäftigung in der deutschen Justiz in den Jahren nach 1945 betreffenden Sachbuches von Ingo Müller („Furchtbare Juristen: Die unbewältigte Vergangenheit der deutschen Justiz“) dar, wobei der Begriff des „furchtbaren Juristen“ auch bereits zuvor von dem Schriftsteller Rolf Hochhuth im Zusammenhang mit der die frühere Tätigkeit als NS-Marinerichter betreffenden Affäre um den früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger geprägt und allgemein bekannt geworden war.
Der Sinngehalt der Äußerungen des Angeklagten beschränkt sich vor diesem Hintergrund nicht darauf, die Vorsitzende als unfähige oder juristisch schlecht arbeitende Richterin darzustellen, sondern stellt sie vielmehr denjenigen Richtern gleich, deren verbrecherisches Handeln unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und deren spätere Weiterbeschäftigung in der deutschen Justiz den Gegenstand des vorstehend genannten Schriftwerkes bilden. Die Äußerungen haben daher ganz erheblichen ehrverletzenden Charakter und stellen im vorgenannten Sinne eine Ungebühr im Sinne eines den Verfahrensablauf erheblich störenden Angriffs auf die Ehre und Würde des Gerichts dar.
An der darüber hinaus erforderlichen vorsätzlichen Begehung der Ungebühr durch den Angeklagten und seiner Schuldfähigkeit bestehen keine Zweifel.
bb) Der Sanktionierung der ehrverletzenden Äußerungen durch Ordnungsmittel steht auch nicht der damit verbundene Eingriff in grundgesetzlich abgesicherte Rechte des Angeklagten entgegen.
(1) In diesem Zusammenhang kann zunächst dahinstehen, ob es sich bei den Äußerungen des Angeklagten um eine sog. „Schmähkritik“ handelt, die im vorstehend erörterten Sinne in keinem inneren Zusammenhang zur Ausführung oder Verteidigung seiner geltend gemachten Rechte steht und deren Sinn und Zweck sich daher in einem Angriff auf den Verfahrensablauf sowie die Ehre und Würde des Gerichts erschöpfen, wofür hier allerdings spricht, dass die Erklärung des Angeklagten, in deren Rahmen die Äußerung erstmals gefallen ist, sich mit der Bewertung der Tätigkeit des mit der Begutachtung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten beauftragten Sachverständigen befasst, während in diesem Zusammenhang ein Verhalten der Vorsitzenden, das zu der vorgenannten herabwürdigenden Äußerung Veranlassung gegeben haben könnte, von dem Angeklagten nicht erörtert wird.
Darüber hinaus hat der Angeklagte die Äußerung nach Unterbrechung seines Vortrags und Entzug des Wortes durch die Vorsitzende wiederholt. Damit hat er sich nicht nur die Sitzungsleitungskompetenz der Vorsitzenden ignoriert, sondern auch den ehrverletzenden, auf die Herabwürdigung der Vorsitzenden gerichteten Charakter der Äußerung hervorgehoben, ohne dass ersichtlich geworden wäre, dass dies in irgendeiner Weise der Wahrnehmung der ihm zustehenden Äußerungs- und Verteidigungsrechte gedient haben könnte.
(2) Soweit es sich gleichwohl bei den Äußerungen des Angeklagten nicht um eine „Schmähkritik“ gehandelt haben sollte, führt jedenfalls die in anderen Fällen vorzunehmende Abwägung zwischen dem mit der angefochtenen Entscheidung verbundenen Eingriff in die Meinungsfreiheit des Angeklagten (Art. 5 Abs. 1 GG) unter Berücksichtigung seines aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Rechts, in der Hauptverhandlung gegebenenfalls auch mit starken, eindringlichen Ausdrücken und sinnfälligen Schlagworten seine Rechte wahrzunehmen einerseits, und dem durch § 178 GVG geschützten Gut der ungestörten, sachlichen und ordnungsgemäßen Durchführung der Hauptverhandlung unter Wahrung der Ehre und Würde des Gerichts im vorliegenden Fall dazu, dass die Äußerungen des Angeklagten durch Ordnungsmittel sanktioniert werden durften.
(a) Im Rahmen der Abwägung war zunächst zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Angeklagten im Kontext der Bewertung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. standen und, wie vorstehend ausgeführt, entweder keinen oder allenfalls einen sehr weitläufigen Bezug zu einem konkreten Handeln der Vorsitzenden – die den Sachverständigen beauftragt hatte – aufwiesen (vgl. vorstehend Ziff. 2. b) bb) (1)), und daher das Recht des Angeklagten auf freie Meinungsäußerung und sein Recht, sich in der Hauptverhandlung zu verteidigen und zu behaupten, durch die erfolgte Ahndung dieser Äußerungen in nicht sehr erheblichem Maße betroffen sind.
(b) Zu keiner anderen Bewertung führt es, dass die Beschwerdebegründung die ehrverletzenden Äußerungen des Angeklagten in einen Zusammenhang gerechtfertigter Kritik des Angeklagten am Verhalten der Vorsitzenden zu rücken versucht. Insoweit wird zusammengefasst ausgeführt, der Angeklagte sei am 17. Juli 2019 gegen 9.00 Uhr wegen Verdachts auf einen Schlaganfall in ein Krankenhaus eingeliefert worden und habe daher den für diesen Tag anberaumten Hauptverhandlungstermin nicht wahrnehmen können. Für die daraufhin von der Vorsitzenden angeordnete Begutachtung zur Überprüfung seiner Verhandlungsfähigkeit habe kein Anlass bestanden, da der Vorsitzenden durch einen Arzt mitgeteilt worden sei, dass Verdacht auf einen Schlaganfall bestehe. Anschließend habe die Vorsitzende trotz angezeigter Verhinderung des Verteidigers und Hinweises auf die anzunehmende Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten Hauptverhandlungstermin für den Folgetag anberaumt und noch am selben Tage die ärztliche Überprüfung der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten veranlasst. Diesem sei am Nachmittag desselben Tages im Krankenhaus die Ladung ausgehändigt worden; kurze Zeit später sei er unangekündigt durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. S. im Rahmen einer 75 Minuten andauernden Exploration auf seine Verhandlungsfähigkeit hin untersucht worden, was bei dem Angeklagten zu einem Anstieg des Blutdrucks geführt habe. Der Vorsitzenden habe sich aufdrängen müssen, dass ein solches Vorgehen der Gesundheit des Angeklagten nicht zuträglich gewesen sei. Vor diesem Hintergrund habe der Angeklagte, als ihm „die Möglichkeit gegeben wurde, zu diesen Vorkommnissen im Rahmen einer verlesenen Prozesserklärung Stellung zu nehmen“, die Erklärung abgegeben, die die später zum Gegenstand des angefochtenen Beschlusses gemachte Äußerung enthalten habe.
Diese Ausführungen der Beschwerdebegründung erwecken unzutreffend den Eindruck, die „Prozesserklärung“ des Angeklagten vom 16. August 2019 habe eine Auseinandersetzung des Angeklagten mit einem bestimmten Verhalten der Vorsitzenden, namentlich bei der Beauftragung des Sachverständigen Dr. S., enthalten. Dies ist indes nicht der Fall. Gegenstand dieser dem Hauptverhandlungsprotokoll beigefügten Erklärung waren vielmehr die ausführliche Beschreibung und Kommentierung seines eigenen Geistes- und Gesundheitszustandes durch den Angeklagten und seine – in zahlreichen Einzelheiten herabwürdigend formulierte – Bewertung der Tätigkeit des Sachverständigen Dr. S.. Demgegenüber hatte der Angeklagte seine Kritik am Vorgehen der Vorsitzenden bei der Beauftragung des Sachverständigen bereits am vorangehenden, mehr als zwei Wochen zurückliegenden Hauptverhandlungstag, dem 1. August 2019, ausführlich zum Gegenstand der Begründung eines die Vorsitzende betreffenden Ablehnungsgesuches gemacht.
(c) Auch der Gegenstand des Strafverfahrens – gegen den Angeklagten war der ursprünglich im Wege des Strafbefehls mit einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen geahndete Vorwurf erhoben worden, eine Nötigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch begangen zu haben, indem er sich zu Geschäftsräumen, zu denen ihm der Zutritt verwehrt worden war, dadurch Zugang verschaffte, dass er die dortige Eingangstür gegen den von der gegenüberliegenden Seite durch einen Zeugen ausgeübten Gegendruck aufschob und sich „hindurchzwängte“ – bietet angesichts der geringen Schwere des Tatvorwurfs und der entsprechend begrenzten Straferwartung keine Veranlassung, das Recht des Angeklagten auf Verteidigung und freie Meinungsäußerung in der Hauptverhandlung in einer über den Normalfall hinausgehenden Weise auszudehnen, zumal dem mit der drohenden strafrechtlichen Verurteilung verbundenen Strafmakel als solchem im Falle des Angeklagten angesichts seiner früheren Verurteilung zu mehrjähriger Freiheitsstrafe keine hervorgehobene Bedeutung zukam.
(d) Demgegenüber stellt sich die Ungebühr des Angeklagten zunächst schon nach dem Inhalt seiner Äußerungen wegen deren aus der Gleichstellung der Vorsitzenden mit verbrecherisch agierenden Richtern der nationalsozialistischen Diktatur folgenden erheblich ehrverletzenden Charakters als gewichtig dar.
(e) Ebenfalls wiegt im Hinblick auf die Bewertung der Ungebühr schwer, dass der Angeklagte sich nicht nur von der mehrfachen Androhung der Verhängung von Ordnungsmitteln wegen ehrverletzender Äußerungen nicht von der Fortsetzung solchen Verhaltens hat abbringen lassen, sondern er auch auf die Unterbrechung des Vortrags seiner die Bezeichnung der Vorsitzenden als „furchtbare Juristin“ enthaltenden Erklärung die ehrverletzende Äußerung – nunmehr in direkter Ansprache an die Vorsitzende – wiederholt und damit zugleich bekräftigt hat, wobei er außerdem die sitzungsleitende Gewalt der Vorsitzenden ignoriert hat, indem er seine Äußerung nach Entzug des Wortes durch die Vorsitzende wiederholt hat.
(f) Schließlich handelte es sich bei der Bezeichnung der Vorsitzenden als „furchtbare Juristin“ auch keineswegs um eine Spontanreaktion des Angeklagten auf das Prozessgeschehen, für deren Sanktionierung nach der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhöhte Anforderungen gelten können, sondern vielmehr um einen von ihm – wie die schriftliche Vorbereitung seiner zum Protokoll der Hauptverhandlung vom 16. August 2019 genommenen „Prozesserklärung“, die die ehrverletzende Äußerung bereits enthält, zeigt – im Vorhinein geplanten und gezielten Angriff gegen die Vorsitzende. Auch dies verleiht der Ungebühr zusätzliches Gewicht.
(g) Im Rahmen der Gesamtabwägung ergibt sich, dass die angefochtene Entscheidung keinen unzulässigen Eingriff in die Rechte des Angeklagten bewirkt. Darauf, dass der Angeklagte außerdem die Vorsitzende und andere Verfahrensbeteiligte bereits im früheren Verlauf der Hauptverhandlung wiederholt persönlich angegriffen und sich über diese herabwürdigend geäußert hat, kommt es dabei nicht mehr an.
c) Auch hinsichtlich der Auswahl von Art und Umfang der verhängten Ordnungsmittel ist die angefochtene Anordnung nicht zu beanstanden.
aa) § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG sieht als wegen Ungebühr zu verhängende Ordnungsmittel ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche vor. Art. 6 Abs. 1 EGStGB konkretisiert den für die Höhe eines zu verhängenden Ordnungsgeldes geltenden Rahmen dahingehend, dass das Mindestmaß fünf, das Höchstmaß eintausend Euro beträgt. Nach § 178 Abs. 1 Satz 2 GVG ist für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit eines verhängten Ordnungsgeldes zu bestimmen, in welchem Maße Ordnungshaft an dessen Stelle tritt.
bb) Vorliegend hat das Amtsgericht zunächst innerhalb der nach § 178 Abs. 1 GVG vorgesehenen Ordnungsmittel mit der Verhängung eines Ordnungsgeldes das für den Angeklagten weniger einschneidende Mittel gewählt.
cc) Im Hinblick auf die gewählte Höhe des Ordnungsgeldes spricht insbesondere die aus den vorstehend zu Ziff. 2. b) erörterten Gründen, insbesondere der erheblichen ehrverletzenden Bedeutung der bereits im Vorhinein geplanten und schriftlich vorbereiteten Äußerung des Angeklagten sowie deren Wiederholung trotz Entzug des Wortes schwerwiegende Ungebühr des Angeklagten für eine Festsetzung im mittleren bis oberen Bereich des gesetzlich bestimmten Rahmens.
Auf Seiten des Angeklagten waren insbesondere seine Rolle als Angeklagter des vorliegenden Verfahrens und die sich daraus ergebende Betroffenheit in den Blick zu nehmen, die sich allerdings vor dem Hintergrund des nicht sehr gewichtigen Tatvorwurfs als von jedenfalls nicht besonders hervorzuhebender Bedeutung darstellen.
Zu den Einkommensverhältnissen des Angeklagten hat das Amtsgericht in der Begründung des angefochtenen Beschlusses keine Ausführungen gemacht. Dem Protokoll der Hauptverhandlung ist allerdings zu entnehmen, dass der Angeklagte zu seiner beruflichen Tätigkeit – in Übereinstimmung mit dem von ihm in Schriftsätzen verwendeten Briefkopf – angegeben hat, er betreibe „Wirtschafts- und Politikberatung“ sowie „Mediation und Coaching“. Er habe „auch zwei Bundestagsabgeordnete, die ich betreue“, außerdem sei er im Bereich „Compliance“ tätig. Da sich hieraus ergibt, dass der Angeklagte im vorgenannten Bereich tatsächlich tätig ist und die Entgeltlichkeit seiner Leistungen vorausgesetzt werden kann, bestehen Anhaltspunkte für eine unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu beanstandende finanzielle Belastung des Angeklagten durch die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes nicht.
Im Rahmen der Gesamtabwägung lässt die Bestimmung der Höhe des Ordnungsgeldes in der Mitte des gesetzlich vorgesehenen Rahmens weder einen Fehlgebrauch des dem Amtsgericht insoweit eingeräumten Ermessens noch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erkennen.
Die für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes ersatzweise angeordnete Ordnungshaft von fünf Tagen entspricht § 178 Abs. 1 Satz 2 GVG und ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.